Titel: Ueber eine Verbesserung an den Dampfmaschinen durch Anwendung des Kohlen-Wasserstoffgases als Hülfsbrennmaterial. Von Hrn. J. L. Sullivan, Mechaniker zu New-York.
Fundstelle: Band 45, Jahrgang 1832, Nr. XLIII., S. 176
Download: XML
XLIII. Ueber eine Verbesserung an den Dampfmaschinen durch Anwendung des Kohlen-Wasserstoffgases als Huͤlfsbrennmaterial. Von Hrn. J. L. Sullivan, Mechaniker zu New-York. Aus der Bibliothéque universelle im Repertory of Patent-Inventions. Julius 1832, Supplement S. 385. Sullivan, uͤber eine Verbesserung an den Dampfmaschinen. Die gegenwaͤrtige Verbesserung bezwekt die Anwendung einer bedeutenden, augenbliklich erzeugbaren, und wieder ausloͤschbaren, und nach ihrer Intensitaͤt regulirbaren Flamme. Zur Erreichung dieses Zwekes bringe ich mit der Maschine ein eigenes Gefaͤß in Verbindung, in welches Gefaͤß ich eine entzuͤndbare, zur Verdampfung bestimmte Fluͤssigkeit leite. Da die Hize, bei welcher sich diese leztere in Gas verwandeln laͤßt, nur 100° F. (30° R.) betraͤgt, so kann der Ofen der Maschine dieselbe sehr leicht hervorbringen. Der auf diese Weise erhaltene Dampf oder dieses Gas wird mittelst einer Roͤhre in das Feuer unter dem Dampfkessel geleitet, und daselbst augenbliklich entzuͤndet. Man kann daher mit einer geringen Menge Anthracit oder Glanzkohle der Maschine die Vortheile einer lebhaften, den Ofen vollkommen ausfuͤllenden Flamme sichern, ja die Flamme koͤnnte sich manchmal sogar bis in das Innere der Roͤhre, die das Gas fuͤhrt, ausdehnen. Diese Roͤhre muß natuͤrlich uͤber dem Wasser des Dampfkessels angebracht werden. Um nun das Gas zu erhalten, kann man sowohl Terpenthinoͤhl, als Alkohol und jede Art von entzuͤndbarer Fluͤssigkeit, so wie die verschiedenen Oehle und fluͤchtigen, gekohlstofften und wasserstoffhaltigen Geister anwenden. Ich habe mich seit 1808 mit Dampfmaschinen beschaͤftigt, und unter Anderem auch ein Mal einen Apparat ausgedacht, durch welchen Pech und Gas mit einander in das Feuer geschleudert werden sollten. Diese Methode zeigte sich aber wegen der großen Masse von Pech, die dabei nothwendig ist, als unausfuͤhrbar. Die Verbesserung, von der ich gegenwaͤrtig spreche, ist von ganz anderer Natur; denn ihre Aufgabe ist die wohlfeilste und kraͤftigste Methode, nach welcher das zur Dampferzeugung noͤthige Feuer unterhalten werden kann. Dieses Verfahren unterscheidet sich daher auch von jenem, welches die Basis der Brown'schen Erfindung bildet, bei welcher durch die Entzuͤndung des Wasserstoffgases ein luftleerer Raum in den Cylindern entstand. Ebenso unterscheidet es sich auch von der Patentmethode des Hrn. Morey, bei welcher der luftleere Raum durch explodirende, in gewissen Verhaͤltnissen mit gewoͤhnlicher Luft gemischte Gase erzeugt wird. Bei meiner Dampfmaschine handelt es sich um etwas Anderes, naͤmlich um eine Vervollkommnung der Dampfmaschine durch Ersparung von Brennmaterial. Es ist eine in der Chemie bekannte Thatsache, daß kohlenwasserstoffhaltige Fluͤssigkeiten, auf die ich mich oben bezog, sich bei einer hoͤheren Temperatur leicht in Gas verwandeln, und daß sich deren