Titel: | Außerordentlich leichte Bedachung nach Hrn. W. H. Palmer's Methode. |
Fundstelle: | Band 38, Jahrgang 1830, Nr. XCVII., S. 376 |
Download: | XML |
XCVII.
Außerordentlich leichte Bedachung nach Hrn.
W. H. Palmer's
Methode.
Aus dem Register of Arts. October. 1830. S.
153.
Mit Abbildung auf Tab.
VII.
(Nebst Anhang uͤber
unsere Bazars, Kornhallen und Marktbuden.)
Palmer's leichte Bedachung.
Hr. Hebert erzaͤhlt, daß
er nun eine Bedachung nach Palmer's Methode gesehen habe, von welcher er im August 1829 im Register IV. Bd. S. 4. N. 5.
Nachricht gegeben hat. Dieses Dach, auf leichten eisernen Saͤulen ruhend,
bildet an der Londoner Werfte in der Naͤhe der Kirche von Wapping eine Scheune,
die nicht weniger als eine Flaͤche von ungefaͤhr 4000 □ Fuß
dekt. Man erstaunt uͤber die Einfachheit, Wohlfeilheit und Eleganz dieses
Baues: es ist das leichteste und zugleich staͤrkste Dach, das seit Adam
gebaut wurde. Es hat nichts mehr als 1/10 Zoll Dike, obschon es in einem leicht
gekruͤmmten Bogen uͤber eine Breite von mehr als 18 Fuß hinzieht. Es
besteht ganz aus gestrektem Hammereisenblech von 5 Fuß Laͤnge, und 2 Zoll
Breite. Jede Blechplatte ist ihrer Laͤnge nach wellenfoͤrmig gebogen,
so daß sie Furchen und Grathe bildet, ungefaͤhr wie die Hohlziegel, und das
Regenwasser leichter ablaͤuft: dadurch wird das Dach viel staͤrker,
und widersteht dem Laͤngen- und Hoͤhendruke viel
kraͤftiger.Naͤmlich in Folge des Kantenprincipes, das man bisher so selten
anwendete. Ein Nachtheil dieser Bauart in unserem Klima wuͤrde jedoch
durch den Schnee sehr fuͤhlbar werden, der diese Rinnen Wen, und,
gefroren, vielleicht bald beschaͤdigen wuͤrde. Die
Eisenplatten koͤnnten ganz flach bleiben, wenn man sie, nach dem
Kantenprincipe, auf Blechschienen ruhen ließe, die nur 1/8 Zoll dik, und
einen halben Zoll breit sind. Man ersparte hierdurch zugleich beinahe die
Haͤlfte Eisenbleches, die durch dieses Falten desselben rein verloren
geht; das Dach waͤre uͤberdieß dann eben, und weit eleganter.
Der Englaͤnder muß immer etwas Gothisches in seinem Baue haben: ohne
Schnoͤrkel und Falten taugt ihm nichts, und die elenden Hohlziegel
sind ihm werther als der flache klassische Ziegel.A. d. Ue. Zugleich ist jede solche Blechplatte etwas nach der Quere gekruͤmmt,
und bildet dann mit seinen Nachbarn eine Art von Muschelgewoͤlbe, welches dem
Druke kraͤftiger zu widerstehen vermag, als diese Platten bei ihrer
Duͤnne es nicht im Stande waͤren, wenn sie eine flache ebene
Oberflaͤche bildeten. Auf diese Weise werden auch alle jene Nachtheile
beseitigt, welche durch die wechselseitige Ausdehnung und Zusammenziehung so großer
metallner Flaͤchen in Folge des Wechsels der Temperatur entstehen.
