Titel: | Ueber den gallertartigen Bestandtheil der Früchte, nebst einigen Versuchen über den Johannisbeersaft; von Hrn. Henry Braconnot. |
Fundstelle: | Band 43, Jahrgang 1832, Nr. XIV., S. 60 |
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XIV.
Ueber den gallertartigen Bestandtheil der
Fruͤchte, nebst einigen Versuchen uͤber den Johannisbeersaft; von Hrn.
Henry
Braconnot.
Aus den Annales de Chimie et de Physique. Julius 1831,
S. 266.
Braconnot, uͤber den gallertartigen Bestandtheil der
Fruͤchte.
Was wir von der Substanz, die man seit langer Zeit mit dem Namen Gallerte (gelée)
bezeichnet hat, wissen, besteht in so wenigen Thatsachen, daß man wohl sagen kann,
ihre wahre Natur ist noch unbekannt. Als ein allgemein in den Pflanzen verbreiteter
Stoff, verdient sie aber in hohem Grade die Aufmerksamkeit der Physiologen, denn es
scheint, daß die Natur sich derselben zum Aufziehen der Pflanzen bedient, und daß
sie, nachdem sie waͤhrend der ganzen Dauer des Wachsthums derselben
verschiedene Veraͤnderungen erlitten hat, mit weiser Sparsamkeit in den Organen aufbewahrt
wird, um zur Ernaͤhrung neuer Individuen derselben Art zu dienen.
Als ich die Eigenschaften der GallertsaͤurePolytechnisches Journal Bd. XXI. S.
542. A. d. R. bekannt machte, schien es mir, daß sie mit dem gallertartigen Stoff in den
Fruͤchten einige Analogie hat. Hr. Vauquelin fand
keinen Unterschied zwischen diesen beiden Substanzen in seiner Abhandlung
uͤber die Gallertsaͤure und die gelbe Ruͤbe, worin man jedoch
mehrere irrige Behauptungen findet, so daß dieser geschikte Chemiker offenbar nicht
alle darin erwaͤhnten Thatsachen selbst beobachtet haben kann. So viel ist
wenigstens gewiß, daß die Gallertsaͤure in Wasser beinahe vollkommen
unaufloͤslich ist, waͤhrend die schleimige Gallerte der
Fruͤchte, welche nicht saurer Natur ist, sich reichlich in ihren
Saͤften aufgeloͤst findet. Diese beiden Koͤrper koͤnnen
folglich nicht identisch seyn.
Ehe ich die Eigenschaften des gallertartigen Bestandtheils der Fruͤchte
auseinanderseze, muß ich als Vorbereitung darauf einige Versuche uͤber den
Johannisbeersaft hier folgen lassen.
Versuche uͤber den Johannisbeersaft.
Der Saft der rothen Johannisbeere (Ribes rubrum) wurde
schon von mehreren Chemikern, besonders von Proust, John,
Henry, Guibourt, Payen, Berard untersucht; sie stimmten aber uͤber
die Eigenschaften der gallertartigen Substanz, welche er enthaͤlt, nicht mit
einander uͤberein. Ich preßte ganze rothe Johannisbeeren in einem doppelten
Sak von Leinewand mit der gehoͤrigen Vorsicht aus, wodurch ich eine klare
Fluͤssigkeit bekam, die sich gegen die Reagentien folgender Maßen
verhielt:
Die Mineralsaͤuren truͤbten den Saft selbst nach laͤngerer Zeit
ganz und gar nicht: er enthaͤlt folglich weder Kaͤsestoff noch Kleber
oder Eiweißstoff, von denen man bisher annahm, daß sie in allen Fruͤchten
vorkommen. Gallaͤpfelinfusion truͤbte ihn ebenfalls nicht im
Geringsten, weil die eigenthuͤmliche stikstoffhaltige Substanz, welche er
enthaͤlt, mit dem Gerbestoff eine in verduͤnnten Saͤuren sehr
aufloͤsliche Verbindung bildet; neutralisirt man aber zuvor den Saft mit
Ammoniak, so bringt der Gerbestoff darin einen sehr reichlichen Niederschlag hervor,
welcher die gallertartige Substanz zum Theil mit sich zu reißen scheint, denn in der
uͤberstehenden Fluͤssigkeit bringt Alkohol nur mehr einen schwachen
gallertartigen Niederschlag hervor.
