Titel: Ueber die fabrikmäßige Bereitung der krystallisirbaren Essigsäure und des Essigäthers; von Hrn. Sebille-Auger.
Fundstelle: Band 43, Jahrgang 1832, Nr. X., S. 46
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X. Ueber die fabrikmaͤßige Bereitung der krystallisirbaren Essigsaͤure und des Essigaͤthers; von Hrn. Sebille-Auger. (Aus dem Bull. de la Soc. d'Angers Nr. 3 im Bulletin des sciences, technolog. Mai 1831, S. 17.) Sebille-Auger, uͤber die Bereitung der krystallisirbaren Essigsaͤure. Nach Hrn. Despretz Polytechn. Journal. Bd. XXXVI. S. 75. A. d. R. wird die Bereitung der krystallisirbaren Essigsaͤure geheim gehalten, man findet sie jedoch kurz in Thomsons Lehrbuch der Chemie beschrieben; uͤbrigens wird von diesem Product so wenig verbraucht, daß die Fabrikanten es nur auf Verlangen darstellen. Hr. Sebille-Auger war zwei Jahre in der Fabrik des Hrn. Mollerat, ohne es auch nur Einmal bereiten zu sehen; dieser Gegenstand ist aber fuͤr die Chemie und Pharmacie von Interesse. Wir wollen daher die Bereitungsart und Eigenschaften dieser Saͤure mittheilen. Fast alle reinen und wasserfreien essigsauren Salze geben krystallisirbare Saͤure; essigsaures Silber liefert bei der troknen Destillation eine sehr reine, welche 20 Th. wasserfreie Saͤure auf 30 Th. Wasser enthaͤlt; das Silbersalz kommt aber zu theuer zu stehen, als daß man sich desselben bedienen koͤnnte. Der Gruͤnspan gibt eine unkrystallisirbare Saͤure, welche 16 bis 18 Procent Essiggeist und selten uͤber 55 Procent wasserfreie Saͤure enthaͤlt; aus 2 Theilen Gruͤnspan erhaͤlt man nur 1 Theil wasserfreie Saͤure, wovon das Pfund auf 6 Franken zu stehen kommt. Wenn man essigsaures Natron mit Schwefelsaͤure behandelt, so erhaͤlt man die Saͤure am reinsten und dieß ist auch das zwekmaͤßigste Verfahren. Die kaͤufliche Schwefelsaͤure muß man zu diesem Zwek vorerst entwaͤssern, indem man sie einige Zeit langinder Siedehize erhaͤlt; sie kann dann noch Salpetersaͤure enthalten: das essigsaure Natron wird oͤfters umkrystallisirt und in einem gußeisernen Kessel ausgetroknet, wobei man aber darauf achten muß, daß es nicht schmelzt: man stoͤßt es, troknet es vollends aus, schlaͤgt es durch ein Haarsieb und bringt es in eine ganz trokne Retorte; zu einer Operation nimmt man hoͤchstens 3 Kilogr., welche 9 Kil. 700 Gramme concentrirte Schwefelsaͤure erfordern. In diesem Falle muß die Retorte wenigstens 6 Liter fassen. Wenn man weniger Schwefelsaͤure anwendet, so wird das essigsaure Salz nur unvollstaͤndig zersezt und man erhaͤlt Schwefelsaͤure und Brenzessiggeist. Am besten wendet man eine tubulirte Retorte an und gießt die Saͤure mittelst einer gekruͤmmten Roͤhre in ihren Bauch. Die Retorte wird auf einem eisernen Triangel befestigt und uͤber freiem Feuer erhizt; man verbindet sie mit einer Verlaͤngerung und einem Ballon, welche durch Papier dicht gemacht werden, da Mehlkleister der Saͤure einen unangenehmen Geruch ertheilen koͤnnte. Durch den unteren Theil des Ballons, welcher auf einem passenden Gestell angebracht wird, geht eine Roͤhre in Flaschen, die 1 bis 2 Pfund fassen und nach Belieben gewechselt werden koͤnnen. Man braucht den Ballon nicht mit Wasser abzukuͤhlen. Der Ofen muß im Durchmesser 10 bis 12 Centimeter weiter seyn als die Retorte und leztere bis zum Hals umhuͤllen; man braucht keinen Dom anzuwenden. Der Hals der Retorte muß durch ein Eisenblech gegen die Hize des Ofens geschuͤzt werden: der Boden derselben