Titel: | Ueber Detonations- oder Percussions-Flinten |
Fundstelle: | Band 38, Jahrgang 1830, Nr. VIII., S. 14 |
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VIII.
Ueber Detonations- oder
Percussions-Flinten
findet sich im Journal of the
Franklin-Institute dd. 20. Maͤrz 1829, und im Philos. Mag. and Annals of
Philos. Aug. 1830. S. 155. ein Aufsaz von Hrn. Josh. Shaw unter der
Aufschrift:
Ueber Detonations- oder
Percussions-Flinten.
Bemerkungen uͤber einen Artikel im Journal of the Franklin-Institute, Februar, 1829: „uͤber Knallpulver und den Gebrauch, derselben bei
Feuergewehren.“ Dieser Artikel wurde im LXIV. Bd. des Philos. Mag. S. 197. aus dem Deutschen des Hrn. Lieut.
Schmidt in k. preuß. Diensten in das Englische
uͤbersezt, und ging aus dem Philos. Mag. in das
Franklin Journal uͤber.
Hr. Shaw sagt nun in seinen Bemerkungen, „daß
sie das Resultat vieler Erfahrungen uͤber den in Frage stehenden Punkt
sind. Ich hoffe,“ faͤhrt er fort, „daß Sie von einem
bloß arbeitenden Kuͤnstler nichts Wissenschaftliches oder Systematisches
erwarten, indem Sie Sich in diesem Falle taͤuschen wuͤrden, da ich
weder Geschik noch Neigung hierzu besize. Mir und vielen anderen Arbeitern
scheint es, als ob den Schriftstellern ihre Gelehrsamkeit, die sie mit so vieler
Aengstlichkeit uͤber Alles ausgießen, auch wirklich uͤber Alles
ginge, und daß sie dadurch allein schon ihre Arbeiten gaͤnzlich
unbrauchbar machen. Es ist vergebene Muͤhe, irgend Jemanden belehren zu
wollen, wenn man sich nicht einer Sprache bedient, die der Lehrling wenigstens
einiger Maßen versteht.“
„Hr. L. Schmidt bemerkt in der angezeigten
Schrift, dort wo er von dem Pulver aus oxydirt salzsaurem Kali, Schwefel und
Holzkohle spricht, daß es aus 12 Theilen Schwefel, 10 Theilen Holzkohle, und 100
Theilen oxydirt salzsaurem Kali zusammengemengt wird. Mein Zwek ist
gegenwaͤrtig nicht von der besten Bereitungsweise der verschiedenen
Knallpulver zu sprechen, sondern vielmehr die falschen Angaben zu berichtigen,
die in Hinsicht der Brauchbarkeit der verschiedenen Arten derselben in Umlauf
sind. Indessen will ich doch bemerken, daß ich aus vieljaͤhriger
Erfahrung versichern kann, daß das oben angegebene Verhaͤltniß nicht das staͤrkste
Pulver gibt, welches man aus diesen Materialien bereiten kann.“
„Es ist mir vollkommen klar, daß dem Hrn. Lieutenant, zur Zeit als er
seinen Aufsaz schrieb, sein Gegenstand noch neu gewesen ist; er spricht auch
wirklich von den Kupferkaͤppchen als von einer in Deutschland noch neuen
Sache. Ich habe mich derselben wenigstens schon dreizehn Jahre lang bedient, und
in den lezten sieben Jahren jaͤhrlich wenigstens zwei Millionen derselben
verfertigt und verkauft. Nachdem er verschiedene Verfahrungsweisen angegeben
hat, sagt er: „Ueberdieß hat man sich noch anderer Methoden bedient,
dieses Pulver anzuzuͤnden; sie haben aber alle ihre Maͤngel,
und bieten in der Ausfuͤhrung so viele Schwierigkeiten dar, daß es
unmoͤglich wurde sie allgemein einzufuͤhren.“ Es
sollte also scheinen, daß wir, in dieser Hinsicht, den Deutschen weit voraus
sindIn dieser Hinsicht, und leider auch in mancher anderen. Jeder Staat
sollte seiner Gesandtschaft in jedem anderen Staate einige
wissenschaftliche gebildete Techniker beigeben, die, nicht wie der
gutmuͤthige Prediger Sterne in Yorick's empfindsamen Reisen von dem
diplomatischen Corps sagt, „kommen um die Naktheit eines
Landes auszuspaͤhen;“ die nicht accreditirte
Spione und zuweilen sogar Volksaufwiegler sind, sondern die die neuen
Erfindungen eines Landes sowohl als die verschiedenen aͤlteren