Vier solcher Platten (5 Fuß lang, 2 Fuß breit) werden an ihren Enden
zusammengenietet, und die ganze Laͤnge derselben (20 Fuß) bildet die
Woͤlbung des Daches. Diese 20 Fuß langen Stuͤke werden dann, als eben
so viele Rippen, an den Seiten an einander genietet, der ganzen Laͤnge des
Daches nach, welche hier 400 Fuß betraͤgt. Man Hai, um von einer langen Mauer
Gebrauch zu machen, noch ein Halbes solches Dach parallel mit dem ersteren
hingeballt.
Um jedes Durchschlagen des Regens zu verhuͤten, ist zwischen den Platten dort,
wo sie auf einander genietet sind, auch noch Kitt angebracht. Der Regen wird in
Dachrinnen aus Gußeisen abgeleitet, welche von denselben eisernen Saͤulchen
getragen werden, die dem Dache als Stuͤze dienen, und zugleich durch diese
Dachrinnen oben unter einander verbunden und befestigt werden. Die Saͤulen
stehen 18 Fuß weit von einander.
Fig. 42.
zeigt diese Bedachung sammt der ganzen Scheune im Perspektive und Fig. 43. eine einzelne
Platte.
Anhang, uͤber unsere Bazars und hoͤlzernen
Marktbuden.
Wir haͤtten nun also bereits zwei Bazars aus Eisen; den einen aus Guß-
und Hammereisen und aus Kupfer zu Paris, in welchem die Kunstproducte und
Schaͤze des Handels dieser Stadt zu Kauf gebracht werden; den andern zu
London, wo die Produkte aller Welttheile einstweilen unter feuerfestes Dach gebracht
werden. Unser Mitarbeiter im Polytechn. Journale war also
der Narr nicht, fuͤr welchen man ihn hielt, als er seit 12 Jahren uns so oft
sagte, daß es Thorheit ist, dasjenige aus Holz oder Baksteinen zu bauen, was man
besser aus Eisen haben kann. Was sind unsere Bazars in Deutschland gegen diese
beiden, und was sind die Bazars einiger Hauptstaͤdte Deutschlands gegen die
Bazars kleiner Staͤdte der bei uns so sehr verschrieenen Tuͤrkei.
Abgesehen von diesen Bazars aber, wie steht es in Deutschland mit unseren
Getreidehallen, den sogenannten Schrannen? Haben nicht bloß kleine
Provinzialstaͤdte, sondern haben selbst Hauptstaͤdte, auf deren
Getreidemarkten an manchem Markttage fuͤr mehrere Hunderttausend Gulden
Getreide verkauft wird, auch nur ein Plaͤzchen, in welchem sie ihr Getreide
unter Dach bringen koͤnnten? Sehen wir nicht den Reichthum des Landes, das
erste Beduͤrfniß des Lebens, (die Gabe Gottes, das Material zum
taͤglichen Brote!) hier dem Regen und Schnee, dem Winde und Staube und Kothe
bloßgestellt, als ob es Futter fuͤr Schweine waͤre? Werden nicht bei
jedem Markttage, an welchem die Witterung schlecht ist. Hunderte von Scheffeln
Getreides theils verdorben, theils dem Keime des Verderbens dadurch bloßgestellt,
daß sie naß und in der Folge schimmelig etc. etc. werden? Es ist schoͤn und
herrlich, wenn in einem Lande die schoͤnen Kuͤnste so sehr geachtet
werden, daß man ihnen in Glyptotheken und Pinakotheken Tempel erbaut; die
Landwirthschaft, die alma Ceres, verdient aber auch
ihren Tempel. Die Niederdeutschen (die Hollaͤnder)
sind den Oberdeutschen hier voraus geeilt; ihre Getreidehallen sind Meisterwerke
zwekmaͤßiger Baukunst, und, was merkwuͤrdig ist, sie bauten (obschon
noch waͤrmere Freunde der schoͤnen Kuͤnste als wir, und selbst
Schoͤpfer einer beruͤhmten Schule in der Mahlerei, der niederlaͤndischen) zuerst Getreidehallen, und
spaͤter erst Pinakotheken. Erst das Nothwendige und das Nuͤzliche,
dann das Schoͤne, das Erhabene.
