Titel: Ueber die Arbeiten der HHrn. Wallet und Huber und des Hrn. Romagnesi in Pappsteinmasse (carton-pierre). Bericht des Hrn. Gourlier an die Société d'encouragement etc.
Fundstelle: Band 41, Jahrgang 1831, Nr. LXXXIII., S. 360
Download: XML
LXXXIII. Ueber die Arbeiten der HHrn. Wallet und Huber und des Hrn. Romagnesi in Pappsteinmasse (carton-pierre). Bericht des Hrn. Gourlier an die Société d'encouragement etc. Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement. 1831 Mai. S. 266. Gourlier uͤber die Pappsteinmasse. Die Pappsteinmasse (carton-pierre), welche seit mehreren Jahren sehr haͤufig, sowohl in oͤffentlichen als in Privatgebaͤuden, zu Verzierungen angewendet wird, ist, wie es schon ihr Name andeutet, ein Gemisch aus Kreide, Tischlerleim und Papierzeug. Diese Masse wird in Modeln geformt, die den Modeln, in welchen Gypsarbeiten gemacht werden, aͤhnlich sind; nur muͤssen dieselben unmittelbar nach dem Abformen einer bestimmten Hize ausgesezt werden, damit die Arbeit trokne und sich vom Model abloͤse; diese braucht dann nur mehr ausgebessert zu werden, worauf man sie mit Leim oder mit Nageln, je nachdem es die Umstande erfordern, dort anbringen kann, wo man sie haben will. Nach Einigen soll ein gewisser Paton zuerst eine solche Masse angewendet, und daraus hauptsaͤchlich verschiedene Verzierungen fuͤr eine der Capellen von Saint-Sulpice verfertigt haben; nach Anderen verdanken wir aber diese Erfindung Hrn. Gardeur, der sie zur Berzierung des alten Theaters Montanster benuzte, und der auch eine Buͤste Ludwigs des XVI. und der ungluͤklichen Marie-Antoinette aus dieser Masse gemacht haben soll. Dem sey nun wie ihm wolle, so kaufte Meziéres, ein geuͤbter Bildhauer, diesen Industriezweig von Hrn. Paton, verbesserte denselben bedeutend, und fuͤhrte in dieser Masse die Bildhauerarbeiten an den Tempeln und anderen Gebaͤuden aus, die zur Feier der republikanischen Feste errichtet wurden. Meziéres uͤberließ dann seine Anstalt dem Hrn. Hirsch, der die Unternehmung noch erweiterte, und vorzuͤglich den neuen Opernsaal verzierte, wobei er durch einen Fall um's Leben kam. Nach Hirsch's Tod ging seine Anstalt in die Haͤnde der HHrn. Wallet und Huber uͤber, in welchen ihr Gedeihen und ihre Wichtigkeit beinahe taͤglich wuchs. Das Verzeichniß ihrer Arbeiten enthaͤlt mehr als 3000 Stuͤke, und, ihrer Erklaͤrung gemaͤß, koͤnnten sie dasselbe noch mit 1500 Nummern vermehren. Ihre vorzuͤglichsten Arbeiten sind: die vollkommene Verzierung des Warmzimmers des neuen Opernhauses zu Paris; die Verzierung der Theater zu Bruͤssel, Straßburg, Lille und Havre, der Cathedrale und eines Theiles des erzbischoͤflichen Pallastes zu Rheims fuͤr die Feierlichkeiten bei der Kroͤnung; die Bildhauerarbeiten im Inneren des Louvre, und vornehmlich jene des aͤgypstischen Museums, in welchem sich hauptsaͤchlich die Friese und die großen Capitaͤler auszeichnen, u. drgl. m. Sie ließen auch das Palais-Royal zu Paris, die Schloͤsser zu Neuilly und Eu, die Ministerien der Finanzen und des Krieges, einen Theil des Marine-Ministeriums, das Hôtel der Kanzlei von Frankreich, jene der HHrn. Lafitte und Schikler, und vorzuͤglich jene des Hrn. Hope verzieren, welche Arbeiten im griechischen, roͤmischen, gothischen und neuauflebenden Style enthalten, die saͤmmtlich mir der groͤßten Vollkommenheit ausgefuͤhrt sind. Endlich lieferten sie auch die Arbeiten in