Titel: Ueber den Purpur des Cassius und seine Bereitung; von Hrn. Buisson.
Fundstelle: Band 38, Jahrgang 1830, Nr. LXXVII., S. 296
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LXXVII. Ueber den Purpur des Cassius und seine Bereitung; von Hrn. Buisson. Aus dem Journal de Pharmacie. Octbr. 1830. S. 629. Buisson, uͤber den Purpur des Cassius. Nachdem ich mich bei mehreren wissenschaftlich gebildeten Fabrikanten und besonders bei den HHrn. Robert und Bunel, welche die Leitung des Farbengeschaͤftes auf der koͤniglichen Porcellanmanufactur zu Sévres haben, von allen Schwierigkeiten unterrichtet hatte, womit die Bereitung eines immer schoͤnen und gleichfoͤrmigen Purpurs des Cassius verbunden ist, stellte ich einige Versuche an, um ein befriedigendes Verfahren auszumitteln: außerdem war ich veranlaßt, diese merkwuͤrdige Verbindung genauer zu untersuchen, und diese Versuche will ich nun bekannt machen, weil sie besonders in technischer Hinsicht interessant sind. Wenn man die vielen Verfahrungsarten durchgeht, welche sowohl von Gelehrten als von Kuͤnstlern zur Bereitung von Cassius'spurpur angegeben wurden, so muß man uͤber ihre Anzahl und ihren Empirismus, und wenn man nach ihnen arbeitet, noch mehr uͤber ihre Unsicherheit und Schwierigkeit erstaunen; man muß aber bedenken, daß zur Zeit ihrer Entdekung die chemischen Theorien hoͤchst unbestimmt und unanwendbar waren. Wenn man aber alle diese Recepte aufmerksam untersucht und genau nach allen vorgeschriebenen Manipulationen arbeitet, wenn man alle Einfluͤsse, unter welchen man arbeitet, zu wuͤrdigen sucht und gegen einander abwiegt, so verbreitet sich endlich einige Klarheit uͤber diese beim ersten Anblik so dunkeln und unsicheren Recepte; man begreift endlich ihre Theorie und kann sie dann ordnen: dieses ist der Gang, welchen ich mir vorgezeichnet und bei dieser Arbeit befolgt habe. Ich werde in Kuͤrze einige von den zahlreichen bis auf den heutigen Tag angewandten Recepten anfuͤhren und sie dann vergleichungsweise untersuchen; aus dieser Untersuchung will ich dann die Folgerungen ziehen, welche mich veranlaßten die unten beschriebenen Versuche anzustellen. Lange vor Cassius haben die Alchemisten Basilius Valentinus, dann Glauber De prosperitate Germaniae. Bd. 4.A. d. O. und Kunkel Laboratorium chimicum. 26stes Kapitel.A. d. O. schon bemerkt, daß durch Einwirkung des Zinnes auf Goldsalze eine Purpurfarbe entsteht und sie mit den nachdruͤklichen Namen purpurne Goldseele, Koͤnigsmantel, rother Loͤwe u.s.w. bezeichnet; ihre Recepte waren geheim. Cassius beschrieb zuerst in seinem Buch De Auro S. 165. sehr unvollstaͤndig ein mangelhaftes Verfahren diese Farbe hervorzubringen, und wird fuͤr ihren ersten Erfinder gehalten. Orschall Orschall, sol sine veste.A. d. O. erhielt auch diese Farbe und bediente sich ihrer mit Erfolg um kuͤnstliche Steine, rothe Glaͤser zu faͤrben. D'Arclais de Montamy Traité des couleurs en émail ou sur porcelaines, 1765, S. 90.A. d. O. gibt mehrere verschiedenartige Methoden an, um die Gold- und Zinnaufloͤsungen zu bereiten. Seine Koͤnigswasser enthalten bald 1 Theil Salmiak und 4 Salpetergeist; bald nur einige Tropfen von diesem Salpetergeist auf ein Glas Salzgeist; aber immer verlangt er, daß man sehr reines Gold und Zinn anwende und daß man das Gefaͤß, worin das Zinn aufgeloͤst wird, gut verstopft, damit das Phlogiston nicht entweicht. Er schreibt uͤbrigens viele und ermuͤdende Manipulationen vor. Im