Titel: | Verbesserte Bauart von Rädern für Eisenbahn-Wagen, worauf Georg Stephenson von Liverpool, Ingenieur, am 30. April 1831 ein Patent erhielt. |
Fundstelle: | Band 43, Jahrgang 1832, Nr. LXXXVII., S. 359 |
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LXXXVII.
Verbesserte Bauart von Raͤdern fuͤr
Eisenbahn-Wagen, worauf Georg Stephenson von Liverpool, Ingenieur, am
30. April 1831 ein Patent
erhielt.
Aus dem Repertory of Patent-Inventions. Januar
1832, S. 9.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Stephenson, verbesserte Bauart von Raͤdern fuͤr
Eisenbahn-Wagen.
Meine Verbesserung im Baue von Raͤdern fuͤr Eisenbahn-Wagen
besteht darin, daß selbe mit einer schiklichen Zahl von hohlen Roͤhren aus
duͤnnen geschmiedeten Eisenplatten versehen werden, welche die Speichen
solcher Raͤder bilden; welche Roͤhren, nachdem selbe (auf die weiter
unten zu beschreibende Art) mit Borax zubereitet worden, in gehoͤrigen
Richtungen gegen den Mittelpunkt in eine Sandform gelegt werden, wo das in die
mittlere Hoͤhlung der Form eingegossene geschmolzene Eisen die Enden dieser
roͤhrenfoͤrmigen Speichen umgibt, und sich an dieselben von Innen und
Außen an allen Stellen, welche mit Borax bestrichen sind, so fest anhaͤngt,
daß eine mit den Speichen verbundene solide Nabe von Gußeisen gebildet wird; und auf
gleiche Weise werden die aͤußeren Enden dieser hohlen Speichen von
geschmiedetem Eisen mit dem in den Umkreis der Form eingegossenen geschmolzenen
Eisen verbunden, welcher Umkreis den Kranz oder die Felgen des Rades bildet: und
dieser Kranz wird sodann
mit einem Reife von starkem geschmiedeten Schieneneisen umgeben, welcher im heißen
Zustande angetrieben wird, damit er bei seiner Erkaltung sich zusammenziehe, und so
alle Theile fest mit einander verbunden werden; und endlich wird dieser Reif genau
abgedreht.Da das Wesentliche dieser Erfindung in diesen wenigen Zeilen deutlich genug
erklaͤrt ist, so glauben wir die Leser des Polyt. Journals mit den im
Original enthaltenen unnuͤzen Wiederholungen verschonen zu
duͤrfen, womit die englischen Patenttraͤger ihre
Specificationen nur in der Absicht anzufuͤllen pflegen, um ihr
Patentrecht gegen alle juristischen Wortverdrehungen sicher zu stellen;
weßwegen sie ein und dasselbe Ding nicht oft genug sagen zu koͤnnen
glauben. A. d. Ueb.
