Titel: | Bemerkungen über die Ruderräder, deren man sich gegenwärtig bedient, und die neuerlich Jak. Perkins, Mechaniker, erfand und patentisiren ließ. |
Fundstelle: | Band 39, Jahrgang 1831, Nr. IV., S. 5 |
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IV.
Bemerkungen uͤber die Ruderraͤder,
deren man sich gegenwaͤrtig bedient, und die neuerlich Jak. Perkins, Mechaniker, erfand und
patentisiren ließ.
Aus Gill's technol. and
Microscop-Repository. Bd. VI. N. 6. S. 360.
Perkins Ruderraͤder.
Seit man anfing, Dampfkraft auf Schifffahrt zu verwenden, hat, außer der
Dampfmaschine selbst, nichts die Zeit und die Aufmerksamkeit der Mechaniker so sehr
in Anspruch genommen, als das Ruderrad. Erfindungen von zahlloser Mannigfaltigkeit
wurden zum Treiben der Schiffe mit Patenten ausgeruͤstet, und bis neulich
noch fand man keine, die kraͤftiger, dauerhafter und wohlfeiler gearbeitet
haͤtte, als das
gemeine Ruderrad, obschon eine bedeutende Menge Kraft bei demselben verloren
geht.
Wenn das gemeine Ruderrad nicht tiefer, als um ein Zehntel getaucht ist, ist der
Verlust an Kraft, wie man sagt, unbedeutend, wobei man sich aber sehr
taͤuscht. Wenn die Tauchung mehr betraͤgt, so schreitet bekanntlich
der Verlust an Kraft in geometrischem Verhaͤltnisse fort, indem man gefunden
hat, daß, wenn das Rad bis auf den halben Durchmesser eingetaucht ist, die Maschine
so viel Widerstand erfaͤhrt, daß wenig mehr von ihrer Kraft zum Treiben des
Bothes uͤbrig bleibt.
Dampfbothe, die in der See fahren, sind diesem hoͤchst nachtheiligen Einflusse
wegen der Unregelmaͤßigkeit der Oberflaͤche des Oceans weit mehr
ausgesezt, als Dampfbothe auf Fluͤssen oder in ruhigem Wasser, wo die
Tauchung regulirt werden kann.
Es ist offenbar, daß das gemeine Ruderrad, wenn es sich in seiner tiefsten Tauchung
befindet, wo es die groͤßte Kraft haben sollte, sich in Wasser bewegt, das
bereits durch das vorausgegangene Ruder in Unordnung gebracht wurde, und eben so
einleuchtend, daß, nachdem das Ruder die groͤßte Tiefe der Tauchung
voruͤber ist, es das Vorruͤken des Bothes nicht in dem Maße
foͤrdert, als dieß der Fall seyn wuͤrde, wenn es in ruhigem
ungestoͤrten Wasser wirkte.
Um einige der oben erwaͤhnten Schwierigkeiten zu beseitigen, hat ein
ausgezeichneter Mann zu Dublin, Hr. Oldham,Siehe Polyt. Journal
Bd. XXVII. S. 341. A. d. R. in Verbindung mit einigen anderen, sich vieler Muͤhe und großen
Auslagen unterzogen. Er baute ein Rad, dessen Ruderbretter von der Kante aus in das
Wasser treten, und mittelst einer daran angebrachten Vorrichtung nach und nach ihre
Lage aͤndern, bis sie, allmaͤhlich an dem untersten Ende der Umdrehung
des Rades ankommend, unter rechten Winkeln mit dem Kiele eine Flaͤche
darbieten, und dann, allmaͤhlich sich drehend, das Wasser nach der Richtung
der Kante verlassen. Die vermehrte Reibung, der verwikelte, schwerere und kostbarere
Bau des Rades, das uͤberdieß so leicht in Unordnung gerieth, hat indessen bei
der Anwendung alle theoretischen Vortheile desselben aufgewogen.
Einfachheit, Dauerhaftigkeit, Leichtigkeit und Wohlfeilheit sind Dinge, die man bei
dem Baue eines Ruderrades nicht umgehen darf. Wenn unter Erfuͤllung dieser
wesentlichen Bedingungen ein Rad gebaut werden kann, das bei einer Tiefe von
gewoͤhnlich Einem Drittel, zuweilen auch von der Haͤlfte seines
Durchmessers, mit unverminderter Kraft arbeitet, ohne einer groͤßeren Menge
Dampfes zu beduͤrfen als das gemeine Rad im stillen Wasser, so hat man ein
Mittel gegen den großen
Verlust an Kraft gefunden, welchen Dampfbothe erleiden, die in der See fahren. Ein
solches Rad hat neulich Hr. Perkins erfunden.
Wer die Weise kennt, wie die Chinesen mit ihren kleinen Rudern rudern, wird sich
uͤberzeugen, daß diese chinesische Methode weit besser ist, als die
europaͤische. Das Rad des Hrn. Perkins wirkt nun
ungefaͤhr, wie das chinesische Ruder, mit dem einzigen Unterschiede, daß das
kleine chinesische Ruder sich hin und her bewegt, und daß dieses Ruderrad sich im
Kreise dreht: diese leztere umdrehende Bewegung ist offenbar besser, indem durch die
haͤufige Veraͤnderung der Bewegung des kleinen Ruders viele Kraft
verloren geht.
