Titel: Ueber die Mundharmonika, ihren Erfinder und ihre Vervollkommnung in Bayern.
Autor: Karl Frosch
Fundstelle: Band 37, Jahrgang 1830, Nr. XXXIV., S. 118
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XXXIV. Ueber die Mundharmonika, ihren Erfinder und ihre Vervollkommnung in Bayern. Aus einem Schreiben des Hrn. Karl Frosch, buͤrgerl. Orgel- und Musikinstrumentenmachers zu Muͤnchen, dd. 7. Juni 1830. Ueber die Mundharmonika. „Sie wiederholen in Ihrem gewiß hoͤchst schaͤzbaren Polytechn. Journale Bd. XXXVI. S. 270. den schon oft daselbst geaͤußerten Wunsch, zu erfahren, ob mit diesem Instrumente auf dem festen Lande noch keine Versuche zur Anwendung derselben auf Verbesserung der Musikinstrumente gemacht wurden. Ich benuͤze diese Gelegenheit, um Ihnen zu bemerken, daß die Mundharmonika nichts anderes, als ein Aeolotikon ist, dergleichen man in Bayern schon vor 9 Jahren, und zwar in 6 Octaven verfertigte. Wenn man eine Mundharmonika mit Blasbalg und Tasten versieht, so kann nie etwas anderes daraus werden, als ein Aeolotikon. Dr. Dowler erhielt in England von der Society of Arts fuͤr seine Verbesserung der Mundharmonika die große silberne Medaille; sollte man denn in England noch kein Aeolotikon verfertigt haben, oder sollte von Deutschland aus noch keines hingeschikt worden seyn?Es scheint nicht; man kennt nur die kleinen Mundharmoniken daselbst. Es ist uͤberhaupt unglaublich, wie wenig man in England nicht bloß von manchem technischen Verfahren, sondern selbst von den gemeinsten Bequemlichkeiten des Lebens auf dem festen Lande kennt. Unser Feuerschwamm, unsere irdenen Toͤpfe etc. sind in England unbekannte Dinge. Ein deutscher tuͤchtiger fleißiger Arbeiter ist sicher in England sein Gluͤk zu machen, vorausgesezt, daß er nicht zum Ungluͤke geboren ist; „denn ich sah, wie es unter der Sonne zugeht; daß zum Laufen nicht hilft schnell seyn; zum Streit hilft nicht stark seyn; zur Nahrung hilft nicht geschikt seyn; zum Reichthum hilft nicht klug seyn; daß einer angenehm sey, hilft nicht, daß er ein Ding wohl kenne: sondern alles liegt an der Zeit und Gluͤk sagt der Prediger aller Prediger (Salom. 9, C. 11.), und gegen diesen Salomonischen Fatalismus wird kein Superintendent und kein Pater Guardian etwas einzuwenden haben. Es sind wenige Gewerbe in England, wenigstens zu London, in welchen nicht ein Deutscher unter die ausgezeichnetesten und wohlhabendsten Meister gehoͤrte. Baron Rothschild, der Geldweltgebieter, ist ein Deutscherz der reiche Buch- und Kunsthaͤndler Ackermann ist ein Deutscher; der beruͤhmte Meister in Verfertigung chirurgischer Instrumente, Weiß, ist ein Deutscher; der Mann, der die ganze schoͤne und vornehme Londoner Welt kleidete, und fashionable machte, Stolz ist ein Deutscher, aus Baden; *) der erste Gartenmeister in London, der vom Gaͤrtnergesellen Millionaͤr ward. Loddiges, ist ein Deutscher, die besten Musik-Instrumentenmacher, Drechsler, Galanterietischler, Schlosser etc. sind Deutsche. Wuͤrde unser Riggl zu Muͤnchen in London sich niederlassen, er koͤnnte Millionaͤr werden, so wie Fraunhofer es haͤtte werden koͤnnen. Man muß gestehen, daß der Englaͤnder gegen das wahre Verdienst des Auslaͤnders nicht ungerecht ist, obschon er kein Vorurtheil fuͤr dasselbe hat, wie wir. Er sieht auf das Werk, nicht auf den Mann.*) Dieser Ehrenmann, der vielleicht eine halbe Million mit seiner Meisterschere herausschnitt, schenkte einer Wohlthaͤtigkeitsanstalt in Baden neulich mehrere tausend Gulden. Man belohnt in England die Verbesserung eines Instrumentes, das wir schon seit mehreren Jahren so zu sagen in hoͤchster Vollkommenheit besizen, waͤhrend man bei uns kaum den Namen des Erfinders dieser herrlichen Toͤne kennt: vielleicht gerade deßwegen, weil er ein Deutscher, weiter unser Landsmann ist. Der Erfinder ist Hr. Eschenbach, quiesc. Rentbeamte. Eigentlich kennen wir diese Toͤne schon seit 20 Jahren, nur in einer etwas verschiedenen Form, unter dem Namen einschlagende oder freischwebende Zungenwerke, weil die Zungen derselben nicht auf dem Metalle liegen, sondern frei schweben. Unter der Leitung meines sel. Onkels, Franz Frosch, verfertigte ich in die Barfuͤßer-Orgel zu Augsburg vor mehreren Jahren ein solches Zungenregister (unter dem Namen Fagott und Hoboe) mit Stimmkruͤken und Schallbechern. Diese Toͤne befinden sich auch in der von uns vor 18 Jahren neu erbauten Orgel zu St. Gallen in der Schweiz. Wenn man auf Verbesserung dieses Instrumentes trachtet, so ist nur der Ton desselben zu verbessern, welcher sich auch noch sehr verbessern laͤßt.Es scheint indessen, da neulich erst zwei Musik-Instrumentenmacher sich Patente auf Verbesserung der Mundharmonika geben ließen, und jeder 2000 fl. fuͤr dieses Monopol bezahlte, daß sich noch etwas anderes aus dem Dinge machen lassen muͤsse. Moͤchte es Hrn. Frosch gefaͤllig seyn, einen kleinen Sprung nach London zu machen. Er wird Dinge nach England bringen, die man dort nicht kannte, und wird uns Dinge zuruͤkbringen, die wir nicht kennen, und seine Reise wird ihm reichlich belohnt werden. Jeder Mensch, der mit wahrem Vortheile arbeiten will, muß zwei Mal reisen in seinem Leben: ein Mal in seiner Jugend, damit er etwas lernt, und dann in seinem Alter, damit er wieder lernt, (denn kein Meister kann sagen er habe ausgelernt, ehe man ihn einnagelt) und damit er auch andere lehrt, und somit seine Schuld im großen Dienste des Menschengeschlechtes treulich abtraͤgt. Ein paar Worte vom Munde eines Meisters in einer Sache zum Ohre eines anderen Meisters gesprochen; ein Blik, den ein Meister thut, und ein Wink, den ein Meister gibt, foͤrdern Kuͤnste mehr und kraͤftiger, als ganze Kamehllasten von Buͤchern es oft nicht vermoͤgen.A. d. R. Ich werde diese Aeolotikontoͤne auf einem eigenen Resonanzboden anbringen, wodurch diese Tone an Starke und Rundung sicher außerordentlich gewinnen muͤssen. Mit aller etc. Karl Frosch, buͤrgerl. Orgel- und Musik-Instrumentenmacher zu Muͤnchen.