Titel: Ueber das Klären des Nilwassers oder überhaupt eines jeden Wassers, in welchem sich schwebende erdige Theilchen befinden. Von Hrn. Felix d'Arcet.
Fundstelle: Band 46, Jahrgang 1832, Nr. CI., S. 387
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CI. Ueber das Klaͤren des Nilwassers oder uͤberhaupt eines jeden Wassers, in welchem sich schwebende erdige Theilchen befinden. Von Hrn. Felix d'Arcet. Aus den Annales d'hygiène publique im Bulletin des Sciences technologiques. October 1831, S. 66. d'Arcet, uͤber das Klaͤren des Nilwassers. Die Reisenden, welche Aegypten besuchten, haben in den von ihnen verfaßten Reise-Beschreibungen die Methoden, deren sich die Aegypter zum Klaren des truͤben Nilwassers allgemein bedienen, mit mehr oder weniger Genauigkeit und Umstaͤndlichkeit beschrieben. Keiner derselben hat jedoch versucht, diese Verfahrungsweisen zu vervollkommnen oder zu verbessern; sie trachteten sogar nicht ein Mal die Art und Weise, auf welche diese Methoden ihre Wirkung hervorbringen, zu erklaͤren. Mein Aufenthalt in Aegypten gab auch mir Gelegenheit dieselben mit Sorgfalt zu studiren, so daß ich Folgendes daruͤber mitzutheilen im Stande bin. Das Nilwasser ist das ganze Jahr hindurch truͤb; zur Zeit der Ueberschwemmungen schweben sogar in jedem Liter Wasser 8 Grammen erdige Substanzen. Dieses Wasser nun wird von den Einwohnern das ganze Jahr uͤber geklaͤrt, und zwar weniger der Gesundheit wegen, als zur Vermeidung der Unannehmlichkeit, truͤbes Wasser trinken zu muͤssen. In vielen Doͤrfern Ober-Aegyptens trinkt man jedoch auch das Nilwasser, so wie es aus dem Flusse geschoͤpft wird, und zwar ohne daß man in jenen Gegenden uͤble Wirkungen desselben auf die Gesundheit beobachtete. Man bedient sich zwei verschiedener Methoden um das Nilwasser von dem Schlamme, der dasselbe truͤbt, zu reinigen. Die erste Methode, deren sich jedoch ihrer Kostspieligkeit wegen nur die wohlhabendere Classe bedient, besteht darin, daß man das Wasser durch sehr poroͤse irdene Gefaͤße filtrirt; die zweite, von Jedermann anwendbare, besteht in der Reinigung des Wassers mittelst der Mandeln. Ich will beide Methoden genauer beschreiben. Die wohlhabenderen Leute besizen unter ihren Hausgeraͤthen große Kruͤge aus einem sehr poroͤsen Thone, welche zu Kene in Ober-Aegypten verfertigt werden. Diese Kruͤge werden an dem luftigsten Orte im Hause auf Dreifuͤße gestellt, und bestaͤndig mit frisch geschoͤpftem Nilwasser gefuͤllt erhalten, waͤhrend das abfließende geklaͤrte Wasser in Schalen aufgefangen wird. Dadurch, daß man diese Kruͤge an den luftigsten Ort stellt, erreicht man den Vortheil, daß die Temperatur des Wassers durch die Verduͤnstung etwas vermindert wird. Diese Abkuͤhlung ist aber nicht bedeutend, und wird von den meisten Einwohnern wenig oder gar nicht beruͤksichtigt. Viele Einwohner bringen die Kruͤge daher in tragbare Kasten, damit das filtrirte Wasser weder durch Staub noch durch Insecten verunreinigt wird. Ein solcher Krug kostet in der Fabrik 1 Frank 10 Centim., zu Cairo kommt aber jeder auf 3 Fr. 60 C. zu stehen. Sie fassen 80 bis 90 Liter und muͤssen jaͤhrlich erneuert werden. Alle 14 oder 20 Tage reinigt man diese Kruͤge von dem Schlamme und den Unreinigkeiten, die sich darin angesammelt haben. Es ist wohl offenbar und Jedermann einleuchtend, daß die Kruͤge weit laͤnger dauern wuͤrden, und daß deren Reinigung auch viel leichter geschehen koͤnnte, wenn das