Titel: Hrn. Stephenson's Northumbrian, ein Dampfwagen auf der Liverpool- und Manchester-Eisenbahn; nebst einigen Notizen über diese Bahn.
Fundstelle: Band 39, Jahrgang 1831, Nr. I., S. 1
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I. Hrn. Stephenson's Northumbrian, ein Dampfwagen auf der Liverpool- und Manchester-Eisenbahn; nebst einigen Notizen uͤber diese Bahn. Aus dem Mechanics' Magazine. N. 375. 16. October. 1830. Mit Abbildung auf Tab. I. Fig. 10. Stephenson's Dampfwagen. Man laͤßt jezt, ehe die Dampfwagen ihre Fahrt mit den Passagieren zwischen Liverpool und Manchester beginnen, die Bahn durch einen Dampfwagen, der fruͤher abgeschikt wird, recognosciren. Dieser Recognoscirer fuhr neulich bei einem so starken Gegenwinde, daß man sich kaum aufrecht zu halten vermochte, 14 engl. Meilen in 45 Minuten gerade gegen den Wind. Ein Reisender bemerkt, daß man erst bei einer solchen Fahrt gegen einen Sturm einsehen lernt, was Dampfwagen vermoͤgen, und wie angenehm es sich in denselben reist. Der Northumbrian, der hier abgebildet ist, faͤhrt in Einer Stunde 45 Minuten von Liverpool nach Manchester, und ist einer der neuesten und besten Dampfwagen des Hrn. Stephenson. Er unterscheidet sich von den fruͤheren Dampfwagen desselben dadurch, daß er Kessel und Schornstein aus Kupfer, statt aus Eisen, hat, und vorzuͤglich durch eine Nebenroͤhre aus der Abgangsroͤhre nach dem Boden des Ofens. Wenn der Hahn am Ende derselben geoͤffnet wird, laͤuft der uͤberfluͤssige Dampf durch das Feuer, und beguͤnstigt die Verbrennung des Brennmateriales, ungefaͤhr nach Braithwaite und Ericsson's Exhaustionssysteme. Hr. Stephenson hat an allen seinen Kesseln das Roͤhrensystem; eine Reihe gerader Roͤhren von gleichem Durchmesser in einem gemeinschaftlichen Gehaͤuse eingeschlossen und in Wasser versenkt. Nach Hrn. Booth's Bericht uͤber die Eisenbahn wird dieses System „neu“ genannt, und Hr. Booth soll es „vorgeschlagen,“ und daher auch den Preis des Rocket mit Hrn. Stephenson im vorigen Jahre getheilt haben.Hrn. Dr. Alban's Verdienste um daß Roͤhrensystem scheinen vergessen. A. d. Ue. Weder Hr. Booth noch die HHrn. Stephensons koͤnnen indessen auf diese neue Erfindung in Ehren Anspruch machen, indem die Verbesserer der Dampfmaschinen schon laͤngst sich mit Roͤhren als ihrem Lieblingsgegenstande beschaͤftigten, und die Kessel der HHrn. Booth und Stephenson sich bloß durch die außerordentliche Anzahl von Roͤhren unterscheiden, welche sie anwenden: im Northumbrian sind deren nicht weniger als 150. Auch sind hier keine Mittel angegeben, wie den bekannten Nachtheilen bei engen Roͤhren abgeholfen werden kann. Die Roͤhren muͤssen nach jeder Fahrt mit einem langen eisernen Krazer ausgekrazt werden, und wir besorgen, daß dieß der Dauer derselben schaden wird. Ueber den Bedarf an Brennmaterial haben die HHrn. Booth und Stephenson dem Publicum noch keine Mittheilungen gemacht: nach unserer Beobachtung graͤnzt er an das Ungeheuere. Obschon die Dampfwagen dieser Herren mit einer bisher noch unerreichten Geschwindigkeit fahren, so bleiben sie doch bedeutend hinter demjenigen, was solche Maschinen der Berechnung nach leisten sollten. Nach Hrn. Booth's Rechnung sollte eine Maschine, d.h. „ein Dampfwagen nach dem Systeme des Rocket, der nur 4 Tonnen 10 Ztr. (90 Ztr.) wiegt,“ im Stande seyn, 30 Tonnen auf ebener Bahn in Einer Stunde 15 engl. Meilen weit zu ziehen, und wenn die Bahn in 100 Fuß um Einen Fuß aufsteigt, 7 Tonnen mit derselben Geschwindigkeit. Nun wiegt aber der nach den neuesten Verbesserungen verfertigte Northumbrian 6 Tonnen 3 Ztr., und sollte (angenommen, daß die Schwerkraft der Reibung des doppelten Gewichtes gleich ist) auf ebener Bahn 33 Tonnen 6 Ztr., und 7 auf einer im obigen Verhaͤltnisse geneigten Bahn ziehen. Nun zieht aber der Northumbrian gewoͤhnlich taͤglich nicht mehr als 14 1/4 Tonnen, naͤmlich: 5 Wagen, jeden zu 1 1/4 Tonnen,   6 1/4 420 Passagiers, im Durchschnitte   8 ––––– 14 1/4 Die Durchschnittsschnelligkeit, mit welcher er faͤhrt, ist kaum etwas mehr, als die Haͤlfte derjenigen, mit welcher er mit mehr als der doppelten Last laufen muͤßte, und die Wagen der HHrn. Booth und Comp. thun ihr Aeußerstes, indem sie in 2 Stunden von Liverpool nach Manchester laufen. Liegt nun der Fehler in der Berechnung oder in den Maschinen? Ersteres scheint kaum denkbar, indem diese auf Grundsaͤzen beruht. Sollte der Northumbrian nicht 33 Tonnen 6 Ztr. schneller, als zu 6 engl. Meilen in Einer Stunde ziehen? Wie wenig haͤtte man dann hier vor einem Canale voraus! Man kann Schnelligkeit auf Kosten der Last gewinnen; allein, in dem Verhaͤltnisse als dieß geschieht, vermehrt man die Ausgabe. Die HHrn. Braithwaite und Ericsson haben einen Contract mit der Eisenbahn-Gesellschaft geschlossen, ihr einen Dampfwagen zu liefern, der nicht uͤber 5 Tonnen wiegen und 40 Tonnen reichlich von Liverpool nach Manchester in 2 Stunden ziehen soll, wenn bei der schiefen Flaͤche aufwaͤrts nachgeholfen wird. Es soll nicht mehr als ein halbes Pfund Kohk auf die Tonne Last kommen. Hrn. Stephenson's Wagen bleiben dagegen um mehr als die Haͤlfte zuruͤk. Wilhelm IV. und Adelaide (wie die beiden von den HHrn. Braithwaite und Ericsson bereits gelieferten Dampfwagen) sind noch nicht im Laufe, und man sagte sie waͤren unbrauchbar. Dieß ist aber unrichtig. Wilhelm IV. hatte bei seiner ersten Fahrt den Unfall, von welchem wir neulich Meldung thaten, und entsprach bei der Probe vollkommen. Adelaide wurde noch gar nicht versucht, und man hat erst neuerlich wieder Verbesserungen an demselben versucht. Wenn die Dampfwagen nicht hoͤher vervollkommnet werden, als jene der Hrn. Stephenson, die 60 Shillings fuͤr die Tonne Passagiers ernten, so haben sie nicht den hoͤchsten Vortheil geleistet: denn wer kann fuͤr die Tonne Waare solche Fracht bezahlen! Die Liverpool-Compagnie versprach um 10 Shilling die Tonne von Liverpool nach Manchester zu liefern.