Titel: | Versuche mit Kerzendochten. Von Hrn. Joh. Reid, Mitgliede der South African Institution. |
Fundstelle: | Band 39, Jahrgang 1831, Nr. XLVI., S. 130 |
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XLVI.
Versuche mit Kerzendochten. Von Hrn. Joh. Reid, Mitgliede der South African Institution.
Aus dem South African Quarterly Journal. N. II. p. 121. in
Brewster's Edinburgh Journal of Science. Julius.
1830. S. 337.
Reid's Versuche mit Kerzendochten.
Der Talg des Schafes oder der Kuh schmilzt, wenn er einer Temperatur von 120°
F. „(139° R.)“ ausgesezt wird, und wird zersezt, d.h.,
in gasartige Verbindungen verwandelt, die aus Kohlenstoff, Wasserstoff und
Sauerstoff bestehen, sobald die Temperatur bis auf 500° „(+
208° R.)“ steigt. Bei dieser erhoͤhten Temperatur
brennen diese Gasarten, wenn sie mit der atmosphaͤrischen Luft in
Beruͤhrung kommen, und die Verbrennung ist mit Entwikelung von Licht, und
Waͤrme verbunden.
Wenn eine Talgkerze angezuͤndet wird, so schmilzt ein Theil des Talges, und
wird von dem Dochte eingesogen, bis er in die Naͤhe der Flamme kommt, wo er
in die oben erwaͤhnten Gasarten verwandelt wird, welche waͤhrend ihrer
Verbindung mit dem Sauerstoffe der Atmosphaͤre Licht und Waͤrme
entwikeln. Der Waͤrmestoff schmilzt einen neuen Antheil Talges, welcher
wieder angezogen, zersezt und verbrannt wird, und auf diese Weise wird ein
regelmaͤßiger Nachzug von Talg unterhalten.
Verbrennung fordert eine erhoͤhte Temperatur; wenn also irgend ein
Koͤrper in einer niedrigen Temperatur in die Naͤhe der Flamme gebracht
wird, so entzieht er einen Theil Waͤrmestoff, verursacht eine Verminderung
der Groͤße der Flamme, und, wenn er noch naͤher gebracht wird,
loͤscht er dieselbe ganz aus.
Diese Umstaͤnde sind es nun, welche die Verbrennung reguliren; denn, wenn
diese Mittheilung von Waͤrme an die benachbarten Gegenstaͤnde nicht
Statt haͤtte, und wenn die Verbindung bei einer niedrigeren Temperatur
geschaͤhe, so wuͤrde die ganze Masse beinahe augenbliklich in Brand
gerathen. Wenn eine Kerze zum ersten Male, oder, nachdem sie ausgeloͤscht
wurde, wieder angezuͤndet wird, und der Docht entweder keinen oder nur wenig
Talg hat, so wird er bald verzehrt, und die Flamme ist genoͤthiget
herabzusteigen, bis sie in die Naͤhe des ungeschmolzenen Talges kommt. In
diesem Falle, oder wenn der Docht zu kurz abgepuzt wurde, wird der
Waͤrmestoff zu schnell entzogen, und die Flamme verliert in ihrem Umfange. Da
sie nun uͤberdieß dem Talge so nahe steht, so schmilzt sie mehr von
demselben, als zur Unterhaltung der Flamme nothwendig ist; das Geschmolzene haͤuft
sich an und rinnt an der Kerze ab, macht Ungelegenheit und selbst Verlust. Wenn aber
auf der anderen Seite eine Kerze eine Zeit uͤber gebrannt hat, wird der Docht
zu lang, und vermindert durch seine Gegenwart das Licht, welches sich bei dem
Verbrennen entwikelt. Diese Verdunkelung ruͤhrt theils von dem Schatten
dieses undurchsichtigen Koͤrpers her, theils von dem Einflusse, den er auf
den chemischen Proceß aͤußert, welcher hier Statt hat. Da der Docht nicht
verzehrt ist, so fordert er einen bestaͤndigen Nachzug von Waͤrmestoff
um in einer hoͤheren Temperatur bleiben zu koͤnnen, und da dieser von
den brennbaren Gasarten entnommen wird, so vermindert er die Temperatur derselben,
macht also die Verbrennung minder vollkommen, und erzeugt eine gelbe Flamme statt
der gewoͤhnlichen weißen, welche mehr Licht verbreitet. In Folge dieser
unvollkommenen Verbrennung wird ein Theil Kohlenstoffes abgesezt, welcher entweder
in Gestalt von Rauch davon geht, oder an den Docht sich anhaͤngt und diesen
vergroͤßert. Es ist daher nothwendig, daß der Docht die gehoͤrige
Laͤnge habe, damit er auf der einen Seite eine hinlaͤngliche
Oberflaͤche darbietet, auf welcher die Verbrennung Statt haben kann, und auf
der anderen die Wirkung des Lichtes, welches durch das Verbrennen entwikelt wird,
nicht mehr vermindert, als nothwendig ist.