Die genannten hohlen Speichen sind nicht nur staͤrker im Verhaͤltniß
ihres Gewichts, als die bisher gebrauchten soliden Speichen von geschmiedetem Eisen,
sondern halten auch viel fester und sicherer mit dem Gußeisen der Nabe und der
Felgen des Rades zusammen, weil dieses fluͤssige Eisen, indem es in das
Innere der hohlen Speichen eindringt, und dieselben zugleich von Außen umgibt, eine
viel groͤßere Beruͤhrungsflaͤche mit dem geschmiedeten Eisen
erhaͤlt, als mit den bisher gebrauchten soliden Speichen moͤglich war;
und da die Enden der duͤnnen Roͤhren durch das eingegossene
geschmolzene Eisen sehr stark erhizt werden, so bewirkt der Borax als ein Fluß die
festeste Verbindung der beiden Metalle, und so koͤnnen nach dieser meiner
verbesserten Methode sehr starke Raͤder fuͤr Eisenbahn-Wagen
hergestellt werden, welches bis jezt noch ein Desideratum fuͤr die Wagen war,
auf denen Reisende und Guͤter mit der großen Schnelligkeit gefuͤhrt
werden, welche gegenwaͤrtig auf der Eisenbahn zwischen Liverpool und
Manchester eingefuͤhrt ist; denn die Heftigkeit der Stoͤße, welche die
Raͤder auf dieser Bahn bei so schnellen Fahrten auszustehen haben, ist so
groß, daß man von allen bis jezt versuchten Constructionen von Raͤdern noch
keine von hinlaͤnglicher Sicherheit und Dauer gefunden hat.Dieses neue aufrichtige Gestaͤndniß von dem erfahrenen Baumeister und
ersten Ingenieur der beruͤhmtesten Eisenbahn, welcher schon
verschiedene Patente auf verbesserte Raͤder und Wagen fuͤr
solche Bahnen, genommen hat, rechtfertigt unsere bereits fruͤher
ausgesprochene Meinung uͤber den noch sehr unvollkommenen Zustand der
englischen Eisenbahnen und dazu gehoͤrigen Wagen, und wir glauben
daher hier noch die Bemerkung beifuͤgen zu duͤrfen, daß bei
einer zwekmaͤßigeren Bauart von Eisenbahnen, wenn naͤmlich die
Schienen, statt auf isolirten und leicht aus ihrer Lage verruͤkten
oder sich senkenden Steinbloͤken, auf soliden,
zusammenhaͤngenden Unterlagmauern befestigt wurden, die an den Fugen
der eisernen Schienen gegenwaͤrtig oft so heftig fuͤhlbaren
Groͤße gaͤnzlich vermieden, und folglich auch die jezt so
haͤufig vorfallenden Bruͤche von Raͤdern und Achsen mit
allen daraus entstehenden Ungluͤcksfaͤllen und Reparationen
groͤßten Theils verhuͤtet werden koͤnnten. A. d.
Ueb.
Man hat gefunden, daß Raͤder von Gußeisen mit Reifen von geschmiedetem Eisen,
und Raͤder mit soliden Speichen von demselben Eisen, welche, ohne Anwendung
von Borax als Fluß, mit den gußeisernen Naben und Felgen verbunden sind, bei
schnellem Fahren oft augenbliklich springen und in Stuͤke auseinander fliegen
(to crack and to fly in pieces without any warning),
daher fuͤr Reisende gefaͤhrlich sind. Auch hat man gefunden, daß bei
den nach einem dem Hrn. Losh
und mir im Jahre 1816 ertheilten Patente verfertigten Raͤdern mit Reifen von
geschmiedetem Eisen diese lezteren sich leicht losmachen; und man hat dieserwegen
Raͤdern mit gußeisernen Naben oder Buͤchsen, hoͤlzernen
Speichen und hoͤlzernen Felgen mit Reifen von geschmiedetem Eisen den Vorzug
an den fuͤr den Transport von Reisenden auf der genannten Eisenbahn
bestimmten Wagen gegeben; allein solche hoͤlzerne Raͤder nuͤzen
sich sehr schnell ab, und beduͤrfen immerwaͤhrender Reparationen; und
man wird dagegen die nach meiner hier beschriebenen Verbesserung gebauten
Raͤder dauerhafter und sicherer finden.Wir erlauben uns hier eine entgegengesezte Meinung auszusprechen, und wir
sind uͤberzeugt, daß man Raͤder mit hoͤlzernen Felgen
und Speichen und eisernen Naben oder Buͤchsen machen kann, welche
wenigstens eben so dauerhaft und auf jeden Fall sicherer als die hier
beschriebenen ganz eisernen Raͤder sind. Man bedenke nur, wie lange
oft die hoͤlzernen Raͤder an den schwersten Post- und
Reisewagen auf den schlechtesten und folgereichsten Landstraßen aushalten,
und man wird begreiflich finden, daß solche Raͤder auf einer guten
Eisenbahn, besonders wenn keine Stoͤße an den
Fugen der Schienen vorfallen, von zehn Mal laͤngerer Dauer
seyn muͤssen. Und sollten sie auch fruͤher als die eisernen
Raͤder sich abnuͤzen, und oͤfter Reparaturen erfordern,
so sind doch die damit verbundenen Kosten unbedeutend im Vergleiche mit
jenen, welche die eisernen Raͤder verursachen, welche nach jedem
Bruche ganz neu beigeschafft werden muͤssen, weil sie keiner
Reparatur faͤhig sind. Ueberdieß haben die hoͤlzernen
Raͤder auch noch den doppelten Vortheil, daß sie ungleich leichter
und wohlfeiler sind, und bei ihrer Bewegung auf den eisernen Schienen keinen
so unangenehmen Laͤrmen wie die schweren eisernen Raͤder
machen. Endlich kann ein zufaͤlliger Bruch eines hoͤlzernen
Rades bei der schnellsten Bewegung doch keine so schreklichen Folgen haben,
als der Bruch eines eisernen Rades, welches, nach Hrn. Stephenson's Ausdruk, in Stuͤke auseinander fliegt. A. d.
