Titel: Ueber Lenkung der Luftballons. Schreiben an Herrn Gazzeri.
Fundstelle: Band 36, Jahrgang 1830, Nr. LXXXII., S. 425
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LXXXII. Ueber Lenkung der Luftballons. Schreiben an Herrn Gazzeri. Im Auszuge aus der Antologia: April 1828. S. 178. Sept. 1828. S. 193. im Bulletin d. Scienc. technol. N. 11. 1829. Mit Abbildungen auf Tab. VIII. Ueber Lenkung der Luftballons. I. Schreiben. Unter den verschiedenen bisher vorgeschlagenen Mitteln, den Luftballons eine bestimmte Richtung zu geben, ist bisher noch keines gelungen. Es scheint dem Verfasser, daß diese Aufgabe vielleicht dadurch geloͤset werden koͤnnte, wenn man sich desselben Verfahrens bedienen wollte, welches man anwendet, wo man Drachen steigen laͤßt und leitet, oder wornach zwei schwerere Koͤrper gegen den Mittelpunkt des Wirbels eines Wirbelwindes gebracht werden. Mittelst des Systemes, welches Hr. Sarti fuͤr seinen Luftsegler (voilier aërien) aufgestellt hat, gelang es Hrn. L. B., eine oder mehrere Personen senkrecht von einer Galerie in die Hoͤhe zu heben und eine horizontale Bewegung zu erzeugen, oder einem mit Wasserstoffgase gefuͤllten Luftballon eine Richtung zu geben. Statt des doppelten Segelsystemes des Hrn. Sarti, das zu sehr zusammengesezt ist, und zu leicht in Unordnung geraͤth, hat Hr. L. B. eine Schneke und zwei Spiralen gewaͤhlt, deren jede aus einem einzigen Stuͤke Taffet besteht, so daß Statt zweier umdrehenden Bewegungen nur Eine entsteht. Der erste Versuch, schreibt er an Hrn. Gazzeri, bei welchem Sie gegenwaͤrtig waren, hat keinen anderen Zwek, als zu sehen, ob diese Spirale den Zwek erreichen wuͤrde, den ich mir vorstelle: Sie haben gesehen, daß er meine Erwartungen uͤbertroffen hat. Fig. 12. stellt den bei diesem Versuche angewendeten Apparat dar. A ist ein horizontal gehaͤngter Rahmen, der dazu dient, das eiserne Staͤngelchen B, welches die metallne Rolle C tragen soll, gespannt zu halten. Die Rolle C haͤlt die senkrechte Gabel E. Auf dem Punkte F befindet sich die metallne Roͤhre G, um welche die Spirale H aus Taffet lauft, und eine Rolle I, deren Kehle einen spizigen Winkel bildet. Senkrecht unter dieser Rolle befindet sich eine andere, L, deren Durchmesser vier Mal groͤßer ist, und deren Kehle gleichfalls einen spizigen Winkel bildet. Auf der Achse, K, dieser zweiten Rolle befindet sich eine Spule, M, die als eine kleine Winde dient. Wenn das Gewicht, N, in Folge seiner Schwere niedersteigt, dreht es diese kleine Winde, M; folglich auch die Rolle, L, welche, da sie mit der Rolle, I, durch die Schnur O in Verbindung ist, welche uͤber die Kehle beider Rollen laͤuft, auch diese leztere, und zwar weit schneller dreht, da dieselbe um Vieles kleiner ist. Es ist also offenbar, daß die Spirale H sich mit derselben Geschwindigkeit dreht, wie die Rolle I. Kaum hat die Spirale angefangen sich zu drehen, so wird sie dadurch das ganze System in horizontaler Richtung bewegen, und auf der eisernen Stange in zwei Minuten eine Streke von 20 Fuß durchlaufen, ungeachtet der Reibung, welche das Gewicht erzeugt, das 25 Florentiner Pfund wiegt. Diese Spirale hat einen Durchmesser von ungefaͤhr anderthalb Florentiner Ellen (2 Fuß 8 Linien Pariser Maß). Der Verfasser versichert, daß, um einen Luftballon, der in der Luft schwebt, nicht schnell zu bewegen, eine kleine Kraft hinreicht, und daß eine groͤßere Kraft, wegen des großen Widerstandes der Luft, hoͤchst gefaͤhrlich ist. In einem zweiten Versuche wurde ein Luftballon aus Papier von 24 Fuß im Durchmesser verfertigt. Die Kraft zu steigen wurde demselben durch Verduͤnnung der Luft gegeben, und er wurde durch Seile, die Maͤnner in ihren Haͤnden hielten, gehalten. An dem Ende einer Schnur, die, nachdem sie uͤber eine Rolle lief, welche mit ihrem anderen Ende an dem Ballon in der Mitte desselben befestigt war, wurden nach und nach verschiedene Gewichte angehaͤngt. Das Ende, an welchem die Gewichte angebracht waren, war etwas uͤber der Erde erhaben. Nachdem die Gewichte befestigt waren, ließen