Saͤttigt man den Johannisbeersaft mit Ammoniak und uͤberlaͤßt
ihn vier und zwanzig Stunden lang sich selbst, so veraͤndert er sich nicht. Gießt man in diese
Fluͤssigkeit Chlorcalcium oder eine Mineralsaͤure, so bewirken sie
darin keine merkliche Veraͤnderung und es scheidet sich keine Gallerte ab,
was zur Genuͤge beweist, daß der Johannisbeersaft keine Gallertsaͤure
enthaͤlt. Dagegen verhaͤlt sich der frische Saft auf eine ganz andere
Art gegen die fixen Alkalien und die alkalischen Erden. Saͤttigt man ihn
naͤmlich mit Kali und versezt ihn dann mit einer Saͤure, so scheidet
leztere sogleich eine durchsichtige, voluminoͤse und unaufloͤsliche
Masse von Gallertsaͤure ab.
Wird der Saft der rothen Johannisbeeren theilweise mit aͤzendem oder
kohlensaurem Kali gesaͤttigt und sich selbst uͤberlassen, so erstarrt
er bald gaͤnzlich zu einer Gallerte, von welcher, wenn man sie auf ein
Leinentuch bringt, eine fast farblose Fluͤssigkeit abtropft, die durch
Alkohol ganz und gar nicht zum Gerinnen gebracht wird. Diese gallertartige Masse ist
gallertsaures Kali; loͤst man es wieder in heißem Wasser auf, so gibt es mit
den Saͤuren ein außerordentlich reichliches Coagulum von
Gallertsaͤure: hieraus scheint hervorzugehen, daß leztere durch die
Einwirkung des aͤzenden oder kohlensauren Kalis auf den gallertartigen
Bestandtheil der Fruͤchte erzeugt wird.
Saͤttigt man Johannisbeersaft ganz oder theilweise mit ein wenig Kalkhydrat,
so erstarrt die Fluͤssigkeit bald ganz zu einer durchsichtigen und zitternden
Gallerte, welche sich nach dem Gefaͤß formt. Dieses Gelée scheint
gallertsaurer Kalk zu seyn und ist in siedendem Wasser und Ammoniak
unaufloͤslich, loͤst sich aber beim Erwaͤrmen in kohlensaurem
Natron mit Hinterlassung von kohlensaurem Kalk auf.
Wenn man Johannisbeersaft bei gelinder Waͤrme mit kohlensaurem Kalk oder
kohlensaurer Bittererde saͤttigt, so erstarrt er ebenfalls beim Erkalten zu
einer Gallerte.
Das Barytwasser bildet in diesem Safte augenbliklich ein weißes halbdurchsichtiges
gallertartiges Magma, in sehr reichlicher Menge. Versezt man ihn mit salpetersaurem
Baryt, so gerinnt er bald zu einer durchsichtigen Gallerte.
Uebersaͤttigt man den Johannisbeersaft durch Erhizen mit schwefelsaurem oder
salzsaurem Natron, so bleibt er in fluͤssigem Zustande und liefert beim
Erkalten Krystalle dieser Salze, ohne daß die geringste Spur einer Gallerte
entsteht, welche bekanntlich durch Zuker leicht erhalten wird.
Chlorcalcium, schwefelsaurer Kalk, kieselsaures Kali, bringen keine merkliche
Veraͤnderung in dem Johannisbeersaft hervor. Schwefelsaures Eisenperoxyd
truͤbt ihn ebenfalls nicht, selbst wenn man das Gemisch mit Kali versezt.
Aezender Queksilbersublimat bildet darin einen schwachen Niederschlag, welcher durch
die stikstoffhaltige Substanz hervorgebracht zu werden scheint.
Salpetersaures Silber so wie essigsaurer Kalk bringen den Johannisbeersaft nach
einiger Zeit zum Gerinnen.
