Titel: | Entwurf zum Baue zwekmäßiger Abtritte; von M. A. F. v. Dürsch, Ingenieur-Architect in München. |
Autor: | M. A. F. v. Duͤrsch |
Fundstelle: | Band 43, Jahrgang 1832, Nr. LXXVII., S. 304 |
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LXXVII.
Entwurf zum Baue zwekmaͤßiger Abtritte;
von M. A. F. v.
Duͤrsch, Ingenieur-Architect in
Muͤnchen.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Duͤrsch, Entwurf zum Baue zwekmaͤßiger
Abtritte.
Gewoͤhnlich erhalten die Wohnungen nur einen
gemeinschaftlichen Abtrittsschlauch aus hoͤlzernen Dekplanken construirt, in
welchem mit schief gelegten Schlauchen die Etagen communiciren. – Abgesehen
davon, daß jede Reparatur des Hauptschlauchs auch den Gebrauch der
Zuleitungsroͤhren untersagt, verdirbt der Hauptschlauch bald, ist den
Verstopfungen aus verschiedenen schon bekannten Gruͤnden unterworfen, und
fuͤhrt zulezt mit seinen Communications-Roͤhren einen nach der
aͤußeren Temperatur modificirten, hoͤchst laͤstigen Geruch bei
jedesmaligem Oeffnen der Zuleitungsroͤhren in die Wohnungen.
Diese Fehler und Maͤngel werden aber um so fuͤhlbarer und
schaͤdlicher, wenn in der Construction der Schlaͤuche so Manches
versehen worden, oder die Holztheile bei mehrjaͤhrigem Gebrauche in
Faͤulniß uͤbergehen, oder endlich durch unvorsichtiges Anlehnen dieser
Roͤhren an Haupt- und Nebenmauern das Ammoniak und der Salpeter die
Mauern zu zerstoͤren drohen.
Ein fernerer Grund des heftigen Geruches der Abtritte liegt in der Bauart der
Duͤnger- und Cloakegruben. Es wird naͤmlich gewoͤhnlich
nur eine Senkgrube nach bekannter Construction, groß genug um allen Unrath und
Abfallwasser aufzunehmen, angelegt und gehoͤrig bedekt, und damit glaubt man
der Aufgabe schon genuͤgt zu haben. Allein gerade die Mengung der
fluͤssigen und festen Abfaͤlle befoͤrdert die Waͤhrung der Gesammtmasse und
macht sich durch den heftigsten und laͤstigsten Geruch entwikelter Gase nach
chemischen Gruͤnden erkennbar.
Die beweglichen geruchlosen Abtritte mit Faͤssern oder Kaͤsten, worin
eine Absonderung des fluͤssigen und festen Duͤngers erfolgt, und deren
Construction so bekannt ist, daß ich sie nicht anzufuͤhren brauche, konnten
nur bei sehr geregelter Haushalts-Ordnung in einzelnen Faͤllen
nuͤzliche Anwendung finden, und das Urtheil des Publicums uͤber die
Brauchbarkeit dieser Abtritte mußte nothwendig schon an sich verschieden ausfallen,
wenn auch nicht ganz mißverstandene, nachahmende Anwendung noch mehr schwankende
Aeußerungen herbeigefuͤhrt haͤtte.
Wird bei Festhaltung des Grundprincips dieser Art von Abtritte das Wesentliche von
dem bloß Zufaͤlligen und Localen geschieden, so laͤßt sich der Zwek
auf viel einfachere Weise erreichen, und demnach dieser Idee vollkommenste Anwendung
beinahe ohne Ausnahme zum Wohlseyn der Menschen sichern.
Es bedarf naͤmlich nur, um in besprochener Hinsicht den Eigenschaften gut
erbauter Abtritte zu genuͤgen, eine moͤglichst wasserdichte Senkgrube
hergestellt zu werden. Dieselbe wird nach der Zeichnung in zwei ungleiche Theile
abgetheilt, deren Sohle fuͤnf oder vier Fuß Differenz zeigen, und auf solche
Weise durch den Abschluß des hoͤher gelegenen und groͤßeren Theils
mittelst eines hoͤlzernen Zuggitters der erste von dem fluͤssigen
Duͤnger moͤglichst geschieden. Eine bewegliche Pumpe entleert den
vorderen Behaͤlter nach Bedarf: das oͤfter eintritt, als die
Ausleerung des festen Duͤngers noͤthig wird.
Es ist schon von Nachtheilen der Abtrittsroͤhren im Allgemeinen gesprochen
worden, und durch ihre Entfernung im Verbande anderwaͤrtiger Construction
duͤrfte allein gruͤndliche Besserung hervorgehen.