Elemente freiwillig in solchen Verhaͤltnissen verbinden, daß sie Wasserstoffgas bilden, welches sich entzuͤndet, sowie es mit einer Flamme, oder mit einem rothgluͤhenden Koͤrper, wie z. V. mit brennendem Anthracite in Beruͤhrung kommt. Der Behaͤlter, von welchem aus sich das brennbare Gas entwikeln soll, soll eine gehoͤrige Form und Groͤße haben, und der Luft, die den Ofen speist, eine so große Oberflaͤche darbieten, daß sie eine gewisse Menge Gas zu enthalten vermag. Diese Menge Gas wird um so groͤßer seyn, je heißer und trokner die Luft auf die Oberflaͤche der Fluͤssigkeit gelangt. Die Roͤhre oder die Roͤhren, die das Gas fuͤhren, sind mit einem Apparate versehen, durch welchen die Lieferung des Dampfes regulirt werden kann. Zwischen den Roͤhren und dem Ofen ist auch ein metallenes, nach dem Principe der Davy'schen Sicherheitslampe verfertigtes Drahtgitter anzubringen. Damit sich dieses Gitter nicht verlege, ließ ich manchmal einen kleinen, aus dem Kessel hergeleiteten Dampfstrom auf dasselbe wirken; dieser Dampf folgte der Richtung des brennbaren Gases, und wirkte entweder bestaͤndig oder bloß in Zwischenraͤumen auf das Drahtgitter. Diesen Plan befolgte ich mit Vortheil, indem ich sah, daß die Temperatur dabei erhoͤht wurde, und daß jener Theil der Roͤhre, der in den Ofen hineinragte, eine groͤßere Hize annahm. Ich erhielt naͤmlich durch die Zersezung des Wassers eine nicht unbedeutend vermehrte Menge Wasserstoffgas. Will man nun das eben erwaͤhnte Huͤlfsbrennmaterial anwenden, so muß der Kessel der Maschine so eingerichtet werden, daß er fuͤr diese Art von Ofen paßt. Welche Form und Groͤße der Kessel auch immer haben mag, so muß sich am Boden des Ofens ein Kohlenrost befinden. Wenn der Kessel nach Art jener Kessel, die mit Anthracit geheizt werden, aus vier langen Cylindern besteht, so ist meine Erfindung um so leichter anzuwenden; man hat nur sorgfaͤltig darauf zu sehen, daß die Roͤhren, die das Gas fuͤhren, entweder uͤber jenen Punkt oder in die Mitte jenes Punktes kommen, an welchem das Feuer am heißesten ist. Bei den Kesseln von Dampfwagen wird es besser seyn, wenn man den Ofen in einen senkrechten Cylinder bringt, der sich nach Oben in eine Kuppel oder einen Reverberator endigt, und der selbst mit Wasser umgeben ist. Das Rauchfangrohr soll horizontal oder in den oberen Theil des Cylinders ausgehen, so daß dem Wasser so viele Hize als moͤglich mitgetheilt wird. Die auf die angegebene Weise hervorgebrachte Flamme erfordert, wenn sie gehoͤrig unterhalten werden soll, daß eine bedeutende Quantitaͤt Sauerstoff aus der Luft aufgenommen wird. Allein wenn alle die Luft, die zur Verbrennung nothwendig ist, durch den Rost des Ofens gehen wuͤrde, so wuͤrde dadurch nicht nur eine große Menge Anthracit verbraucht werden, sondern die Luft selbst wuͤrde bald zu arm an Sauerstoff werden. Ich habe daher, um diesem Uebelstande abzuhelfen, rund um den Ofen herum Luftroͤhren mit Sperrhahnen angebracht, damit man auf diese Weise den Luftstrom reguliren, und ihn auch ganz unterbrechen kann, wenn man den Anthracit allein als Brennmaterial wirken lassen will. Diese