Titel: Ueber die Milch und deren Aufbewahrung.
Fundstelle: Band 41, Jahrgang 1831, Nr. XIV., S. 62
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XIV. Ueber die Milch und deren Aufbewahrung. Aus dem Agriculteur-Manufacturier, 1830, Juillet. S. 216.; auch im Bulletin des Sciences technol. 1830. Août. S. 324. Ueber die Milch und deren Aufbewahrung. Die Milch ist, so wie wir sie aus den Thieren erhalten, eine schwach sauer reagirende Fluͤssigkeit; ihre vorzuͤglichsten Bestandtheile sind: Wasser, eine fette Substanz, d.h. die Butter, und der Kaͤsestoff. Die Butter und der Kaͤsestoff scheinen in der Milch bloß im Zustande der feinsten Zertheilung schwebend gehalten, und nicht in derselben aufgeloͤst zu seyn. Ueberlaͤßt man die Milch an einem kuͤhlen Orte sich selbst, so begibt sich die Butter auf die Oberflaͤche der Fluͤssigkeit, wobei sie eine große Menge Kaͤsestoff mit sich reißt; in diesem Zustande ist die Butter noch fluͤssig und unrein, sie bildet die sogenannte Sahne, den Rahm. Die auf diese Weise ihres Butterstoffes beraubte Milch ist die sogenannte abgerahmte (in Bayern abgeblasene) Milch. Ueberlaͤßt man diese Milch sich selbst, so geht sie bald in eine Art von Gaͤhrung uͤber, unter deren Producten der Essig eines der merkwuͤrdigsten ist. Sie gerinnt dann, und dieses Gerinnsel bildet, von seinem Wasser durch Auspressen befreit, den Kaͤsestoff, oder den Topfen. Der Kaͤsestoff selbst ist so, wie alle thierischen Substanzen, vielen Veraͤnderungen ausgesezt; frisch bereitet ist er stark sauer, allein diese Saͤure ruͤhrt von dem Essig her, der dessen Abscheidung beguͤnstigt hat; er ist in diesem Zustande in Wasser und in den sauren Aufloͤsungen ganz unaufloͤslich, waͤhrend er sich in den Potaschen-, Soda- und Ammoniumaufloͤsungen aufloͤst. In feuchtem Zustande sich selbst uͤberlassen, erleidet er eine Art von Gaͤhrung, welche wieder neue Producte gibt; diese Producte werden stark alkalisch, indem sich kohlensaures Ammonium bildet. Der Kaͤsestoff erhaͤlt dadurch einen starken und stechenden Geschmak, welcher mit der Dauer der Gaͤhrung zunimmt; diese Gaͤhrung ist es, welche den Kaͤs erzeugt. Die Milch enthaͤlt außer dem Kaͤsestoffe und außer der Butter, auch noch eine aufloͤsliche Substanz von mildem und schwach suͤßem Geschmake, die leicht krystallisirt, und die sehr unpassend Milchzuker genannt wird, indem sie nicht in geistige Gaͤhrung treten kann. Sie ist auch nur in sehr geringer Menge in der Milch enthalten. Der Kaͤsestoff ist es vorzuͤglich, der die Milch zu den schnellen Veraͤnderungen geneigt macht, welche sie erleidet; alle Methoden, welche man bisher versuchte, um sie unveraͤndert zu erhalten, mißlangen. Appert's Verfahren, das bei Aufbewahrung des Fleisches und vieler Gemuͤse gut gelingt, laͤßt sich nicht auf die Milch anwenden. Die Erfahrung zeigte auch wirklich, daß die Milch auch ohne den Zutritt der Luft eben so gerinnt, wie in der Luft. Hr. Gay-Lussac bemerkte, daß man die Milch, wenn man sie taͤglich lochen laͤßt, mehrere Monate aufbewahren kann; allein außer der Unbestaͤndigkeit des Resultates dieser Aufbewahrungsmethode hat dieses Verfahren in der Praxis auch noch viele Schwierigkeiten, die man wohl einsehen wird. – Die Aufbewahrung der Milch bleibt daher eine Aufgabe, welche noch zu loͤsen ist und welche vorzuͤglich fuͤr die Schiffahrt von hoͤchster Wichtigkeit waͤre. – P. Kirchoff, ein durch seine Verdienste bekannter Chemiker, kuͤndigte ein Verfahren an, nach welchem sich die Milch aufbewahren ließe; dieses Verfahren scheint Anfangs sehr verfuͤhrerisch, allein die Erfahrung gab uns schlechte Resultate. Es besteht darin, daß man die Milch bis zur Trokenheit eindampft und dann zerreibt. Dieses Pulver in Wasser geruͤhrt, sollte eine Fluͤssigkeit geben, die der Milch sehr aͤhnlich waͤre, wenn sie ihr nicht ganz gleich kommen sollte. Wir haben mit dieser Methode Versuche angestellt, aber es gelang uns nur schwer, die Milch auf offenem Feuer so bis zur Trokenheit abzudampfen, daß man dieselbe in Pulver zerreiben konnte. Dieses Pulver bildet weder durch Abreiben mit heißem, noch durch Abreiben mit kaltem Wasser eine Emulsion mit demselben, obschon es den Geruch und den Geschmak der Milch, der nur etwas durch die Einwirkung des Waͤrmestoffes veraͤndert worden war, besaß; es knirschte unter den Zaͤhnen. Auch bemerkten wir, daß es schnell ranzig wird; vielleicht ließe sich diesem Nachtheile vorbeugen, wenn man bloß den Kaͤsestoff troknete und pulverte, und dann diesen, um Milch zu bekommen, in einem Moͤrser mit Butter, Zuker, Milch und Wasser abriebe. Es waͤre sehr wichtig uͤber diesen Gegenstand, der fuͤr die Schiffahrt von so unendlichem Nuzen waͤre, weiter nachzuforschen, und weitere Versuche daruͤber anzustellen.