Titel: Schreiben des Hrn. Michel über das trokene Kalkchlorür der Herren Gervais, Voinier, Favier und Huin zu Nancy, an den Präsidenten der Société industrielle zu Mülhausen.
Fundstelle: Band 38, Jahrgang 1830, Nr. XV., S. 50
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XV. Schreiben des Hrn. Michel uͤber das trokene Kalkchloruͤr der Herren Gervais, Voinier, Favier und Huin zu Nancy, an den Praͤsidenten der Société industrielle zu Muͤlhausen. Aus dem Bulletin N. 13. dieser Gesellschaft. S. 215. Michel, uͤber das trokene Kalkchloruͤr. Ich habe eine Abhandlung uͤber die Bereitung und Aufbewahrung des Kalkchloruͤres im 4ten Bulletin de la Société industrielle Polytechn. JournalBd. XXVIII. S. 289. mit Interesse gelesen. Der Verfasser beklagt sich in derselben daruͤber, daß das bis auf den heutigen Tag im Handel vorkommende trokene Kalkchloruͤr einen solchen Ueberschuß von freiem Kalke enthaͤlt, daß es unmoͤglich ist sich desselben in der Entfaͤrbungskufe zu bedienen. Da ich mich mit diesem chemischen Producte im Großen seit Jahren beschaͤftige, und gegenwaͤrtig die Kalkchloruͤrfabrik der HHrn. Gervais, Voinier, Favier und Huin in der Naͤhe der Saline von Dieuze leite, so strebte ich immer dahin, diesen Artikel so zu verfertigen, daß die Kattundrukereien denselben brauchen konnten. Ich habe mir die Bemerkung des Verfassers des oben erwaͤhnten Aufsazes wohl zu Gemuͤthe gefuͤhrt, und ich habe mein Moͤglichstes gethan, um den Bedingungen zu entsprechen, unter welchen die Kattundrukereien allein im Stande sind Kalkchloruͤr in der Entfaͤrbungskufe anzuwenden, indem ich uͤberzeugt bin, daß, wenn man einmal dieses Ziel erreicht hat, es leicht seyn muß, den Kattundrukereien und Bleichereien diesen Artikel um einen weit wohlfeileren Preis zu liefern, als das fluͤssige Chloruͤr ihnen zu stehen kommt, das sie sich selbst bereiten. Ich habe daher die Ehre Ihnen, mein Herr Praͤsident, zu melden, daß ich, nach zahlreichen Versuchen im Großen, endlich dahin gekommen bin, trokenes Kalkchloruͤr von verschiedenen Qualitaͤten, von der untersten Stufe bis zu 170° an Gay-Lussac's Chlorometer, zu erzeugen, und daß diese verschiedenen Qualitaͤten, im Wasser bis zum Saͤttigungspunkte aufgelost, mir Aufloͤsungen gaben, die an Baumé's Araͤometer bis zum 16 1/2° liefen, und 300 Volumen Indigotinctur entfaͤrbten: ein weit hoͤherer Grad als derjenige, welcher als Saͤttigungspunkt in der oben erwaͤhnten Abhandlung angegeben wurde. Ich habe mehreren Fabriken im Oberrhein-Departement Muster von diesen Producten zur Pruͤfung mitgetheilt, und die Resultate derselben stimmten durchaus mit meinen Angaben. Sie machten mir selbst die Bemerkung, daß in Aufloͤsungen von Chloruͤr von 132 bis 148 Graden, die fuͤr die Entfaͤrbungskufe bestimmt waren, nicht Kalk genug vorhanden war, und daß 100graͤdiges Kalkchloruͤr vollkommen hinreicht, indem es dann bei gewissen Arbeiten noch immer leicht ist, etwas davon zuzusezen. Wenn sich dieß nun so verhaͤlt, so sind die Nummern uͤber 100° fuͤr jene einzelnen Faͤlle anwendbar, wo man entweder eine schwaͤchere Fluͤssigkeit verstaͤrken, oder wo man sie auf einen uͤber gewoͤhnlich großen Grad erhoͤhen muß. Die HHrn. Gervais, Voinier, Favier und Huin verkaufen gegenwaͤrtig 100graͤdiges Kalkchloruͤr, frachtfrei bis Muͤlhausen gestellt, um Einen Franken das Kilogramm (2 Pfd.), und so verhaͤltnißmaͤßig das Chloruͤr von hoͤheren Graden. Also fuͤr jeden Grad Ein Centim mehr. Die Anwendung des trokenen Kalkchloruͤres hat, sowohl in Hinsicht auf den Preis, als in Hinsicht der Leichtigkeit, mit welcher man dasselbe zur Bereitung mehr oder minder gesaͤttigter Aufloͤsungen verwenden kann, viele Vorzuͤge vor dem fluͤssigen Chloruͤr, welches die