Titel: Bericht des Hrn. Francoeur über die auf einander passenden Stämpel (timbres coincidens) des Hrn. Dupeyrat, Graveurs zu Charenton-le-Pont bei Paris.
Fundstelle: Band 42, Jahrgang 1831, Nr. XCIV., S. 344
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XCIV. Bericht des Hrn. Francoeur uͤber die auf einander passenden Staͤmpel (timbres coincidens) des Hrn. Dupeyrat, Graveurs zu Charenton-le-Pont bei Paris. Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement. August 1831. S. 371. Francoeur's Bericht, uͤber die auf einander passenden Staͤmpel Die Verfaͤlscher zeigen beim Nachmachen der Wechsel oft eine solche Geschiklichkeit und Fertigkeit, daß sie nicht selten die mißtrauischste Aufmerksamkeit zu Schanden machen. Wir sahen sogar, daß die franzoͤsischen Bankbillete mit der Feder so taͤuschend nachgemacht wurden, daß Geuͤbte sich in denselben irren konnten; und doch tragen diese Billete einen Staͤmpel, dem man den Namen eines identischen Staͤmpels (timbre identique) gab, weil jede der beiden Oberflaͤchen des Papieres durch denselben den Abdruk eines eigenen Staͤmpels erhaͤlt, und weil die Zuͤge dieser beiden Staͤmpel, von denen der eine den Gegenbeweis fuͤr den anderen abgibt, so vollkommen und genau auf einander passen, daß man, wenn man das Papier gegen das Licht haͤlt, nur einen und denselben Staͤmpel zu sehen glaubt. Dieser Staͤmpel wurde von Hrn. Dupeyrat, einem geschikten Graveur, ausgedacht, der auch die Presse erfand, mit welcher man diese beiden identischen Abdruͤke nach einander hervorbringen kann. Durch die Gewandtheit der Nachmacher wurde man jedoch gezwungen auch diese Art von Staͤmpel aufzugeben, indem es factisch erwiesen ist, daß das Nachmachen schwarzer Zuͤge auf weißem Grunde vollkommen gelang. Man bedient sich daher gegenwaͤrtig eines anderen Staͤmpels, durch welchen man weiße Buchstaben auf schwarzem Grunde erhaͤlt; allein es steht sehr im Zweifel, ob derselbe viel groͤßere Schwierigkeiten fuͤr die Verfaͤlscher darbietet. Hr. Dupeyrat hat dieß bewiesen, indem er einen solchen vollkommen nachmachte, bloß um die Gefahr zu zeigen, welche man laͤuft, wenn man dieser neuen Erfindung traut. Ungeachtet der Strenge der Geseze gegen die Verfaͤlscher, und besonders gegen das Nachmachen der franzoͤsischen Bankbillete, und ungeachtet der Verfaͤlscher dabei den Text des Gesezes copiren muß, durch welches er mit dem Tode bedroht wird, muß man doch besorgen, daß auch diese Billete wieder nachgemacht werden. Die Unruhe, welche ein so straͤfliches Vergehen im Handel hervorbringen wuͤrde, veranlaßte die Erfindung dieses neuen Staͤmpels des Hrn. Dupeyrat, welchen er einen auf einander passenden oder coincidirenden (timbre coincident) nennt. Dieser Staͤmpel kann uͤbrigens an allen Kaufmannsguͤtern, und zwar sowohl franzoͤsischen als auslaͤndischen, angebracht werden, und wir glauben, daß auch England, welches seine Banknoten so oft verfaͤlschen sah, und welches einen bedeutenden Preis fuͤr Abhuͤlfe dieses Verbrechens ausschrieb, sich mit Vortheil der sinnreichen Erfindung des Hrn. Dupeyrat bedienen koͤnnte. Der Staͤmpel wird gleichfalls auf zwei Mal geschlagen, wie bei den aͤlteren sogenannten identischen Staͤmpeln: zuerst naͤmlich auf die Vorder- und dann auf die Kehrseite des Blattes. Allein bei dem neuen Staͤmpel laͤßt der erste Abdruk mehrere leere Raͤume, zwischen