Essigsaures Blei verursacht darin ein reichliches, in Ammoniak und
Salpetersaͤure aufloͤsliches Magma.
Kleesaures Ammoniak bildet darin einen schwachen Niederschlag von kleesaurem
Kalk.
Untersucht man den Saft anderer Fruͤchte, z.B. der Pflaumen, Aepfel und
Aprikosen auf dieselbe Art, so erhaͤlt man fast die naͤmlichen
Resultate.
Ueber die stikstoffhaltige Substanz im
Johannisbeersaft.
Fabroni vermuthete, daß in allen Pflanzensaͤften,
welche in die geistige Gaͤhrung uͤbergehen koͤnnen, die
vegetabilisch-animalische Substanz enthalten ist, welche Beccari in dem Weizenmehl gefunden hatte; er stellte aber
keinen entscheidenden Versuch an, um seine Meinung zu rechtfertigen, die mir
ungegruͤndet zu seyn scheint, wenigstens was die Fruͤchte
betrifft.
Wenn man den gallertartigen Stoff aus dem Johannisbeersaft mit Alkohol
niederschlaͤgt und dann die geistige Fluͤssigkeit abdampft, so
erhaͤlt man einen syrupartigen Ruͤkstand, welcher die stikstoffhaltige
Substanz, den Zukerstoff und die freien Saͤuren enthaͤlt.
Behandelt man diesen Ruͤkstand zu wiederholten Malen mit rectificirtem
Alkohol, so hinterlaͤßt er die stikstoffhaltige Substanz in einem unreinen
Zustande, wo sie Feuchtigkeit anzieht, beim Verbrennen viel kohlensaures Kali
hinterlaͤßt und in Wasser aufgeloͤst mit Gallaͤpfelinfusion
einen Niederschlag hervorbringt, der durch ein wenig destillirten Essig
verschwindet.
Verduͤnnt man die syrupartige Fluͤssigkeit hinreichend mit Wasser und
saͤttigt sie mit Kreide, so schlaͤgt sich die stikstoffhaltige
Substanz großen Theils nebst den erdigen Salzen nieder und die uͤberstehende
Fluͤssigkeit, welche den Zukerstoff enthaͤlt, gibt mit Gerbestoff nur
mehr einen geringen Niederschlag.
Das Ammoniak scheidet diese thierische Substanz ebenfalls aus der syrupartigen
Fluͤssigkeit ab, indem es darin einen in den Saͤuren
aufloͤslichen Niederschlag hervorbringt. Wird dieser Niederschlag gut
ausgesuͤßt, so liefert er bei der Destillation kohlensaures Ammoniak und
hinterlaͤßt eine schwer einzuaͤschernde Kohle, deren Asche fast ganz aus phosphorsaurem
Kalk besteht. Diese thierische Substanz wird aber durch Ammoniak nicht
gaͤnzlich gefaͤllt, denn wenn man die vom Niederschlag abfiltrirte
vollkommen neutrale Fluͤssigkeit mit Gallaͤpfelinfusion versezt, so
entsteht ein zweiter Niederschlag, der sich in verduͤnnter Essigsaͤure
wieder aufloͤst. Thierischer Faserstoff, welchen man in dieser
Fluͤssigkeit einweichte, bemaͤchtigte sich des Gerbestoffs und durch
Verdampfen zur Trokniß erhielt man dann die stikstoffhaltige Substanz; sie schien
aber noch nicht ganz rein zu seyn, und enthielt hauptsaͤchlich noch
Essigsaͤure.