die Maͤnner den Ballon aus. Da nun die Gewichte herabsanken, zogen sie die Schnur, und bewegten den Ballon in einer beinahe horizontalen Richtung: die Wirkung stand uͤbrigens mit der Schwere des Gewichtes, welches man angewendet hat, in Verhaͤltniß. Ein Gewicht von 50 Pfd. bewegte den Ballon so schnell, daß man ein Zerreißen derselben besorgen mußte. Ein Gewicht von 10 Pfd. ließ ihn so sanft sich bewegen, daß man kaum eine Aenderung in der Form wahrnahm. Ein Gewicht von 20 Pfd. machte, daß derselbe eine kegelfoͤrmige Gestalt annahm, und der Anheftungspunkt der Schnur an den Scheitel desselben gelangte. Ein Gewicht von 5 Pfd. reichte hin um den Ballon, wenn gleich sehr langsam, gehen zu machen. Nach diesen Versuchen konnte Hr. V. nicht mehr zweifeln, daß, wenn an der Mitte eines Luftballons eine verhaͤltnißmaͤßige Spirale angebracht wird, man denselben in horizontaler Richtung bewegen kann. Um nun aber diese Richtung zur wahren Leitung zu machen, muß sie stets dorthin gelenkt werden koͤnnen, wohin der Luftschiffer sie haben will, und es handelte sich jezt um ein Mittel, den Luftballon rechts oder links drehen, und dadurch eine der Wirkung des Windes auf die Spirale entgegengesezte Wirkung hervorbringen zu koͤnnen; die Spirale mußte in dieser Richtung erhalten werden koͤnnen. Dieß bewirkte er mittelst zweier Ruder: Fig. 13. Diese Vorrichtung besteht aus zwei hoͤlzernen Rahmen, deren jede aus fuͤnf aͤhnlichen Linealen besteht, welche ein sechstes, A, gemein haben. Dieses bildet mit den beiden oberen, B, eine Art Dreiek, welches mittelst einer Schnur an dem Stuͤke C angebracht ist, das an dem Stuͤke D befestigt ist. Die beiden Rahmen naͤhern sich an dem unteren Theile, und nehmen ein Brett, F, auf, auf welchem zwei Maͤnner bequem stehen koͤnnen. Durch diese Vorrichtung werden zwei Oeffnungen, GG, gebildet, durch welche zwei Ruder laufen, HH, die mittelst einer eisernen Achse an ihrer Stelle erhalten werden, um welche sie die gehoͤrigen Bewegungen machen. An den Punkten II ist ein mit Taffet bedektes Vierek angebracht, welches von zwei Zapfen getragen wird, um die dasselbe sich drehen kann. Ein Mann, der auf dem Brette, F, steht, ergreift mit seinen Haͤnden das Ende des Ruders, K, und laͤßt dasselbe einen so großen Kreisbogen beschreiben, als die Oeffnungen, GG, es nur immer gestatten. Der Bogen, welchen der Halbmesser GL beschreibt, an welchem der Rahmen I befestigt ist, ist fuͤnf Mal großer. Es ist offenbar, daß dieser Rahmen, indem er sich vorwaͤrts und ruͤkwaͤrts bewegt, verschiedene Wirkungen hervorbringen muß. Im ersten Falle wird er, indem er auf die Luft schlaͤgt, durch den Widerstand dieser Kraft den Ballon sich um sich selbst drehen lassen, und ihn in der Lage erhalten, die man in der Figur rechts sieht, wo er von dem Theile des Ruders IL gehalten wird. Im zweiten Falle wird die Luft, welche der Rahmen mit seiner Hinteren Flaͤche schlaͤgt, ihn um seine Zapfen MM sich drehen lassen, beinahe im Profil, ohne daß die zweite Bewegung die Wirkung der ersten zerstoͤrt. Die beiden Ruder wirken auf dieselbe Weise. Die Wirkung der beiden Ruder ist von der Art, daß, ungeachtet der Reibung des Gewichtes des Stuͤkes C, das mit der Schwere der ganzen Maschine und zweier Maͤnner beladen ist, vier Zuͤge eines einzigen Ruders eine ganze Umdrehung bilden. Ein Kind von 5 Jahren kann, ohne Anstrengung, diese Vorrichtung in Gang bringen, ms auf folgende Weise geschieht. Die Kugel des Ballons, A, Fig. 10 und 11. ist mit einem starken Neze aus Seide umgeben. Aus verschiedenen Punkten, B, dieses Nezes laufen seidene Schnuͤre herab, welche unten ein hoͤlzernes Gerippe tragen, das durch die Kreisabschnitte CC, und die senkrechten Balken DD dargestellt ist, und welches den unteren Theil der Kugel umgibt. An diesem Gerippe ist die Buͤhne E, gehoͤrig befestigt. Ein Mann auf derselben bringt die Spirale G mittelst der an dem Rade I gehoͤrig angebrachten Schnur in umdrehende Bewegung. Hierauf sezt man die Ruder mittelst der beiden Schnuͤre, die oben an den zwei Armen