Luftroͤhren endigen sich an der Stelle, an welcher sie in den Ofen treten, in eine kleine Oeffnung, damit die Stroͤmung derselben auf diese Weise staͤrker werde. Um den Zug zu verstaͤrken, laͤßt sich in dem Rauchfangrohr auch ein Ventilator anbringen. In Faͤllen, in welchen der Rost sehr ausgebreitet ist, und wo es daher von Wichtigkeit ist, daß das Gas in allen Theilen des Feuers gleichmaͤßig vertheilt werde, vermehre ich die Roͤhren, die das brennbare Gas fuͤhren, noch durch eiserne Roͤhren, deren Oeffnungen nach Abwaͤrts gekehrt sind, damit sie sich nicht verstopfen koͤnnen. Diese Zusazroͤhren koͤnnen, wenn es noͤthig seyn sollte, leicht entfernt werden; sie dienen, wenn sie zum Rothgluͤhen erhizt sind, auch zur Zersezung eines Theiles des Wassers, welches, wie bereits erwaͤhnt worden, mit dem Kohlenwasserstoffgase eintritt. Auch wenn sich die Flamme bis in das Rauchfangrohr erstrekt, kann das waͤsserige Gas zersezt und wieder zusammengesezt werden, so daß auf diese Weise durch neues Zustroͤmen von frischem, zur Unterhaltung der Flamme dienenden Sauerstoffgase, auch immer neuerdings wieder Hize erzeugt wird. Man kann sich beilaͤufig eine Idee von dem Vortheile, den mein eben besprochenes Huͤlfsbrennmittel gewaͤhren muß, machen, wenn man die chemischen Phaͤnomene bei der Verbrennung in Betrachtung zieht. Es ist eine allgemein bekannte Thatsache, daß bei der Verbrennung die erzeugte Hize mit der Menge des schnell verzehrten Sauerstoffes im Verhaͤltnisse steht, und daß (mit Ausnahme der durch die voltaische Elektricitaͤt hervorgebrachten Hize) die staͤrkste bekannte Hize jene ist, die durch die schnelle Verbrennung einer Mischung von Sauerstoff und Wasserstoff in jenen Verhaͤltnissen, die zur Erzeugung von Wasser noͤthig ist, entsteht. Da man jedoch diese Gase nicht leicht rein und einzeln, und zur praktischen Anwendung tauglich erhalten kann, so wird man der Wirkung, die sie hervorbringen, am naͤchsten kommen, wenn man kuͤnstlich erzeugtes gekohlstofftes Wasserstoffgas anwendet. Die zur Erzeugung dieses Gases geeignetsten Substanzen sind jene, die man aus dem Foͤhrenholze erhaͤlt. Terpenthinoͤhl, welches man uͤberall leicht im Handel haben kann, moͤchte wohl das Tauglichste seyn. Nach der Analyse, welche Dr. Ure von dem Terpenthinoͤhle gab, laͤßt sich uͤber die Anwendung desselben als Brennmaterial folgende Berechnung anstellen. Das Terpenthinoͤhl besteht, wenn seine spec. Schwere 0,8 betraͤgt, aus 56 Gewichtstheilen Kohlenstoff, 4 Theilen Sauerstoff und 40 Theilen Wasserstoff. Mithin enthaͤlt ein Gallon oder 8 Pfunde Troy 1966 Gran Sauerstoff, 27520 Gr. Kohlenstoff und 19667 Gr. Wasserstoff. Da 100 Kubikzoll Kohlenwasserstoffgas 16,95 Gran. d.h. 12,69 Gran Kohlenstoff und 4,26 Gr. Wasserstoff (das Verhaͤltnis, in welchem diese beiden Gasarten im Kohlenwasserstoffgase mit einander verbunden sind) wiegen, so wird man, wenn man 12,69 in die, in einem Gallon Terpenthinoͤhl enthaltenen 2,520 Gr. Kohlenstoff theilt, finden, daß dieser Kohlenstoff hinreicht, um 1166 Mal 100 Kubikzoll Gas zu bilden, und daß er dazu 2166 Mal 4,26 Gran. d.h. 9227 