Titel: Aromametrische Versuche über das destillirte Pomeranzenblüthe-Wasser. Von E. Ader.
Fundstelle: Band 37, Jahrgang 1830, Nr. CXXV., S. 456
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CXXV. Aromametrische Versuche uͤber das destillirte Pomeranzenbluͤthe-Wasser. Von E. Ader. Aus dem Journal de Pharmacie. Juillet 1830. Ader, aromametrische Versuche uͤber das destillirte Pomeranzenbluͤthe-Wasser. Das destillirte Pomeranzenbluͤthe-Wasser ist fuͤr Frankreich und die suͤdlichen Laͤnder Europens der Gegenstand eines wichtigen Handels.Und fuͤr die noͤrdlichen der Gegenstand einer doppelten ungeheueren Sottise, insofern man sich naͤmlich 1) daselbst einbildet, man koͤnne aus der Pomeranzenbluͤthe, die bei uns in unseren Orangerien erkuͤnstelt wird, und verglichen mit jener in dem Lande, „wo die Citronen bluͤhen,“ beinahe geruchlos ist, ein Pomeranzenbluͤthe-Wasser erzeugen, das jenem aus dem suͤdlichen Frankreich und Italien gleich kommt. Wir haben gesehen, daß Apotheker im Norden die Pomeranzenbluͤthen, die nicht viel mehr rochen, als Strohblumen, einsalzten, wie Haͤringe oder Sauerkraut, und dann Pomeranzenbluͤthe-Wasser daraus destillirten! 2) daß man auf dieses herrliche Arzneimittel, so wie auf alle uͤbrigen Arzneimittel, die nimmermehr in dem Lande wachsen oder gezogen werden koͤnnen, hohen Einfuhrzoll legt, und so den armen Kranken zwingt, fuͤr die Linderung seiner Leiden, fuͤr seine Rettung von dem Tode schweren Zoll zu bezahlen. Wenn ein Dey, ein Sultan dieß thun wuͤrde, wuͤrde man uͤber Unmenschlichkeit schreien; wenn es aber ein christlicher Finanzrath thut, so lobt man dieß als christliche Staatsklugheit! Unsere Fuͤrsten wissen wahrscheinlich nichts von dem Mißbrauch, der durch ihre Finanziers an ihrem geheiligten Namen und an der Menschheit durch Ausschreibung eines solchen Zolles begangen wird: denn keine Fuͤrstenseele hat je auf Linderung koͤrperlicher Leiden, auf Rettung vor dem Tode Zoll gesezt. Es wird daher sowohl waͤhrend seiner Bereitung mit den Blaͤttern und mit anderen Theilen des Pomeranzenbaumes verfaͤlscht, als noch weit haͤufiger, nach derselben, durch Zusaz einer waͤsserigen Aufloͤsung des fluͤchtigen Oehles dieses Baumes verdorben. Wenn die Habsucht des Fabrikanten sich auf diese leztere Art von Verfaͤlschung, die nur in Vermehrung des Productes allein besteht, allein beschraͤnkte, so wuͤrde jeder, der eine feine und geuͤbte Nase hat, diese Art von Betrug sehr bald erkennen. Die Entdekung des Betruges wird aber schwieriger, wenn man bei Bereitung des Pomeranzenbluͤthe-Wassers, wie in der Provence und auf Malta, junge bluͤhende Zweige, kleine noch unreife Fruͤchte und Citronenbluͤthen, die durchaus nicht den angenehmen Geruch der Pomeranzenbluͤthen besizen, den Pomeranzenbluͤthen zusezt. Da bisher nur durch den Geruch allein diese Verfaͤlschung entdekt werden konnte, und da dieser nicht immer, sowohl subjectiv als objectiv, derselbe ist, so suchte ich den aromatischen Grundstoff des Pomeranzenbluͤthe-Wassers durch seine chemischen Eigenschaften darzustellen. Ich habe in einer Abhandlung uͤber ein neues Mittel das fluͤchtige Copaivaoͤhl zu erhalten (welche ich der Société de Pharmacie einschikte) bemerkt, daß ich in einigen auf dieselbe Weise bereiteten wesentlichen Oehlen, die nur nach der Natur der Substanzen verschieden modificirt wurden, chemische Eigenschaften fand, welche von jener der destillirten Oehle sehr verschieden waren. Ich wollte bestimmen, ob die Salpetersaͤure auf dieselbe Weise auf mehrere fluͤchtige Oehle wirkte, die man auf verschiedene Weise bereitete, und fand, daß die farbeerzeugende Kraft (action chromagénésique) dieser Essenzen, die