Titel: Beschreibung einer neuen parallelen Bewegung für Dampfmaschinen, mit Bemerkungen über die Vortheile, welche sie vor den gewöhnlichen Vorrichtungen dieser Art von aus hat. Von Uriah Brown, Maschinenzeichner zu Washington.
Fundstelle: Band 36, Jahrgang 1830, Nr. LXXV., S. 368
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LXXV. Beschreibung einer neuen parallelen Bewegung fuͤr Dampfmaschinen, mit Bemerkungen uͤber die Vortheile, welche sie vor den gewoͤhnlichen Vorrichtungen dieser Art von aus hat. Von Uriah Brown, Maschinenzeichner zu Washington. Aus dem Franklin-Jounal, B. VI. St. 4. S. 280. Mit einet Abbildung auf Tab. VII.Dieser Aufsaz wurde von Hrn. U. Brown bereits am 10. Sept. 1825 geschrieben. War wissen nicht, oh die Idee des Hrn. Verfassers zeither an irgend einer Dampfmaschine ausgefuͤhrt wurde, obschon er sich ein Patent auf dieselbe ertheilen lassen wollte. Das Franklin-Journal theilte sie a. a. O. erst nach 5 Jahren mit. Wenn sie auch bei Dampfmaschinen nicht angewendet wurde oder angewendet werden konnte, so laͤßt sie sich vielleicht bei anderen Maschinen benuͤzen. Aehnliches hatten wir indessen auch schon in Europa. A. d. Ue. Eine parallele Bewegung dieser Art findet man an den Kastengeblaͤsen in Reichenhall und Bergen schon seit langer Zeit angewendet.G. Haevel. Brown, Beschreibung einer neuen parallelen Bewegung fuͤr Dampfmaschinen. Ich nenne die hier vorgeschlagene Verbesserung den doppelten Tangenten Ketten-Hebel „(the double Tangent Chain Lever).“ Der Zwek desselben ist, die Bewegung und Kraft von dem Staͤmpel auf den Hebel oder auf den Werkbalken der Dampfmaschine uͤberzutragen, und die geradlinige Bewegung desselben in eine abwechselnde oder bestaͤndige kreisfoͤrmige Bewegung zu verwandeln, und dieß zwar auf eine einfachere, wohlfeilere und kraͤftigere Weise, als es bisher auf irgend eine andere bekannte Art moͤglich war. Diesen Zwek will ich naͤmlich durch zwei Ketten, a und b, Fig. 3. erreichen, welche abwechselnd auf dem Umfange eines Bogens an dem getriebenen Ende des Hebels arbeiten. Diese Kette, haben denselben Bau, wie die Ketten an einer Taschenuhr, und sind jede mit einem Ende an Hervorragungen, wie d und c, an den beiden entgegengesezten Enden des Bogens mittelst Stellschrauben und Nieten befestigt, und an den anderen Enden an gegenuͤberstehenden Punkten auf einer Senkrechten (uͤber und unter dem Bogen) an den Querbalken f und g eines offenen schiebbaren Rahmens in Form eines Parallelogrammes. In den Mittelpunkt desselben, gerade uͤber der Staͤmpelstange h, welche damit in Verbindung steht, ragt der Umfang des Kreises hinein, und schwingt sich frei hin und her. Die Ketten liegen parallel mit einander und mit der Bewegung des Staͤmpels von einem Punkte zu dem gegenuͤberstehenden, wo sie in die Querbalken des schiebbaren Rahmens eingefuͤgt sind, bis sie in einem Tangentenpunkte E des Bogens, horizontal mit dem Stuͤzpunkte A, zusammentreffen oder vor einander voruͤber laufen. Von diesem Punkte aus folgen sie der Peripherie des Bogens zu den entgegengesezten Punkten desselben, c und d, und wirken auf dieselben so, daß sie die Bewegung und Kraft von. dem Staͤmpel auf den Hebel und auf die mit demselben verbundenen Theile uͤbertragen, und dieselben