Titel: Notiz für Landwirthe und Gartenfreunde.
Fundstelle: Band 36, Jahrgang 1830, Nr. XCV., S. 473
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XCV. Notiz fuͤr Landwirthe und Gartenfreunde. Notiz fuͤr Landwirthe und Gartenfreunde. Wir hatten bisher das allgemeine Vorurtheil, daß Gewaͤchse die aus Suͤdamerika, aus den Tropenlaͤndern zu uns gebracht werden, ein warmes Glashaus fordern, wenn sie gedeihen sollen. Indessen sehen wir die Erdaͤpfel, die Mayspflanze oder das sogenannte tuͤrkische Korn und selbst den Tobak auf unseren Feldern so gut gedeihen, als in ihrer Heimath zwischen den heißen Wendekreisen, und jeder Gartenliebhaber hat gewiß mehr denn ein Mal die Bemerkung gemacht, daß mexicanische und peruanische Gewaͤchse, die er als Zierdepflanzen in seinem Garten baute, den naͤchsten Fruͤhling dort, wo ihre Mutterpflanze im vorigen Sommer stand, von selbst wieder, ohne daß sie gebaut wurden zum Vorscheine kamen, und daß also ihre Samen unbeschaͤdigt von unseren Froͤsten, den Winter uͤber in der Erde vollkommen gut ertrugen. Jeder Gartenfreund weiß ferner, daß italiaͤnische, nordafrikanische Gewaͤchse weit zaͤrtlicher sind, als manche Tropenpflanze Mexico's und Peru's: aber nicht jeder weiß, woher dieses kommt; denn nicht jeder weiß, daß es nicht darum, wie man gewoͤhnlich glaubt, desto warmer in einem Lande ist, je naͤher es gegen den Aequator liegt, sondern daß auf die Seehoͤhe, d.h. auf die Hoͤhe, in welcher ein Land oder eine Gegend uͤber dem Meere gelegen ist, oft weit mehr ankommt, als auf die Polhoͤhe, d.h. auf die Entfernung vom Aequator. Laͤnder und Gegenden also, die, wenn sie gleich unter dem Aequator selbst gelegen sind, sehr hoch uͤber dem Meere liegen, sind so kuͤhl und oft so kalt, und noch kaͤlter, als manche Gegend in Deutschland zwischen dem 47° und 54° N.B. es nicht ist. Was also immer zwischen den Wendekreisen in solchen hochgelegenen Laͤndern an nuͤzlichen und schoͤnen Gewachsen wild waͤchst oder gebaut wird, kann bei uns mit gleichem Vortheile gezogen werden. Nicht bloß unsere Landwirthe und Gartenfreunde, sondern selbst unsere Geographen bestimmten bisher das Klima eines Landes gewoͤhnlich nach seiner Polhoͤhe: auf die Seehoͤhe wurde keine Ruͤksicht genommen. Daß wir die Seehoͤhen, daß wir die Hoͤhen der hoͤchsten Berge Asiens und Amerika's erst seit 20 Jahren ungefaͤhr, leztere gar erst seit 2 bis 3 Jahren kennen, darf uns nicht wundern. Unsere gelehrten deutschen Geographen kannten selbst die Hoͤhen unserer deutschen Berge nicht, und wir lasen in jeder neuen Auflage der guten alten Geographien Deutschlands: der Brocken sey der hoͤchste Berg in Deutschland. Viele gelehrte Akademiker Frankreichs ritten und fuhren uͤber die Pyrenaͤen, und maßen sogar die Hoͤhen einiger derselben: alle erklaͤrten den Canigou fuͤr die hoͤchste Spize dieser Bergkette und er gall Jahrhunderte lang dafuͤr, bis Ramond u.a. zeigten, daß einige Duzend Berge der Pyrenaͤen zwischen 460 und 1968 Fuß hoͤher sind, als der weltberuͤhmte Canigou. Der Montblanc selbst galt Jahrhunderte lang fuͤr den hoͤchsten Berg Europens, bis, vor wenigen Monaten erst, eine genauere Messung des Montrosa, als man bisher mit diesem Riesenberge vorgenommen hat, den alten Montblanc um seine lang unsurpirte Ehre brachte. Wenn wir nun