daselbst gebraͤuchlichen Verfahrungsweisen bei den verschiedenen
Kuͤnsten und Gewerben studieren, sammeln und ihrem Staate
alsogleich mittheilen, wenn sie dieselben zwekmaͤßig und
brauchbar finden. Solche friedliche Eroberungen wuͤrden den
Staaten weit mehr nuͤzen, als die Intriguen der Diplomatie und
die Eroberungen mit dem Schwerte; sie wuͤrden das
europaͤische Gleichgewicht sicherer erhalten; denn sie
wuͤrden ein intellectuelles Gleichgewicht unter den verschiedenen
Voͤlkern hervorrufen. Ein sehr weiser Staatsmann in Oesterreich
hat, schon vor zwanzig Jahren, aufmerksam auf die raschen Fortschritte
der Nordamerikaner im Gebiete der Landwirtschaft und der Industrie,
seine Regierung zu vermoͤgen gesucht, wissenschaftlich gebildete
Techniker als Consuln in die verschiedenen Staaten Nordamerika's zu
senden, oder wenigstens den Consuln beizugeben: die Kriege hinderten die
Ausfuͤhrung dieses schoͤnen Planes, der indessen bei der
Wiederkehr des Friedens in einem anderen Welttheile durch Anstellung des
beruͤhmten und geistreichen Reisenden und Landwirthes Acerbi, als Consul zu Alexandria auf die
gluͤklichste Weise in Erfuͤllung ging. Wenn auch
Oesterreich nicht zwei Acerbi besizt, so hat
es doch viele gruͤndlich gebildete Techniker, die es seinen
Gesandtschaften in allen Ländern, seinen Consulen in allen Welttheilen
mit geringen Kosten beigeben koͤnnte, und die sehr bald das
technologische Cabinet des erlauchten Kronprinzen mit Zeichnungen und
Modellen der neuesten Erfindungen aller Voͤlker, und dadurch
zugleich die Industrie der gesammten Monarchie bereichern
wuͤrden. Die Hollaͤnder waren die ersten, die durch ihre
technisch gebildeten Gesandten in allen Welttheilen die
schoͤnsten Eroberungen fuͤr sich und fuͤr ganz
Europa machten: den hollaͤndischen Gesandten in Constantinopel
verdanken wir die sogenannte wilde Kastanie, die nun alle
Spaziergaͤnge in ganz Europa ziert. Ihrem Beispiele folgten weit
spaͤter erst die Franzosen, und noch viel spaͤter die
Englaͤnder, bei welchen noch heute zu Tage, wie man
jaͤhrlich aus den lauten Klagen im Parliamente vernimmt, die
Consulate und kleineren Gesandtschaftsstellen bloße Sine-Curen
der Verwandten oder Creaturen des Ministers der auswaͤrtigen
Angelegenheiten sind. Es ist unglaublich, wie wenig England, ungeachtet
seiner vielen Reisenden, uͤber den Zustand der Kuͤnste und
Gewerbe des Auslandes unterrichtet ist: was der Englaͤnder
hieruͤber weiß, weiß er bloß durch Private. Um diesem
Nationalmangel abzuhelfen, bildet sich erst in diesem Augenblike in
England eine geographical Society als bloße
Privatanstalt, die sehr nuͤzlich fuͤr England und
fuͤr ganz Europa werden kann. Wenn man die Berichte liest, welche
die Consuln und Agenten der Vereinigten Staaten in den vielen
Zeitschriften ihres Vaterlandes uͤber Kuͤnste und Gewerbe
der Voͤlker aller Welttheile, unter welchen sie leben, beinahe
monatlich ihren lieben Landsleuten mittheilen, so lernt man einsehen,
wie nuͤzlich ein weise gewaͤhlter Consul oder Agent oder
sogenannter Attaché einer Gesandtschaft fuͤr das Wohl
seines Landes werden kann, und welche Eroberungen mitten im Frieden ein
paar Augen machen koͤnnen, die man richtig setzen lehrte.A. d. Ue. indem solche Kaͤppchen seit vielen Jahren bei uns allgemein gebraucht wurden,
und Niemand uͤber Schwierigkeiten bei Anwendung derselben klagte.
Wahrscheinlich ruͤhrt dieß großen Theils davon her, daß wir mit weniger
Vorurtheilen zu kaͤmpfen haben, als die Bewohner Deutschlands.Sehr wahr. Der Nordamerikaner ist, gewisser Maßen, ein Kind der Natur. Er
spielt mit Allem, was wir kaum zu beruͤhren wagen.A. d. Ue.