Ich will mich hier nicht weiter mit dieser Substanz befassen, welche neuerdings
untersucht werden muß, kann aber eine merkwuͤrdige Thatsache, die mir die
syrupartige auf angegebene Weise mittelst Alkohol von der gallertartigen Substanz
wohl gereinigte Fluͤssigkeit darbot, nicht mit Stillschweigen
uͤbergehen. Gehoͤrig mit Wasser verduͤnnt, gab sie eine klare
Fluͤssigkeit, welche mehrere Tage bei einer Temperatur von 20° sich
selbst uͤberlassen, nicht in Gaͤhrung uͤberging; dessen
ungeachtet schien sie die zur Einleitung derselben noͤthigen Elemente
– naͤmlich die thierische Substanz (den Kleber) und den Zukerstoff zu
enthalten. Ich loͤste darin Zuker auf und das Gemisch blieb, wie zuvor,
vollkommen indifferent. Nun theilte ich diese mit Zuker versezte Fluͤssigkeit
in zwei gleiche Theile und sezte dem einen davon von der gallertartigen nicht
stikstoffhaltigen Substanz zu; hierauf stellte sich die Gaͤhrung rasch ein
und ich erhielt eine berauschende Fluͤssigkeit, waͤhrend die andere
Haͤlfte von der der gallertartigen Substanz beraubten Fluͤssigkeit,
unwirksam blieb. Dieser Versuch beweist, daß die stikstoffhaltige Substanz in den
Johannisbeeren, wenn man ihr das gallertartige Princip entzieht, das
Vermoͤgen den Zuker in Gaͤhrung zu versezen, verliert, und daß beide
Substanzen zusammen vorhanden seyn muͤssen, um sie zu veranlassen; dieß ist
um so bemerkenswerther, weil der gallertartige Stoff mit dem Zuker kein weiniges
Aufbrausen (d.h. keine geistige Gaͤhrung) hervorbringt.
Ueber die Gaͤhrung des Johannisbeersaftes.
Um die Bestandtheile des frischen Johannisbeersaftes mit denjenigen, welche sich nach
der Gaͤhrung absondern, vergleichen zu koͤnnen, verschaffte ich mir
Saft von rothen Johannisbeeren, welcher wie er aus der Presse kam, wasserklar war
und auch so blieb, bis sich die Gaͤhrung einstellte.Nach Hrn. Thenard ist der Johannisbeersaft durch
Ferment getruͤbt, welches sich darin suspendirt befindet; diese
Truͤbung ruͤhrt aber vielmehr von fleischigen Theilen der
Frucht her. Ich hatte indessen Gelegenheit zu bemerken, daß der Saft von
weißen Johannisbeeren bei sehr vorgeruͤkter Reife eine durchsichtige
Gallerte absezt, die gerade so wie Gallertsaͤure aussieht, aber doch
keineswegs aus solcher besteht, denn wenn man sie in sehr verduͤnntem
Ammoniak aufloͤst, so wird sie durch Saͤuren nicht
gefaͤllt. A. d. O. Alsdann sezte sich nach und nach ein sehr zertheilter Niederschlag ab,
welcher nach beendigter Gaͤhrung sogleich abfiltrirt wurde. Als man die klare
weinige Fluͤssigkeit zwei Tage lang stehen ließ, erhielt man wieder einen
Saz, welcher noch betraͤchtlicher war und ein anderes Ansehen hatte; beide
wurden gut ausgesuͤßt und jeder besonders untersucht.
Der erste dieser Niederschlaͤge lieferte bei der troknen Destillation eine
große Menge kohlensaures und außerdem schwefelwasserstoffsaures Ammoniak. In
feuchtem Zustande ist er in Wasser und in Saͤuren unaufloͤslich und in
den aͤzenden Alkalien kaum aufloͤslich. Im Uebrigen besaß er alle
Eigenschaften, welche Hr. Thenard dem Ferment zuschreibt.
Vergleicht man diese thierische Substanz mit derjenigen der Weinhefe,Die Analyse der Weinhefe von Hrn. Braconnot findet
man im polyt. Journal Bd. XLI. S.
430. A. d. R. so ergeben sich sehr betraͤchtliche Verschiedenheiten, denn leztere
loͤst sich selbst in den verduͤnntesten Alkalien leicht auf, was nicht
bei ersterer der Fall ist. Ich vermuthete dieser Unterschied koͤnnte in der
groͤßeren Menge von phosphorsaurem Kalk, welche das Ferment der
Johannisbeeren enthaͤlt, seinen Grund haben, denn nach seiner Verbrennung
hinterließ es den sechsten Theil seines Gewichtes von diesem erdigen Salze; als ich
es aber mit Salzsaͤure behandelt hatte, um das Kalksalz abzuscheiden,
loͤste sich der Ruͤkstand nicht besser in den Alkalien auf. Uebrigens
hat schon Hr. Gay-Lussac bemerkt, daß das Ferment
keineswegs eine identische Substanz ist.