Fabrikanten sich selbst bereiten, wie man aus der unten folgenden Tafel ersehen kann. Ich schmeichle mir, daß diese Resultate die Aufmerksamkeit der Société industrielle sowohl in Hinsicht auf Wissenschaft, als auf Anwendung in Drukereien in Anspruch nehmen werden. Ich bitte Sie, Hr. Praͤsident, den Ausschuß fuͤr Chemie an dieser Société hieruͤber Bericht erstatten, und die Versuche wiederholen zu lassen, die ich bereits mit einigen Mitgliedern desselben angestellt habe, und denselben, wenn er mit meinen Angaben stimmt, zugleich mit diesem Schreiben im Bulletin bekannt zu machen. Empfangen Sie etc. Tabelle.        Gewichtdes Chloͤrures von100°, welches manin 50 Liter Wasser  aufloͤsen muß. Grad nach  BaumAraͤometer. Volume des entfaͤrbten    Indigo.Die Indigoaufloͤsung, die man hier anwendete, ist jene des Chlorometers des Hrn. Gay-Lussac; sie haͤlt 1 Theil Indigo und 9 Theile Schwefelsaͤure auf 990 Theile Wasser. Resultate einiger  Versuche bei  verschiedenen      Graden.   Gestehungspreis      der 50 LiterChloruͤraufloͤsung.    Kilogramm. Frank. C.        0,88       1      18,15         –     –     0 88        1,76       2      36,30         –     –     0 76        2,64       3      54,45         –     –     1 64        3,52       4      72,60         –     –     2 52        4,40       5      90,75         –     –     3 40        5,28       6    108,90         –     –     4 28        6,16       7    127,05         –     –     5 16        6,60       7 1/2    136,15     138     –     6 60        Gewichtdes Chloͤrures von100°, welches manin 50 Liter Wasser  aufloͤsen muß. Grad nach  BaumAraͤometer. Volume des entfaͤrbten    Indigo. Resultate einiger  Versuche bei  verschiedenen      Graden.   Gestehungspreis      der 50 LiterChloruͤraufloͤsung.    Kilogramm. Frank. C.        7,04       8     145,20         –     –     7 04        7,92       9     163,35         –     –     7 92        8,80     10     181,50     180     10     8 80        9,68     11     199,65         –     –     9 68      10,56     12     217,80         –     –   10 56      11,44     13     235,95     233     40   11 44      12,32     14     254,10         –     –   12 32      13,20     15     272,25         –     –   13 20      14,08     16     290,40         –     –   14 08      14,52     16 1/2     299,50     315     –   14 52 Bericht des Hrn. Heinr. Schlumberger im Namen des chemischen Ausschusses uͤber obiges Schreiben. Seit einigen Jahren wurde den Kattundrukereien von verschiedenen Orten her eine große Anzahl Muster von trokenem Kalkchloruͤr zugeschikt, um das fluͤssige Chlor zu ersparen, welches die Fabrikanten sich bisher selbst bereiteten: indessen ließen alle diese Muster in mehrerer Hinsicht noch so viel zu wuͤnschen uͤbrig, daß es unmoͤglich war dieselben in der Entfaͤrbungskufe anzuwenden. Sie enthielten naͤmlich meistens einen sehr großen Ueberschuß an Kalk, oder auch sehr viel kochsalzsauren und chlorsauren Kalk, und nie konnte man aus diesem trokenen Kalkchloruͤr eine so gesaͤttigte Aufloͤsung erhalten, wie jene des Kalkchloruͤres, das auf nassem Wege erzeugt wurde, (naͤmlich von 9° an Baumé's Araͤometer, oder von solcher Staͤrke, daß 163 Volume Indigo an Gay-Lussac's Araͤometer entfaͤrbt wurden) wenn man von ersterem auch noch so viel nahm. Es geschah auch zuweilen, daß, wenn man von diesen trokenen Chloruͤren in Pulver der Entfaͤrbungskufe zusezte, sie die Zersezung der lezteren herbeifuͤhrten, was durch Ueberschuß von ungeloͤschtem Kalke entstehen konnte, der das Wasser der Fluͤssigkeit verschlang, sich erhizte, und dadurch die Zersezung eines Theiles von Kalkchloruͤr veranlaßte. Indessen ließen die HHrn., Gervais, Voinier, Favier und Huin in einer