schon Hr. Bonastre studierte, in den ohne Waͤrme erzeugten frisch bereiteten Essenzen deutlicher sich zu erkennen gab, und nicht von dem wesentlichen Oehle abzuhaͤngen schien, das wir kennen, sondern von einem anderen fluͤchtigen Stoffe, den wir noch nicht erhalten konnten. Bei dem gegenwaͤrtigen Zustande unserer chemischen Kenntnisse wuͤrde es sehr schwer seyn die wichtige Frage aufzuloͤsen: Warum gewisse wesentliche Oehle, die frisch bereitet wurden, mittelst verduͤnnter Salpetersaͤure sehr lebhafte Farben geben, waͤhrend sie nach einigen Monaten nach ihrer Bereitung nur sehr blasse Farben liefern? Die Gegenwart oder Abwesenheit eines fluͤchtigen Grundstoffes in den wesentlichen Oehlen, der jedem vegetabilischen Individuum, aus welchem man dieselben erzeugte, besonders eigen ist, kann uns allein diese Erscheinung erklaͤren, so wie die Gleichheit der Resultate der Analysen, welche die HHrn. Th. de Saussure und Houtou-Labillardière an fluͤchtigen Oehlen erhielten, die ganz verschiedene Riechstoffe besaßen. Ich werde hier nicht alle Versuche erzaͤhlen, die ich uͤber diesen fluͤchtigen Grundstoff anstellte; ich werde sie bekannt machen, sobald ich neue Thatsachen uͤber das Arom einiger Liliaceen, uͤber Polyanthes tuberosa und Jasmin erhalten haben werde. Ich beschraͤnke mich hier nur auf denjenigen Theil meiner Arbeit, der zunaͤchst auf das Pomeranzenbluͤthe-Wasser Bezug hat, und verspare mir das Uebrige auf ein anderes Mal. Ich hatte seit langer Zeit beobachtet, daß die Salpetersaͤure die Eigenschaft besizt, das Pomeranzenbluͤthe-Wasser rosenfarben, und hell oder karminroth zu faͤrben, je nachdem man mehr oder weniger von derselben nimmt, und daß diese Faͤrbung bei der waͤsserigen Aufloͤsung des fluͤchtigen Oehles, das wir unter dem Namen Neroli kennen, nicht Statt hat, so wie auch nicht bei jenem Wasser, welches man durch Destillation der Pomeranzenblaͤtter erhaͤlt. Ich war neugierig zu sehen, woher dieser Unterschied kommen mochte, und unterzog daher das Pomeranzenbluͤthe-Wasser folgenden Versuchen. Ich bin weit entfernt zu behaupten, daß ich dadurch meinen Zwek erreichte; ich gelangte jedoch durch dieselben auf jene Anwendungen, von welchen in diesem Aufsaze eigentlich die Rede ist. Wirkung der Saͤuren, Alkalien, des Aethers und der fixen Oehle auf das Pomeranzenbluͤthe-Wasser. I. 1) Wenn man einige Tropfen concentrirter Salpetersaͤure in eine geringe Menge gut bereiteten Pomeranzenbluͤthe-Wassers gießt, so nimmt dieses nach einigen Minuten eine schoͤne Rosenfarbe an; wenn man etwas mehr Saͤure nimmt, so erscheint die rothe Farbe schneller und etwas dunkler; und wenn man so viel Saͤure als Wasser (dem Maße nach) nimmt, so entsteht eine schoͤne rothe Farbe, die sich mehrere Tage uͤber unveraͤndert erhaͤlt,Es verdient bemerkt zu werden, daß die Farbe sich schneller entwikelt, wenn man das Wasser auf die Saͤure gießt, als man leztere in kleinen Portionen zusezt. A. d. O. und in das Karmesinfarbene uͤbergeht, wenn man die Mischung etwas erhizt, oder wenn man zwei Theile Saͤure auf einen Theil Wasser nimmt. 2) Schwefelsaͤure, Phosphorsaͤure und Hydrochlorsaͤure veraͤndern die Farbe des Pomeranzenbluͤthe-Wassers wenig oder gar nicht, je nachdem man mehr oder weniger von der Saͤure genommen hat; sie verwandeln sie nie in ein dunkles Rosenroth. Die im Handel vorkommende Schwefelsaͤure verwandelt sie sehr schnell in ein lichtes Rosenroth, laͤßt aber, nachdem man sie eine Zeit uͤber kochen ließ, nur eine leichte Faͤrbung zuruͤk. Die auffallendere Wirkung im ersteren Falle scheint von der Gegenwart einer geringen Menge Salpetersaͤure herzuruͤhren, die sich immer in der kaͤuflichen Schwefelsaͤure findet, und von welcher sie nur zum Theile durch das Kochen befreit wurde. 