Ein anderes Unheil entsteht durch unsere After-Bazars fuͤr Stadt und
Land, durch die sogenannten Dultstaͤnde, welche
bei jeder sogenannten Dult, bei jedem sogenannten Jahrmarkte in groͤßeren
Maͤrkten auf dem Lande wie in allen Staͤdten, selbst in
Hauptstaͤdten, einige Male im Jahre aufgeschlagen und wieder abgebrochen
werden. Wenn man nur etwas nachrechnen will, was dieses Aufschlagen und Abbrechen
der Stande jedes Jahr in allen Markten, Staͤdtchen und Staͤdtchen
kostet, und wie viel dabei Holz zu Grunde geht, so wird man zu seinem Erstaunen
finden, daß diese Staͤndeversammlungen dem Lande eben so viel kosten, als die
eigentliche Staͤndeversammlung selbst. Man denke sich diese Kosten auf die
Preise der Waaren vertheilt, und beurtheile hiernach die Vertheuerung dieser
lezteren! Wie sehr leiden nicht die Waaren in diesen erbaͤrmlichen
sogenannten Standen, wenn die Witterung waͤhrend der Marktzeit schlecht ist,
und fuͤr wie viel Tausend Thaler geht nicht jaͤhrlich den Kaufleuten
darin an Waaren zu Grunde? Wie wenig ist ihre Waare darin selbst gegen
Einbruͤche geschuͤzt? Und wie wenn in einer Stadt waͤhrend
eines solchen Jahrmarktes ein Brand entstuͤnde? Man hat zwar in einigen
Staͤdten bereits den sogenannten Jahrmarkt vor die Stadt verlegt; allein in
so fern man die alten Staͤnde beibehiel ist der Nachtheil nur halb beseitigt.
Wenn man in irgend einer Gegend vor einer Stadt, an einer Stelle, welche am
leichtesten entbehrt werden kann, einen aͤhnlichen Bazar aus einigen Reihen
langer eleganter Scheunen, wie diese Scheune an der Londoner Werste erbaute, wenn
auch nicht aus Eisenblech (obschon dieß am Ende am wohlfeilsten waͤre), so
doch aus Baksteinen, oder nur aus Holz, und wenn unter diesem gemeinschaftlichen
bleibenden Dache die Kaufleute dann zur Marktzeit Markt halten koͤnnten, wie
viel waͤre hier an Zeit, Geld, Muͤhe nicht bloß erspart, sondern rein
gewonnen! Und wie viel gewaͤnnen nicht die Buͤrger aller dieser
Staͤdte an ihrer Gesundheit, wenn sie bei schlechter Witterung und im Winter
einen bedekten Ort haͤtten, an welchem sie frische Luft genießen und sich die
gehoͤrige koͤrperliche Bewegung schenken koͤnnten, die zur
Gesundheit so unentbehrlich ist! Man denkt wohl an Promenaden fuͤr den
Sommer; an geschuͤzte Promenaden bei schlechtem Wetter und im Winter, wo
Leibesbewegung so nothwendig ist, und wo die Vortheile derselben wegen Mangels an
Schuz gegen Schnee und Wind oft so theuer bezahlt werden muͤssen, hat man
noch selten irgendwo gedacht, außer einst in den Porticus der Griechen und
Roͤmer, und jezt noch unter den Tuͤrken. Wir empfehlen den
Buͤrgermeistern und Raͤthen auf ihre und ihrer Mitbuͤrger
Gesundheit und auf die Bequemlichkeit der Kaufleute in Errichtung einer solchen
Winterpromenade zu denken, die zugleich als Marktplaz zur Zeit des Jahrmarktes dienen kann, und sie
werden sich uͤberzeugen, daß die Communalcasse und die Communalgesundheit
nicht schlecht dabei fahren wird.
A. d. Uebers.