welchen sich andere Raͤume mit Buchstaben und abgebrochenen Figuren befinden, und zwar saͤmmtlich mit weißen Zuͤgen auf schwarzem Grunde. Der zweite Staͤmpel enthaͤlt zwar auch weiße Buchstaben, Zuͤge und Figuren auf schwarzem Grunde; allein er ist eingerichtet, daß er genau den ersten Staͤmpel ausfuͤllt oder completirt; er wird daher mit groͤßter Genauigkeit unter diesem angebracht. Hieraus ergibt sich, daß man, wenn man nur einen dieser Staͤmpel betrachtet einen bloßen Entwurf sieht, an welchem Theile vergessen worden zu seyn scheinen; daß man hingegen, wenn man das sehr duͤnne und durchsichtige Papier gegen das Licht ansieht, einen vollkommenen Staͤmpel wahrnimmt, indem das, was durch den einen Staͤmpel leer gelassen wurde, durch den anderen ausgefuͤllt wird. Es ist einer der wesentlichen Vortheile dieses neuen Verfahrens, welcher aus der Verfertigungsart der beiden Matrizen des Staͤmpels und aus der Anwendung des doppelten Staͤmpels hervorgeht, daß man im strengsten Sinne des Wortes von demselben sagen kann, daß das, was dem einen Abdruke fehlt, mit der vollkommensten Genauigkeit, ohne Auslassung, ohne Fehler, ohne Wiederholung und ohne Aufhebung des Zusammenhanges von dem zweiten ausgefuͤllt wird. Die Luͤken, welche in einem jeden der beiden Staͤmpel gelassen sind, bestehen aus parallelen weißen Streifen oder aus einer Reibe von Kronen. Man kann sich keine genauere Idee dieser bewunderns werthen Erfindung machen, als wenn man sich denkt, daß gewisse Theile eines vollkommenen Staͤmpels mit weißen Zuͤgen auf schwarzem Grunde weggenommen, und so auf die Ruͤkseite des Blattes versezt wurden, daß sie daselbst genau jene Stelle einnehmen, die sie aus der Vorderseite hatten. Daher erhielt dieser Staͤmpel auch den Namen eines auf einander passenden oder coincidirenden. Wir sollten nun zwar das Verfahren und die Maschine beschreiben, welche Hr. Dupeyrat hiezu anwendet; allein da der Kuͤnstler dieselbe noch als Geheimniß; bewahren will, und vorzuͤglich um den Verfaͤlschern nicht Mittel zur Befoͤrderung ihrer straͤflichen Geschiklichkeit zu geben, glauben wir uns einer solchen Beschreibung enthalten zu muͤssen. Wir gestehen jedoch, daß man sich ohne die Kenntniß dieser Maschine keinen wahren Begriff von der Wichtigkeit dieser Erfindung machen kann. Das genaue Ineinanderpassen der ausgefuͤllten und der leeren Stellen ist naͤmlich, wie man glauben koͤnnte, weder zufaͤllig, noch das Resultat eines Handgriffes eines geschikten Staͤmplers sondern die nothwendige Folge der Vorrichtung, so daß der eingeuͤbteste Arbeiter eben so richtige Abdruͤke liefern wird, als die geuͤbteste Hand, obwohl ersterer natuͤrlich langsamer arbeiten, und hier und da durch seine Fehler Ausschuß hervorbringen wird. Es wurden eine Stunde lang und daruͤber in Gegenwart von uns sowohl, als mehrerer geschikter Kuͤnstler, wie des Hrn. Gateaux des Vaters, viele Versuche angestellt, und aus diesen geht hervor, daß ein Mann oder ein Weib in 10 Stunden Arbeit des Tages leicht 800 Abdruͤke dieses doppelten Staͤmpels machen kann, und dieß ohne Anstrengung, ohne Beschwerde und bei mittelmaͤßiger Geschiklichkeit. Um jedoch Fehler zu vermeiden, und damit die Abdruͤke so sorgfaͤltig als moͤglich gemacht werden koͤnnen, glauben wir, daß man nicht mehr als 5–600 doppelte Staͤmpelabdruͤke auf einen Tag fuͤr einen Arbeiter