Titel: Ueber Fäulniß thierischer Körper. Einige Bemerkungen von Karl Matteucci.
Fundstelle: Band 39, Jahrgang 1831, Nr. CXI., S. 459
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CXI. Ueber Faͤulniß thierischer Koͤrper. Einige Bemerkungen von Karl Matteucci. Aus den Annales de Chimie. November. 1830. S. 310. Matteucci, uͤber Faͤulniß thierischer Koͤrper. Es ist bekannt, daß thierische Koͤrper, wenn sie dem Einflusse des Lebens entzogen sind, bald anfangen sich zu veraͤndern, stinkende Gasarten zu entwikeln und sich zu zersezen. Luft, Wasser, Waͤrmestoff sind die aͤußeren Ursachen, welche diese neue Reihe von Zusammensezungen veranlassen. Das Wasser traͤgt dadurch dazu bei, daß es die Fasern erweicht und sich mit den Producten der Faͤulniß verbindet. Die Waͤrme, wo sie in einem maͤßigen Grade wirkt, trennt sie, und, indem sie ihren Zusammenhang zerstoͤrt, bereitet sie dieselben zu neuen Verbindungen vor. Die Luft aͤußert den wichtigsten, den ausgezeichnetesten Einfluß auf dieselben, indem sie einen Theil ihres Sauerstoffes dem Kohlenstoffe, dem Wasserstoffe, dem Stikstoffe der thierischen Koͤrper mittheilt. Auf diese Weise bildet sich waͤhrend der Faͤulniß die Kohlensaͤure, das Wasser, das kohlensaure Ammonium, die Essigsaͤure, welche alle bekanntlich die Hauptproducte der thierischen Gaͤhrung sind. Die thierischen Fasern erleiden folglich diese Veraͤnderung vorzuͤglich wegen des in der atmosphaͤrischen Luft enthaltenen Sauerstoffes, der sich mit denselben verbindet. Wenn man daher die Einwirkung des Sauerstoffes auf dieselben beseitigt, so koͤnnte man, in dieser Hinsicht, die Faͤulniß hindern. Nun ist aber nichts leichter, als die Verwandtschaften der Koͤrper zu aͤndern; man darf, wenn man dieses will, nur ihren elektrischen Zustand veraͤndern. Von diesen Grundsaͤzen ausgehend machte Davy die schoͤne und nuͤzliche Entdekung, die Oxydirung des Kupfers zu hindern, mit welchem die Schiffe beschlagen sind. Wenn wir nun den Sauerstoff als einen ausgezeichnet negativ elektrischen Koͤrper betrachten, so wird es, wo wir seine Verbindung mit den thierischen Fasern hindern wollen, zureichen, daß wir sie in einen analogen elektrischen Zustand Versezen, d.h., in einen negativ elektrischen Zustand. Ueberzeugt durch einige Versuche des Hrn. Bellingiri zu Turin, und durch einige Versuche, die ich selbst angestellt, aber noch nicht bekannt gemacht habe, daß die thierischen Koͤrper, wenn sie mit Metallen in Beruͤhrung gebracht werden, sich selbst in einen elektrischen Zustand versezen, entschloß ich mich einige Stuͤke Fleisch (Muskel-Partien) auf Zinkplatten, andere auf Kupferplatten zu legen, und andere sich selbst zu uͤberlassen. Es hat kaum einen Tag gebraucht um mich zu uͤberzeugen, daß die Faͤulniß in denjenigen Stuͤken Fleisch, die ich sich selbst uͤberließ, bereits angefangen hat, waͤhrend sich an den beiden, anderen, die mit Metall in Beruͤhrung standen, noch keine Spur von Veraͤnderung zeigte. Ich sah ferner an diesen lezteren, daß die Producte der Veraͤnderung, welche sich spaͤter an denselben zeigte, verschieden waren, immer aber mit dem Zustande der Elektricitaͤt in Verhaͤltniß standen, welche man an denselben hervorrief, d.h., mit ihrer Affinitaͤt. Auf diese Weise bemerkte ich ammoniakalische Producte und gekohlstofftes Wasserstoffgas an den Muskeln die mit Zink in Beruͤhrung standen, und viele Saͤure und essigsaures Kupfer an denjenigen, die mit Kupfer in Beruͤhrung waren. Diese Resultate zeigen deutlich, daß jene