J. 1771 gab der Graf von Milly Mémoire sur la porcelaine des Saxe, 1771, S. 42.A. d. O. ein Werk uͤber das Porcellan und seine Farben in Folio heraus und beschrieb darin mehrere Methoden diese Metalle aufzuloͤsen. Bald nimmt er Koͤnigswasser von verschiedener Zusammensezung; bald eine Alaunaufloͤsung, oder er haͤngt auch ein oder zwei Stuͤke Antimonzinn (bestehend aus 3 Theilen Zinn und 2 Antimon) in die saure Fluͤssigkeit; oder er versezt sie noch mit Weingeist oder salpetersaurer Silberaufloͤsung. MacquerDictionnaire de Chimie Art. précipite.A. d. O. gab dieselbe Vorschrift, welche Gellert in seine metallurgische Chemie aufnahm. Er nimmt keine Silber-, sondern bloß Gold- und Zinnaufloͤsung (fuͤr leztere den Geist von Libavius). Pelletier der VaterAnnales de Chimie.A. d. O. lieferte eine sehr interessante Abhandlung uͤber die Verbindungen der Salzsaͤure mit Zinn; er bemerkte zuerst daß das kaͤufliche Zinnsalz sowohl salzsaures Zinnoxydul als salzsaures Zinnoxyd enthaͤlt, und zeigte ihre verschiedenartige Wirkung, wodurch man wichtige Aufklaͤrungen uͤber die Bereitungsart des Purpurs erhielt. Hr. Oberkampf Annales de Chimie. Bd. 80. S. 161.A. d. O. machte wieder auf eine Beobachtung von Macquer aufmerksam, und bereitete wie dieser rothe Goldniederschlaͤge mittelst des salzsauren Zinnoxyduls; außerdem benuzte er noch die Beruͤhrung verschiedener Gasarten, wie reinen, geschwefelten und gephosphorten Wasserstoffgases u.s.w. Ich uͤbergehe absichtlich alle Recepte, welche nicht die Autoritaͤt eines heruͤhmten Namens oder der Erfahrung fuͤr sich haben. Man bemerkt auf den ersten Blik, welche Umstaͤnde allen diesen Recepten gemeinschaftlich sind und worin sie in Qualitaͤt und Quantitaͤt der Ingredienzien von einander abweichen. Die allen gemeinschaftlichen Umstaͤnde erklaͤren die Analogie der erhaltenen Producte; aber die Verschiedenheiten, welche man Anfangs findet, sind nicht hinreichend, um die Anomalien zu erklaͤren, auf welche man bei jedem Schritte stoͤßt, und noch weniger die Verschiedenartigkeit der Producte, welche identische Methoden geben. Man muß folglich die Ursachen sorgfaͤltiger aufsuchen, und wenn wir eine richtige Erklaͤrung finden, so koͤnnen wir darnach die Verfahrungsarten verbessern. Gewoͤhnlich verschafft man sich Cassius's Purpur, wie jedermann weiß, indem man eine Zinnaufloͤsung in eine Goldaufloͤsung gießt: ich habe zuerst die Zusammensezung des Goldsalzes untersucht, aber nie eine andere Verbindung gefunden als Au. Chl.³ Bloß die groͤßere oder geringere Saͤuerlichkeit macht einigen Unterschied, auf dessen Einfluß ich bald zu sprechen komme. Die Zinnaufloͤsung aber ist bei weitem nicht immer identisch; denn wenn sie gut bereitet ist, enthaͤlt sie jedes Mal sowohl salzsaures Zinnoxydul als salzsaures Zinnoxyd. Von der gleichzeitigen Existenz dieser beiden Salze innerhalb gewisser Graͤnzen haͤngt die Guͤte dieser Aufloͤsung ab und der Wandelbarkeit ihres Verhaͤltnisses darf man die bereits bezeichneten Anomalien groͤßten Theils zuschreiben. Hier folgen einige Beobachtungen, welche diese Behauptungen außer Zweifel sezen: 1) Moͤglichst neutrales salzsaures Zinnoxydul bringt, je nach seiner Menge und Concentration in einer ebenfalls neutralen Goldaufloͤsung einen kastanienbraunen oder blauen oder gruͤnen oder metallischen Niederschlag hervor, aber die Farbe ist niemals purpur. 