Hr. Lieut. Schmidt erwaͤhnt der Beobachtungen
des Herrn Wright zu London uͤber
Knallqueksilber; der Weise desselben, die Kaͤppchen mittelst eines
elfenbeinernen Staͤbchens zu fuͤllen, welche er als
muͤhselig und gefahrvoll tadelt, und empfiehlt ein Verfahren von seiner
Erfindung, das schneller und sicherer seyn soll. Wenn die Englaͤnder und
die Deutschen uͤber einen solchen Gegenstand sich in vollem Ernste
zanken, so koͤnnen wir Nordamerikaner hieruͤber nur herzlich
lachen. Der Hr. Lieutenant sagt, daß er in Einer Woche mehrere Tausende fuͤllt: mit dem Apparate, den ich
erfand, und dessen ich mich schon seit langer Zeit bediene, fuͤllt ein
kleines Maͤdchen jeden Morgen mehrere Tausende in wenigen Stunden. In ungefaͤhr vier Secunden sind 500
Kaͤppchen zusammengebracht und zur Fuͤllung hergerichtet, und in
ungefaͤhr eben so viel Zeit ist in jedes derselben eine gleich große
Menge dieses Pulvers gefuͤllt, worauf es, gleichfalls sehr schnell, mit
einem Kitte gegen allen Zutritt des Wassers geschuͤzt wird.“
„Es heißt, daß man in England bei dem Entzuͤnden des Schießpulvers
mittelst Knallqueksilbers Schwierigkeiten fand, und es scheint, daß die Arbeiten
der deutschen Professoren uͤber diesen Gegenstand auf ganz falsche
Resultate in Hinsicht auf die Art des Knallpulvers fuͤhrten, dessen man
sich bei Feuergewehren zu bedienen hat. Von Knallsilber kann, wegen seines hohen
Preises, gar nicht die Rede seyn. Was die Knallcomposition mit
oxydirt-salzsaurem Kali betrifft, so verbieten die zerstoͤrenden
Wirkungen desselben auf das Eisen gaͤnzlich alle Anwendung. Es
uͤberzieht nur zu bald das Schloß mit Rost, dringt in die Poren des
Eisens, zerfrißt es, und sezt den Lauf der Gefahr des Springens aus. Wir haben
den Gebrauch desselben schon seit langer Zeit gaͤnzlich aufgegeben, und
werden es so leicht nicht wieder weder auf englische noch auf deutsche
Autoritaͤt einfuͤhren.“
„Es ist offenbar, daß Hr. Lieutenant Schmidt
Hrn. Wright in Hinsicht der Bedeutung des Wortes
„Effect“ mißversteht.
Knallqueksilber knallt lauter, als das gewoͤhnliche Knallpulver,
entzuͤndet aber die Pulverkammer nicht so weit. Sein Feuer ist schneller,
aber nicht so elastisch oder expansiv: es verdichtet sich schnell, und das
Queksilber stellt sich wieder her; es ist indessen in seiner Wirkung sicher und
bietet durchaus keine Schwierigkeiten dar.“
„Das, was in diesem Aufsaze das Unbegreiflichste ist, ist die Behauptung,
daß Knallqueksilber mehr anfressen soll, als das Knallpulver mit
oxygenirt-kochsalzsaurer Pottasche! Wie schwer wird es uns nicht selten
zu der einfachsten Wahrheit zu gelangen! Nichts ist falscher und
ungegruͤndeter, als obige Behauptung. Hr. Forsyth hat in England, wie man sagt, an hunderttausend Pfund
(1,200,000 fl.) aufgewendet, um den Gebrauch der
Magazin-Schlagschloͤsser (percussion
magazine locks) einzufuͤhren: alle seine Versuche mißlangen,
weil sein Knallpulver die Gewehre zerfraß. Er hat volle 14 Jahre, so lang seine
Patent-Zeit dauerte, auf diese Verbesserung verwendet. Als diese
Patent-Zeit verlaufen war, fuͤhrte Hr. Wright das Knallqueksilber ein, und seit dieser Zeit hoͤrte man
keine Klage mehr, weder uͤber das Anfressen der Schloͤsser noch
der Laͤufe, außer wenn man fremde Kaͤppchen mit den alten
Materialien anwendete.
Der Kitt ist ein sehr wichtiges Ding: Benzoë-Gummi (gum benjamin) und arabischer Gummi wurden
vorzuͤglich angewendet: erstem bleibt immer weich; lezterer zieht
Feuchtigkeit an; keiner taugt recht. Die Franzosen haben, um den Nachtheilen bei
beiden abzuhelfen, darin ein Mittel gesucht, daß sie die Kaͤppchen am
Boden erweiterten, so daß, wenn das Pulver in dieselben eingefuͤhrt und
troken ist, es darin gleichsam eingekeilt ist, und eine geringere Menge von dem
einen oder von dem anderen Gummi hinreicht. Dadurch wird der Nachtheil zwar
vermindert, er wird aber nicht beseitigt.“
„In Amerika haben die sogenannten Schlagflinten (percussion guns) ein groͤßeres Gluͤk gemacht, als in
England, obschon die Flinten selbst meistens englische Arbeit sind, weil wir die
Kaͤppchen bei uns auf eine andere Weise verfertigen. Wir haben uns zwar
schnurstraks gegen die Regeln des deutschen Officiers und der deutschen
Professoren verstoßen; allein, obschon wir in dieser Sache vielleicht weniger
wissenschaftlich gebildet seyn moͤgen, so kennen wir doch die
Unterhaltungen auf dem Felde zu gut, um nicht aus unserer Erfahrung eine Lehre
abzuziehen, die uns besser taugt, als die gelehrtesten Theorieen, und wir wagen
es, lieber den Winken der ersteren zu folgen, wenn sie auch mit den
Schluͤssen der lezteren im Widerspruche stehen.“