Titel: | Steinbahn. Commercialstraße zu London. |
Fundstelle: | Band 36, Jahrgang 1830, Nr. LVIII., S. 261 |
Download: | XML |
LVIII.
Steinbahn. Commercialstraße zu
London.
Aus dem Mechanics' Magazine. N. 547. 3. April. S.
73.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI. und VII.
Ueber die Steinbahn zu London.
Da die Commercialstraße zu London die Verbindungslinie zwischen den Ost- und
West-Indien-Werften und Landungsplaͤzen (East- and West-India-Docks) und den großen Magazinen
im oͤstlichen Theile von London bildet, so werden natuͤrlich auf
dieser Straße schwerere Lasten haͤufiger gefahren, als auf jeder anderen
Straße der Hauptstadt. Das außerordentliche Verderben dieser Straße und die
ungeheueren Kosten des bestaͤndigen Ausbesserns derselben veranlaßten die
Eigenthuͤmer vor drei Jahren eine Steinbahn anzulegen, nach Art der alten
Roͤmerwege, und nach den Resten, die man noch von denselben zu Mayland,
Florenz, Siena und in anderen Staͤdten Italiens noch heute zu Tage sehen
kann. Es sollte naͤmlich ein Fahrweg mit zwei Reihen großer
Steinbloͤke gelegt werden, auf welchen die Raͤder laufen, und zwischen
diesen der fuͤr die Pferde bestimmte Weg mit Sand bestreut seyn.
Außer dem großen Gewinne, den ein solcher Weg in Hinsicht auf Dauer gewaͤhrt,
versprach er auch noch andere Vortheile in Hinsicht auf Erleichterung des Zuges
fuͤr die Pferde, so daß die Frachtkosten dadurch
verhaͤltnißmaͤßig vermindert wuͤrden. Die Directoren der
Werftengesellschaften fanden daher diesen Plan gut, und wirkten herzlich zur
Ausfuͤhrung desselben bei.
Diese Steinbahn ist, insofern das Geleise flach und gleich hoch mit der Straße liegt,
das, was man in England Tram-way nennt. Der
Vortheil bei solchen Tram-Wegen
„(man koͤnnte diesem deutsch klingenden Worte wohl das
Buͤrgerrecht in der deutschen Sprache ertheilen),“ sie
moͤgen aus Eisen oder Stein seyn, besteht vorzuͤglich darin, daß Wagen
aller Art, mit allen Arten von Raͤdern, auf denselben fahren koͤnnen;
daß man uͤber dieselben hin und her fahren, und dieselben verlassen kann,
wann und wo man will.
Man zog hier Stein dem Eisen vor, weil ersterer weniger schluͤpfrig bei nassem
und kaltem Wetter ist, als Eisen, und folglich weniger Unfaͤlle zu besorgen
sind. Dieser Vortheil wurde aber zu hoch angeschlagen und etwas theuer erkauft.
Stein ist zu London, bei seiner Entfernung von Steinbruͤchen, theurer als
Eisen, und weil er sich eben so leicht abnuͤzt als Eisen verrostet, weniger
dauerhaft. Ein wichtiger Vortheil, den Eisenschienen oder Platten vor jenen von
Stein voraus haben, ist ferner der, daß sie die darunter befindlichen Steinplatten
schuͤzend deken, und, wenn sie endlich abgenuͤzt wurden, leicht mit neuen
ausgewechselt werden koͤnnen, waͤhrend der Stein bis zur Tiefe
mehrerer Eisenplatten abgenuͤzt worden seyn muß, ehe man an Ausbesserung
desselben, d.h. an Auswechselung, denken kann; wenn aber der Stein einmal so tief
abgenuͤzt ist, daß er mit der Straße nicht mehr gleich liegt, hat aller
Vortheil eines Tramweges sein Ende. Zu Pompeji sind noch Reste eines solchen
roͤmischen Steinweges, in welchem die Steine bis zur Haͤlfte ihrer
Tiefe hinab ausgefahren sind. Was bei den Roͤmern geschah, kann bei uns
wieder geschehen.
Tramwege, sie moͤgen aus Stein oder aus Eisen seyn, haben den Nachtheil, daß
sie mehr der Reibung ausgesezt sind, als eigentliche Eisenbahnen (Kantenbahnen, edge-rails); daß sie leichter mit Staub und Koth
verlegt werden: indessen hat dieß bei dem Foͤrdern der Lasten auf dieser Bahn
weniger zu bedeuten, da es sich weniger um Schnelligkeit, als um leichten Zug
handelt, und die Streke des Weges hier kurz ist.