des Hebels L angebracht sind, welcher so, wie das Rad F, auf der Buͤhne befestigt ist, in Bewegung. Der Taffet auf den Rahmen oder Rudern X wird durch Ziehen an den Schnuͤren N gespannt: wenn man diese Schnuͤre nachlaͤßt, so wikelt sich dieser Taffet auf der Roͤhre O in Folge einer Bewegung derselben um sich selbst auf, welche mittelst einer staͤhlernen Spiralfeder erzeugt wird, die in derselben enthalten ist, und deren eines Ende an der aͤußeren Roͤhre befestigt ist, waͤhrend das andere an einer eisernen Stange in der Mitte der Spirale angemacht ist. Der Segel, P, welchen einige Luftschiffer die Deichsel nennen, vermag nicht den Ballon senkrecht zu lenken; er kann nur dazu beitragen, die umdrehende Bewegung um die senkrechte Achse desselben zu hindern; er dient vorzuͤglich dazu, den Luftballon im Gleichgewichte zu halten, indem er das Gewicht der Spirale, G, aufwiegt, und zwar mittelst Regulirung durch die Kugel P, welche man voroder ruͤkwaͤrts stellt, indem man die Schnur R bewegt. II. Schreiben. Seit der Zeit, als der Hr. Verfasser die oben beschriebenen Versuche anstellte, unternahm er noch andere, um die Wirkungen der Umdrehung der Spirale auf die Lenkung des Luftballons zu pruͤfen. Er bediente sich hierzu eines Mongolfier aus Papier mit verduͤnnter Luft. Eine hohle Roͤhre aus Eisenblech durchlauft den Ballon von einer Wand zur anderen etwas unter der Mitte der Hoͤhe desselben. An einem Ende dieser Roͤhre ist eine Spirale angebracht, und an dem anderen eine hoͤlzerne Roͤhre mit einem Gewichte, um die Spirale dadurch im Gleichgewichte und den Ballon senkrecht zu erhalten. Diese Roͤhre wird von einer Schnur gehalten, die sich auf zwei Rollen an den Aufhaͤngepunkten aufrollt. Nachdem die Luft in dem Ballon gehoͤrig verduͤnnt wurde, ließ man den von zwei Maͤnnern gehaltenen Ballon aus, und uͤberließ das Gewicht sich selbst. So wie dieses herabrollte, wurde dem kleinen Rade am Ende der eisernen Roͤhre, und folglich auch der Spirale, eine umdrehende Bewegung mitgetheilt. So wie diese Bewegung entstand, bewegte sich auch der Ballons der, wie die Figur zeigt, eine andere Form annahm. In einem der Versuche befand sich das zur Umdrehung der Spirale bestimmte Gewicht nur 9 Florentiner Ellen von der Erde. Der Durchmesser des Rades aus Eisenblech betrug an der Stelle, wo die Schnur angebracht war, 5/6 Ellen im Durchmesser, so daß der Umfang, von welchem die Schnur sich abrollte, nur 2 1/2 Ellen betrug. Die Spirale konnte also nur 3 1/2 Umdrehungen machen. Kaum hatte das Gewicht die Erde erreicht, als die Spirale still stand, und der Ballon seine vorige Form wieder herstellte. waͤhrend der 3 1/2 Umdrehungen der Spirale bewegte der Ballon sich 3 1/2 Ellen weit in horizontaler Richtung. Das angewendete Gewicht betrug 34 Pfd. Ein schwereres Gewicht wuͤrde den Ballon schneller laufen gemacht haben. Aus diesen Versuchen und aus mehreren anderen, die der Herr Verfasser anstellte, und die noch Manches zu wuͤnschen uͤbrig lassen, glaubt derselbe behaupten zu koͤnnen, daß ein Luftballon mit Spiralen und Rudern nach seinem Systeme in kleinen Streken und unter den Bedingungen, die in dem ersten Schreiben angegeben wurden, sich nach Belieben lenken laͤßt.Wir sehen nicht ein, warum Hr. Julia de Fontenelle, der diesen Auszug fuͤr den Bulletin bearbeitete, seinen Landsleuten nicht sagte, wer der Hr. B. ist: er wird doch nicht zur sancta simplicitas des Montrouge geschworen haben, oder sich scheuen einen Namen zu schreiben, der der glaͤnzendste in der Geschichte Frankreichs geworden ist. Wir haben zwar gesehen, daß zu Paris dieser Name sogar auf den Papierchen ausgestrichen wurde, welche in den dem oͤffentlichen Unterrichte geweihten Mineraliencabinetten bei einzelnen Fossilien liegen, die der kleine große Mann denselben schenkte. Indessen wird keine Feder diesen Namen zu vertilgen vermoͤgen, und Hr. de Fontenelle wuͤrde die seinige nicht lahm geschrieben haben, wenn er, Statt B., Bonaparte geschrieben haͤtte. Ein Bonaparte ist der Verfasser obiger Schreiben.A. d. Ue.