2) Reines salzsaures Zinnoxyd bringt in demselben Goldsalze keine Veraͤnderung hervor, es mag uͤbrigens sauer seyn oder nicht, mehr oder weniger concentrirt und in groͤßerer oder geringerer Menge angewandt werden. 3) Ein ziemlich neutrales Gemisch von 1 Theil salzsauren Zinnoxyduls mit 2 Theilen salzsauren Zinnoxyds bringt mit 1 Theil Chlorgold augenbliklich einen schoͤn purpurfarbenen Niederschlag hervor, dessen Farbe und Intensitaͤt sich gleich bleiben. 4) Ueberschuͤssiges salzsaures Zinnoxydul nuͤancirt den Anfangs rothen Niederschlag ins Gelbe, und wenn es in großem Ueberschusse vorhanden ist, wird der Niederschlag blau, gruͤn oder goldgelb. 5) Ueberschuͤssiges salzsaures Zinnoxyd macht den Anfangs braunen Niederschlag roth, und bei groͤßerem Ueberschusse violett. 6) Ein Ueberschuß von Goldsalz hat wenig Einfluß, besonders in der Kaͤlte, aber in der Waͤrme macht es die violetten oder kastanienbraunen Niederschlaͤge nach und nach roth; endlich hat, wie man sieht, jedes dieser Salze eine specielle Wirkung auf die Faͤrbung des Niederschlags, und diese Wirkungen modificiren sich nothwendig gegenseitig wenig in der Kaͤlte und etwas mehr in der Waͤrme. 7) der Niederschlag des Cassius, er mag roth oder violett oder kastannienbraun seyn, ist in den Saͤuren unaufloͤslich, wird aber dadurch violett. Er loͤst sich leicht in Koͤnigswasser auf und seine Farbe geht dann immer von Roth in Violett uͤber. Diese Reactionen treten zwar leichter in der Kaͤlte und auf nassem Wege ein, finden aber auch in der Waͤrme und auf trokenem Wege Statt: die verglasbaren Saͤuren ertheilen ihm eine violette Farbe.Um diese Reaction auffallender zu machen, kann man den Niederschlag mit einem Fluß vermengen, worin man eine Saͤure oder ein Alkali vorwalten laͤßt. Mein Fluß bestand aus 2 Theilen Sand, 4 Bleiglaͤtte und 1 1/2 Borax, die ich noch mit Boraxsaͤure oder Kali versezte.A. d. O. 8) Die Alkalien scheinen ihn auf nassem Wege nicht zu veraͤndern; auf trokenem Wege erhalten sie seine rothe Farbe und ertheilen ihm bisweilen dieselbe. 9) Wenn er einmal in Koͤnigswasser aufgeloͤst ist, so ist er zerstoͤrt: die Alkalien bringen ihn nicht wieder hervor, sondern schlagen bloß Goldoxyd und Zinnoxyd nieder. 10) Gießt man saures salzsaures Zinnoxydul in eine saure Goldaufloͤsung, so kann sich ein rother Niederschlag bilden, welcher aber nach Hrn. Oberkampf nicht durch das Oxydulsalz, sondern durch das Zinnoxydsalz entsteht, welches sich durch Einwirkung der sauren Fluͤssigkeiten auf das salzsaure Zinnoxydul erzeuge: als Beweis dafuͤr gibt er an, daß dieses Salz, wenn es wenig oder gar keinen Saͤureuͤberschuß enthaͤlt, keinen rothen Niederschlag hervorbringt, welcher nur dann entsteht, wenn Salpetersaͤure und folglich ein Gemisch von salzsaurem Zinnoxydul und Zinnoxyd vorhanden ist. 11) Sehr reines salzsaures Zinnoxyd bringt in der Goldaufloͤsung keine Veraͤnderung hervor. Ich bemerke hieß ausdruͤklich, weil Macquer sagt, daß dieses Salz den rothen Niederschlag erzeugt und Oberkampf seine Angabe wiederholt und bestaͤtigt hat; sie muͤssen ein nicht ganz gesaͤttigtes Salz angewandt haben.Die Zinnsalze werden dadurch ein etwas unverlaͤßliches Reagens auf Gold; denn in gewissen Faͤllen entsteht kein Niederschlag, oder wenn er entsteht, so loͤst er sich sogleich wieder auf; wenn naͤmlich die Fluͤssigkeit Koͤnigswasser enthaͤlt, so kann darin kein Zinnoxydulsalz vorhanden seyn. Soll dieses Reagens empfindlich und verlaͤßlich seyn, so muͤssen die Fluͤssigkeiten beinahe neutral seyn.A. d. O. 12) Die