3) Wenn man in einen Destillirkolben vier Theile und einen halben Pomeranzenbluͤthe-Wasser gibt, und die vier ersten Theile, die man durch die Destillation erhaͤlt, besonders abtheilt, so sind die beiden ersten Theile, welche uͤbergehen, sehr reich an fluͤchtigem Oehle, haben einen starken, wenig angenehmen Geruch, und faͤrben sich durch Salpetersaͤure sehr zart rosenfarben; der dritte Theil hat einen angenehmer, aber wenig starken Geruch, und wird von dieser Saͤure dunkel rosenroth; der vierte, weniger aromatisch, erhaͤlt durch dasselbe Reagens eine weniger dunkle Farbe. Der Ruͤkstand ist gelblich, weniger riechend, sehr bitter, und faͤrbt sich durch Salpetersaͤure, aber sehr schwach. II. 1) Barytwasser, Potasche und Ammonium-Aufloͤsung scheinen den aromatischen Bestandtheil im Pomeranzenbluͤthe-Wasser zu fixiren: wenn man dieses kochen laͤßt, so behaͤlt es die Eigenschaft, sich durch Salpetersaͤure rosenroth zu faͤrben, desto laͤnger. Der Ruͤkstand gibt nach der Verduͤnstung einen sehr deutlichen Honiggeruch, wenn man ihn mit Alkali saͤttigt. 2) Die durch Salpetersaͤure im Pomeranzenbluͤthe-Wasser erhaltene Farbe verschwindet, wenn man dasselbe mit Alkali saͤttigt, und kommt durch neue Zuthat uͤberschuͤssiger Saͤure neuerdings zum Vorscheine. III. 1) Eine gewisse Menge Aether, mit Pomeranzenbluͤthe-Wasser geschuͤttelt, und hierauf sorgfaͤltig davon abgeschieden, nimmt diesem Wasser all sein Arom und sein fluͤchtiges Salz; die Salpetersaͤure bringt dann keine Veraͤnderung mehr in demselben hervor. Der Aether wird blaßgelb, und wenn man einige Tropfen desselben auf die Hand gießt, so riecht er eben so angenehm, wie frisch gepfluͤkte Pomeranzenbluͤthe. Zwischen das Auge und das Tageslicht gehalten zeigt er einen Opalschiller, der jenem einer sauren schwefelsauren Quinin-Aufloͤsung gegen das Licht gehalten aͤhnlich ist. 2) Wenn man dieses Aetherolat mit Salpetersaͤure in Verbindung bringt, so wird, es alsogleich rosenroth: diese Farbe verschwindet aber schnell. Man kann sie dauerhafter machen und schoͤner, wenn man etwas Wasser zusezt. Der freiwilligen Ausduͤnstung uͤberlassen laͤßt es ein fluͤchtiges riechendes Oehl als Ruͤkstand zuruͤk, das nicht sehr angenehm ist, und sich nicht merklich durch verduͤnnte Salpetersaͤure faͤrbt. IV. 1) Oehl von suͤßen Mandeln, Ricinuskoͤrnern,„Es heißt im Originale: huiles d'amandes donces de Ricin;“ wir glaubten aber nach douces;“ einen Strichpunkt machen zu muͤssen.A. d. Ue. mit diesem Wasser eine Zeit uͤber geruͤttelt, benimmt demselben alle seine aromatischen Theile. Salpetersaͤure und die Nase finden nichts mehr davon in demselben: das Oehl hat aber einen sehr angenehmen Geruch angenommen, faͤrbt sich jedoch kaum durch die Salpetersaͤure, wahrscheinlich, weil das Oehl die Koͤrper, die es aufgeloͤst hat, gegen die Einwirkung der Salpetersaͤure schuͤzt. 2) Das Pomeranzenbluͤthe-Wasser, welches durch die Salpetersaͤure geroͤthet wurde, behaͤlt seine Farbe, wenn man dasselbe mit Aether oder mit einem fixen Oehle schuͤttelt. Nach den hier angefuͤhrten Thatsachen scheint die Salpetersaͤure ein brauchbares Mittel zur Bestimmung der Guͤte des Pomeranzenbluͤthe-Wassers. Ich bin um so mehr geneigt, dasselbe hierzu vorzuschlagen, als kein anderes aromatisches Wasser dasselbe Phaͤnomen darbietet: eine sehr geringe Anzahl derselben gibt hoͤchstens eine gelbe oder gruͤnliche Farbe. Ich will hier die Resultate angeben, die man erhalten wird, und die Weise, wie man zu verfahren hat. Wenn das Pomeranzenbluͤthe-Wasser nach den gehoͤrigen Regeln und Verhaͤltnissen bereitet wurde, so wird die