abwechselnd in die Hoͤhe heben und niederdruͤken; d.h., wenn der Staͤmpel in die Hoͤhe zieht, wird der Hebel von C nach B bewegt, und wenn der Staͤmpel niedersteigt, kommt der Hebel wieder gegen C. Die Vortheile, welche, nach meiner Ansicht, dadurch entstehen, bestehen darin, daß ein Theil der Kraft der Maschine erspart wird, welcher bei der jezigen Methode die Bewegung dem Hebel mitzutheilen verloren geht, und zwar durch den Winkel, welchen die Verbindungsstange mit der Staͤmpelstange bildet und mit dem Hebel an den oberen und unteren Punkten, B und C, und durch den starken Grad von Reibung, welcher unvermeidlich dadurch entstehen muß selbst bei der besten Vorrichtung, um eine parallele Bewegung an dem Staͤmpel zu erhalten. Diese Ersparung an Kraft wird nun dadurch bewirkt, daß man die Ketten gleichfoͤrmig auf denselben Tangentenpunkt E des Umfanges des Bogens wirken laͤßt. Das Maximum der Kraft der Maschine wirkt daher bestaͤndig auf den Halbmesser, und die Ketten rollen abwechselnd auf dem Bogen auf und ab bei dem horizontalen Punkte E, unterhalten eine vollkommen gleichfoͤrmige Bewegung an dem Staͤmpel, und erzeugen keine andere Reibung, als diejenige, welche durch die Nieten an den Zusammenfuͤgungen der Glieder derselben entsteht. Um die Sache deutlicher zu machen, und den entschiedenen Vortheil bei dieser Vorrichtung uͤber jene mit dem gewoͤhnlichen Hebel darzustellen, sey, in Hinsicht auf den gemeinen Hebel, der Halbmesser AE = der Laͤnge des Hebels AB von dem getriebenen Ende aus; der Sector, in welchem dieser Hebel von B bis C sich hin und her schwingt, = 60°, d.h., 30° uͤber und 30° unter dem Halbmesser oder der horizontalen Linie ADE. Da sich nun die Staͤmpelstange h in der Linie der Tangente auf den Halbmesser AE bewegt, so ist es klar, daß die Bewegung, welche dem Hebel in irgend einem Punkte, AB, Kraft ertheilt, in paralleler Richtung mit der Tangentenbewegung des Staͤmpels seyn muß; daß also auf jedem Punkte E, in welchem der Hebel kleiner wird, als der Halbmesser, der Raum, durch welchen die Kraft sich bewegt, sich wie der Sinus rectus des Erhebungs- oder Senkungs-Winkels des Hebels, und zwar nur in dieser Richtung, verhalten muß. Die wirkende Kraft, welche auf den gewoͤhnlich gebraͤuchlichen Hebel geaͤußert wird, bei jedem zunehmenden Punkte, wodurch er kleiner wird als der Halbmesser, verhaͤlt sich also, wie der Cosinus. Die Kraft, welche verloren geht (oder ohne Nuzen angewendet wird), ist folglich wie der Sinus versus des Erhebungs- oder Senkungs-Winkels. Es sey R v c = dem Halbmesser AE= dem Sinus versus DE= dem Cosinus AD des Dreiekes ABD und ACD; M = dem Maximum der auf dem Punkte E geaͤußerten Kraft; = R; l = der verlornen Kraft = v; r = der noch uͤbrigen Kraft = c; so ist M = : l : : R : v; und M : r : : R : c : oder l : M : : v : R; und r : M : : c : R. Bei einem Winkel von 30° ist R = 1, v = 0,1339746 c = 0,8660254. Wenn M = der Kraft von 100 Pferden, so ist Textabbildung Bd. 36, S. 370 die verlorne Pferdekraft die noch uͤbrige angewendete Pferdekraft. Da aber diese Groͤße des Sinus versus, und die davon abhaͤngende verhaͤltnißmaͤßige Verminderung der Kraft nur von augenbliklicher Dauer ist, waͤhrend die Bewegung vom Zenith zum Nadirpunkte (B und