soll sich 6 bis 8 Centimeter uͤber den Kohlen befinden. Wenn der Apparat so vorgerichtet ist, gießt man die Schwefelsaͤure (welche 50 bis 60° C. warm seyn duͤrfte) in die Retorte und verschließt die Muͤndung der Glasroͤhre mit einem Kork: die Einwirkung findet auf der Stelle statt; die Masse erhizt sich stark und wenn die Schwefelsaͤure Salpetersaͤure enthaͤlt, entwikeln sich rothe Daͤmpfe, welche aber keinen Nachtheil bringen, weil sie sich nicht mit der Essigsaͤure verdichten. Ungefaͤhr 1/3 der Essigsaͤure destillirt ohne Feuer uͤber; wenn die Destillation nachlaͤßt, erhizt man allmaͤhlich, damit keine starken Stoͤße erfolgen. Die Operation ist beendigt, wenn die ganze Masse geschmolzen ist. Man pruͤft von Zeit zu Zeit die uͤbergegangene Saͤure auf Schwefelsaͤure. Gewoͤhnlich dauert die Operation 4 bis 5 Stunden. Es laͤßt sich sehr schwer vermeiden, daß ein wenig Schwefelsaͤure und sogar schwefelsaures Natron uͤbergeht. Um die Retorte zu erhalten, erhizt man ihren Hals sehr stark und gießt das saure schwefelsaure Natron, waͤhrend es sich noch im Fluß befindet, aus. Um die Essigsaͤure zu rectificiren, sezt man ihr so viel essigsaures Natron zu als noͤthig ist, um die Schwefelsaͤure zu saͤttigen und destillirt sie mit der gehoͤrigen Vorsicht: gegen das Ende der Operation erfolgen haͤufig Stoͤße. Die ersten Producte sind die schwaͤchsten. Wenn die Dichtigkeit der uͤbergegangenen Saͤure weniger als 1,0766 oder 11,3° am Araͤometer bei einer Temperatur von 16° C. betraͤgt, so kann sie bei 4 oder 5° C. krystallisiren. Betraͤgt die Dichtigkeit 1,0622 oder 8°, 6 am Araͤometer, so ist die Saͤure moͤglichst concentrirt und ihre Dichtigkeit wechselt nicht mehr. Das rectificirte Product betraͤgt gewoͤhnlich 2 Kilogr. und enthaͤlt 80 Procent wasserfreie Saͤure. Da man nur 1 Kilogr. 860 Gramme reine Saͤure aus der angewandten Quantitaͤt Natronsalz erhalten kann, so muͤssen die ersten Producte 140 Gr. Wasser enthalten. Die reine Essigsaͤure krystallisirt bei 15° C. in duͤnnen Blaͤttchen; man kann sie unter diese Temperatur abkuͤhlen, ohne daß sie fest wird; sie krystallisirt dann aber bei der geringsten Bewegung, wobei Waͤrme frei wird. Die auf Filtrirpapier getrokneten Krystalle schmelzen bei 22°. Es scheint, daß die krystallisirte und umgeschmolzene Saͤure erst bei einer niedrigeren Temperatur wieder krystallisiren kann; sie kocht bei 119° C. und destillirt manchmal schnell ohne zu kochen. Im fluͤssigen Zustande entzuͤndet sie sich und brennt wie Alkohol. Sie hat eine große Verwandtschaft zum Wasser, wovon sie ein Mischungsgewicht enthaͤlt, welches man ihr nur dadurch entziehen kann, daß man sie mit einer Basis verbindet; Chlorcalicum entzieht es ihr nicht. Loͤst man wasserfreies schwefelsaures Natron durch Erhizen in Essigsaͤure auf, die wenigstens 20 Procent wasserfreie Saͤure enthaͤlt, so entzieht es ihr das Wasser und krystallisirt, waͤhrend das krystallisirte schwefelsaure Salz, wenn man es durch Erwaͤrmen in Essigsaͤure aufloͤst, die 85 Procent wirkliche Saͤure enthaͤlt, sein Wasser an sie abgibt und wasserfrei niederfaͤllt. Man kann das schwefelsaure Natron benuzen, um Essig oder Holzsaͤure, die nur 5 bis 6 Procent wirkliche Saͤure enthalten, auf einen Gehalt von 20 Procent zu bringen; die Saͤure muß aber dann destillirt werden, um das schwefelsaure Natron abzuscheiden. Das Wasser in der krystallisirbaren Essigsaͤure enthaͤlt 1/3 des Sauerstoffs der Saͤure. Man muß diese