Filtriren des Wassers durch Aufsteigen bewirkt werden koͤnnte. Allein in einem Lande, wo sich alle Kuͤnste noch in ihrer Kindheit befinden, und wo man keine Arbeiter findet, die im Stande sind, die zusammengesezten Vorrichtungen, deren man sich in Frankreich zum Klaͤren des truͤben Wassers bedient, zu verfertigen, oder auch nur auszubessern, wenn etwas an denselben verdorben werden sollte, in einem solchen Lande sind nur die einfachsten Verfahrungsweisen anwendbar. Der Klaͤrungsproceß, welchen ich so eben beschrieben habe, ist ganz mechanisch; jener, den ich nun beschreiben will, verdankt seine Wirksamkeit einer etwas mehr zusammengesezten Ursache. Nach diesem Verfahren fuͤllt man naͤmlich einen der Form und der Groͤße nach den bereits erwaͤhnten aͤhnlichen Krug, der jedoch das Wasser viel weniger leicht durchsikern laͤßt, mit truͤbem Wasser. Ist dieß geschehen, so nimmt man einen Mandelkuchen, der eigens zu diesem Zweke zubereitet worden, taucht den Arm unter das Wasser und reibt den Kuchen, kreisfoͤrmig und von Unten nach Oben zu, an den Waͤnden des Kruges ab, so daß sich der Kuchen auf diese Weise an den rauhen Wanden des Gefaͤßes abreibt. Dieß wird so lange fortgesezt bis der Kuchen bis zu einer Linie oder bis zu einem Zeichen, welches man vorher mit dem Nagel daran anbrachte, abgerieben worden. Nach dieser vorlaͤufigen Arbeit wird das Wasser stark und nach allen Seiten mit dem Arme umgeruͤhrt, dann zugedekt und 4 bis 5 Stunden lang stehen gelassen, worauf man es klar finden wird. Dieses Geschaͤft liegt in Aegypten dem Sacca oder Wassertraͤger ob. Waͤhrend des Abreibens der inneren Waͤnde des Kruges mit dem Mandelkuchen, lassen die Saccas ein durchdringendes Pfeifen hoͤren, welches nach ihrer Meinung zur vollkommenen Klaͤrung des Wassers unumgaͤnglich nothwendig ist. Eine andere, aber mehr begruͤndete Beobachtung dieser Leute ist, daß das Wasser nicht mehr klar wird, wenn man dasselbe waͤhrend der Bildung des Bodensazes schuͤttelt und umruͤhrt: eine aͤhnliche Erscheinung kann man naͤmlich alle Tage am Weine beobachten, der auch nicht klar wird, wenn man ihm nach dem Zusaze der Hausenblase oder des Eiweißstoffes nicht die gehoͤrige Ruhe gestattet. Uebrigens besizen nicht die Mandeln allein die Eigenschaft truͤbes Wasser zu klaͤren; zu Sennaar, Dongolah und in Nubien wendet man naͤmlich die Schweins- und anderen Bohnen und die Ricinus-Samen mit gleichem Erfolge zu demselben Zweke an. Welche dieser Substanzen man aber auch immer anwenden mag, so erhaͤlt das Wasser nie einen großen Grad von Klarheit; man mag naͤmlich die angegebene Operation noch so lange fortsezen, und saͤmmtliche Vorsichtsmaßregeln auch noch so sorgfaͤltig beruͤcksichtigen, so behaͤlt das Wasser doch immer einen mehr oder weniger starken Schiller. Die Filtrirmethode hat daher, abgesehen von den groͤßeren Kosten, doch immer Vieles vor dem lezteren Verfahren voraus. Die kleinen Mandelkuchen, deren ich erwaͤhnte, findet man auf den Markten von Cairo und allen uͤbrigen aͤgyptischen Staͤdten. Man stoͤßt zu deren Bereitung suͤße und bittere Mandeln in einem Moͤrser, und gibt dann dem groben Teige, den man auf diese Weise erhaͤlt, die Form und Groͤße eines Eies. Ein solcher Kuchen wird zu 5 Parats oder 4 Centimen verkauft. Im Durchschnitte genommen waͤgt ein Kuchen 63 Grammen 70 Centigr. und dauert einen Monat lang. Die Kruͤge, deren man sich bei diesem Verfahren bedient, werden zu Basatyn