Gran Wasserstoff braucht. Es bleiben mithin 10440 Gran Wasserstoffgas uͤbrig, die sich mit dem Sauerstoffe der Luft verbinden koͤnnen. Die 1966 Gran Sauerstoffgas, die in dem Terpenthinoͤhle enthalten sind, erfordern im Ganzen 83520 Gran Wasserstoffgas um Wasser zu bilden. Es wird sich folglich beilaͤufig die Haͤlfte des Wasserstoffgases mehr oder weniger in jenem Verhaͤltnisse mit dem Sauerstoffgase der Luft verbinden, welches die kraͤftige Hize hervorbringt, die andere Haͤlfte hingegen in jenem Verhaͤltnisse, welches zur Erzeugung von Kohlenwasserstoffgas noͤthig ist. Diese Basis mag zur Vergleichung dienen. Da zwei Raumtheile reines Wasserstoffgas einen Raumtheil Sauerstoffgas erfordern, um damit Wasser zu bilden, waͤhrend 2 bis 1 Raumtheil Kohlenwasserstoffgas zur vollkommenen Verbrennung noͤthig sind, so folgt hieraus, daß die durch dieses leztere Gas erzeugte Wirkung nur den vierten Theil von jener Wirkung betragen kann, die ersterem Gase angehoͤrt, vorausgesezt, daß die Verbrennung unter gleich guͤnstigen Umstaͤnden Statt findet.Dieses Resultat wird nur dann einleuchten, wenn man bedenkt, daß die Dichtheit oder die specifische Schwere des Wasserstoffgases beinahe 16 Mal geringer ist, als jene des Kohlenwasserstoffgases, und daß eine gewisse Menge Wasserstoffgas zu seiner Verbrennung vier Mal mehr Sauerstoffgas erfordert, als ein gleiches Gewicht Kohlenwasserstoffgas dazu noͤthig hat, waͤhrend es bei einem gleichen Volumen zwei Mal weniger davon braucht. A. d. O. Um wie viel auch immer ein Pfund Wasserstoffgas bei seiner Verbrennung die Temperatur des Wassers erhoͤhen mag, so scheint es, daß jene Wirkung, die durch 8 Pfund Kohlenwasserstoffgas hervorgebracht wird, nach dem gehoͤrigen Abzuge auf drei Viertheile, d.h. auf 6 Pfund reducirt werden muß, unabgesehen jedoch von der Wirkung, welche durch das uͤberschuͤssige Wasserstoffgas, welches sich mit dem Sauerstoffgase der Luft verbindet, erzeugt wird. Die praktische Erfahrung laͤßt mich glauben, daß die Anwendung von Kohlenwasserstoffgas in Hinsicht auf die ersten Kosten vortheilhaft befunden werden duͤrfte. Außerdem wuͤrden aber noch mehrere Nebenvortheile aus derselben entspringen, von denen ich hier nur einige anfuͤhren will. Bei diesem Brennmateriale wird man naͤmlich sowohl an Dampfwagen, als Dampfbothen und anderen Dampfmaschinen sehr leicht und beinahe augenbliklich eine ungeheuer voluminoͤse Flamme erzeugen und wieder unterdruͤken koͤnnen. Die Menge Brennmaterial, die man mit sich fuͤhren muß, wird hier ein weit geringeres Gewicht betragen, als sie betraͤgt, wenn man Steinkohle oder Holz anwendet. Das auf diese Weise erhaltene Feuer besizt, waͤhrend die Maschine in vollem Gange ist, mehr die gehoͤrige Staͤrke und Wirksamkeit. Ich erklaͤre schließlich nur noch, daß meine Erfindung an den Kesseln und an dem Brennmateriale fuͤr Dampfmaschinen darin besteht, daß ich die Dampfkessel so verfertige, daß der Ofen Kohlenwasserstoffgas aufzunehmen im Stande ist, und daß ich dieselben mit einem Behaͤlter vermehre, in welchem diese, zur Unterhaltung des Feuers bestimmten Gasarten erzeugt werden.