Die Zeichnung eines allgemeinen an vier Seiten verschalten Abtrittskastens mit sehr
kurzem, senkrechten und bequemen Schlauche fuͤr jedes
Stokwerk etc. versinnlichet die Construction, zeigt zugleich die
Manipulation der sperrbaren Size waͤhrend des Gebrauches, und duͤrfte
sich durch Einfachheit Soliditaͤt und Zwekmaͤßigkeit empfehlen.
Naͤhere Bezeichnung der Bautheile einer aͤußeren
Duͤngergrube nach anliegendem Entwurfe.
Fig. 1.
a, oberer Theil der gemauerten Duͤngergrube.
b, unterer Theil der Duͤngergrube.
c, steinerne oder hoͤlzerne Schwelle als
standrechte Unterlage des Zuggitters, welches die feste Duͤngermasse von den Urinat- und
Wassertheilen scheidet.
d, das hoͤlzerne Zuggitter.
e, hoͤlzerne Verschalung mit einem besonderen
Falldekel, zum Oeffnen eingerichtet.
f, die Pumpe mit hoͤlzernem geliederten
Klappenventil. Sie kann auch beweglich gemacht werden.
g, Gewoͤlbbogen, welcher die innere schiefe
Bodenflaͤche des Abtrittskastens mit der aͤußeren Duͤngergrube
verbindet.
h, gestampfter und durch eine Lehm- oder Thonlage
wohlgedichteter Erdbau, so unter der Bodenflaͤche fortstreicht, und die
Seitenmauern 12''–18'' umgibt.
i, Scheide- und Fallmauer.
m, gemauerte Rolllage mit einer Laufschichte aus
Baksteinen oder mit Steinplatten uͤberstrekt, in feinsten Fugen und
hydraulischen Moͤrtel gelegt.
Naͤhere Bezeichnung der Bautheile einer
Duͤngergrube mit dem Abtrittskasten nach anliegendem
Entwurfe.
Fig. 2.
I. II. III. Stokwerke des Gebaͤudes.
IV. zu ebener Erde.
V. Kellergewoͤlbe.
a, aͤußere Duͤngergrube.
b, eine der Umfangsmauern des Abtrittskastens.
c, die kleinen Traggurten der Abscheidungsmauern.
d, die obere Dampfabzugsroͤhre aus Zinnblech.
e, die innere doppelte Scheidemauer gegen die freien
Seiten des Kellergeschoßes, mit wechselnden Strekern in den Lagen verbunden.
f, Gestampfte Thonmasse zur Dichtung der Unterlage der
schiefen Mauerflaͤche und in den Scheidemauern in e.
g, Gewoͤlbbogen, welcher die innere schiefe
Bodenflaͤche des Abtrittskastens mit der aͤußeren Duͤngergrube
verbindet.
h, die hoͤlzerne Sizbank zu 3', 4'' Breite und 2'
Tiefe.
i, die Brille mit ihrem wohlpassenden doppelten
Dekel.
k, die Sperrung bei dem Gebrauche, bestehend:
(1) aus den auf eine leichte eiserne Rahme in ganzer Breite der
Sizbank zu 3', 4'' aufgenieteten Zinkblech-Platten.
(2) aus den beiderseits angebrachten eisernen Zug- oder
Directionstangen mit Einhaͤngring.
(3) aus dem Einhaͤng- oder
Befestigungsstifte.
l, die in den Umfangsmauern des Abtrittskastens
angebrachten hoͤlzernen Riegel auf die Laͤnge der zu verwendenden
Verschalungs- oder Dekplanken; mit 3''–4'' Abstand von der
Mauerflaͤche.
m, aͤhnliche Verschaͤlung der gegen die
Wohnungen gekehrten vierten Umfangsmauer litt. c,
besonders zu deren Schuze und vertikaler Abweisung des Unraths noͤthig.
Ist aber auch auf zwekmaͤßige Bauart der Senkgrube und Abtrittsroͤhre
gesehen worden, so muß fuͤr steten Luftwechsel, der nach
aërostatischen Gesezen nach Maßgabe des Temperaturwechsels bald in
abfallender, bald in steigender Richtung seinen angemessenen Zug nimmt,
gehoͤrig gesorgt werden.
Auch dieser Anforderung wird entsprochen, wenn die Abtrittsroͤhre mittelst
Verlaͤngerung bis außer der Dachflaͤche mit der Atmosphaͤre
unmittelbar communicirt, und dieß auch an der Senkgrube durch Oeffnen der Falle oder
des eigenen Ausdampfungs-Kanales Statt findet.
Nur durch wissenschaftliche und bankundige Anwendung der drei benannten
Grundsaͤze laͤßt sich der Bau geruchloser und unschaͤdlicher
Abtritte zum Wohlseyn des Staͤdters und zum Nuzen des wohlunterrichteten
Landmanns beurtheilen, oder ausfuͤhren.