Titel: Bemerkungen des Hrn. G. C. Keßler in Eßlingen über die Abhandlung des Hrn. François, über das Schmer der Weine, und über Bereitung der Champagnerweine: Polytechn. Journal Bd. XXXVI. S. 289.
Autor: Georg Christian Keßler [GND]
Fundstelle: Band 37, Jahrgang 1830, Nr. XLI., S. 145
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XLI. Bemerkungen des Hrn. G. C. Keßler in Eßlingen uͤber die Abhandlung des Hrn. François, uͤber das Schmer der Weine, und uͤber Bereitung der Champagnerweine: Polytechn. Journal Bd. XXXVI. S. 289. Keßler, Bemerkungen uͤber Bereitung der Champagnerweine. Ich habe Rheims ununterbrochen vom Jahr 1807 bis zum Jahr 1826, also 19 Jahre lang bewohnt, und kenne die von dem Hrn. Apotheker François in Chalons sur Marne beschriebene Methode, um schweren fetten moussirenden Wein in Flaschen gesund und troken zu machen, schon laͤngst, habe aber im Hause der Madame Clicquôt Ponsardin, welches ich vom Jahre 1810 an, bis zu meinem Austritte im Jahre 1826, in den lezten Jahren als Gesellschafter, dirigirte, nie Gebrauch davon machen lassen, weil die auf die beschriebene Art geheilten Weine gewoͤhnlich uͤber kurz oder lang wieder schwer werden, und weil durch das oͤftere Offnen der Flaschen der Mousse sehr abnimmt und der Wein entkraͤftet wird. Ich bin nicht in Abrede, daß nicht dem Schwerwerden des Champagnerweines, ehe er auf Flaschen gefuͤllt wird, durch eine Beimischung von Gerbestoffaufloͤsung vorgebeugt werden koͤnne, allein die Erfahrung hat mich sowohl in der Champagne als in Wuͤrtemberg gelehrt, daß das Schwerwerden des Weines auch durch zwekmaͤßige Behandlung desselben bei der Kelterung, bei der Gaͤhrung und bei der Verfuͤllung auf Flaschen im Allgemeinen verhindert werden kann, ohne daß man Gefahr laufe, dem Weine durch Beimischung von Gerbestoffaufloͤsung eine fremdartige Farbe oder etwa auch einen fremdartigen Geschmak beizubringen. Die Wuͤrtembergischen Weine, von den Jahrgaͤngen 1826, 1827 und 1828, welche meine Weinhandlungsgesellschaft hat auf Flaschen fuͤllen lassen, sind in ihrem moussirenden Zustand sowol als in den Faͤssern vor der Ziehung, vollkommen gesund und troken (secs) geblieben. In Bezug auf die Bemerkungen des Herrn Uebersezers der Abhandlung des Hrn. Apothekers François, die viel Gutes und Richtiges enthalten, habe ich jedoch Folgendes auszustellen: Der achte wahre, nicht schaͤumende Champagner (non mousseux), weit entfernt ein elendes Ding zu seyn, ist der vorzuͤglichste, ausschließlich aus Klefner Trauben, der besten Lagen der ersten Weinorte der Champagne, und Verzenay (Sillery) gekelterte Wein. Die Bereitung des moussirenden Weines ist nicht so leicht, als der Herr Uebersezer zu glauben scheint, und unerachtet meiner langen Erfahrung bin ich nie im Stande, im Voraus mit Gewißheit zu bestimmen, ob mein Wein nicht zu stark, oder nicht zu wenig, oder gar nicht moussiren werde. Es laͤßt sich allerdings aus gutem und schlechtem Weine Champagner bereiten, aber Feuer, Aroma, Wohlgeschmak und Blume lassen sich nicht ersezen, der Wein eines schlechten Jahrgangs wird auch einen schlechten Champagner geben, unerachtet des staͤrkeren Zukerzusazes, welchen Zusaz jeder moussirende Wein in der Champagne erhaͤlt und erhalten muß, weil durch den Mousse dessen natuͤrlicher Zukerstoff mehr oder weniger absorbirt, und der Wein dadurch auch in den besten Jahren herb wird, was bei dem wahren non mousseux von und Sillery, welchen man allein in seinem natuͤrlichen Zustande verkauft, nicht der Fall ist. Der Champagner wird nicht in der lausigen Champagne (Champagne pouilleuse) erzeugt, welche nur geringhaltige Weine hervorbringt. Die Bereitung des moussirenden Champagners