Man wollte Anfangs zwei solche Bahnen anlegen: die eine hin, die andere
zuruͤk: also auf jeder Seite der Straße eine. Da aber die Lasten
vorzuͤglich von den Werften nach der Stadt gefahren werden, so
begnuͤgte man sich bei einem ersten Versuche einstweilen mit Einer Bahn, die
man an der Suͤdseite der Straße anbrachte. Man begnuͤgte sich auch
Anfangs, dieselbe nur zwischen dem Ende der Berner-Street-,
White-Chapel- und Westindien-Werfte, also auf einer Streke von
2 englischen Meilen, anzulegen, indem auf dieser Streke die schwersten Lasten
gezogen werden.
Sonnabends ward die Bahn fertig und dem Publikum eroͤffnet. Der Erbauer
derselben ist Hr. Jak. Walker.
Die Vollendung, die er seinem Werke zu geben wußte, zeigt, daß man keinen besseren
Straßenbaumeister haͤtte waͤhlen koͤnnen. Unsere Skizze stellt
dieselbe im Durchschnitte dar. A, Fig. 2. Tab. VI. ist ein
Theil einer Macadamisirten Straße fuͤr leichte Wegen und Pferde, 22 Fuß
breit. B, ist die Steinbahn fuͤr Lastwagen, 7 Fuß
breit; C, eine mit Granit gepflasterte Straße
fuͤr Miethkutschen etc., 9 Fuß breit; D, ein
Fußweg (Trottoir) von 8 Fuß Breite. Aus Fig. 1. Tab. VII. ersieht
man den Laͤngendurchschnitt der ganzen Streke von
West-India-Docks bis White-Chapel. Man wird finden, daß die
Bahn, ein paar Abweichungen abgerechnet, gegen London hin aufsteigt, jedoch nur, auf
diesen ganzen 2 Meilen, um 1 Schuh in 274, und auf vier Fuͤnftel derselben
nur um 1 in 250. Man koͤnnte also im Ganzen, nach der gewoͤhnlichen
Ansicht, diese Bahn fuͤr eben und gut gelegen zu einer Eisenbahn
erklaͤren.
Die Steine bei dieser Bahn sind durchaus Granit; der groͤßte Theil desselben ist von
Aberdeen;Wir haben in Bayern den herrlichsten Granit an der Donau bei Dekendorf, und
bauen zu Muͤnchen aus den elenden Kellheimer Steinen. Aberdeen ist
von London 75 deutsche Meilen!A. d. Ue. ziemlich viel ist von Herm-Island; einiger von Mount-Sorrel in
Leicestershite;105 englische (26 deutsche) Meilen von London; ein paar Stunden weiter, als
von Muͤnchen nach Dekendorf; und hier werden die Steine bloß auf der
Achse gefahren.A. d. Ue. einiger von den Inseln Guernsey und Jersey. Die Steine lieferten die HHrn.
Freeman zu Milbank. Die
Steine sind nicht, nach der hirnlosen alten Pflastererweise, unten schmaͤler
zugehauen, sondern vollkommen vierekig, und passen hoͤchst genau an einander,
so daß weder von oben noch von unten irgend ein fremder Koͤrper zwischen sie
eintreten kann. Sie ruhen, damit sie nicht einsinken koͤnnen, auf einem
festen Lager von Moͤrtel und grobem Kiese, wie die Steine im
Roͤmerwege von Pompeji, die nun, nach bald zwei Tausend Jahren, selbst jezt
noch nicht eingesunken sind, wo sie bereits zur Haͤlfte abgefahren sind.
Was die Erleichterung des Zuges auf dieser Steinbahn betrifft, so waren wir von
derselben Sonnabends Augenzeuge. Sechs Wagen fuhren mit folgender Last beladen:
1) ein niedriger Karren mit zwei großen Portlandsteinen, und so viel Matrosen und
Arbeitern auf diesen, daß die Last 10 Tonnen (200 Ztr.) wog.
2) ein Wagen mit Zukerfaͤssern und so viel Menschen, daß die last 10 Tonnen
(200 Ztr.) betrug.
3) ein Wagen mit Steinen; Last 8 Tonnen (160 Ztr.).
4) – –
mit Pflastersteinen; Last 7 Tonnen (140 Ztr.).
5) – –
– Steinen;
– –
–
–
6) – –
mit Portlandsteinen; Last 7 1/2 Tonnen (145
Ztr.).
Die ersten beiden Wagen hatten die Patentraͤder von Jones und Comp.; die besten, die man bisher
hat, und deren Vorzuͤge sich auch bei diesem Versuche erwiesen. Die
Raͤder an den anderen Wagen waren wie gewoͤhnlich. Der erste Wagen
(mit 200 Ztr. beladen) ward von Einem großen starken Karrengaule gezogen; der zweite
von zwei kleineren; die uͤbrigen alle von Einem starken Karngaule.
