Titel: Ueber die Absorption von Sauerstoff durch das Silber bei erhöhter Temperatur; von Hrn. Gay-Lussac.
Fundstelle: Band 39, Jahrgang 1831, Nr. XCV., S. 383
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XCV. Ueber die Absorption von Sauerstoff durch das Silber bei erhoͤhter Temperatur; von Hrn. Gay-Lussac. Aus den Annales de Chimie et de Physique. Oktober 1830. S. 221. Gay-Lussac, uͤber die Absorption von Sauerstoff etc. Hr. Lucas hat bekanntlich die Beobachtung gemacht, daß geschmolzenes Silber, wenn es mit Luft in Beruͤhrung ist, Sauerstoff aus derselben absorbirt, welchen es sodann beim Erstarren wieder fahren laͤßt. Eine analoge Eigenschaft beobachtete Pelletier bei demselben Metalle: daß es sich naͤmlich in der Hize mit zwei Mal so viel Phosphor verbindet, als es in dem Augenblike, wo es fest wird, zuruͤkhalten kann. Der Versuch von Lucas ergibt so, wie er ihn beschrieben hat, nur eine sehr geringe Absorption von Sauerstoff; oft beobachtet mall sogar gar keine. Der Versuch gelingt viel sicherer, wenn man das Silber in einer Porcellanroͤhre, durch welche ein Strom Sauerstoffgas streicht, im geschmolzenen Zustande erhaͤlt. Nachdem man fuͤnf und zwanzig bis dreißig Minuten lang eine sehr starke Hize gab, unterbricht man den Strom Sauerstoffgas und entfernt das Feuer. Durch die Erniedrigung der Temperatur entsteht bald ein leerer Raum in der Porcellanroͤhre; aber in dem Augenblike, wo das Silber in den festen Zustand uͤbergeht, entwikelt sich eine betraͤchtliche Menge Sauerstoffgas. Ein anderes Verfahren, welches ich dem vorhergehenden vorziehe, weil es noch einfacher ist, besteht darin, Salpeter in kleinen Portionen auf Silber zu werfen, welches man in einem Tiegel im Flusse erhaͤlt. Nachdem man den Versuch ungefaͤhr eine halbe Stunde lang fortgesezt hat, nimmt man den Tiegel vom Feuer und taucht ihn in die pneumatische Wasserwanne unter eine Gloke. Man hat dabei keinen Unfall zu befuͤrchten. Man hat Zeit genug den Tiegel unter die Gloke zu bringen, aber es verstreicht kaum eine Secunde, so entwikelt sich mit Geraͤusch eine große Menge Sauerstoffgas. Bei einem Versuche erhielt ich davon zwei und zwanzig Mal das Volum des Silbers. Wenn man das Metall tropfenweise in kaltes Wasser fallen laͤßt, so sieht man große Blasen Sauerstoffgas aus dem Wasser emporsteigen; das Silber erhaͤlt ein blasses und mattes Ansehen, welches sehr angenehm ist. Das Silber absorbirt selbst dann noch Sauerstoff, wenn es ein wenig Kupfer enthaͤlt und schuͤzt lezteres, durch seine Verwandtschaft zu diesem Metall, gegen die Oxydation. Indessen absorbirt es den Sauerstoff um so leichter, je reiner es ist und verschlukt davon gar nichts mehr wenn es mit einigen Procenten Kupfer legirt ist. Es unterliegt keinem Zweifel, daß von dieser Eigenschaft des Silbers, Sauerstoff in der Hize zu absorbiren, und ihn beim Festwerden wieder fahren zu lassen, die bekannte Erscheinung, welche die Probirer das Sprazen des Silbers nennen, herruͤhrt. Es ist sehr schwer bei einem sehr feinen Silber das Sprazen zu verhindern, waͤhrend dieses bei einem mit etwas Kupfer, Blei oder Gold legirten Silber sehr leicht ist. Von derselben Eigenschaft dieses Metalles sich in der Hize zu oxydiren, ruͤhrt der Silberverlust waͤhrend der Kupellation (des Abtreibens auf der Kapelle) her und seine Absorption durch die Kapelle, besonders gegen das Ende der Operation.