ist eine auf vielseitige Erfahrungen gegruͤndete Kunst, welche nicht einmal alle Weinhaͤndler, die sich damit abgeben, noch vielweniger die gewoͤhnlichen Weinbergsbesizer gehoͤrig verstehen; die lezten verkaufen in der Regel ihren Wein bei der Lese am Stok, oder im Laufe des Winters in Faͤssern an die ersten, deren Geschaͤft große Capitalien erfordert, weil der Champagnerwein wenigstens 18 Monate bis 2 Jahre alt seyn muß, ehe er in den Handel gebracht werden kann.Wir kamen in den Besiz von 6 Flaschen weißen moussirenden Weines der besten Sorte des Jahrganges 1828 aus der Champagnerweinfabrike der HHrn. G. C. Keßler und Comp. in Eßlingen, und haben davon dem Hrn. Uebersezer der Abhandlung des Hrn. François, welcher sie mit mehreren beachtungswerthen Anmerkungen begleitete, zur Abgebung eines Urtheils uͤber diesen deutschen moussirenden Wein uͤbersendet. Dieser Kenner sandte uns nachstehendes Zeugniß:„Der Unterzeichnete, der kein Trinker, aber ein feiner Weinkenner ist, der Gruͤnde und Jahre von Gewachsen kennt, und der nicht selten bei Weinkaͤufen von hohem Werthe um Rath gefragt wurde, der im J. 1811, wo Frankreich den Culminationspunkt seiner Cultur erreichte, in der Champagne selbst oeil de Perdrix und vin d' Aï getrunken hat, erklaͤrt hiermit, daß er von den drei Bouteillen, die Herr Dr. Dingler die Freundschaft hatte ihm zu schiken, eine oͤffnete und kostete, und dieselbe in jeder Hinsicht dem besten aͤchten Champagner, den man zu Epernay die Bouteille fuͤr einen Laubthaler im J. 1811 bezahlte, gleich fand.“„Bei einer Vergleichung mit an Ort und Stelle getrunkenem, und bei Kaufproben, die direct aus der Champagne geschikt wurden, gekostetem Champagner kann nun die Rede von einer Vergleichung mit sogenanntem gepantschtem Champagner, (vin de Champagne factice) nicht seyn. –“„Die HHrn. Keßler und Comp. verdienen nicht bloß den hoͤchsten Dank aller ihrer Mitbuͤrger, daß sie dem Nekarweine jene Krone aufsezten, die er seit Jahrhunderten vor allen andern deutschen Weinen am Rheine, Maine, und an der deutschen Donau verdiente, (die Neben am Nekar wurden vor Jahrhunderten mit vieler Auswahl unter den uͤbrigen Reben gewaͤhlt, was vielleicht nicht jeder weiß, der sie heute pflanzt und pflegt, und seit 300 Jahren von diesen fleißigern Arbeitern als die am Rheine, Maine und an der deutschen Donau sind, sorgfaͤltigst gepflegt); sie verdienen den Dank eines jeden deutschen Mannes, der sich noch freuen kann, seinen Thaler fuͤr eine Flasche Champagner jezt seinem Landsmanns, und nicht mehr den Sclaven der Congregation am Montronge bezahlen zu duͤrfen. –“„Wer Sinn fuͤr Wahrheit und fuͤr die Quelle der Wahrheit hat, wird fortan, wenn er dießseits des Rheines lebt, und Champagner trinken zu koͤnnen oder zu muͤssen glaubt, denselben von den HHrn. Keßler und Comp. beziehen, so lang sie aus ihrem Nekarweine solchen Champagner machen. –“„Dieß ist das verlangte Urtheil Ihres treuen Freundes, der, wie Sie wissen, jedem die Wahrheit sagt, ruͤksichtslos.“Diesem Urtheile tritt unbedingt die Redaction bei. Ob der Wiener und alle Krezer der Welt sich zu Champagner eignen, moͤchte ich nicht nur sehr bezweifeln, sondern foͤrmlich bestreiten. Die fuͤr moussirenden Wein tauglichen Flaschen werden in Wuͤrtemberg so gut und so schoͤn als in Frankreich verfertigt. In der Uebersezung der Abhandlung des Hrn. Apothekers François ist Liqueur à Vin mit „Weinschoͤne“ gegeben. Dieß ist unrichtig. Die fuͤr den weißen Wein taugliche Schoͤne besteht einzig und allein in aufgeloͤster Hausenblase, Liquer à Vin ist aufgeloͤster Zuker, welcher dem moussirenden Champagner auf der Flasche beigemischt wird. Eßlingen am 25. Jun. 1830. G. C. Keßler.