rechnen soll. Diese Menge uͤbersteigt uͤberdieß die Beduͤrfnisse der thaͤtigsten Banken, selbst jene der koͤniglichen Banken von Frankreich und England. Das Verfahren bei dieser Operation ist nun Folgendes. Hr. Dupeyrat zeichnet die beiden Matrizen auf Stahl und bemerkt darauf die Zuͤge, welche einander gegenseitig ausfuͤllen sollen; diese Matrizen gravirt und haͤrtet er dann. Dieser Matrizen bedient er sich, um zuerst im Hohlen und dann im Erhabenen zu graviren, und zwar durch auf einander folgendes Zusammenpressen, wobei er die Vorsicht gebraucht, jedes Mal mit dem Grabstichel auszubessern. Auf diese Weise erhaͤlt er die beiden Staͤmpel. Diese ganze Operation ist jener aͤhnlich, welche man gewoͤhnlich anwendet um sich die identischen Staͤmpel zum Praͤgen der Medaillen, der Muͤnzen etc. zu verschaffen; das was Hrn. Dupeyrat hierbei eigen ist, beruht auf dem sinnreichen Mittel, dessen er sich bedient um auf dem einen Staͤmpel jene Zuͤge auszulassen, die auf dem anderen beibehalten werden. Mittelst einer kleinen Schraubenpresse erhaͤlt man die Abdruͤke der Staͤmpel, nachdem diese mit einem Ballen geschwaͤrzt wurden; dieses Schwaͤrzen muß bei jedem Abdruke wiederholt werden. Die Bewegung dieser Maschine ist so ausgedacht und zusammengestellt, daß man die groͤßte Sicherheit hat, daß der Staͤmpel, welchen man durch den ersten Druk auf der ersten Seite abdrukte, mit der groͤßten Coincidenz jenen Staͤmpel nach sich zieht, den man auf der Kehrseite anbringt. Das vorzuͤgliche Verdienst der Erfindung des Hrn. Dupeyrat liegt also nicht bloß in der Leichtigkeit und Genauigkeit der Bewegungen dieser Maschine, sondern auch in dem Verfahren, dessen er sich beim Zeichnen der Matrizen bedient, um ganz sicher zu seyn, daß die eine derselben genau das Complement der anderen wird. Wir koͤnnen jedoch hier nicht in weitere Entwikelungen eingehen, ohne das Geheimniß dieser Erfindung zu verrathen. Da die auf einander passenden Staͤmpel des Hrn. Dupeyrat eine wahrhaft neue Entdekung in diesem Felde der Erfindungen sind, da der Handel im Allgemeinen, und die Bank ins Besondere, wegen der großen Sicherheit, welche diese Staͤmpel gewaͤhren, außerordentlich großen Nuzen aus dieser Erfindung ziehen koͤnnen, so schlaͤgt das Comité der mechanischen Kuͤnste der Gesellschaft vor, diesen Bericht bekannt zu machen, die Erfindung des Hrn. Dupeyrat der Regierung sowohl als den Privaten bestens zu empfehlen, und dem Erfinder den Dank der Gesellschaft fuͤr seine Mittheilung auszubruͤken. Wir glauben, daß auch alle fremden Regierungen ihr Interesse bei der Anwendung dieser auf einander passender Staͤmpel finden werden; wir schlagen ferner vor dieselben auch dem Hrn. Ministerpraͤsidenten zu empfehlen, um sie zur Versicherung der Aechtheit gewisser diplomatischer Actenstuͤke, gewisser Paͤsse, gerichtlicher Documente und dergl. zu benuzen. Die Regierung hielt es fuͤr nuͤzlich Renten auf den Vorzeiger (porteur) lautend zu creiren, welche nach gegenseitig getroffener Uebereinkunft ohne Mitwirkung der Wechselagenten negociirt werden koͤnnen. Diesen Renten, welche sich bisher aus Furcht vor Verfaͤlschung nur geringen Beifalles und Umsazes erfreuten, koͤnnen nun die Staͤmpel des Hrn. Dupeyrat eine Sicherheit geben, welche eine Garantie gegen deren Verfaͤlschung darbieten, und folglich deren Umlauf sehr beguͤnstigen wird.