Titel: Ueber den Debreziner Sauerteig.
Fundstelle: Band 36, Jahrgang 1830, Nr. XXI., S. 115
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XXI. Ueber den Debreziner Sauerteig. Aus einem Schreiben eines Baͤkermeisters zu Wien. Ueber den Debreziner Sauerteig. Erlauben Sie mir uͤber die Erzeugung des Debreziner Sauerteiges, uͤber welchen Sie im 1. Jaͤnerhefte 1830. S. 66. Ihres Polytechn. Journales eine Notiz mit dem Wunsche mittheilten, „weitere Aufschluͤsse daruͤber zu erhalten,“ so wie uͤber die Anwendung desselben einige, auf Erfahrung gegruͤndete Bemerkungen Ihnen mittheilen zu duͤrfen. Was die Zubereitung des beruͤhmten Debreziner Sauerteiges betrifft, so ist dieselbe nach der Aussage glaubwuͤrdiger Maͤnner, die sich mehrere Jahre zu Debrezin aufhielten, und den Sauerteig daselbst sorgfaͤltig beobachteten, in Ihrem Journale aus den angefuͤhrten Quellen richtig angegeben. Dieser Sauerteig mag allerdings die erwuͤnschte Wirkung, gutes Brot zu erzeugen, hervorbringen, indem er auf diese Weise immer frisch, kraͤftig und jung erhalten wird. Er ist, ohne Vergleich, besser, als jener, den die Leute, welche auf dem Lande und in kleinen Staͤdten bei Hause Brot baten, zu ihrem Hausgebrauche, und den sogar Baͤkermeister in Staͤdten zu oͤffentlichem Gebrauche bereiten: dieser Sauerteig ist haͤufig in Essiggaͤhrung uͤbergegangen, also verdorben, und gibt schlechtes ungesundes Brot. Wo es sich um gutes und gesundes Brot handelt, muß man frischen Sauerteig haben, der noch nicht in Essiggaͤhrung oder gar schon, wie es zuweilen geschieht, in anfangender fauler Gaͤhrung steht. Ich muß hier bemerken (ehe ich wieder auf den Sauerteig zuruͤkkomme), daß bei dem Debreziner Brote, so wie bei jedem Brote, auch das Mehl vor Allem beruͤksichtigt werden muß. Die Debreziner haben ein Mehl von vorzuͤglicher Guͤte. Sie nehmen zu ihrem Brote, als Brotmehl, die sogenannte Halbfrucht, d.h. halb Weizen, halb Korn, und ersterer ist auf dem trefflichen Boden von. Debrezin und in dem schoͤnen Klima dieser Stadt nur mit dem sicilianischen Weizen zu vergleichen. Ich habe zu Debrezin selbst Brot gegessen, und zwar zur Marktzeit (außer dieser soll es noch schoͤner und besser seyn), und dasselbe allerdings gut und schmakhaft gefunden, jedoch etwas troken, und wie man in Oesterreich sagt, spaͤhr, d.h. nicht recht saftig. Wenn das Debreziner Brot aber einige Tage alt wird, verliert es auch allen guten Geschmak, was wieder bloß im Mehle liegt. Das Mehl haͤlt naͤmlich zu viel Weizen, und folglich zu viel Kleber. Um diesem Nachtheil des schnelleren Troken- (oder Spaͤhr-) werdens so gut wie moͤglich abzuhelfen, formt man zu Debrezin die Leibe sehr groß, 10, 12 bis 15 Pfd. schwer, indem es sonst nach drei bis vier Tagen nicht mehr genießbar seyn wuͤrde. So gut wir uͤbrigens den Debreziner Sauerteig nach unserer Erfahrung finden, so scheint uns doch das Verfahren bei der Bereitung desselben zu umstaͤndlich, und wir sind uͤberzeugt, daß derselbe Sauerteig sich auf folgende einfachere Weise eben so gut erhalten laͤßt. Man kocht 2 Loth Hopfen in 4 Maß Wasser gut aus, und gießt zwei Drittheile davon siedend heiß durch ein Sieb oder ein leinen Tuch auf die noͤthige Menge Weizenkleie, die man mit einem Ruͤhrholze oder Kochloͤffel mit dieser Fluͤssigkeit abruͤhrt. Das lezte Drittel lasse man durch wiederholtes Hin- und Hergießen aus einem Gefaͤße in das andere so weit abkuͤhlen, bis es lauwarm geworden ist, worauf man es auf vier Pfd. guten frischen Sauerteig, der noch nicht gesalzen wurde, allmaͤhlich gießt, um den Sauerteig gleichfoͤrmig mit der Hopfenabkochung zu vereinigen. Nun erst, nachdem die Weizenkleie, die mit dem siedenden Hopfenabsude (mit den ersten zwei Dritteln desselben) angemacht wurde, so kuͤhl geworden ist, daß man den Finger darein tauchen kann, gießt man das lezte, mit dem Sauerteige gemengte. Drittel der Hopfenabkochung uͤber die Weizenkleie, und knetet diese mit