Der zweite Niederschlag, welcher sich in dem Johannisbeersafte gebildet hatte, war
nicht so fein zertheilt wie der erste. Er hatte ein gallertartiges Ansehen und
roͤthete das Lakmuspapier nach haͤufigem Auswaschen. Als man ihn mit
Wasser kochte, loͤste sich keine merkliche Quantitaͤt davon in
demselben auf und die Fluͤssigkeit gerann beim Erkalten nicht zu einer
Gallerte. In Wasser, welches mit Ammoniak versezt war, loͤste er sich großen
Theils auf und als man der Fluͤssigkeit Kalkwasser zusezte, schied sich eine
betraͤchtliche Menge gallertsaurer Kalk als Gelée ab. Bei der troknen
Destillation lieferte er ein weniger ammoniakalisches Product, als der erste
Niederschlag und der kohlige Ruͤkstand hinterließ nach dem Verbrennen eine
weiße, fast ganz aus phosphorsaurem Kalk bestehende Asche. Dieser zweite
Niederschlag schien also großen Theils aus Gallertsaͤure in Verbindung mit
einer stikstoffhaltigen Substanz, aͤhnlich derjenigen, welche sich zuerst
waͤhrend der Gaͤhrung des Johannisbeersaftes abschied, zu bestehen. Der Saft aber, aus
welchem sich die beiden unaufloͤslichen Niederschlaͤge, wovon wir so
eben sprachen, abgeschieden hatten, enthielt noch eine stikstoffhaltige Substanz,
welche mir mit derjenigen, die im frischen Safte vorkommt, identisch zu seyn schien,
denn wie leztere wurde sie nach der Saͤttigung mit Ammoniak, durch
Gallaͤpfelinfusion gefaͤllt.
Ich glaubte in dem gegohrenen Johannisbeersaft mehr stikstoffhaltige Substanz als in
dem frischen zu bemerken; um diese Meinung zu rechtfertigen oder zu widerlegen, sind
jedoch neue Untersuchungen noͤthig. Sie erinnert mich an die Hypothese des
Hrn. Astier, nach welcher das Ferment als eine lebendige
Substanz betrachtet wird, die aus kleinen Thierchen besteht, von denen er annimmt,
daß sich die Natur ihrer bedient, um die Zersezung des Zukers zu bewerkstelligen. So
viel scheint gewiß, daß der gegohrene Johannisbeersaft keine Wirkung mehr auf den
Zuker aͤußert; sezt man ihn jedoch der Luft aus, so veraͤndert er sich
allmaͤhlich und uͤberzieht sich mit einem weißen Haͤutchen,
welches sich in dem Maße erneuert, als man es wegnimmt; lezteres scheint ein
organisirtes Product zu seyn; man findet es oft auf der Oberflaͤche des auf
die Neige gehenden Weines und hat es Weinblume genannt. Wenn man es sammelt und mit
Wasser und Zuker anruͤhrt, so bringt es ihn eben so gut in Gaͤhrung
wie das beste Ferment. Uebrigens bin ich uͤberzeugt, daß dieses leztere, wie
der Alkohol und die Kohlensaͤure ein Product der Gaͤhrung ist, die
auch den gallertartigen Bestandtheil ganz zu zerstoͤren scheint, indem sie
ihn zum Theil in Gallertsaͤure umaͤndert.
Untersuchung der Eigenschaften des gallertartigen Stoffes in
den Fruͤchten.