Die Dike des Dochtes ist eben so wichtig, als die Laͤnge. Wenn er nicht
hinlaͤnglich dik ist, so kann er sich leicht abwaͤrts neigen und auf
die Kerze fallen; oder, wem, er auch aufrecht bleibt, so zieht er nicht eine
hinlaͤngliche Menge geschmolzenen Talges an sich, um die Verbrennung
gehoͤrig zu unterhalten. Wenn er zu dik ist, so wird, obschon eine
hinlaͤngliche Menge geschmolzenen Talges angezogen und verzehrt wird, die
Beleuchtung auf dieselbe Weise vermindert, wie wenn er zu lang ist, und die
Verminderung steht im Verhaͤltnisse zur Groͤße desselben. Um diesem
Nachtheile abzuhelfen, kam ich auf die Idee einen flachen Docht zu versuchen. Ich
machte mir also eine Kerze mit einem Dochte, der aus drei abgesonderten
Schnuͤren bestand, welche in einer und derselben Ebene gegen einander
gestellt waren, dessen Breite also groͤßer war, als die Dike. Ich verfertigte
ferner eine zweite Kerze mit zwei Dochten, die von einander entfernt standen: jeder
Docht hatte fuͤnf Faden. Ich machte noch eine dritte Kerze mit drei Dochten
jeden zu fuͤnf Faden, und eine vierte mit einem runden Dochte aus zwanzig
Faden. Ich verglich die Beleuchtungskraft jeder dieser Kerzen mit jener einer
gemeinen Wachskerze. Die Weise, wie ich den Versuch anstellte, war folgende. Ich
versah mich mit zwei vierekigen Kaͤstchen, an deren jedem eine Seite offen,
der obere und untere Theil aber geschlossen war. Diese Kaͤstchen wurden so gestellt, daß die
offene Seite gegen die Wand gekehrt war. In das eine Kaͤstchen stellte ich
die Wachskerze, in das andere eine Kerze nach der anderen, und zwischen die beiden
Kaͤstchen stellte ich einen cylindrischen Gegenstand in Entfernung von 4 Zoll
von der Wand. Beide Kerzen wurden angezuͤndet und so gepuzt, daß die Dochte
die beste Laͤnge fuͤr das Maximum der Beleuchtung haben. Man hielt die
Wachskerze 18 Zoll von der Wand, und schob die uͤbrigen Kerzen nach
Umstaͤnden ruͤkwaͤrts oder vorwaͤrts, so daß man von
jeder Kerze einen Schatten von gleicher Intensitaͤt erhielt. Ich bekam
folgende Resultate, die man jedoch, wenn man bedenkt, daß die Flamme einer Kerze
immer wandelbar ist, nur als Annaͤherungen des Durchschnittes der Wirkung
betrachten kann. Da die Zahl 18 die Entfernung der Wachskerze von der Wand
ausdruͤkt, so druͤkt die Zahl neben jeder anderen Kerze die Entfernung
aus, in welcher gleiches Licht, wie jenes der Wachskerze, von jeder einzelnen Kerze
erhalten wird.
Gemeine Wachskerze
18
Talgkerze mit flachem Dochte aus drei
Schnuͤren, jede von 5 Faden
17
Talg mit einem Dochte aus 20 Faden
15
Talg mit 2 Dochten, jeden zu 5 Faden
18
Talg mit 3 Dochten, jeden zu 5 Faden
26 1/2.
Es ist durch Versuche erwiesen, daß die Beleuchtung im Verhaͤltnisse der
Quadrate der Abstaͤnde zu- und abnimmt; wenn daher ein Koͤrper
in einer Entfernung von 16 Zoll dieselbe Wirkung hervorbringt, wie ein anderer in
einer Entfernung von 12, so verhaͤlt sich die beleuchtende Kraft wie 9 zu 16.