demselben gut durch, damit Alles gleichfoͤrmig gemengt wird. Die durchgeknetete Masse stellt man an einen warmen Ort von der Temperatur eines geheizten Zimmers. Nach 12–15 Stunden (24 Stunden waͤre zu lang) wird diese Masse bereits in Weingaͤhrung gerathen seyn und einen weingeistigen Geruch von sich geben. Jezt ist nun die Zeit, wo diese Masse nach Debreziner Art in Kugeln geformt werden kann, die man an der Luft, aber ja nicht an der Sonne troknen darf, in welcher sie nicht bloß sich broͤkeln und zerfallen, sondern auch ihren Gaͤhrungsstoff (das kohlensaure Gas wenigstens) verlieren wuͤrden. Auch die Anwendung des Debreziner Sauerteiges zur Bereitung des Brotes selbst scheint mir zu weitlaͤuftig und zu umstaͤndlich, so lobenswerth uͤbrigens jede Art von Sorgfalt, um gutes und gesundes Brot zu erhalten, an und fuͤr sich auch wirklich seyn muß. Sie ließe sich auf folgende Weise vereinfachen. Man nimmt, nach der Menge Brotes, die man erzeugen will, 6 bis 8 solche Kugeln, loͤst sie in 2 bis 3 Maß gut gewaͤrmten, aber nicht brennend heißen, Wassers auf, und seihe die Aufloͤsung durch ein leinen Tuch, mit der Sorgfalt, dasselbe gut auszupressen. Man gieße hierauf noch ein Maß Wasser auf den Ruͤkstand, und druͤke das Tuch noch ein Mal gut aus. Mit dieser Aufloͤsung vermenge man nun so viel Mehl, als nothwendig ist, um einen nicht gar festen Teig zu erhalten, welchen man jezt gaͤhren laͤßt, und zwar in einem engen Gefaͤße (Kuͤbel oder Bottiche), damit die Waͤrme nicht so schnell entweicht und dasselbe leicht an jeden beliebigen gehoͤrig warmen Ort gestellt werden kann. Wenn nun diese Masse ihre erste oder Grundgaͤhrung vollendet hat, wozu 6 bis 8 Stunden, je nachdem die Luft, die dieselbe umgibt, mehr oder weniger warm ist, erforderlich sind, laͤßt sich dieselbe leicht vermehren. Man nimmt zu diesem Ende 7 bis 8 Maß lauwarmes Wasser, menge dasselbe mit der gehoͤrigen Menge Mehles gut und gleichfoͤrmig, und seze diese Mischung der obigen gaͤhrenden Masse zu. Dieses neue Gemenge wird seine zweite Gaͤhrung in 2 bis 3 Stunden vollendet haben. Wenn nun dieser zweite Gaͤhrungsproceß, der zugleich ein Vermehrungsproceß des Gaͤhrungsstoffes ist, sein Ende erreicht hat, schreitet man zum Ankneten des Teiges. Man nimmt wieder 7 bis 8 Maß Wasser, jedoch mehr kalt als warm, (die Temperatur des Wassers richtet sich hier nach der Temperatur der Luft), salzt dieses gehoͤrig (d.h. mit 2 oder 2 1/2 Loth Salz auf Ein Maß Wasser, je nachdem man Koch- oder Steinsalz hat) und ruͤhrt dieses Wasser mit der in Gaͤhrung stehenden Masse gleichfoͤrmig ab. Dieser mit Wasser nun verduͤnnten Masse sezt man die zum Teige noͤthige Menge Mehles zu, knetet den hierdurch entstehenden Teig kraͤftig durch, sowohl um alle Bestandtheile desselben gehoͤrig zu mengen, als um die uͤberfluͤssige kohlensaure Luft, die sich in der fruͤheren Gaͤhrung entwikelte, zu entfernen, und formt dann sogleich, wie das Kneten vollbracht ist, den Teig in diejenige Gestalt, die man dem Brote geben will, damit, die Masse des Teiges nicht neuerdings in Gaͤhrung geraͤth, was dem angenehmen Geschmake des Brotes sehr nachtheilig seyn wuͤrde. Wenn man auf diese Weise mit dem Debreziner Sauerteige bei der Broterzeugung verfaͤhrt, so wird man gewiß mit der groͤßten Sicherheit immer gutes Brot erhalten. Ich unterziehe dieses Verfahren dem Urtheile aller Sachverstaͤndigen. Entschuldigen Sie diese Bemerkungen, zu welchen Sie Selbst Veranlassung gaben. Wo ich von Brot lese, da glaube ich, was Brot angeht, geht auch mich an. Nach meiner Ansicht hat Brot, gesundes Brot, weit mehr Einfluß auf das physische Wohl des Menschen, als manche glauben, die sich mit Menschenwohl beschaͤftigen, und ich weiß, als Baͤker, so gut als mancher Arzt, daß viele Menschen lediglich durch Genuß von schlechtem ungesunden Brote, das auf dem platten Lande weit haͤufiger vorkommt, als man glaubt, krank und siech wurden und dahin starben.