Muskel, welche mit dem Zink in Beruͤhrung standen, negativ-elektrisch wurden, und in diesem Zustande sich nicht mehr mit dem Sauerstoffe vereinigen konnten, daher also nicht so schnell sich veraͤnderten; daß sie aber endlich der, obgleich schwachen, Verwandtschaft mit dem Stikstoffe und Wasserstoffe nachgaben, waͤhrend, im Gegentheile, die auf dem Kupfer liegenden Muskelfasern sich gaͤnzlich mit den sauren Producten vereinigen mußten. Man kann also auf diese Weise die Faͤulniß verzoͤgern, d.h., die Einwirkung eines der beiden Bestandtheile der Atmosphaͤre abwenden. Aehnliche und vielleicht noch weit ausgezeichnetere Resultate erhielt ich, indem ich den elektrischen Zustand an den thierischen Fasern nicht durch Elektricitaͤt hervorrufende Wirkung (Action electro-motrice) erzeugte, sondern sie als Leiter von den Polen einer Volta'schen Saͤule brauchte. Von diesen Betrachtungen ausgehend scheint es mir nun, daß man sich aus besseren Gruͤnden, als bisher, die Faͤulniß widrige Kraft einiger Koͤrper erklaͤren kann; eine Erklaͤrung, die nicht bei allen dieselbe seyn wird. Einige wirken dadurch, daß sie das Wasser entziehen; andere, daß sie Verbindungen bilden, welche wirklich keiner Faͤulniß faͤhig sind; andere, nach meiner Ansicht wenigstens, dadurch, daß sie einen eigenen elektrischen Zustand begruͤnden. Von dieser Art ist z.B. die vegetabilische Kohle. So ist es z.B. eine in der chirurgischen Praxis erwiesene Thatsache,Ueber die Eigenschaften der Kohle vergleiche man eine neulich zu Paris erschienene kleine Schrift des Drs. Palman.A. d. O. daß, wenn man Holzkohle auf stark eiternde Wunden, auf faulende Geschwuͤre streut, der uͤble Geruch sich bald darauf bessert und eine weitere Entwikelung stinkender Fluͤssigkeiten dadurch verhindert wird. Solche Wirkungen koͤnnen nimmermehr allein die Folge der Porositaͤt seyn; sie wuͤrden bei laͤngerer Beruͤhrung aufhoͤren muͤssen. Sie lassen sich ehe begreifen, wenn man die Kohle als einen Elektricitaͤt hervorrufenden Koͤrper (electro-motrice) betrachtet, welcher an den eiternden Wunden und dem faulen Fleische einen elektrischen Zustand hervorruft, durch welchen sie jene Verwandtschaften verlieren, in deren Folge sie haͤufigen Eiter erzeugen oder sich in schneller Faͤulniß zerstoͤren.Den wohlthaͤtigen Einfluß der Elektricitaͤt auf Verbesserung fauler brandiger Geschwuͤre hat schon vor einigen vierzig Jahren derselbe Mann erwiesen, dessen Erfindungsrecht der Hagelableiter, Paragréles, wir in diesem Journale fuͤr seine DII MANES vindicirt haben; der sel. Hofrath an der obersten Justizstelle zu Wien, J. edler v. Froidvaux. Der Uebersezer weiß aus dem Munde des edlen Sohnes dieses Mannes, des Med. Drs. Froidvaux, daß sein Vater in den Jahren 1786 oder 87 das Kind seines Tagloͤhners, das an zusammenfließenden schwarzen Blattern krank lag, auf den Isolirschaͤmel seiner großen Elektrisirmaschine legte, und taͤglich ein paar Stunden bloß im elektrischen Bade hielt. Die Poken waren schon bei der dritten Elektrisirung um vieles besser, der Gestank verlor sich, die Eiterung ward gutartig und das Kind ward gerettet. Das Kind bekam keine Arzneien, denn der ehrliche alte Froidvaux war ein Feind aller Aerzte und Arzneimittel. Es war ihm sehr unlieb, daß sein einziger Sohn Arzt wurde; er fuͤrchtete „er koͤnnte, bei der menschlichen Schwaͤche, ein Charlatan werden.“ Sein Sohn starb, leider noch vor dem Vater, als ehrlicher geistreicher Mann, so wie sein Vater spaͤter in hohem Greisenalter.A. d. Ue.