C) fortschreitet, so muß das Mittel zwischen diesen beiden Punkten genommen werden; naͤmlich der Horizontalpunkt (E), in welchem das Maximum der geaͤußerten Kraft Statt hat, muß als Durchschnitt des Verlustes, welchen die Kraft bei Anwendung des gemeinen Hebels erleidet, genommen werden, d.h., der Sinus versus von 21° mehr einem Bruchtheile, oder 6,6987300. Wenn man die Gleichung hiernach einrichtet, und M = dem Durchschnitts- oder mittleren Verluste der Kraft bei einem Sinus versus von 21° etc. sezt, so erhaͤlt man Textabbildung Bd. 36, S. 370 dem Durchschnitte der Pferdekraft, welche verloren geht, und Textabbildung Bd. 36, S. 370 dem Durchschnitte der angewendeten oder wirklich geaͤußerten Pferdekraft. Hieraus erhellt, daß der Verlust bei dem gemeinen Hebel, wenn er durch einen Raum von 60° spielt, 6,69 etc. per Cent, betraͤgt, und der Durchschnitt der wirklich geaͤußerten Kraft 93,30 etc. p. C. des Maximums der Kraft der Maschine. Zu diesem Verluste an Kraft kann man noch jenen hinzurechnen, der durch die Reibung entsteht, welche aus der Unterhaltung einer parallelen Bewegung am Staͤmpel hervorgeht, vorzuͤglich wann die Verbindungsstange den groͤßten Winkel mit der Staͤmpelstange bildet, und der Hebel sich auf den obersten Punkten (B und C) befindet; auf denjenigen Punkten, auf welchen die Reibung fuͤr die Maschine gerade auf die moͤglich groͤßte nachtheilige Weise wirkt: auf diesen Punkten naͤmlich ist die Kraft, welche auf den Hebel wirkt, auf ihrem Minimum, und die Kurbel an dem Ende des gegenwirkenden Hebels auf ihrem sogenannten todten Punkte, und es wirkt folglich keine andere thaͤtige Kraft, außer derjenigen, die vorher dem Flugrade und durch die vis inertiae mitgetheilt wurde, wodurch die Maschine aus diesem mechanischen Dilemma herausgerissen wird, in welches alle Ursachen zusammenwirkten sie zu versezen. Die Kraft, welche auf diese Weise durch die Reibung, die an der Vorrichtung zur Unterhaltung einer parallelen Bewegung am Staͤmpel hervorgeht, und durch die nachtheilige Einwirkung derselben auf die Kurbelbewegung verloren geht, kann vielleicht fuͤglich dem Durchschnittsverluste der Kraft am Hebel gleichgestellt werden, die, wie oben angegeben wurde, = 6,6987300 ist. Diese demnach zu demselben addirt, gibt 13,3974600 als den ganzen Betrag der verlornen Pferdekraft; oder 13,39 per Cent, des Maximums der Kraft von 100 Pferden. Eine gewoͤhnliche Dampfmaschine von der Kraft von 100 Pferden ist also wirklich nur einer Maschine von der Kraft von 86,60 bis 86,100 etc. Pferden gleich, die nach meinem Grundsaze erbaut ist. Man kann vielleicht gegen diese Verbesserung einwerfen, und als Beweis fuͤr die gegenwaͤrtige Form der Dampfmaschinen anfuͤhren, daß es uͤberfluͤssig ist den Staͤmpel auf einer so langen Streke seines Zuges arbeiten zu lassen; oder daß, wenn dieses nothwendig waͤre, eine verhaͤltnißmaͤßige Hebellange angewendet werden koͤnnte, wodurch der oben erwaͤhnte Winkel mit der Verbindungsstange kleiner wuͤrde. Ich sehe ein, daß dieses in einigen Fallen thunlich waͤre; ich sehe aber auch ein, daß gerade in dem Verhaͤltnisse, als die Laͤnge des Zuges oder Stoßes des Staͤmpels vermindert wird, die Nothwendigkeit, die Kurbel oͤfter durch die todten Punkte laufen zu lassen, vermehrt