Man weiß seit langer Zeit, daß ein gallertartiger Stoff in den Fruͤchten
enthalten ist, aber hinsichtlich seiner Eigenschaften stimmen die Chemiker nicht mit
einander uͤberein. Vauquelin, welcher ihn in der
Cassia und Tamarinde fand, glaubte in der lezteren Zeit, daß er von der
Gallertsaͤure nicht verschieden sey. John hingegen
vermuthete, daß er mit dem Bassorin identisch ist. Hr. Guibourt nannte ein Product, welches et aus dem gegohrenen
Johannisbeersaft erhielt, Grossulin;Journal de Chimie médicale No. 1. A. d.
O. da es aber offenbar in Folge seiner Zersezung entsteht, so darf man sich
nicht wundern, daß es mit der Substanz, deren Eigenschaften ich auseinandersezen
will, so wenig Aehnlichkeit hat.
Der gallertartige Stoff kann aus allen Fruͤchten durch Alkohol abgeschieden
werden, welcher ihn als Gallerte niederschlaͤgt. So wie man ihn aus frisch
ausgepreßtem Johannisbeersaft nach diesem Verfahren erhaͤlt, betraͤgt
er nicht viel, wenn man den Alkohol sparen wollte; laͤßt man aber das Gemisch
einen oder zwei Tage lang stehen, so gerinnt diese schleimige Substanz
gaͤnzlich zu einer zitternden Gallerte, welche man nur allmaͤhlich
auszupressen und mit verduͤnntem Alkohol gut auszusuͤßen braucht, um
das gallertartige Princip hinreichend rein zu erhalten.
Wenn man es troknet, so erhaͤlt man haͤufige halbdurchsichtige
Stuͤke, welche dem Fischleim gleichen. Taucht man dieselben in
ungefaͤhr ihr hundertfaches Gewicht kaltes Wasser, so blaͤhen sie sich
außerordentlich auf, ungefaͤhr so wie Bassorin und loͤsen sich endlich
vollstaͤndig auf, indem sie eine homogene Masse von Gelée geben, die
wie Staͤrkekleister aussieht; sie wird aber durch Jod nicht blau und ist so
fest, daß sie nicht aus dem Gefaͤße fallen kann, wenn man es umkehrt. Sezt
man noch mehr kaltes Wasser zu, so behaͤlt die Fluͤssigkeit eine dike
schleimige Consistenz bei und opalisirt auch ein wenig, wahrscheinlich weil sie eine
geringe Menge fetter Substanz enthaͤlt.
Siedendheißes Wasser scheint auf die getroknete Substanz weniger zu wirken als
kaltes. Sie loͤst sich auch bis zu einem gewissen Punkt in sehr
verduͤnntem siedendheißem Weingeist auf, obgleich sie durch diese
Fluͤssigkeit in der Kaͤlte als Gallerte gefaͤllt wird.
Das schleimige oder gallertartige Princip der Fruͤchte hat, wenn es mittelst
Alkohol gut gereinigt wurde, keinen Geschmak und roͤthet das Lakmus nicht. Es
besizt nicht die Eigenschaft zu leimen wie arabisches Gummi.
Seine Aufloͤsung in Wasser wird durch Saͤuren und Ammoniak nicht
veraͤndert; eine der auffallendsten Eigenschaften dieses Koͤrpers ist
aber, daß er sich in Beruͤhrung mit der geringsten Menge eines fixen Alkalis
oder einer alkalisch-erdigen Basis vollstaͤndig und augenbliklich in
Gallertsaͤure verwandelt.
Sezt man der waͤsserigen Aufloͤsung dieser Substanz irgend eine
Saͤure zu, so aͤußert sie durchaus keine Wirkung. Ein schwacher
Ueberschuß von Kali oder Natron wird ebenfalls keine in die Augen fallende
Veraͤnderung hervorbringen, obgleich in der That eine sehr
merkwuͤrdige Statt gefunden hat, denn wenn man nun eine Saͤure in
dieses leztere Gemisch gießt, so gerinnt es gaͤnzlich zu einer durchsichtigen
Masse von Gallertsaͤure.
Versezt man hingegen die Aufloͤsung des gallertartigen Princips an Statt mit
einem geringen, mit einem groͤßeren Ueberschuß von Kali oder Natron, so
schlaͤgt sich die schleimige Substanz sogleich vollstaͤndig im
Zustande eines basischen gallertsauren Alkalis nieder.