Bei vergleichenden Versuchen mit dem gemeinen und diesem neulich erfundenen Ruderrade
ergab sich, als beide abwechselnd an demselben Bothe versucht wurden, daß selbst bei
einer seichten Tauchung des Ruderrades (der allervortheilhaftesten fuͤr das
gemeine Ruderrad) das Perkins'sche Rad einen bedeutenden Gewinn voraus hat. Wenn
aber jedes Ruderrad bis auf ein Drittel seines Durchmessers getaucht ist (was
vielleicht die gewoͤhnliche Tauchung eines Dampfbothes auf der See ist),
besizt dieses neue Ruderrad wirklich unglaubliche Vorzuͤge.
Thatsachen lassen sich nicht biegen, wenn sie auch noch so sehr den Theorien der
talentvollsten Maͤnner widersprechen. Einige ausgezeichnete Mechaniker haben
behauptet, daß das gemeine Ruderrad hoͤchstens nur einer geringen
Verbesserung faͤhig ist. Wenn nicht erwiesen werden kann, daß bei dem
gemeinen Rade viele Kraft verloren geht, so wuͤrden diese Mechaniker in ihrer
Behauptung allerdings Unterstuͤzung finden: nach den neuesten in England und
Amerika angestellten Versuchen ist es aber erwiesen, daß der Verlust an Kraft bei
dem gemeinen Ruderrade weit großer ist, als man gewoͤhnlich glaubte. Wenn
dieser Verlust unbedeutend waͤre, koͤnnte ein einzelnes Roß am
Treppelwege ein Both im Taue ziehend eben so viel leisten als eine Dampfmaschine von
der Kraft von sechs Pferden? Koͤnnten zwei Pferde am Schnabel eines Bothes
angespannt, welches von einer Dampfmaschine von der Kraft von 25 Pferden getrieben
wird, die Kraft der Dampfmaschine aufwiegen, das Both im Laufe aufhalten und
zuweilen sogar drehen? Daß dieses indessen so der Fall ist, ist eine erprobte (authenticated) Thatsache.Und diese Thatsache erklaͤrt sich dadurch, daß die Dampfmaschine im
Stande ist mehr zu ziehen, als auf dem Bothe zu treiben, auf welchem sie
sich befindet, so wie das Pferd und der Mensch mehr ziehen, als tragen kann.
Dampfbothe muͤssen Zugbothe werden, wo sie die hoͤchste Kraft
aͤußern sollen. Wir haben dieß bereits hundert Mal gesagt, und
endlich auch an einem erfahrnen Capitaͤne, M'Konochio (Polyt. Journ. Bd. XXX. S. 344) einen
Gewaͤhrsmann gefunden; es bleibt nun aber einstweilen beim Alten. A.
d. Ue.
Mechaniker, welche glauben, daß die Treibvorrichtung der Dampfbothe nach dem alten
Plane verbessert werden koͤnne, antworten voll Freude mit abstrakten
Untersuchungen auf diese Thatsache. Sie untersuchen, z.B., ob ein Fahrzeug so
schnell fahren kann, als der Umfang des Rades laͤuft, welches das Schiff
treibt? Ob man es nicht fuͤr eine schoͤne Schnelligkeit mag gelten
lassen, wenn ein Both mit vier Fuͤnftel der Geschwindigkeit des Umfanges des
Rades laͤuft? Sie schließen dann, daß der gesammte Verlust nicht viel
uͤber ein Fuͤnftel der Kraft betragen kann, und daß, nach
gehoͤriger Ruͤksicht auf Reibung, es ungereimt waͤre, an dieser
Kleinigkeit durch irgend eine Verbesserung noch viel ersparen zu wollen. Daß dieser
Schluß etwas zu vorlaut ist, erhellt aus folgenden Bemerkungen.
Man seze, man koͤnne einem Ruderrade eine solche Kraft und solche Haltung auf
dem Wasser geben, daß es sich an seinem Umfange nur um ein Hundertel schneller
bewegt, als das Both, welches davon getrieben wird; so ist dann der Unterschied
zwischen den relativen Geschwindigkeiten des Ruderrades und des Bothes wie 99 : 100.
Die Groͤße des Rades wuͤrde verhaͤltnißmaͤßig Dampfkraft
fordern, und das Mittel wuͤrde so arg seyn, als die Krankheit: der Fall ist
indessen moͤglich. Wenn man also annehmen wollte, daß der Verlust der Kraft
sich nur so verhaͤlt, wie die relative Bewegung des Rades und des Bothes, so
waͤre diese Voraussezung eben so ungereimt, als die Behauptung, daß, insofern
das Wagenrad und sein Kasten sich mit gleicher Geschwindigkeit bewegen, an der Last
nichts gelegen ist, welche auf diesem Wagen gefahren wird. In dem einen Falle muß
die Schnelligkeit oder der Zug der Pferde vermehrt werden, und in dem anderen die
Dampfkraft.