Ueb.
Zur deutlicheren Erklaͤrung dieser meiner verbesserten Bauart von
Raͤdern fuͤr Eisenbahn-Wagen dienen die beiliegenden
Zeichnungen, welche zwei nach diesem Princip construirte Raͤder
darstellen.
Erklaͤrung der Zeichnungen.
Die Raͤder in Fig. 16 und 17 haben zwoͤlf
hohle Speichen von duͤnnem geschmiedeten Eisen. Jede solche Speiche wird aus
einer eisernen Platte von gehoͤriger Form, Laͤnge, Breite und Dike
gebildet, indem man selber die Gestalt einer flachen Roͤhre von abnehmendem
(tapering) Durchmesser gibt, deren zusammengebogene
Raͤnder sich uͤberschlagen, und uͤber eine eiserne Formstange
(mandril) auf dieselbe Art zusammengeschweißt werden
wie die Flintenlaͤufe, mit dem Unterschiede, daß diese Roͤhren einen
flachgedruͤkten, ovalen Querschnitt haben, und von einem Ende zum andern enger
werden, wie aus der Zeichnung Fig. 16 und 17 deutlich zu
entnehmen ist. Die beiden Enden jeder Rohre erhalten eine trompeten- oder
glokenfoͤrmige Erweiterung, welche vor dem Einlegen in den Formkasten von
allem Koth, Sand oder Hammersinter sorgfaͤltig von Außen und Innen gereinigt
und darauf mit einer duͤnnen Lage von Borax uͤberzogen wird, indem man
jedes dieser Enden in Wasser taucht, und sodann die nassen Stellen mit Pulver oder
Staub von fein gestoßenem Borax bestreut, so daß die ganze Flaͤche der
Roͤhre von Außen und Innen so weit mit Borax bedekt ist, als das Gußeisen mit
dem geschmiedeten Eisen sich verbinden soll; und diese so mit Borax bestreuten Enden
werden dann so lange in die Flamme eines Ofens oder eines andern Feuers gehalten,
bis der Borax schmilzt, und uͤber die ganze Flaͤche fließt, die er mit
einer duͤnnen Glasur uͤberzieht. Oder man schmelzt den Borax in einem
hiezu tauglichen Gefaͤße, und taucht darein die heißgemachten Enden der
genannten Roͤhren, welche dann auf dieselbe Art mit einer Schichte von Borax
uͤberzogen werden.
Hier ist zu bemerken, daß die Hoͤhlungen dieser roͤhrenfoͤrmigen
Speichen bis zu den Stellen, wo das Gußeisen eindringen soll, mit Sand
ausgefuͤllt werden muͤssen, und daß vorlaͤufig ein Paar
Loͤcher in jede dieser Roͤhren gebohrt werden muͤssen, um die
Luft aus denselben entweichen zu lassen, wenn das fluͤssige Gußeisen von
beiden Seiten eindringt.