Salze und Oxyde des Silbers ertheilen den Fluͤssen eine gelbe Farbe: dieses Gelb mischt sich sehr gut mit der rothen Farbe des Goldes und bildet eben dadurch eine aus Roth und Gelb zusammengesezte Farbe, die carminrothe Nuance. Aus diesem Grunde wenden die Kuͤnstler dieses Metall, welches Graf von Milly empfahl, an. 13) Das Antimon ertheilt den Fluͤssen eine braͤunlichgelbe Farbe, welche mit dem Purpur ein Dunkelbraun bildet; aus diesem Grunde wenden es die Kuͤnstler an. Alle Farben, wovon ich bei diesen Schmelzversuchen spreche, wurden mit einem Flußmittel abgerieben, auf Porcellanscherben aufgetragen und dem Muffelfeuer ausgesezt: die Farbe, welche sie dabei behielten, ist diejenige, welche ich oben angab. Diese Versuche ließen mir keinen Zweifel mehr, daß die gewoͤhnliche Methode die Zinnaufloͤsung zu bereiten, fehlerhaft ist; man uͤberlaͤßt naͤmlich das Koͤnigswasser funfzehn Tage, drei Wochen und oft einen Monat lang einer niedrigen und immer gleichen Temperatur; von Zeit zu Zeit, alle vierundzwanzig Stunden zum Beispiel, ruͤhrt man es um und sezt etwas gekoͤrntes Zinn zu; dieses langwierige Verfahren ist noͤthig, damit man eine Fluͤssigkeit erhaͤlt, worin die beiden Zinnsalze in dem oben angegebenen Verhaͤltnisse vorhanden sind. Ohne Zweifel bildet sich in den ersten Tagen viel mehr Oxydulsalz als noͤthig ist, welches spaͤter zum Theil in Oxydsalz uͤbergeht. Es tritt dann ein Zeitpunkt ein, nach drei Wochen naͤmlich, wo das gehoͤrige Verhaͤltniß vorhanden und die Aufloͤsung, gut ist; laͤßt man aber diese Zeit verstreichen, so geht alles Zinnoxydul in Oxyd uͤber und die Aufloͤsung bringt keinen Goldpurpur mehr hervor, so daß man sie verbessern oder verlieren muß. Ich schlage daher folgendes Verfahren vor, welches mir sehr gut gelang:Ich hielt dieses Verfahren fuͤr neu, weil es bis jezt noch nicht gedrukt wurde, aber Hr. Robiquet hat mir bei einer Unterhaltung, welche ich mit ihm uͤber diesen Gegenstand hatte, bemerkt, daß Hr. Sené, Professor der Chemie zu Dijon, ihm ein aͤhnliches mittheilte, dessen er sich schon seit mehreren Jahren in seiner Fabrik mit Erfolg bedient.A. d. O. 1) Man bereite einerseits salzsaures Zinnoxydul, indem man in der Kaͤlte oder in der Waͤrme 1 Gramm gekoͤrntes Zinn in Salzsaͤure aufloͤst; die Aufloͤsung muß neutral seyn. 2) Man bereite andererseits salzsaures Zinnoxyd, indem man eine hinreichende Menge eines aus drei Theilen Salpetersaͤure und Einem Theile Salzsaͤure bestehenden Koͤnigswassers auf 2 Grammen Zinn wirken laͤßt, so daß man eine neutrale Aufloͤsung erhaͤlt; um eine zu starke Einwirkung zu vermeiden, muß man das Koͤnigswasser Anfangs kalt anwenden und sodann, wenn es noͤthig seyn sollte, erwaͤrmen. Die Aufloͤsung darf kein Oxydulsalz enthalten, was man daran erkennt, daß sie in der Goldaufloͤsung keinen Niederschlag hervorbringt. 3) Man loͤse in der Waͤrme 7 Grammen Gold in einem aus 1 Theil Salpetersaͤure und 6 Theilen Salzsaͤure bestehenden Koͤnigswasser auf. Auch diese Aufloͤsung muß ganz oder beinahe neutral seyn. Um nun den Purpur zu bereiten, verduͤnne man die Goldaufloͤsung mit einem halben Liter Wasser auf 1 Gramm Metall, verseze sie mit dem salzsauren Zinnoxyd, vermische gut, und seze tropfenweise von dem salzsauren Zinnoxydul zu, bis man die gewuͤnschte Nuance erhalten hat, wobei man beruͤksichtigt, daß das Zinnoxydulsalz eine braune, das Zinnoxydsalz eine violette und die Zwischenstufen eine rothe Farbe geben, Uebrigens verfaͤhrt man wie bei den gewoͤhnlichen Methoden, das heißt, man waͤscht den Niederschlag moͤglichst schnell aus, damit er nicht lange mit den Zinnsalzen, welche ihn veraͤndern wuͤrden, in Beruͤhrung bleibt. Dieses Verfahren ist bei weitem nicht so langwierig und viel sicherer als die uͤbrigen, weßwegen es ihnen, wie ich glaube, vorgezogen zu werden verdient.Bisweilen bildet sich der Niederschlag nur sehr langsam, und weil er dann eben deßwegen lange mit den Zinnsalzen in Beruͤhrung bleibt, muß man befuͤrchten, daß er sich veraͤndert; um seine Bildung zu beschleunigen, kann man die Fluͤssigkeit in ein mit Wasser gefuͤlltes Gefaͤß laͤngs der Seiten desselben so hinabgießen, daß sie auf dessen Boden gelangt, alsdann allmaͤhlich umruͤhren, so daß sich die beiden uͤber einander stehenden Fluͤssigkeiten schwach vermischen; der Niedere schlag wird sich dann bald bilden, auf dem Boden des Gefaͤßes absezen und alle Purpurfarbe mit sich reißen. Ich schlage nach diesem Verfahren Koͤrper nieder, welche sehr schwer sich agglomeriren, wie kleesauren Kalk, schwefelsauren Baryt, Zinnoxyd, wenn sie in sehr geringer Menge in einer Fluͤssigkeit enthalten sind. Die Ursache dieser, sehr sonderbaren Erscheinung scheint mir bisher noch unbekannt zu seyn wenn sie nicht eine mechanische oder elektrische ist, wie man nach einigen Versuchen von Bucholz und Becquerel vermuthen koͤnnte, man sollte glauben, daß der Niederschlag nicht entstehen kann, wenn zwei Fluͤssigkeiten von ungleicher Dichtigkeit uͤber einander stehen, waͤhrend er im Gegentheil nicht Statt findet, wenn sie gemischt sind. Ich beabsichtige noch Versuche uͤber die Beruͤhrung anderer Substanzen, wie Saͤuren, Alkalien, Alkohol, wesentliche Oehle, anstellen und bin bereits im Besize einiger interessanten Thatsachen.A. d. O. Mehrere dieser Thatsachen sind auch in der Faͤrberei anwendbar, wie z.B. wenn es sich darum handelt Zinnaufloͤsung fuͤr Scharlach oder Hochroth zu bereiten. Gießt man salzsaures Zinnoxydul in ein Cochenilledecoct, so erhaͤlt man einen Lak von reicher Farbe, welcher ein wenig violett ist; salzsaures Zinnoxyd gibt einen lebhaft rothen und ein wenig gelben Lak. Durch Mischung dieser beiden Farben erhaͤlt man das Scharlachroth. Folglich koͤnnte man, wenn man das Verhaͤltniß dieser beiden Salze sowohl unter einander als zur Cochenille abaͤndern wuͤrde, eine Aufloͤsung von bestimmter Zusammensezung darstellen, womit sich eine immer gleiche schoͤne Farbe erzielen ließe, deren Nuͤancen man dann eben so abaͤndern koͤnnte, wie man es mit dem Golde thut. Es ist mir auf dem Wege der Erfahrung und der Theorie – auf jenem fuͤr das Zinnoxydsalz, auf diesem fuͤr das Zinnoxydulsalz – gelungen, das noͤthige Verhaͤltniß der beiden Zinnsalze zu bestimmen, indem ich von der (spaͤter zu erweisenden) Voraussezung ausging, daß das Gold in dem Purpur des Cassius in metallischem Zustande vorhanden ist und durch das Zinnoxydulsalz, welches in Oxydsalz uͤbergeht, reducirt wird. Folgende Data dienten zur Bestimmung des noͤthigen Verhaͤltnisses, das Chlorgold Au Chl³ besteht aus 1 Mischungsgewicht Gold 24,86 3 M. G. Chlor 13,20 ––––––– 38,06 = 1 M. G. Chlorgold. Das salzsaure Zinnoxydul oder im wasserfreien Zustande Einfach-Chlorzinn, = St. Chl. aus: 1 M. G. Zinn   7,35 1 M. G. Chlor   4,40 ––––––– 11,75 = 1 M. G. Einf. Chlorzinn. Das salzsaure Zinnoxyd oder im wasserfreien Zustande Doppelt-Chlorzinn, = St. Chl² aus: 1 M. G. Zinn   7,35 2 M. G. Chlor   8,80 ––––––– 16,15 = 1 M. G. Dopp. Chlorz. Das Einfach-Chlorzinn bemaͤchtigt sich daher Eines Atoms Chlor um in Doppelt-Chlorzinn uͤberzugehen; das Chlorgold enthaͤlt aber deren 3; es sind daher 3 Atome Einfach-Chlorzinn noͤthig, um alles in Einem Mischungsgewicht Chlorgold enthaltene Gold in den metallischen Zustand uͤberzufuͤhren. Man hat alsdann 1175 × 3 = 3525 oder 3 M. G. Einfach-Chlorzinn auf 1 M. G. Chlorgold = 3806. Oder Zinnsalz   92,6 =   47,5 Goldsalz 100,0 =   52,5 ––––– ––––– 192,6 100,0. Das geeignete Verhaͤltniß von Doppelt-Chlorzinn kann, wie ich glaube, nur durch Versuche ermittelt werden. Ich fand daß man sehr gute Resultate erhaͤlt, wenn man davon zwei Mal so viel als vom Einfach-Chlorzinn anwendet. Man hat alsdann folgende Verhaͤltnisse: Chlorgold   22,4 oder metallisches Gold   29,6 Einfach-Chlorzinn   20,6 oder metallisches Zinn als Einfach-      Chlorzinn   17,8 Doppelt-Chlorzinn   57,0 oder metallisches Zinn als Doppelt-      Chlorzinn   52,6 –––––– –––––– 100,0. 100,0. Ich habe noch Versuche angestellt, um folgende Fragen aufzuloͤsen: 1) In welchem Zustande ist das Gold in dem Purpur des Cassius vorhanden? 2) Ist diese Purpurfarbe von dem Zinnoxyd abhaͤngig oder unabhaͤngig? Ist sie ein bloßes Gemenge oder eine chemische Verbindung? Ist die weiße Substanz, welche sich niederschlaͤgt, wirklich Zinnoxyd? 3) Kann man den Purpur des Cassius noch nach anderen Methoden darstellen, wobei keine Zinnsalze noͤthig sind. In Betreff der ersten Frage bemerke ich, daß das Gold in dem Niederschlage wirklich in metallischem Zustande vorhanden ist, denn es loͤst sich, was bereits mehrere Chemiker bemerkt haben, weder in Salzsaͤure noch in Salpetersaͤure, wohl aber in einem Gemisch dieser beiden Saͤuren auf. Dagegen laͤßt sich aber noch einwenden, daß das Zinnoxyd die Rolle einer Saͤure spielte und so der Niederschlag zinnsaures Goldoxyd waͤre. Um diesen Einwurf ganz zu beseitigen, suchte ich den Purpur durch verschiedene andere Substanzen von solcher Schoͤnheit hervorzubringen, daß ich uͤberzeugt seyn konnte, daß das Gold darin in demselben Zustande vorhanden ist; es gelang mir mit mehreren Wismuth- und Antimonsalzen, so wie auch mit mehreren organischen Substanzen: obgleich das Gold nun gar kein Zinnoxyd enthielt, so besaß es doch dieselben Eigenschaften. Um noch sicherer zu seyn, untersuchte ich auch die physischen Eigenschaften des Goldes. Die Porcellanscherben, welche mit dieser Farbe bemahlt waren, opalisirten, wenn man sie verschiedenartig neigte und ich bemerkte unter den reflectirten Farben metallische, dem Golde aͤhnliche; um alle optische Taͤuschung zu vermeiden, wiederholte ich den Versuch mit einer Gasroͤhre. Sie war in ihrer ganzen Laͤnge purpurfarben; ich betrachtete sie Anfangs beim durchfallenden Lichte, wo sie sehr roth und durchscheinend war; beim reflectirten Lichte war sie dunkel, metallisch und goldgelb an allen jenen Stellen, welche beim durchfallenden Lichte roth und durchscheinend waren; ich wiederholte diesen Versuch oͤfters und immer mit Erfolg. Hiernach bleibt kein Zweifel mehr, daß das Gold in dem Niederschlage in metallischem Zustande enthalten ist. Die blauen, violetten, braunen u.s.w. Niederschlaͤge gaben mir aͤhnliche Resultate und sogar noch leichter, woraus ich schließe, daß diese Farben nur von dem verschiedenen Grade der Zertheilung des Goldes abhaͤngen. Was die zweite Frage betrifft, so haͤngt diese Farbe nicht von der weißen Substanz ab, welche sich mit ihr niederschlaͤgt und die man fuͤr Zinnoxyd haͤlt. Ehe ich dieser Meinung war, fragte ich, welche Verwandtschaft zwischen Zinnoxyd und metallischem Golde Statt finden koͤnne, da eine solche Verbindung mit den chemischen Gesezen ganz in Widerspruch stuͤnde. Ich analysirte einen schoͤnen purpurfarbenen Niederschlag und fand ihn bestehend aus: Metallischem Gold   28,5 Zinnoxyd   65,9 Chlor     5,2 –––––   99,6 Verlust     0,4 ––––– 100,0 Der Niederschlag wurde naͤmlich in einem Platinnatiegel mit reinem Kali behandelt und das Zinnoxyd aus der alkalischen Aufloͤsung mit Salpetersaͤure gefaͤllt. Das Chlor wurde mit salpetersaurem Silber gefallt und das Gold mit schwefelsaurem Eisenoxydul. Aus dieser Analyse schloß ich, daß dieses Zinnoxyd keineswegs mit dem Golde verbunden, sondern bloß ein basisches Salz ist, welches sich beim Verduͤnnen mit Wasser niederschlaͤgt. Bei diesem Versuche hatte sich ein basisches salzsaures Salz niedergeschlagen, aber bei einem anderen erhielt ich ein basisches salpetersaures Salz, welches durch die Producte der Zersezung im Feuer nicht zu erkennen war; ich hatte naͤmlich bei diesem Versuche wenig Salzsaͤure angewandt und einen schwachen Ueberschuß von Salpetersaͤure unterhalten: ich schloß hieraus folgendes: 1) der purpurfarbene Niederschlag ist keine chemische Verbindung von bestimmter Zusammensezung, sondern bloß ein Gemenge in wandelbaren Verhaͤltnissen; 2) die weiße Substanz, welche man fuͤr Zinnoxyd hielt, ist bloß ein basisches Salz;Der beruͤhmte Chemiker Proust hat verschiedene Niederschlage analysirt und folgende Zusammensezung fuͤr sie gefunden:Purpurrother Niederschlag.Violetter Niederschlag.        Gold60,18          20,58        Zinnoxyd79,42          79,42Man sieht daß er keine Untersuchung auf Chlor oder Salpetersaͤure anstellte, und dennoch gibt er keinen. Gewichtsverlust an; vielleicht hat er seine Niederschlage calcinirt ehe er sie analysirte, oder sie zu lange ausgesuͤßt, so daß sich das basische Salz in Oxyd verwandelte. Ich selbst habe bei meiner Analyse den Niederschlag so lange ausgesuͤßt, bis ein Tropfen, auf einem Platinnablech abgedampft, keine Spur zuruͤkließ und ihn dann im Wasserbade ausgetroknet.A. d. O. 3) die Purpurfarbe des Niederschlags ist von dem Zinnoxyd oder basischen Zinnsalze unabhaͤngig; 4) dieses basische Salz bewirkt je nach seiner Quantitaͤt und seinem Aggregatzustande die gehoͤrige Zertheilung des Goldes; sein Aggregatzustand aber haͤngt von seiner chemischen Zusammensezung ab, denn je nachdem es mehr oder weniger Oxyd enthaͤlt, ist es auch mehr oder weniger gallertartig oder pulverfoͤrmig; durch dieses basische Salz entstehen die verschiedenen oben angegebenen Farben; 5) das salzsaure Zinnoxydul hat keinen anderen Zwek, als daß es das Gold in metallischem Zustande niederschlaͤgt, indem es ihm seine Saͤure und seinen Sauerstoff entzieht und selbst in salzsaures Zinnoxyd uͤbergeht, welches auf die angegebene Weise wirkt. Ich habe noch einige Versuche angestellt, welche diese Schluͤsse vollends rechtfertigen und die lezte Frage beantworten. Ich nahm reine gut krystallisirte Kleesaͤure und goß einen oder zwei Tropfen Goldaufloͤsung darauf: nach fuͤnfzehn Stunden war die roͤthliche Farbe sehr deutlich; nach dreißig Stunden war die Kleesaͤure sehr roth. Ich ersezte diese Saͤure durch ihre Aufloͤsung und erhielt nur noch eine blaͤuliche Farbe oder metallisches Gold; dieselbe Wirkung brachte ich vermittelst kleesauren Ammoniaks auf verschiedenen organischen Geweben,Solche Gewebe, welche einem schwachen Koͤnigswasser widerstehen, kam man, wenn man sie damit auswaͤscht, von Goldfleken reinigen; auf der Haut der Haͤnde, der Baumwolle, Wolle u.s.w. werden diese Fleken dadurch zerstoͤrt waͤhrend sie den einzelnen Saͤuren vollkommen widerstehen.A. d. O. wie Wolle, Baumwolle, der Epidermis der Haͤnde u.s.w., hervor. Ich ersezte diese verschiedenen Koͤrper durch Doppelt-Chlorantimon oder Doppelt-Chlorwismuth und schlug mit salzsaurem Zinnoxydul oder salpetersaurem Queksilberoxydul oder schwefelsaurem Eisenoxydul nieder, wodurch ich immer roͤthliche Niederschlage erhielt und mit ersteren Salzen waren sie sogar ziemlich schoͤn. Da die Goldsalze diese charakteristische Farbe mit so vielen verschiedenartigen Substanzen hervorbringen, so koͤnnen sie nicht mehr als Reagentien auf Zinn betrachtet werden. Wenn man mit diesen verschiedenen Salzen kein basisches Salz oder Oxyd oder unaufloͤsliches Salz zugleich mit dem Gold niederschluͤge, so wuͤrde lezteres nur eine blaue oder gruͤne oder gelbe Farbe haben. Wenn diese blaue Farbe einmal gebildet ist, so wird sie nicht mehr durch mechanische Zertheilung mit einem unaufloͤslichen Salze roth. Es ist zu dieser Erscheinung eine chemische Zertheilung noch wendig; wenn man aber mit der blauen oder braunen Farbe, in dem Augenblike wo sie entstehen, eine mechanische Zertheilung vornimmt, so ist diese hinreichend und man erhaͤlt einen roͤthlichen Niederschlag anstatt eines braunen oder blauen. So erhaͤlt man bald einen braunen Niederschlag, wenn man Wasserstoffgas durch eine Goldaufloͤsung stroͤmen laͤßt; wenn man aber sodann schwefelsauren Baryt sorgfaͤltig zertheilt, so aͤndert sich die Farbe nach der Zertheilung des Koͤrpers, welchen man ihr darbietet. Ehe ich schließe will ich noch einen Versuch anfuͤhren. Ich goß einen Tropfen Chlorgold auf einen Porcellanscherben und verdampfte ihn; es bildete sich eine rosenrothe Farbe um den Rand und eine roͤthlichblaue in der Mitte; ich goß neuerdings einen oder zwei Tropfen Goldaufloͤsung auf einen Scherben und verdampfte sie; es bildete sich eine rosenrothe Farbe am Rande, aber in der Mitte war durch die groͤßere Menge Gold die Farbe gelb geworden; es war noch etwas von der blauen Farbe sichtbar, welche durch einen neuen Tropfen gewiß verschwunden waͤre; dieselben Scherben wurden nun einer betraͤchtlichen Hize ausgesezt, wodurch sich die Farben nicht aͤnderten; das Gold war daher im metallischen Zustande und nicht als Oxyd auf den Scherben, weil es sich sonst bei dieser Temperatur reducirt haben muͤßte. Ebenso wie das Chlorgold verhalten sich auch das Schwefelgold und Knallgold (Verbindung des Stikstoffs mit Gold); lezterem kann man seine Eigenschaft zu detoniren benehmen, wenn man es in rectificirtem Terpenthinoͤhl aufweicht und verdampfen laͤßt. Ich glaube in dieser Abhandlung einige streitige Punkte berichtigt und einige neue Thatsachen mitgetheilt so wie die von mir aufgestellten Hypothesen hinreichend gerechtfertigt zu haben.Eine neuere (im polyt. Journ. Bd. XXIV. S. 437. mitgetheilte) Abhandlung Marcadieu's uͤber denselben Gegenstand blieb dem Verfasser unbekannt. Marcadieu suchte ebenfalls zu beweisen, daß das Gold im Goldpurpur in metallischem Zustande enthalten ist und gab uͤberdieß ein von dem gewoͤhnlichen verschiedenes Verfahren an, Goldpurpur zu bereiten.A. d. R.