den Café turc zu Paris und ganz neuerlich die Bildhauerwerke fuͤr das Drury-Lane Theater zu London. Desgleichen verfertigten sie Statuen von großem Umfange; naͤmlich jene von Heinrich dem IV., Sully, den alten Floͤtenblaͤser und eine Gruppe der drei Grazien nach dem Originale von Chaudet; eben so mehrere antike Koͤpfe, wie einen Isiskopf, Koͤpft der Caryatiden von Athen, einen heiligen Vincent de Paule, nach dem Originale von Stouf, einen schoͤnen Christuskopf nach Girardon etc. Erst nach dem Tode Hirsch's wurde die Anstalt des Hrn. Romagnesi gegruͤndet, welcher dieser Kuͤnstler schnell einen merkwuͤrdigen Aufschwung zu verschaffen wußte. Sein Catalog enthaͤlt 2000 verschiedene Gegenstaͤnde, obwohl eine große Menge nicht in denselben aufgenommen ist. Unter seinen groͤßeren Arbeiten verdient vorzuͤglich die Verzierung des Orgelgehaͤuses in der Sorbonne, ein Theil der schoͤnen und großen Gegenstaͤnde, die zu Rheims theils fuͤr die Kroͤnung, theils bei Gelegenheit dieser Feierlichkeit gemacht wurden, und ganz neuerlich die Verzierung des Plafonds der neuen Kirche von Notre-Dame de Lorette erwaͤhnt zu werden. Wir wollen ferner noch seine reichen Candelabers anfuͤhren, unter denen einer von drei Fuß Hoͤhe in der Mitte der Rotonde des Passage Colbert, und mehrere andere, welche die Gemaͤcher des Palais-Royal verzieren; unter seinen Figuren eine antike Diana in Lebensgroͤße, den Rumpf und die Buͤste der Venus von Milo etc., und endlich eine zahlreiche Sammlung verschiedener Vasen, welche wie Vasen aus Bronze oder Marmor aussehen, und die auf das Vollkommenste gemacht und gefirnißt sind. Hr. Romagnesi machte auch eine sehr gluͤkliche und nuͤzliche Anwendung der Pappsteinmasse zu Modellen, welche er unter der Leitung des Hrn. Alavoine, eines geschikten Architekten, der mit der Wiederherstellung der Spize der Cathedrale zu Rouen aus Gußeisen beauftragt ist, verfertigen laͤßt. Diese Substanz war naͤmlich beinahe die einzige, mit welcher man diesen Modellen, besonders in Hinsicht auf die Dike, welche das Gußeisen haben soll, genaue Dimensionen geben konnte. Auf diese Weise kann man sich nicht bloß von dem Eindruke, der das Ganze hervorbringen muß, sondern auch von den Details desselben, von dem Wuͤrfelinhalte, den jeder Theil haben muß, und mithin von der Schwere und dem Preise desselben die positivste Rechenschaft geben. Wir glauben, daß diese interessante Anwendung der Aufmerksamkeit aller Kuͤnstler sehr empfohlen zu werden verdient. Die Anstalten des Hrn. Romagnesi und der HHrn. Wallet und Huber beschaͤftigen gegenwaͤrtig, jede einzeln, wenigstens 50 Arbeiter, ohne die große Menge anderer Arbeiter, wie Tischler, Schlosser, Mahler, Vergolder etc. zu rechnen, welche durch dieselben Arbeit finden; sie liefern nicht bloß fuͤr Paris, sondern auch fuͤr die Departements, fuͤr die Niederlande, England etc. eine große Menge Arbeiten. Die Bildhauerarbeiten in Pappsteinmasse bildeten fast auf jeder unserer Industrieausstellungen einen ausgezeichneten Gegenstand; seit 1806 brachte Hr. Gardeur seine Arbeiten dahin, und Medaillen von Bronze wurden im Jahre 1817 an Hrn. Hirsch, im J. 1823 an Hrn. Romagnesi und an die HHrn. Wallet und Huber vertheilt; im Jahre 1827 erhielten Romagnesi, Wallet und Huber silberne Medaillen, und neuerlich erhielten dieselben eben solche Medaillen von der Société d'encouragement fuͤr ihre großen Leistungen.