Die Gaͤule zogen diese schwere Last von den West-India-Docks bis
City-End in 34 1/2 Minuten, d.h. 4 englische (eine deutsche) Meile weit in
Einer Stunde. Der erste Wagen mit Jones's Raͤdern war 150 Fuß voraus. Das
Pferd arbeitete sich leicht, und schien nicht ermuͤdet, waͤhrend die
Pferde an den anderen Wagen mit den gewoͤhnlichen Raͤdern selbst bei
der geringeren Last sich haͤrter arbeiteten.
Auf gewoͤhnlichen Straßen haͤlt man es bei uns fuͤr gut gezogen
und gefahren, wenn Ein Pferd eine Tonne (20 Ztr.) in Einer Stunde 4 englische (eine deutsche)
Meile weiter foͤrdert. Hier hat Ein Pferd, bei Jones's Raͤdern, um 9 Tonnen (180 Ztr.)
mehr gezogen; bei den gewoͤhnlichen Raͤdern um 6–7 Tonnen
(120–140 Ztr.) mehr.
Hr. Walker schaͤzt, nach
Versuchen vom vorigen Maͤrz 1829, daß auf einer solchen Bahn Ein Pferd 6
Tonnen (120 Ztr.) im Durchschnitte mit gewoͤhnlichen Raͤdern leicht
ziehen kann. Wir zweifeln nicht, daß es mit den Raͤdern des Hrn. Jones 8 Tonnen (160 Ztr.) leicht
ziehen wird.
Hr. Walker berechnet die
Reibung auf einem Steintramwege auf 12 1/2 Pfd. fuͤr die Tonne, oder 1/180
der ganzen Last. „Diese Reibung,“ sagt er,
„betraͤgt nicht wehr als auf der besten
Kanten-Eisenbahn.“ Wir zweifeln keinesweges an der Richtigkeit
seiner Berechnung auf seiner Bahn; die neuesten Versuche auf der Liverpool-
und Manchester-Eisenbahn (Mechan. Mag. S. 315,
461. des vorigen Bandes Polyt. Journ. Dec. Heft 29. Jan.
Heft 1830) sprechen aber fuͤr die Eisenbahn nach dem
Kanten-Principe.
Auszug aus Hrn. Walker's Bericht uͤber seine Versuche
auf dieser Bahn im J. 1829.
Die Versuche wurden auf der Streke zwischen West-India-Dock und dem
ersten Schlagbaume auf der Commercialstraße mit einem sehr guten Wagen der HHrn.
Smith und Sohn,
Brantweinbrenner, und einem Steinkarren der HHrn. Freeman angestellt. Der Staub ward am Morgen von
dem Steintramwege weggekehrt.
Die Streke betrug 550 Fuß. Davon hatten 250 Fuß zunaͤchst den Docks eine
Neigung von 1 Fuß aufwaͤrts (1 in 250); die uͤbrigen 300 Fuß stiegen
um ungefaͤhr 2 1/2 Fuß auf (1 in 116). Das gesammte Aufsteigen
betraͤgt also 550 Fuß in 3 1/2 Fuß, oder 1 in 155.
Die Schwere einer Tonne auf der niedrigsten Laͤnge dieser Streke ist demnach:
2240 Pfd.
(Die Tonne so hoch gerechnet) getheilt
durch 250
9 1/2 Pfd.
Dieselbe auf der oberen Laͤnge
dieser Streke: 2240 getheilt durch 116
19 1/3 –
––––––––––
Durchschnitt der Schwere einer Tonne auf
der ganzen Laͤnge (2240/155)
14 1/2 Pfd.
1ster Versuch. Der Durchschnitt des Widerstandes im Allgemeinen von 4
Tonnen netto (d.h. 1 Tonne 16 Ztr.
fuͤr den Wagen und 2 Tonnen 4 Ztr. fuͤr
die Fracht) war, mittelst einer
Federwagmaschine bestimmt
127 Pfd.
Hiervon abgezogen die Schwere von 4 Tonnen,
oder 19 1/3 × 4, also
77 –
––––––––––
gibt an Reibung fuͤr 4 Tonnen
50 Pfd.
Also fuͤr Eine Tonne 12 1/2 Pfd. oder 1/180 der ganzen gezogenen Last.
Diese Reibung betraͤgt nicht mehr als auf der besten Eisenbahn. Ich denke, daß
die groͤßere Groͤße unserer Raͤder, und der Umstand, daß sie
keinen hervorstehenden Rand haben, die Rauhheit der Steine ersezt, selbst wenn diese
neu sind, und die Glaͤtte des Eisens aufwiegt.