zweiten Sendung von Mustern trokenen Kalkchloruͤres, die sie neulich an einige Fabrikanten unserer Stadt sendeten, hoffen, daß man unter allen Verhaͤltnissen das fluͤssige Kalkchloruͤr entbehren, und daß ihr trokenes Kalkchloruͤr unter gewissen Umstaͤnden selbst noch Vortheile gewahren koͤnnte. Dieses Chloruͤr ist ein sehr schoͤn weißes und vollkommen trokenes Pulver; es loͤst sich sehr gut im Wasser auf ohne vielen Bodensaz zu lassen, und ist eben so rein von kochsalzsaurer und chlorsaurer Kalkerde, wie das fluͤssige Kalkchloruͤr. Einige Versuche mit verschiedenen Quantitaͤten dieses Chloruͤres auf dieselbe Menge Wassers bestaͤtigten die Genauigkeit der Tabelle des Hrn. Michel. Waͤsserige Aufloͤsungen dieses Chloruͤres von 15 Graden an Baumé's Araͤometer verloren, nachdem sie drei Monate lang in zugestoͤpselten Flaschen, gegen Licht geschuͤzt, aufbewahrt wurden, nichts von ihrer entfaͤrbenden Kraft. Dieses Chloruͤr hatte 132° an Gay-Lussac's Chlorometer. Nach den Bemerkungen, die man diesen Herren machte, entschlossen sie sich all ihr Chloruͤr nur 100graͤdig als Kaufmannswaare zu liefern, indem man dasselbe auf diese Weise besser aufbewahren kann, keinen Kalk der Entfaͤrbungskufe zusezen darf, und dasselbe uͤberhaupt leichter anwenden kann. Es handelte sich noch darum, zu sehen, welches Resultat man von Anwendung dieses Chloruͤres im Großen erhalten koͤnnte, d.h., ob die Entfaͤrbung eben so gut geschieht? Ob der gefaͤrbte Grund dadurch nicht mehr leidet? Ob die Kufe sich in der Ruhe sowohl, als waͤhrend der Arbeit sich eben so gut erhaͤlt, als mit dem fluͤssigen Kalkchloruͤr? Die HHrn. Nikolaus Koͤchlin und Bruͤder haben sich zu diesem Ende erboten, eine Entfaͤrbungskufe in ihrer Werkstaͤtte mit diesem trokenen Chloruͤr herzustellen. Sie fuͤllten zu diesem Ende eine Kufe, die 40 Maß (20 Hektoliter) hielt, mit kaltem Wasser, und loͤsten in demselben 3 Ztr. (250 Kilogramm) trokenes Kalkchloruͤr von 100° auf. Es wurde dabei einen ganzen Tag lang fleißig geruͤhrt, und die Aufloͤsung hierauf bis zum folgenden Tage in Ruhe gelassen, wo sich nur ein Bodensaz von ungefaͤhr 3 bis 4 Maß zeigte. Die klare Fluͤssigkeit zeigte dann 7 Grade an Baumé's Araͤometer, und entfaͤrbte 127 Volume Indigo an Gay-Lussac's Chlorometer. Man zog durch diese Kufe Zeuge verschiedener Art, an welchen auf Tuͤrkischroth, Chromgelb etc. entfaͤrbt werden sollte, und man fand in keiner Hinsicht einen Unterschied, zwischen diesen Zeugen und denjenigen derselben Art, welche man durch Chloruͤrkufen zog, die nach der gewoͤhnlichen Weise mit fluͤssigem Kalkchloruͤr vorgerichtet wurden. Man bemerkte auch keinen Unterschied bei Entfaͤrbung von Schwarz und Blau auf Tuͤrkischroth. Man frischte taͤglich die Fluͤssigkeit, die durch die Zeuge verschlungen wurde, mit einer neuen Aufloͤsung des trokenen Kalkchloruͤres auf, und nahm immer 7,5 Kilogramm davon auf Eine Maß Wasser. Wenn man dieselbe Menge auch als Pulver unmittelbar in die Kufe warf, so zeigte sich dabei kein Unterschied. Bei einigen Artikeln war man gezwungen noch etwas zerruͤhrten Kalk in die Kufe zuzusezen, um das Laufen zu verhindern, (le coulage.) Die Kufe arbeitet seit zwei Monaten, und befindet sich noch in gutem Stande. Der Ausschuß kann demnach nicht umhin, den Kattundrukereien das trokene Kalkchloruͤr der HHrn. Gervais, Voinier, Favier und Huin als einen Artikel zu empfehlen, der vor dem fluͤssigen Kalkchloruͤr den Vortheil voraus hat, daß man ihn sehr leicht verstaͤrken, und jede ausgesogene Kufe dadurch auf den gehoͤrigen Grad von Kraft zuruͤkbringen kann. Dieses Chloruͤr ist weit besser als jenes, welches man in England unter dem Namen von Tennant's Pulver (Tennant's powder, poudre de Tennant) anwendet.