Salpetersaͤure in demselben bald eine schoͤne hellrothe Farbe entwikeln; wenn das Wasser weniger Arom enthaͤlt, so wird es nur eine Rosenfarbe geben. Pomeranzenbluͤthe-Wasser aus der Provence wird dieselbe Farbe darbieten, aber einen krautartigen Geruch haben, einen Geruch nach Gruͤnzeug (odeur herbacée). Wenn dieses leztere noch mit fluͤchtigem Oehle verfaͤlscht ist, so ist die Farbe wenig merklich. Eben dieß ist auch der Fall bei demjenigen Wasser, welches man nur aus fluͤchtigem Oehle vor kurzem erst bereitet hat, und es wird sich gar keine Farbe zeigen, wenn die Essenz ein Jahr oder, ein paar Jahre alt ist. Wenn man uͤber diese schoͤne Faͤrbung des Pomeranzenbluͤthe-Wassers durch Salpetersaͤure einen Augenblik nachdenkt, eine Faͤrbung, die sich in dem wesentlichen Oehle, welches man durch Destillation erhaͤlt, nicht findet; so kann man sich mit Recht fragen, ob in dem Pomeranzenbaume nicht zwei verschiedene fluͤchtige Oehle enthalten sind: eines, das sehr angenehm riecht, und mit Salpetersaͤure sich roth faͤrbt; das andere, das weniger riecht, sehr scharf ist, und mit Salpetersaͤure nicht dieselbe Farbe gibt. Diese Hypothese, welche ich hier wage, wuͤrde, wie es mir scheint, den merklichen Unterschied erklaͤren, welcher zwischen Pomeranzenbluͤthe-Wasser, das man unmittelbar aus der Bluͤthe erhaͤlt, und zwischen jenem, das man aus fluͤchtigem durch die Destillation bereiteten Oehle bekommt, Statt hat: ein Unterschied, der nicht Statt haben koͤnnte, wenn, wie man gegenwaͤrtig allgemein annimmt, das aus Pomeranzenbluͤthe destillirte Wasser seine Eigenschaft nur einer gewissen Menge Neroli Oehle zu verdanken haͤtte, welches in demselben aufgeloͤst ist. –––––––– In einem kleinen Aufsaze in derselben Zeitschrift S. 410. uͤber die Wirkung der Schwefelsaͤure auf das Pomeranzenbluͤthen-Wasser bemerkt Hr. Wahart Dunesme zu Charleville, etwas fruͤher als Hr. Ader, daß er schon fruͤher, ehe noch Hr. Couerhe seine Bemerkungen uͤber die Wirkungen der Schwefelsaͤure auf das Arom der Pflanzen im Novemberhefte des Journal de Pharmacie, 1829 bekannt machte, geleitet durch Hrn. Bonastre, bereits im J. 1827 wahrnahm, daß „1) Schwefelsaͤure die Eigenschaft besizt, das destillirte Pomeranzenbluͤthe-Wasser rosenroth zu faͤrben;“ „2) daß diese Rosenfarbe mehr oder minder gesaͤttigt ist, je nachdem das Wasser mehr oder minder aromatisch ist;“ „3) daß diese Eigenschaft an den uͤbrigen officiellen aromatischen Wassern sich nicht findet.“ „Ich habe, sagt er, noch uͤberdieß wahrgenommen, daß die Rosenfarbe verschwindet, wenn man in daß gesaͤuerte aromatische Wasser Ammonium im Ueberschusse gießt; sie kommt wieder zum Vorscheine, wenn man das Ammonium mit uͤberschuͤssiger Saͤure saͤttigt.“ „Ich habe diese Versuche oft an kaͤuflichem Pomeranzenbluͤthe-Wasser wiederholt, und immer einen Unterschied in der Schattirung der Farbe desselben im Verhaͤltnisse zu seiner Guͤte wahrgenommen.“ „Da ich mich freue etwas zu dein Rufe beitragen zu koͤnnen, welchen die Versuche des Hrn. Barrnel der Schwefelsaͤure ertheilen, so schlage ich, wenn nicht als sicheres Reagens, doch als ein gutes Mittel, die Qualitaͤt des Pomeranzenbluͤthe-Wassers zu pruͤfen, die Schwefelsaͤure vor. Die einzige Schwierigkeit ist, auszumitteln, wo die Schattirung der Rosenfarbe ihre Graͤnze finden soll. Es scheint mir, das beste Mittel waͤre, wenn man Rosenwasser von der ersten Qualitaͤt als Vorbild naͤhme, und dann in eine bestimmte Gewichtsmenge dieses Wassers und des zu pruͤfenden dieselbe Anzahl Tropfen Schwefelsaͤure fallen ließe. Je mehr sich dann die Rosenfarbe des zu pruͤfenden Wassers der Farbe des Vorbildes naͤhert, desto besser waͤre dasselbe.“