Deutschland, Frankreich; wem wir die europaͤische Alpenkette Jahrtausende lang so schlecht kannten, duͤrfen wir uns wundern, wenn die Hochgebirge Amerika's uns bisher unbekannt geblieben sind? Wir glaubten bisher alle, der Chimborazo sey der hoͤchste Berg der Erde, weil Bouguer, La Condamine und selbst von Humboldt ihn dafuͤr ausgegeben haben; er ist aber eben so wenig der hoͤchste Berg der Erde, als es sein ehemaliger Vorgaͤnger in dieser falschen Wuͤrde, der Pic auf Teneriffa war, den selbst Newton noch dafuͤr erklaͤrte;Bekanntlich ist der hoͤchste jezt bekannte Bergruͤken der Erde, dessen barometrisch und trigonometrisch genaue Messung wir den Officieren der ostindischen Compagnie verdanken, das Himalaya-Gebirge an der Graͤnze der Laͤnder der ostind. Comp. gegen Tibet. Der Dhawalagiri hat ungefaͤhr 27,000 englische Fuß; der Javaher (nach dem Edinb. New-Journ.) 25,745 engl. Fuß, waͤhrend der Chimborazo, in den Andes von Quito nur 21,425 engl. Fuß hat. Was ist gegen solche Riesen der Elborus oder Elbruz im Kaukasus mit 16,411 engl. Fuß; der Montblanc mit 15,781 engl. Fuß; der Pic von Teneriffa mit 12,172 Fuß; der 12,000 Wiener Fuß hohe Glockner und die in Auftrag Sr. k. Hoheit, des Erzherzogs Johann gemessene Ortlesspize mit 12,620 Fuß. ja er ist nicht einmal der hoͤchste Berg in Amerika. Die amerikanischen Hochgebirge lehrte uns erst vor Kurzem Hr. Pentland kennen: ein eifriger und unternehmender Naturhistoriker, der der englischen Gesandtschaft in Peru beigegeben war. Seinen Anstrengungen und seiner Sorgfalt (er maß barometrisch und trigonometrisch mit den besten Instrumenten) verdanken wir mm folgende wichtige Beitraͤge zur physikalischen Geographie der Erde, die nun wohl auch bald fuͤr die europaͤische Landwirtschaft von Folgen werden muͤssen. Er maß in Ober-Peru die oͤstlichen Cordilleras. Engl. FußDiese Messungen des Hrn. Pentland sind aus dem Edinburgh New-Philosophical-Journal. April 1830. S. 353..     Unter diesen ist die hoͤchste Bergspize der Nevado di Sorata 25,250     Auf ihn kommt oͤstlich von der Stadt La Paz der Nevado di Illimani 24,350     Endlich der beruͤhmte Erzberg: Cerro de Potosi 16,037 (Der hoͤchste Punkt an diesem Berge, an welchem noch Erze     gegraben werden, ist 131 Fuß hoͤher uͤber dem Meere,     als der Gipfel des Montblanc, naͤmlich) 15,912 die westlichen Cordilleras.     Die hoͤchsten Spizen derselben sind der Berg von Tajora oder der Chipicani 18,898     –         –         –         Pichu (aus Trachit, vulkan.) 18,603     Der Paß von Atlos de los Huessos 13,605 (Er liegt an dem suͤdlichen Fuße des Vulkans von     Arequipa, und hat seinen Namen von den Knochen    (Huessos) der Lastthiere, die auf ihren Zuͤgen uͤber    demselben zu Grunde gingen, und die zerstreut umherliegen)     –     Paß von Paquani 15,227 (Welches Puppenwerk ist gegen diese Paͤsse der Paß der     Furca von 8,301 Fuß, der Col de Seigne von 8,071     Fuß, der Montcenis von 6,778 und der Simplon     von 6,578!) Hoͤhe einiger Staͤdte in Peru und Bolivia uͤber dem Meere.     Lima, die Hauptstadt Peru's     ,512.     Cochabamba, Hauptstadt des gleichnamigen Departements mit 30,000 Einwohnern, liegt hoͤher alsdas Hospiz am Bernhardsberge, naͤmlich:   8,448     Chuquisaca oder la Plata, die Hauptstadt in Bolivia   9,331     Tupisa, Hauptstadt der Provinz Cinti in Bolivia 10,004     La Paz, in der Naͤhe des Ursprunges des Rio Beni.