in der Naͤhe von Cairo aus einem groben Thone verfertigt, und kosten nur 2 Piaster oder 70 Centimen das Stuͤk. Bei diesem zweiten eben beschriebenen Verfahren wirken die Mandeln, welche in einem bedeutenden Grade von Feinheit im Wasser vertheilt werden, dadurch, daß sie eine Art von Emulsion oder Mandelmilch bilden; das Oehl verbindet sich naͤmlich mit der Erde, und schlaͤgt sich mit dieser zu Boden, indem die Abscheidung desselben aus dem Wasser dadurch beguͤnstigt wird. Die Mandeln verhalten sich in diesem Falle beinahe umgekehrt wie der Oehlkuchen bei der Klaͤrung des Oehles. Wenn dem Oehle naͤmlich zum Behufe der Reinigung etwas Saͤure zugesezt wird, so wird ein großer Theil des Parenchymes durch die Einwirkung der Saͤure verkohlt, wobei die verkohlten Theile im Oehle schwebend erhalten bleiben. Sezt man nun diesem Oehle gepulverten Oehlkuchen zu, ruͤhrt man das Ganze um und laͤßt man es dann ruhig stehen, so verbindet sich das Sazmehl des Oehlkuchens mit dem verkohlten Parenchyme, scheidet dasselbe aus dem Oehle ab, reißt es mit sich zu Boden und bewirkt auf diese Weise die Klaͤrung der Fluͤssigkeit. Laͤßt sich hieraus nicht schließen, daß der Leinkuchen bei zwekmaͤßiger Anwendung auch zum Klaren des truͤben Wassers tauglich seyn duͤrfte? Die Unvollkommenheit der Reinigungsmethode des Nilwassers mittelst der Mandeln veranlaßte mich, einige Versuche mit dem Alaune anzustellen, den man schon seit langer Zeit als Reinigungsmittel fuͤr truͤbes Wasser angegeben hatte, und dessen sich mein Vater auch zur Klaͤrung des Seinewassers mit Vortheil bediente. Die Resultate, welche ich hiebei erhielt, waren sehr genuͤgend. Ich bewirkte mit 0,50 Gr. Alaun, welche ich auf ein Liter truͤben Wassers anwendete, nach Ablauf von einer Stunde, eine vollkommene Klaͤrung, so daß ich vollkommen Helles und durchsichtiges Wasser erhielt. Mit 0,25 Gr. Alaun erhielt ich dasselbe Resultat, nur war eine laͤngere Zeit hiezu noͤthig. In Hinsicht auf die Gesundheit kann die Anwendung des Alaunes durchaus nichts Beunruhigendes haben; denn 1/4 oder selbst 1/2 Gramme Alaun auf ein Liter Wasser ist eine so geringe und unbedeutende Menge, daß man sie fuͤglich als gar nicht vorhanden betrachten kann. Ueberdieß bewirkt der Alaun die Klaͤrung auch nur in Folge einer Zersezung; eine uͤberschuͤssige Saͤure wird naͤmlich von dem im Wasser erhaltenen, kohlensauren oder doppelt kohlensauren Kalke gesaͤttigt, so daß er als basischschwefelsaures Salz oder als unaufloͤslicher basischer Alaun niederfaͤllt, und die schwebenden, erdigen Theilchen mechanisch mit sich reißt. Besser ist es, hiebei den Alaun in großen Stuͤken anzuwenden; und am besten ist es, wenn man folgendes Verfahren befolgt. Man nimmt einen großen Alaunkrystall, knuͤpft ihn am Ende eines Fadens fest, und fuͤhrt ihn auf diese Weise nach allen Richtungen im Wasser umher, wobei man denselben nur sehr wenig untertaucht und nur so lange im Wasser laͤßt, bis haͤufig weiße Floken erscheinen. Die Bildung dieses Niederschlages ist naͤmlich ein sicheres Zeichen, daß die zur Faͤllung noͤthige Dosis Alaun aufgeloͤst worden. Will man sich, um die noͤthige Dosis um so sicherer zu erfahren, des Alaunes in Pulver bedienen, so muß man ihn sehr fein pulvern, die noͤthige Dosis davon abwaͤgen, und ihn dann auf die Oberflaͤche des Wassers streuen. Nach dem Zusaze dieses Pulvers muß man aber jede staͤrkere Bewegung der Fluͤssigkeit sorgfaͤltig vermeiden. