Titel: | Ueber die Fabrikation von Rohzuker aus dem Safte des Zukerrohrs und die Producte, welche man beim Raffiniren des Rohzukers erhält. |
Fundstelle: | Band 38, Jahrgang 1830, Nr. LXXX., S. 311 |
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LXXX.
Ueber die Fabrikation von Rohzuker aus dem Safte
des Zukerrohrs und die Producte, welche man beim Raffiniren des Rohzukers
erhaͤlt.
Aus dem Repertory of Patent-Inventions.
November 1830. S. 281.
Ueber die Fabrikation des Rohzukers.
Bei der Fabrikation von Rohzuker aus dem Rohrsafte wuͤnscht der Pflanzer ein
Verfahren, wodurch alle mit dem Zukerstoffe verbundenen fremdartigen Substanzen
schnell und wohlfeil vollstaͤndig abgeschieden werden koͤnnen, und das
groͤßte Gewicht von Krystallen der besten Qualitaͤt erzielt wird.
Gewahrt aber irgend eine der jezt in den Colonien gebraͤuchlichen Methoden
diese Vortheile? Gewiß nicht. In Vergleich mit den Verbesserungen, welche in den
lezten Jahren beim Zukerraffiniren in Großbrittanien angenommen wurden, wurden in
den Colonien nur sehr beschraͤnkte eingefuͤhrt. Es ist von der
hoͤchsten Wichtigkeit einen guten Rohzuker zu erhalten, und daß wir solchen
bald erhalten werden, ist hoͤchst wahrscheinlich, da man den Wetteifer der
Pflanzer bereits durch mehrere Verbesserungen, die man einzufuͤhren
versuchte, rege gemacht hat; besonders geschah dieß durch Hrn. Innes, welcher den pneumatischen Proceß
einfuͤhrte, wodurch nicht nur die wirkliche Melasse oder der
unkrystallisirbare Zuker, sondern auch die anderen dem Rohzuker noch anhangenden
Substanzen, die bisher erst in den Raffinerien in Großbrittanien abgeschieden
wurden, entfernt werden sollen. Wenn die Beseitigung dieser lezteren Substanzen
fuͤr so wichtig beim Raffiniren gehalten wird, wenn man, wie behauptet wird,
ein groͤßeres
und besseres Product erhaͤlt und die Abscheidung vor der Klaͤrung und
Verdampfung mit moͤglichst geringer Erhizung bewirkt wird, so muͤssen
aͤhnliche Vortheile gewiß auch bei der Fabrikation und Krystallisation des
Rohrsaftes wuͤnschenswerth seyn.
Hr. Crosley schloß nach
Analogie, daß man nicht nur durch die neuen Verbesserungen im Abdampfen und
Klaͤren, sondern durch Anordnungen, welche diesen Operationen vorgehen, eine
bessere Qualitaͤt Rohzuker in den Colonien erhalten koͤnnte. Seine
Hypothese besteht darin:
1) daß die mehr oder weniger weit von der Wurzel entfernten Theile des Zukerrohrs
auch verschiedenartige Bestandtheile haben.
2) daß die erdigen und dichteren Theile (und wahrscheinlich der groͤßte Theil
der Unreinigkeiten) der Wurzel am naͤchsten sind und folglich der Zukersaft
von der Wurzel nach der Spize des Rohrs zu immer reiner wird. Wenn diese Hypothese
Grund hat, so waͤre es raͤthlich die unteren Theile von dem Rohr
abzuscheiden, ehe man es auf die Muͤhle bringt, so die feineren Theile von
den groͤbern zu sondern, jene wie diese fuͤr sich zu mahlen und ihren
Saft besonders zu verarbeiten. Dieß wuͤrde das Klaͤren und Abdampfen
zu der zum Koͤrnen erforderlichen Consistenz nach dem gewoͤhnlichen
Verfahren erleichtern und verhaͤltnißmaͤßig bessere Producte liefern.
Bekanntlich pfluͤkt man die beste Frucht vom aͤußersten Zweige eines
Baumes, waͤhrend die der Wurzel zunaͤchst liegende roher ist, obgleich
sie eben so sehr dem Einfluß der Sonnenstrahlen ausgesezt war. Da es bei der
Bereitung des Weines Cyders und anderer vegetabilischen Producte durchaus
noͤthig ist verschiedene Qualitaͤten zu sondern, warum sollte dieß
nicht auch bei dem Rohrsaft von Nuzen seyn? Da man es vortheilhaft findet, den der
Spize des Rohrs zunaͤchst liegenden Theil abzusondern, weil er weniger reif
als die anderen Theile ist, so darf man wohl vermuthen, daß auch der untere Theil
Substanzen enthalten moͤchte, welche den Producten, die man bei der
nachfolgenden Bearbeitung des Saftes erhielt, ebenso oder vielleicht noch in
hoͤherem Grade nachtheilig sind.
Obige Hypothese mag nun gegruͤndet seyn oder nicht, so ist so viel gewiß, daß
man vor Allem trachten muß, die mit dem Zukersafte innig vermischten und verbundenen
fremdartigen Substanzen abzuscheiden und dabei moͤglichst wenig Hize
anzuwenden, indem diese im Verhaͤltniß ihrer Intensitaͤt und Dauer die
Zukerkrystalle auf ihrer Oberflaͤche verkohlt. Die nachfolgende Operation,
wodurch die kohligen Substanzen von den Krystallen abgeschieden werden sollen, wird
gegenwaͤrtig am besten durch den pneumatischen Proceß bewirkt; sein Nuzen zu
diesem Zwek wuͤrde in den Colonien in dem Maße abnehmen, als Verbesserungen
in der Behandlung des Zukerrohrs, der Klaͤrung und Abdampfung des Saftes,
zunehmen wuͤrden; und in der That duͤrfte der pneumatische Proceß nur
dazu noͤthig seyn, um die wirklichen Melassen oder den unkrystallisirbaren
Theil des Rohrsaftes schneller und vollstaͤndiger abzuscheiden.
Hinsichtlich des Raffinirens nimmt jeder dasjenige System an, welches er entweder aus
Gewohnheit, Vorurtheil oder in oͤkonomischer Hinsicht fuͤr das beste
und seinen Umstaͤnden angemessenste haͤlt. Fast jeder Raffinirer hat
seine besonderen Ansichten und Methoden: in einigen Raffinerien wird mit Blut
geklaͤrt (wobei einige die Melasse oder den Farbestoff zuvor abscheiden,
andere nicht) und das Abdampfen in Pfannen uͤber freiem Feuer vorgenommen.
Einige nehmen Holzkohle zum Klaren, andere chemische Praͤparate; einige deken
das Gut mit Thon, andere gebrauchen anstatt dessen Abfall oder Syrup; einige
benuͤzen die Dampfhize zum Klaren und Abdampfen, andere lassen die Kessel vom
freien Feuer bestreichen; die meisten wohlhabenden Raffinirer haben jedoch die
Verbesserungen des verstorbenen Edward Charles Howard
Vergl. pol. Journ. Bd. XXVI. S. 415.
und uͤber Hawkins Verbesserungen an
Howard's Verfahren
Bd. XXVII. S. 30. und Bd. XXIX. S. 391.A. d. R. angenommen und erhalten dadurch einen Zuker, welcher schoͤner
(glaͤnzender) aussieht und besser ist, als man ihn nach irgend einer der
fruͤheren Methoden darstellen konnte mit alleiniger Ausnahme derjenigen des
Hrn. Kneller (beschrieben im
Repertory of Patent-Inventions, N. R. Bd. IX.
S. 69.), welche ein eben so schoͤnes Product liefert.
Alles was die Raffinirer und Pflanzer brauchen, laͤßt sich folgendermaßen
classificiren:
1) die beste Abscheidung der fremdartigen Substanzen;
2) die Abscheidung, Klaͤrung und Abdampfung bei einem Hizgrade, welche auf den
Zuker nicht zersezend einwirkt;
3) die Erzielung der moͤglichst groͤßten Menge von Krystallen, die eine
gute Farbe und ein glaͤnzendes Ansehen haben;
4) moͤglichst wenig Abgang an Melasse oder Syrup.
5) Eine Behandlungsweise, welche die Producte in der kuͤrzesten Zeit und
6) mit den geringsten Kosten liefert.
Die beiden ersten Punkte sind vorzuͤglich fuͤr die Colonien wichtig und
wenn sie einmal realisirt sind, wird die Erfuͤllung der uͤbrigen nicht
schwer werden.
Der Verfasser bemerkt, daß man in den Colonien ein Verfahren einfuͤhren
sollte, wodurch die mit dem Rohrsafte verbundenen Unreinigkeiten abgeschieden wuͤrden, ehe
er der Einwirkung der Hize ausgesezt wird und meint, daß man dann durch den
pneumatischen Proceß diejenigen Unreinigkeiten absondern sollte, welche dem Zuker
nach seiner Fabrikation noch anhangen. Der Pflanzer ist bei beiden Operationen
interessirt, erstens weil er bei Abscheidung der Melasse einen ungebeueren Verlust
erleidet, und zweitens weil die Regierung (von Großbrittanien) gegenwaͤrtig
erlaubt solchen Zuker, welchem ein Theil seiner Unreinigkeiten und seines
Farbestoffes entzogen wurde, fuͤr dieselbe Accise einzufuͤhren, welche
man fuͤr Rohzuker bezahlt, der nicht gereinigt wurde; waͤhrend das
Interesse des Raffinirers sich mehr auf die Bearbeitung des Rohzukers
beschraͤnkt. Bei dessen gegenwaͤrtiger Beschaffenheit noͤthigen
ihn die Umstaͤnde davon die Unreinigkeiten und den Faͤrbestoff
abzuscheiden, was ihm am besten gelingt, wenn er bei allen seinen Operationen einen
niedrigen Hizgrad anwendet.
Die Erfahrung hat dem wissenschaftlich gebildeten Raffinirer gelehrt, daß der den
Krystallen anhaͤngende Farbestoff den raffinirten Producten nachtheilig ist
und davon durch den Proceß des Dekens oder Syrupes abgeschieden werden muß. Man hat
den Faͤrbestoff sowohl durch mechanische als durch chemische
Verfahrungsweisen abzuscheiden gesucht, aber von allen diesen wurde bis jezt keine
so, wirksam befunden als der pneumatische Proceß; bei allen seinen Vortheilen aber
wird doch ebenso wie bei dem Pressen, Deken oder Zergehenlassen (durch Dampf) eine
Portion von dem feinern Theile jedes Krystalls in dem abgeschiedenen
Faͤrbestoff aufgeloͤst, und so sinnreich auch die nachfolgenden
Operationen zur Abscheidung der krystallisirbaren Theile von der Melasse oder dem
Syrup ausgedacht seyn moͤgen, so kann man doch nie dadurch den beabsichtigten
Zwek vollstaͤndig erreichen. Wenn daher die Unreinigkeiten und der
Faͤrbestoff vor der Klaͤrung und Abdampfung abgeschieden
wuͤrden, so waͤre dieß gewiß ein großer Vortheil; weil bei der zu den
nachfolgenden Operationen erforderlichen Hize die Tendenz zur Verkohlung auch um so
groͤßer ist, je unreiner der angewandte Zuker war, und eine reine
Aufloͤsung auch eine groͤßere Menge und reinere Krystalle gibt.
Als Beispiel dient die Verwandlung der Lumpen in sogenannte Raffinaden (Double Loaves): die Lumpen sind raffinirter Zuker, und
enthalten eine sehr unbetraͤchtliche Menge Faͤrbestoff, aber um
Raffinaden zu erhalten, muß diese geringe Menge abgeschieden werden. Zum
Zergehenlassen, Klaͤren und Abdampfen wird bei diesem zweiten Proceß zu viel
Hize angewandt; die erhaltenen Krystalle sind fein und weiß, aber der
Ruͤkstand ist Syrup; es ist also erwiesen, daß eine hohe Temperatur den Zuker
zum Theil in Syrup umaͤndert, welcher stets mit Faͤrbestoff verbunden
ist; dennoch ist das Loͤsungsmittel, worin sich die feinen Krystalle bilden, reiner als eine
Aufloͤsung von Zuker, welcher vorher nicht raffinirt wurde; so sehr verkohlt
die Hize.
In einem fruͤheren Theile dieser Abhandlung wurden Bemerkungen uͤber
den relativen Werth des Rohzukers, pneumatischen und gewoͤhnlichen
Lumpenzukers zum Raffiniren gemacht; ferner uͤber die Vortheile, die Melasse
oder den Farbestoff von dem Rohzuker abzuscheiden, ehe man ihn zu Broden und Lumpen
raffinirt; es wurde ferner bemerkt, daß die Hize um so nachtheiliger auf
Zukeraufloͤsungen wirkt, je staͤrker sie ist, je laͤnger sie
anhaͤlt, je oͤfter sie wiederholt wird und je mehr Farbestoff die
Fluͤssigkeit enthaͤlt. Man koͤnnte fragen ob alle diese
Behauptungen durch Versucht erwiesen werden koͤnnen. Wer mit dem Raffiniren
vertraut ist, wird sogleich zugeben, daß es sich so verhalt; fuͤr diejenigen
aber, welche in dieser Kunst keine Kenntnisse haben, muͤssen die
aufgestellten Behauptungen gerechtfertigt werden und ich bemerke daher, daß
112 Pfund Rohzuker, so wie man sie einfuͤhrt, nach dem
alten System zu raffiniren, wobei die Hize in den Siedepfannen auf 240° Fahr.
(92,5° R.) steigt,
28 Pfund Syrup geben; daß
112 Pfund Rohzuker von derselben Qualitaͤt nach dem
verbesserten System, wobei die Luft und der Dampf aus der Pfanne gepumpt wird, bei
155° F. (54,6° R.) Hize, welche spaͤter beim Koͤrnen auf
180° F. (65,7° R.) gesteigert wird,
20 Pfund Syrup geben; daß ferner
112 Pfund Rohzuker, welche vorher durch den Zergehungsproceß
zum Theil von Melasse gereinigt und auf lezterwaͤhnte Art abgedampft
wurden,
14 Pfund Syrup geben; daß
112 Pfund Rohzuker, welche nach dem pneumatischen Proceß
bearbeitet oder raffinirt wurden, wobei man weiße Krystalle von der Qualitaͤt
der gewoͤhnlichen Lumpen erhaͤlt, nachdem die daraus abgeschiedenen
Syrupe bei 245° F. (94,6° R.) abgedampft wurden, nur
12 1/2 Pfund Syrup geben.
Aus diesen Vergleichungen geht hervor, daß nach der ersten
Methode ungefaͤhr
28 Pfund Syrup erzeugt werden, wenn der mit Melasse und
Faͤrbestoff verbundene Zuker bei einer Hize von 240° F. bearbeitet
wird; nach der zweiten aber derselbe Zuker bei
180° F. (65,7° R.) nur
20 Pfund Syrup gibt.
Bei der dritten Methode, wo durch den Zergehungsproceß
eine theilweise
Abscheidung der Melasse u.s.w. bewirkt, und dieselbe Hize von 180° F.
angewandt wurde, erhielt man
14 Pfund Syrup;
und bei der vierten Methode, wo der
ausgezogene Syrup und Faͤrbestoff in einem concentrirteren Zustand abgedampft
wurden, sogar bei 245° F., erhielt man nur
12 1/2 Pfund Syrup.
Hieraus ersieht man, daß eine oͤfters wiederholte Einwirkung der Hize und
besonders eine hohe Temperatur die Melasse, welche er urspruͤnglich enthielt,
vermehrt, und daß davon weniger erzeugt wird, wenn vor der Einwirkung der Hize die
Melasse u.s.w. abgeschieden wurde; man darf daher annehmen, daß der Rohzuker selbst
noch weniger als 12 1/2 Procent Syrup enthaͤlt, welches die geringste
Quantitaͤt ist, die man bei dem hoͤchsten Hizgrade, der bei Einer
Abdampfung angewandt wurde, erhielt. Es kann also nicht fehlen, daß die Pflanzer und
Raffinirer große Vortheile aus einer besseren Abdampfungsmethode des Rohrsaftes und
der Zukeraufloͤsungen ziehen wuͤrden.
Holzkohle zerstoͤrt oder schwaͤcht die Krystallisirbarkeit des Zukers
bis zu einem gewissen Grade und muß daher wie der Kalk unter diejenigen Substanzen
gerechnet werden, welche beim Raffiniren nachtheilig sind.
Unter allen Verbesserungen, welche bisher zum Verdampfen des Zukers vorgeschlagen
wurden, hat Howard's Methode
den groͤßten Ruf erhalten; durch seine bedekte oder sogenannte
Vacuum-Pfanne koͤnnen Zukeraufloͤsungen bei einer Temperatur,
welche ungefaͤhr um 80 Grade Fahr. geringer ist als die bei offenen Pfannen
erforderliche, zur gehoͤrigen Consistenz abgedampft werden. Es entsteht kein
leerer Raum in seinem Verduͤnstungsgefaͤße, aber die Verdampfung des
Wassers wird durch Verdichtung in Abwesenheit einer Atmosphaͤre beschleunigt.
Zum Koͤrnen wird die Temperatur dann unter dem hierzu bestimmten
Gefaͤße auf ungefaͤhr 185 Grad Fahr. (68° R.) gesteigert. Alle
Anordnungen des Hrn. Howard
sind hoͤchst wissenschaftlich, aber sein Verduͤnstungsgefaͤß
muß, obgleich es sehr verbessert wurde und jezt weniger kostspielig ist als
fruͤher, noch vereinfacht werden, Wenn es allgemein, besonders in den
Colonien, nuͤzlich werden soll.
Unter allen Verbesserungen, welche fuͤr Howard's Verfahren vorgeschlagen wurden,
erreicht keine den Zwek so vollstaͤndig als diejenige von William Godfrey Kneller. Nach seiner Methode koͤnnen
Aufloͤsungen von Zuker oder Syrup in einer offenen Pfanne durch Dampf oder
sonstige Hize zur gehoͤrigen Consistenz bei einer Temperatur abgedampft
werden, welche zwischen 140 und 170° F. (48 und 61 Grad Reaum.) liegt,
folglich um 60 bis 90° F. geringer ist als man sie bisher bei offenen
Pfannen noͤthig hatte, und ungefaͤhr den zum Koͤrnen
erforderlichen Hizgrad erreicht.