(La Paz ist die bluͤhendste Stadt in Bolivia. Sie liegt    gerade so hoch als der Gipfel des Groß-Glokner) 12,195     Oruro, in der Nahe von Desaguadero, mit 5000 Einwohnern 12,441     Puno, mit 500 Einwohnern, am westlichen Ufer des Sees Titicaca 12,832     Chucuito (mit ehemals, vor Tupac Amaree's Aufstande, 30,000 Einwohnern) 13,025     Potosi, der große Plaz dieser Stadt                       der hoͤchste Punkt in derselben 13,31413,668 (Diese Stadt liegt also beinahe so hoch als der Gipfel der     Jungfrau im Berner-Lande.) Hoͤhe einiger Doͤrfer. Engl. Fuß.     Tiaguanaco (Dieses Dorf liegt am Ufer des Sees Titicaca, und     ist wegen der ungeheueren Ruinen alter peruanischer     Baukunst beruͤhmt.) 12,812     Oberflaͤche des Sees Titicaca (Dieser See ist ungefaͤhr 25 Mal so groß als der Genfersee.     Auf einer der Inseln dieses Sees ward Manco-Capac     geboren.) 12,703     Tacora, ein indisches Dorf 14,252     Chullunquani, ein Weiler mit einer Poststation 13,869     Ancomarca, einzelnes Posthaus 15,722 (Dieß ist wohl das allerhoͤchste Postamt auf dem Erdballe:     es liegt so hoch, als der Gipfel des Montblanc, und     kann, wegen der Kaͤlte, nur 3 oder 4 Monate uͤber     im Jahre bewohnt werden. Wer aber zu was immer     fuͤr einer Jahreszeit von La Paz oder anderen nahe     gelegenen Staͤdten an die Kuͤste des stillen Meeres     will, muß hier vorbei.) Alle diese Hoͤhen sind mit der uͤppigsten Vegetation und mit zahlreichen Herden bedekt bis hinan zur Glaͤnze des ewigen Schnees. Die Gewaͤchse, vorzuͤglich die hier so uͤppig in einer Hoͤhe von 12,000 Fuß wachsenden saft- und zukerreichen Graͤser und Futterpflanzen wuͤrden auf unseren Wiesen eben so gut gedeihen, als unser Roken, unser Weizen und unsere Gerste und unser Hafer dort auf einer Hohe noch geraͤth, die die Gipfel des Großglockner und der Jungfrau uͤbersteigt. Ueber 300 Jahre hat die allerheiligste Inquisition dieses Land besessen; uͤber 200 Jahre lang haben es die frommen und hochgelehrten Herren Jesuiten regiert. Welchen Nuzen, welche Kenntniß von diesem Lande haben wir Europaͤer zwei Jahrhunderte lang durch diese Theo-Demokraten erhalten? Seit den 5–6 Jahren, als dieses amerikanische Tibet den Englaͤndern zugaͤngig wurde, wissen wir nun mehr von den Merkwuͤrdigkeiten desselben und haben mehr nuͤzliche und schoͤne Gewaͤchse aus demselben erhalten, als ehevor in zwei und drei Jahrhunderten. Unter den europaͤischen Staaten ist, nach England, der ehemalige, und wenn Legitimitaͤt noch fortbestehen soll, vielleicht der kuͤnftige Gebieter Englands (der Herzog der Savoyarden als Koͤnig von Sardinien) der Erste, der den Naturproducten dieses Landes seine volle Aufmerksamkeit schenkte. Es reist gegenwaͤrtig einer der geistreichsten und thaͤtigsten Botaniker Europens, Dr. Bertero, ein Schuͤler des beruͤhmten und edlen Greises, Profs. Balbis, in den Cordilleren von Peru. Seinem Scharfsinne wird keine Pflanze entgehen, die er fuͤr Europa nuͤzlich findet, und da auf jedem reichen Boden auch eine reiche Aehrenlese uͤbrig bleibt, werden auch nach ihm noch Hunderte von Haͤnden dort ihre Koͤrbchen fuͤllen koͤnnen, wo er zuerst geschnitten hat.