2ter Versuch. Ein kleines Roͤßchen (a pony), 12 1/2 Faust hoch, 4 1/2 Ztr. schwer, zog auf
dem oberen Theile des Steintramweges, und dann auf dem unteren, 6 Tonnen (den Wagen
mitgerechnet). Ich hatte damals den Unterschied in dem Aufsteigen dieser beiden
Theile noch nicht so genau berechnet, sonst haͤtte ich das Thierchen den
oberen Theil noch ein Mal durchlaufen lassen; es hat dieselbe Streke schon mehr denn
ein Mal zuruͤk gelegt.
Schwere,
19 1/3 × 6 Tonnen
116 Pfd.
Reibung,
12 1/2 ×
–
75 –
–––––––
zusammen
191 Pfd.
119 Pfd. getheilt durch 12 1/2 Pfd., die Reibung Einer Tonne, gibt 15 Tonnen.
Das kleine Roͤßchen hat demnach so viel gethan, als ob es 15 Tonnen auf ganz
ebenem Wege gezogen haͤtte.
3ter Versuch. Der Wagen (wie im vorigen Versuche beladen)
wurde umgekehrt, und von demselben Roͤßchen gezogen: er lief, ohne daß er von
dem Thierchen gezogen wurde, nachdem dasselbe ihn ein Mal in Gang gebracht hatte,
von selbst mit zunehmender Geschwindigkeit bis vor das Thor der Docks, und noch eine
gute Streke uͤber den Steintramweg hinaus. Folglich uͤberwiegt der
kleine Durchschnittsfall von 1 in 155 den Widerstand der Reibung.
4ter Versuch. Ein starker Gaul (14 Ztr. schwer) zog 12
Tonnen (den Wagen eingerechnet) vom Thore der West-India-Dock bis zum
Schlagbaume mit einer Schnelligkeit von 4 Meilen auf die Stunde.
Nimmt man die obere Laͤnge, oder ein Aufsteigen von 1 auf 116, so
erhaͤlt man
Schwere,
12 × 19 1/3
232 Pfd.
Reibung,
12 × 12 1/2
150 –
–––––––
Zusammen
382 Pfd.
382 getheilt durch 12 1/2 gibt aber 30 Tonnen. Der starke Gaul hat also so viel
gethan, als ob er 30 1/2 Tonne auf ebenem Wege gezogen haͤtte.
Man rechnet im Durchschnitte, daß ein Pferd des Tages 150 Pfd. auf einer Streke von
20 engl. Meilen bewegt. Das Roͤßchen hat folglich ein
Viertel mehr als das Durchschnitts-Tagwerk eines Pferdes, und der
Gaul so viel als 2 1/2 Pferd geleistet. Der Gaul schien mit Leichtigkeit zu gehen; die
Anstrengung war indessen doch zu groß, als daß sie lang haͤtte anhalten
koͤnnen, und eine Basis zu einer allgemeinen Berechnung haͤtte liefern
koͤnnen.
Im Ganzen denke ich, daß ein Zugpferd auf einem ganz ebenem Steintramwege 10 Tonnen
(den Wagen eingerechnet) ziehen kann. Da aber die Commercialstraße gegen London
etwas bergan geht, so halte ich 6 Tonnen, den Wagen eingerechnet, fuͤr die
eigentliche Last eines Zugpferdes auf derselben.
In der Durchschnittszeichnung dieses Steintramweges bezeichneten die weißen, zwischen
den zwei Linien leer gelassenen, Stellen Aberdeen-Granit; die schattirten, so daß die Striche links geneigt
sind, Herm-Granit, wo sie rechts geneigt sind, Guernsey-Granit, Jersey ist ××
schraffirt. Leicester-Granit durch oo angedeutet. Die Neigung der verschiedenen
Abhaͤnge ist: 1) Abhang von der West-India-Dock bei A bis a: Aufsteigen 1/800 2)
Von A bis B: Poplargate:
Aufsteigen: 1/114. 3) Von B bis C, Three Colt-street: Aufsteigen: 1/294. 4) Von C bis D,
Limehouse-bridge: Aufsteigen: 1/94. 5) Von D bis
E, Millplace: Aufsteigen: 1/197. 6) Von E bis F,
Regent's-Canal-bridge: Aufsteigen: 1/316. 7) Von F bis G, Brunton's Factory:
Aufsteigen: 1/325. 8) Von G bis K, 230 Fuß außer Stepney Cansavay: Aufsteigen: 1/320. 9) Von K bis außer L,
Jamaica-Street, 1/332. 10) Von L bis M und daruͤber, John-street: Aufsteigen:
1/400. 11) Von M bis nahe an N, Fall: 1/400. 12) Von N bis
Canon-street-gate und fort bis Berner's-street: Aufsteigen:
1/220. 13) Von Berners-street bis an das Ende der Bahn: Aufsteigen: 1/79.