Saͤure durch eine einzige Destillation zu erhalten suchen, denn bei jedesmaliger Destillation wird eine geringe Menge davon zersezt, wodurch ein brenzlicher Geruch entsteht. Von der krystallisirbaren Saͤure kommt das Pfund auf 8 Fr. zu stehen; man hat es fuͤr 48 Fr. verkauft und spaͤter lieferte man es fuͤr 12, ein Preis, der fuͤr eine so unsichere Operation zu niedrig ist. Wenn man keine vollkommen reine Saͤure erhalten will, so kann man sie in großer Menge und mit geringen Kosten aus der gereinigten Holzsaͤure darstellen, welche man durch Zersezung des essigsauren Natrons in der Kaͤlte mit Schwefelsaͤure erhaͤlt und deren Gehalt 40 Procent betraͤgt. Man bedient sich eines kupfernen Destillirkolbens, der mit einer Roͤhre von Silber und mit einem Verdichter aus demselben Metall versehen ist; er wird mit Saͤure beschikt, welche durch eine erste Destillation von schwefelsaurem Natron gereinigt wurde. Die erste Haͤlfte des Destillats wird beseitigt, weil es zu schwach ist, dann die Destillation fast bis zur Trokniß fortgesezt; auf dieselbe Art macht man noch zwei andere Destillationen, nimmt sodann den Apparat aus einander und reinigt ihn. Hierauf beschikt man ihn mit den lezten Producten der drei Destillationen, deren Gehalt im Mittel schon 55 Procent und deren Dichtigkeit 10,656 oder 10°, 2 betraͤgt; die Destillate, deren Dichtigkeit bis auf 10,766 oder 11°, 3 bei 16° C. steigt, sammelt man besonders. Ueber diese Graͤnze hinaus nimmt die Dichtigkeit der Saͤure ab, waͤhrend ihre Staͤrke zunimmt; man wechselt die Recipienten und die Producte krystallisiren um so leichter, je geringer ihre Dichtigkeit ist. Von dieser Saͤure kommt den Fabrikanten das Pfund kaum auf 1 Fr. zu stehen. Da sich derselbe Apparat auch zur fabrikmaͤßigen Bereitung des Essigaͤthers eignet, so beschreibt Hr. Sebille-Auger das Verfahren wodurch er denselben sehr wohlfeil und sehr rein erhielt. Man bringt in den kupfernen Destillirkolben 30 Kilogr. reines, ausgetroknetes und gesiebtes essigsaures Natron und 43 Liter oder 36 Kilogr. Alkohol von 33° Beaumé, vermengt sie gut, und gießt 9 Kilogr. concentrirte weiße Schwefelsaͤure darauf. Man ruͤhrt die Masse sorgfaͤltig um und legt dann den Dekel auf, in welchem eine dreischenkliche Glasroͤhre angebracht ist, um noch 18 Kil. Saͤure eingießen zu koͤnnen; es wird viel Waͤrme frei und der Aether bildet sich ohne Feuer und laͤuft in einem Strahle ab; wenn er nur noch tropfenweise ablaͤuft, erhizt man und destillirt fast bis zur Trokniß. Man erhaͤlt 56 Kil. unreinen Aether von 19° Cartier, den man mit 18 Kil. Schwefelsaͤure destillirt; man destillirt 48 Kil. 500 Gr. Aether von 24° Cartier, welchem man ungefaͤhr 1 Kil. geloͤschten Kalk zusezt; nach einiger Zeit gießt man ab und destillirt die erhaltenen 47 Kilogr. Fluͤssigkeit, indem man die ersten Portionen, welche gelb und truͤb sind und nur 23° Cartier wiegen, beseitigt; die Dichtigkeit nimmt bis zu 27° zu und man sezt die Destillation so lange fort, bis die Fluͤssigkeit braun und sauer uͤbergeht. Man erhaͤlt 4 Kil. Aether von 26° Cartier oder 0,900 spec. Gewicht, welcher nur eine geringe Menge Wasser und Alkohol enthaͤlt: wollte man ihn sehr rein haben, so muͤßte man ihn mit 1 oder 2 Kilogr. concentrirter Essigsaͤure destilliren, waschen, uͤber etwas Kalk und Kali digeriren lassen, und uͤber Chlorcalcium rectificiren. Von dem auf die angegebene Weise bereiteten Essigaͤther kommt das Kilogr. auf 6 Fr. zu stehen.