Nach diesem Grundsaze kann nun die Menge des Lichtes berechnet werden, welche jede
der obigen Kerzen einzeln ausstrahlt. Fuͤr den gegenwaͤrtigen Fall mag
es hinreichen zu bemerken, daß die Kerze mit 3 Dochten, oder mit 15 Faden in Allem,
dieselbe Wirkung in einer Entfernung von 26 1/2 Zoll hervorbringt, wie eine Kerze
mit 2 Dochten oder 10 Faden in einer Entfernung von 18 Zoll; oder wie eine Kerze mit
Einem Dochte aus 20 Faden in einer Entfernung von 15 Zoll u.s.f. mit den
uͤbrigen.
Ich versuchte nun die Wirkung zu bestimmen, welche durch Verminderung der
Groͤße des Dochtes entsteht, und nahm, wie vorher, eine Wachskerze als
Maßstab. Die Resultate waren folgende:
Wachs
18
Talg mit 3 Dochten, jeden zu 5 Faden
16 1/2
do –
do do 4
do
23 3/4
do –
do do 3
do
21 1/2
Ein Umstand, welcher auf die Beleuchtungskraft Einfluß hat, ist die Entfernung, in
welcher die Dochte von einander gestellt sind, insofern sie naͤmlich bis auf 1/4
Zoll zunimmt: uͤber diese Entfernung hinaus bilden sich, wo 5 Faden im Dochte
vorhanden sind, zwei Flammen. Wenn die Flammen vollkommen abgeschieden sind, so
vermindert eine Entfernung von 1/3 Zoll dieselbe nicht. Die zwekmaͤßigste
Entfernung ist die von 1/4 Zoll: da aber waͤhrend des Brennens die
Abstaͤnde sich zuweilen andern, und die Dochte einander naͤher kommen,
oder sich von einander entfernen, so ist die Entfernung von 1/6 Zoll am besten, wo
man immer Eine Flamme von beiden erhalten wird.
Indem ich mich bemuͤhte, die verhaͤltnißmaͤßige Menge Lichtes zu
bestimmen, welche aus einer bestimmten Menge Talges entwikelt wird, wobei ich mich
einer gewoͤhnlichen Talgkerze und einer mit zwei Dochten bediente, fand ich,
daß, wenn ich beide kurz abpuzte, nur wenig Unterschied Statt hatte. In einem
Versuche betrug die Menge Talges, welche in einer halben Stunde verbraucht wurde
(bei aller Sorgfalt, die Flammen waͤhrend des Versuches immer gleich hoch zu
halten)
an der gewoͤhnlichen
Talgkerze
68 Gran;
an der Kerze mit zwei Dochten
66 –
In einem anderen Versuche verzehrten beide Kerzen gleich viel. Bei einem dritten
Versuche ließ ich beide Kerzen brennen ohne sie zu puzen, bis der Docht einen Zoll
lang ward, in welchem Zustande der Verbrauch des Talges nicht sehr von jenem
verschieden ist, welcher dann Statt hat, wann man ihn in maͤßiger
Laͤnge unterhaͤlt. Das Resultat, welches ich erhielt, war
folgendes.
Wachslicht, wie vorher
18
Zoll.
Talg mit zwei Dochten, jeden zu 8 Faden,
gepuzt,
21 1/2
–
Do ungepuzt belassen
19 1/2
–
Gewoͤhnliche Talgkerze mit Einem
Dochte aus 20 Faden, gepuzt
15
–
Do ungepuzt
7 1/2
–
Da diese Beobachtungen zeigen, daß eine Kerze mit zwei Dochten ein Licht gibt,
welches beinahe einer Wachskerze gleichkommt, so will ich versuchen auf jene
Umstande aufmerksam zu machen, welche man beruͤcksichtigen muß, wo man von
obigen Beobachtungen eine nuͤzliche Anwendung machen will. Wenn nicht jeder
Faden einzeln fuͤr sich gedreht ist, sondern bloß alle Faden
uͤberhaupt zusammengedreht sind, so aͤndert jeder Docht
waͤhrend des Brennens bestaͤndig seine Lage, wie man dieß
haͤufig an Spermacet- oder Wachs-Kerzen sieht, wo das Ende des
Dochtes bald nach dieser, bald nach einer anderen Seite hingekehrt ist; die beiden
Dochte weichen demnach ein Mal von einander ab oder entfernen sich von einander, und
naͤhern sich ein anderes Mal wieder gegenseitig, oder neigen sich
seitwaͤrts in entgegengesezten Richtungen. Wenn aber jeder Faden vorerst einzeln gedreht
wird, und dann erst alle diese Faden zusammengedreht werden, wird der Docht auf
diese Weise seine gehoͤrige Staͤrke erhalten und desto ruhiger in
seiner Lage bleiben.