Kohlensaures Kali verwandelt diese Substanz ebenfalls in Gallertsaͤure;
hingegen haben kohlensaures Natron und concentrirtes Ammoniak diese Eigenschaft
nicht.
Ein Ueberschuß von Kalkwasser faͤllt den schleimigen Stoff gaͤnzlich in
unaufloͤslichen gallertartigen Floken, welche, wenn man sie mit
saͤuerlichem Wasser aussuͤßt und sodann mit siedendem Wasser
behandelt, sich in lezterem zum Theil aufloͤsen; sezt man ein wenig Ammoniak
zu, so loͤsen sie sich vollstaͤndig auf. Gießt man hierauf in dieses
Gemisch eine Saͤure, so entsteht ein gallertartiger Niederschlag; das
Kalkwasser scheint also ebenfalls, wenigstens zum Theil, das gallertartige Princip
in Gallertsaͤure umaͤndern zu koͤnnen.
Wird der Aufloͤsung des gallertartigen Princips der Fruͤchte ein wenig
Ammoniak und hierauf Chlorcalcium zugesezt, so bildet sich ein schleimiger
Niederschlag, welcher auf Zusaz einer verduͤnnten Saͤure
verschwindet.
Das Barytwasser faͤllt die Aufloͤsung der schleimigen Substanz
vollstaͤndig als ein reichliches Gelée von gallertsaurem Baryt.
Salpetersaurer Baryt wirkt ebenso mit dem Unterschiede, daß die entstandene Gallerte
in verduͤnnter Salpetersaͤure sich vollkommen aufloͤst.
Kocht man die Aufloͤsung dieser Substanz mit aͤzender Bittererde, so
gerinnt sie nicht; dampft man aber zur Trokniß ab und behandelt den Ruͤkstand
mit Salzsaͤure, so bleibt Gallertsaͤure zuruͤk.
Das gallertartige Princip der Fruͤchte wird durch Chlorcalcium, essigsauren
Kalk, schwefelsauren Kalk, sauren kohlensauren Kalk und Alaun nicht gefaͤllt;
ebensowenig durch die Chloruͤre und Chloride von Queksilber, Platin und Zinn,
salpetersaures Silber, kieselsaures Kali, schwefelsaures Eisenoxydul, schwefelsaures
Zink, essigsaures Mangan, Brechweinstein und chromsaures Kali; es wird hingegen in
gallertartigen, in verduͤnnter Salpetersaͤure aufloͤslichen
Massen gefaͤllt, durch die aufloͤslichen Salze von Baryt und
Strontian, essigsaures Blei, salpetersaures Kupfer, die salpetersauren Salze des
Queksilbers, schwefelsaures Nikel und salzsaures Kobalt. Das schwefelsaure
Eisenperoxyd und die schwefelsaure Beryllerde bringen darin ebenfalls einen
gallertartigen Niederschlag hervor, der sich in einem geringen Ueberschuß des
Faͤllungsmittels aufloͤst; durch Gallaͤpfelinfusion wird sie
aber nicht veraͤndert.
Dieses gallertartige Princip, so wie die stikstoffhaltige Substanz in den
Johannisbeeren, koͤnnen in isolirtem Zustande den Zuker nicht zur
Gaͤhrung disponiren; sie veranlassen dieselbe aber sobald sie vereinigt sind.
Laͤßt man Zuker in der Aufloͤsung des gallertartigen Princips zergehen, so
erhaͤlt man eine unvollkommene Gallerte, welche endlich fadenziehend
wird.
Bei der troknen Destillation liefert das gallertartige Princip, ohne in Fluß zu
kommen, empyreumatisches Oehl und ein saures Product, welches das Lakmus stark
roͤthet und kein Ammoniak enthaͤlt. Es bleibt sehr viel Kohle
zuruͤk, die nach ihrer Verbrennung eine gelbliche, aus kohlensaurem Kalk,
schwefelsaurem Kalk, Eisenoxyd und phosphorsaurem Kalk bestehende Asche
hinterlaͤßt.