wird; ein Umstand, den alle Mechaniker so viel moͤglich zu vermeiden suchen. Die Anwendung eines sehr langen Hebels ist oͤfters mit den groͤßten Nachtheilen verbunden, vorzuͤglich auf Dampfbothen, wo, wegen Mangels an Raum und wegen anderer Umstaͤnde, die Laͤnge des Zuges oder Stoßes auf kleine Streken beschraͤnkt ist, und die haͤufige Wiederkehr der Kurbel auf die todten Punkte und die dadurch entstehende Verminderung der Kraft das Resultat hiervon wird. Wenn man aber auch zugeben wollte, daß die Laͤnge des Hebels und des Zuges oder Stoßes in's Unendliche vergroͤßert werden koͤnnte, so werden die oben erwaͤhnten Schwierigkeiten dadurch nur zum Theile, nicht ganz, beseitigt, waͤhrend andere gleich wichtige Nachtheile durch die große Schwere und durch die Kosten eines solchen Hebels und der uͤbrigen damit verbundenen Theile entstehen. Es erhellt aus der Betrachtung des oben aufgestellten Grundsazes, daß man der Bewegung des Staͤmpels eine große Laͤnge durch ein sehr kleines Hebelwerk geben kann, und daß folglich die Nachtheile, die bei dem gewoͤhnlichen Hebelwerke Statt haben, durch die Anwendung des hier vorgeschlagenen beseitigt werden koͤnnen. Eine andere Ruͤksicht von nicht geringer praktischer Wichtigkeit, welche fuͤr meinen Man spricht, ist die Einfachheit dieser Vorrichtung; sie geraͤt!) folglich nicht so leicht in Unordnung, und kann, wenn sie in dieselbe gerathen ist, leicht und schnell ausgebessert werden. Ein Arbeiter kann so zu sagen mit einem Druke in wenigen Minuten diese Ausbesserung vornehmen, waͤhrend bei den gegenwaͤrtigen Dampfmaschinen oft viele Menschen Stunden lang arbeiten muͤssen, um die zusammengesezten und zarten Theile, welche die Vorrichtung zur parallelen Bewegung zwischen Hebel und Staͤmpelstange bilden, gehoͤrig wieder herzustellen. Dieser Grundsaz laͤßt sich ebenfalls zur gleichmaͤßigen Verbindung des Hebels mit allen Staͤmpeln, die zu einer Dampfmaschine gehoͤren, und bei allen anderen Maschinen, wo eine geradlinige Bewegung in eine abwechselnde oder anhaltende krummlinige Bewegung verwandelt werden soll, anwenden. Ich mache keinen Anspruch auf die Erfindung dieser Kette oder auf die erste Anwendung derselben fuͤr sich allein zum Betriebe einer Dampfmaschine. Die HHrn. Savary, Brighton, Watt u.a. haben schon vor mehreren Jahren eine einzelne Kette bei ihren atmosphaͤrischen und einzeln wirkenden Maschinen angebracht, wo es sich nur um eine geradlinige Bewegung handelte; sie haben sie, ohne Zweifel, bloß deßwegen aufgegeben, weil sie nicht die ausgedehntere Anwendung dieses Grundsazes zur Erzeugung einer umdrehenden Bewegung zu jener Zeit erkannten, wo die Dampfmaschinen in Fabriken allgemein als Triebkraft benuͤzt wurden. Ich nehme auch nicht die Anwendung der Ketten auf Maschinen, an welchen eine umdrehende Bewegung in eine abwechselnde geradlinige zu verwandeln ist, als meine Erfindung in Anspruch, indem Ketten bei Feuersprizen etc. zu diesem Ende bereits angewendet wurden. Ich nehme nur die Anwendung der zwei oben beschriebenen Ketten zu Erzeugung einer abwechselnden oder anhaltenden kreisfoͤrmigen oder umdrehenden Bewegung bei Dampf- und anderen Maschinen als meine Erfindung in Anspruch.

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