Eine gewisse Anzahl von Faden ist nothwendig um dem Dochte eine solche Staͤrke
zu geben, daß er sich nicht beugt. Man erhaͤlt zwar einen
hinlaͤnglichen Grad von Licht aus zwei Dochten, deren jeder aus sechs, oder
selbst aus drei oder vier Faden besteht; allein diese Dochte saugen waͤhrend
des Verbrennens viel geschmolzenen Talg ein, und die Spize derselben wird mit einer
Ablagerung von Kohlenstoff beladen, die sie bald beugt; die Strahlen des
Waͤrmestoffes werden zu sehr auf die Kerze gerichtet, schmelzen den Talg zu
schnell und verursachen einen Verlust an demselben. Der Docht braucht also nicht
mehr als 8 Faden, um die gehoͤrige Staͤrke zu erhalten, damit er so
lang aufrecht stehen bleiben kann, bis er die verlangte Laͤnge erreicht hat,
wo er sich dann beugt, und das Ende gewoͤhnlich abbrennt.Die Baumwolle, deren ich mich bediente, war diejenige Sorte, welche man in
Kramlaͤden zur Verfertigung der Dochte fuͤr gegossene Kerzen
vorraͤthig hat. 8 Faden geben einen Docht von der Dike, wie man sie
an Wachskerzen gewoͤhnlich findet. A. d. O.
Das Ende des Dochtes einer gewoͤhnlichen Talgkerze bleibt uͤber die
gehoͤrige Zeit in dem Mittelpunkte der Flamme, und nimmt eine solche Menge
Kohlenstoff auf, der sich daselbst ablagert, daß seine Groͤße dadurch
bedeutend vermehrt wird; dadurch wird aber die Intensitaͤt des Lichtes
wenigstens um die Haͤlfte vermindert. Diesem Nachtheile laͤßt sich zum
Theile dadurch abhelfen, daß man die Kerze in eine von der senkrechten Lage etwas
weggeneigte Stellung bringt. Da aber der Neigungswinkel, der zur Beseitigung dieses
Nachtheiles nothwendig ist, nicht weniger als 30° betraͤgt, so hat man
sich dieser Abhuͤlfe nur selten bedient. Eine Hauptabsicht, die ich bei
diesem Versuche hatte, war, eine Talgkerze zu verfertigen, bei welcher man diesen
Vortheil leichter erlangen koͤnnte. Da eine Talgkerze mit zwei Dochten
beinahe dasselbe Licht gibt, wie eine Wachskerze, so schien sie mir zu meinem Zweke
besser geeignet, als eine Kerze mit drei Dochten, und ich stellte daher meine
Versuche mit einer zweidochtigen Kerze an. Ich fand, daß, wenn die Kerze genau
senkrecht gestellt war, die Dochte zuweilen sich nicht bald genug bogen, oder in
entgegengesezter Richtung auseinander fuhren und eine dem Auge widerliche Gestalt
annahmen. Es schien in dieser Hinsicht nothwendig, der Kerze eine etwas geneigte
Lage zu geben, und ich fand, daß ein Winkel von nicht mehr dann 10°
hinreichte, indem die Dochte in einer und derselben Ebene gegen einander standen:
beim Anzuͤnden gab ich der Kerze gewoͤhnlich eine geringe Neigung. Mit dieser
Vorrichtung reichte ich zum Theile aus, indem eine solche auf diese Weise
aufgestellte Kerze brannte, ohne daß es nothwendig war, sie zu puzen, und die
Dochte, wo sie aus 8 bis 10 Faden bestanden, stark genug waren um gerade zu bleiben,
bis sie endlich lang genug geworden sind um sich am Ende zu beugen und zu verzehren.
Es sind aber noch ausgedehntere und mannigfaltigere Versuche nothwendig, als ich
nicht im Stande war anzustellen, um die Vortheile und Nachtheile einer solchen Kerze
mit jenen einer gemeinen Talgkerze zu vergleichen, und hiernach die Brauchbarkeit
oder Unbrauchbarkeit derselben unter gewissen Umstaͤnden zu bestimmen. Ich
besorge jedoch, daß, wenn auch die Kerze mit zwei Dochten (in schiefer Richtung
gehalten) in kalter oder temperirter Witterung und in vollkommener Windstille
trefflich dient, bei heißer Witterung oder in Zugluft ablaufen wird, indem dann der
Talg in zu großer Menge schmilzt.