Die Form fuͤr den Guß der eisernen Nabe und des Kranzes wird durch ein
hoͤlzernes Modell von derselben Groͤße und Gestalt, welche das Rad
erhalten soll, gebildet, nebst seinen Armen, Felgen und Umkreis. Dieses Modell wird
aus zweien oder mehreren uͤber einander geschichteten Theilen verfertigt,
welche man einzeln abheben kann, und in den hartgestoßenen Sand der beiden
Formkasten eingedruͤkt, nach der beim Kastenguß mit hoͤlzernen
Modellen uͤblichen Weise; und nachdem man das Modell herausgehoben hat, legt
man in die Hoͤhlungen der Form, welche die hoͤlzernen Arme des Modells
zuruͤklassen, die mit Borax zubereiteten eisernen Speichen, so daß die Enden
derselben in die Hoͤhlungen der Nabe und des Kranzes oder Umkreises des Rades
vorragen; worauf die beiden Formkasten zusammengefuͤgt, und das geschmolzene
Eisen auf die gewoͤhnliche Art eingegossen wird.
Fig. 18 und
19
stellen ein anderes Rad vor, welches nach demselben verbesserten Princip construirt
ist.
Die Speichen oder Arme, hier vierzehn an der Zahl, sind nicht von ovaler und zugleich
diker Form, sondern ganz cylindrische Roͤhren, und werden zwischen dem Ringe
des Rades und der Nabe so eingesezt, daß die Haͤlfte derselben gegen eine,
und die andere Haͤlfte gegen die andere Seite des Rades eine schiefe Richtung
erhalten, wie der Durchschnitt Fig. 19 darstellt,
wodurch dem Rade eine groͤßere Staͤrke von der Seite gegeben wird. In
jedem anderen Bezuge gleicht dieses Rad dem in Fig. 16 und 17
abgebildeten Rade.
Anmerkung. Es wird noͤthig seyn, die
Hoͤhlung des Radkranzes in der Form durch drei kleine Stege (cores) von trokenem Sand zu unterbrechen, wodurch dieser
Kranz, wenn er gegossen ist, aus drei (gleich großen) Segmenten, welche durch kleine
Zwischenraͤume von einander getrennt sind, bestehend erscheint, damit das
fluͤssige Eisen bei seinem Erkalten sich zusammenziehen koͤnne (und
das Springen des Kranzes vermieden werde, welches bei dem Guße aus einem
Stuͤk sich leicht ereignet).
Die Zwischenraͤume dieser Segmente werden hienaͤchst mit eisernen
Keilen ausgefuͤllt, welche genau hineinpassen, und noͤthigen Falls
vernietet werden koͤnnen; und so erhaͤlt man ein Rad mit einem festen
Kranze, um welchen zulezt ein Reif von geschmiedetem Eisen auf die oben
erwaͤhnte Art befestigt wird.
Anmerkung. Der Kranz des Rades kann hohl gegossen werden
(wie die Durchschnitte Fig. 17 und 19 zeigen),
indem man in die Hoͤhlung der Form Kerne von trokenem Sand einsezt, wie die
Gießer in solchen Faͤllen zu thun wissen.
Es ist unnoͤthig, in eine weitere Erklaͤrung einzugehen, da meine
verbesserte Bauart von Raͤdern fuͤr Eisenbahn-Wagen lediglich
in der Anwendung hohler Roͤhren von geschmiedetem Eisen als Speichen, und in
der Zubereitung derselben mit einem Ueberzuge von geschmolzenem Borax zur festeren
Verbindung mit dem Kranze und der Nabe von gegossenem Eisen besteht.
Die Dimensionen der in meiner Zeichnung vorgestellten Raͤder gibt der
beigefuͤgte Maßstab an; sie haben 5 Fuß im Durchmesser, und sind fuͤr
einen Dampfwagen berechnet, dessen Gewicht acht Tonnen oder 160 Centner
betraͤgt. Raͤder fuͤr andere Eisenbahn-Wagen
koͤnnen nach denselben Zeichnungen construirt werden, indem man ihre
Verhaͤltnisse nach dem Zweke, wofuͤr sie bestimmt sind, und nach der
Ladung, welche sie zu tragen haben, einrichtet.