Bei der Behandlung mit Salpetersaͤure liefert es wie die Gallertsaͤure
und die meisten Gummiarten, Schleimsaͤure und Kleesaͤure und kaum
Spuren von kuͤnstlichem Bitter (Kohlenstikstoffsaͤure).
Wenn man Salzsaͤure mit der Aufloͤsung dieser Substanz erhizt, so
erhaͤlt das Gemisch eine schoͤne rothe Farbe und es bildet sich eine
eben so gefaͤrbte flokige Substanz, welche in Ammoniak unaufloͤslich
ist.
Aus den angegebenen Eigenschaften ersieht man, daß der gallertartige Schleim der
Fruͤchte mit keinem anderen Koͤrper verwechselt werden kann; man muß
ihm folglich einen besonderen Namen ertheilen; Pflanzenleim kann man ihn nicht
nennen, weil Hr. Berzelius damit eine von ihm sehr
verschiedene stikstoffhaltige Substanz (den Kleber) bezeichnet. Ich schlage vor ihn
Pectin zu nennen, weil er sich in seinen
verschiedenen Verbindungen als ein gallertartiges Coagulum darstellt und
uͤberdieß sehr leicht in Gallertsaͤure verwandelt werden kann; ich
fand ihn in den Pflaumen, Aepfeln, Aprikosen und anderen Fruͤchten; wenn er
ausgetroknet ist, so muß man ihn manchmal mehrere Tage im Wasser liegen lassen,
damit er sich in demselben aufloͤst; dieß ist ein Zeichen, daß er nicht rein
ist.
Der Schleim der Hanfsamen und der Gummi Dragant besizen nicht die Eigenschaften,
welche das Pectin charakterisiren. Da sich aber das Pectin in Beruͤhrung mit
Kali oder Kalk so leicht in Gallertsaͤure verwandelt, so ist diese leztere
wahrscheinlich oft ein Product der Operation; es ist jedoch keinem Zweifel
unterworfen, daß sie auch ganz gebildet in mehreren Theilen der Pflanzen vorkommt,
denn schon Vauquelin fand, daß in sehr vielen
Faͤllen die Pflanzensaͤuren der Gegenwart von Alkalien ihre Entstehung
verdanken. Ueberdieß habe ich schon in mehreren Rinden gallertsauren Kalk gefunden
und als ich einige Versuche mit der Ballota nigra oder
foetida anstellte, erhielt ich daraus eine große
Menge gallertsaures Kali.Die Ballota foetida (schwarzer Andorn)
waͤchst haͤufig an den Wegen; sie ist außerordentlich bitter,
kommt aber nicht in unserer Materia medica
vor,
obgleich sich die Bewohner von Gothland derselben als eines Universalmittels
in allen Krankheiten bedienen sollen. Ich fand in dieser Pflanze:Eine sehr bittere, Substanz, welche durch die Hize zerstoͤrt wird;Gallertsaures Kali in großer Menge;Aepfelsaures Kali;Chlorkalium;Schwefelsaures Kali;Eine harzige Substanz;Phosphorsaure Bittererde und phosphorsauren Kalk.Dieses Resultat darf man nicht als eine genaue Analyse betrachten, denn ich
hatte bei meiner Untersuchung nur die Absicht ein dem Salicin
aͤhnliches Fiebermittel aufzusuchen. In Bezug auf lezteres will ich,
da sich gerade eine Gelegenheit darbietet, bemerken, daß mir die Anwendung
desselben im Zustande von Krystallen nicht so zwekmaͤßig scheint, wie
die eines bloßen Decoctes der Rinden, welche es enthalten, weil man in
lezterem Falle sicher ist, es stets unverfaͤlscht zu haben und
uͤberdieß diese Rinden eine geringe Menge eines tonischen
adstringirenden und siebervertreibenden Mittels enthalten, welches die
Wirkung des Salicins beguͤnstigt.
Ich habe allen Grund zu glauben, daß sich das Pectin nicht merklich von dem
gallertartigen Schleim zwischen der Rinde und dem Holze oder von Duhamel's
Cambium unterscheidet.