Wir wollen versuchen die Sache noch begreiflicher zu machen. Es gibt vier Arten von
Wasserraͤdern, und unter diesen ist das unterschlaͤchtige dem
Ruderrade am aͤhnlichsten. Das unterschlaͤchtige Rad verliert aber
bekanntlich zwei Drittel seiner Kraft, d.h., wenn drei Pfund Wasser Einen Fuß hoch
auf ein unterschlaͤchtiges Rad fallen, so erhaͤlt dieses dadurch nicht
mehr Triebkraft, als Ein Pfund Wasser fordert, das Einen Fuß hoch gehoben werden
soll. Wir wollen nun diese Daten unter drei verschiedenen Gesichtspunkten in
Hinsicht auf das Ruderrad betrachten:
1) das unterschlaͤchtige Rad wird von dem Wasser getrieben, das auf demselben
herabsteigt.
2) das Wasser, welches so auffaͤllt, erhaͤlt eine solche Richtung, daß
es die flachen Brettchen unter rechten Winkeln auf ihre Oberflaͤche
schlaͤgt.
3) obschon die Kraft von einem Wasser mitgetheilt wird, welches sich schneller bewegt, als das
Rad, so wird doch, sobald das Wasser einen Theil seiner Stoßkraft dem Rade
mitgetheilt hat, jene Menge Wassers, welche auf den flachen Brettchen des Rades
zuruͤkbleibt, und mit demselben umhergefuͤhrt wird, eine todte Last,
die das Rad lediglich in seiner Bewegung hindert, und so die Kraft desselben
vermindert.
In allen diesen Faͤllen sind die Nachtheile bei dem gemeinen Ruderrade weit
groͤßer, als sie oben angegeben wurden.
1) das Wasser kann nicht auf einem Rade herabsteigen, das sich auf einer
Wasserflaͤche dreht.
2) die Ruder schlagen nicht unter rechten Winkeln mit ihren Flaͤchen auf das
Wasser; der Stoß, den das erste Ruder gibt, ist die Hauptkraft, insofern sie auf
ungestoͤrtes Wasser trifft: alle uͤbrigen Ruder bewegen sich in
Wasser, welches bereits bewegt wurde.
3) die todte Wasserlast zwischen den Rudern, welche von dem Rade umhergefuͤhrt
wird, muß hier groͤßer seyn, als jene, welche von dem
unterschlaͤchtigen Rade umhergefuͤhrt wird. Und vor Allem endlich ist
das Hinterwasser bei den Rudern weit betraͤchtlicher, als bei einem
unterschlaͤchtigen Rade.
Wenn nun der Verlust an einem unterschlaͤchtigen Rade zu zwei Drittel
angenommen wird, und wenn es erwiesen ist, daß er bei einem Ruderrade noch
groͤßer ist, als bei einem unterschlaͤchtigen Rade, so wird man
Versuche, das Ruderrad zu verbessern, nicht mehr so leicht fuͤr
Schwaͤrmerei und fuͤr nuzloses Unternehmen erklaͤren.
Hrn. Perkins's Verbesserungen helfen diesen Nachtheilen
des gemeinen Ruderrades entweder unmittelbar ab, oder durch das Hinterwasser. Die
Ruder senken sich mit ihrer Kante in das Wasser, und treten mit derselben aus diesem
heraus: auf dem untersten Punkte der Umdrehung des Rades wirken sie unter rechten
Winkeln mit dem Kiele. Jedes Ruder tritt in Wasser ein, welches von keinem
vorhergegangenen Ruder gestoͤrt wurde, und so thut jedes eingetauchte Ruder
seinen Dienst in demselben Augenblike, wenn auch in einem verschiedenen Grade.
Diese neuen Ruderraͤder zeigen verhaͤltnißmaͤßig den
hoͤchsten Vortheil, wenn ein Drittel ihres Durchmessers oder mehr eingetaucht
ist. Dieser Grad von Eintauchung betraͤgt 7 bis 8 Fuß, statt zwei, der
vortheilhaftesten fuͤr das gemeine Ruderrad. Da der Widerstand des Wassers
bei der Tiefe von 8 Fuß um so viel groͤßer ist, als bei zwei, so kann man auf
diesen materiellen Unterschied nicht Wichtigkeit genug legen. Perkins's Ruderrad hat
mehr die Gestalt einer Ruderschaufel, als eines Schwimmbrettes.
Da Perkins's Ruderrad die Oberflaͤche des Wassers bei seinem Eintritte nicht
mit der flachen Seite schlaͤgt, so wird die bestaͤndige zitternde
Bewegung vermieden, die man an Dampfbothen immer empfindet.
Es ist bekannt, daß der Ruderschlag bei hoher See, oder wenn das Ruderrad tief
getaucht ist, so heftig ist, daß die Zerstoͤrung des Rades, oder selbst der
Achse und des Ruderwerkes nicht seltene Erscheinungen sind.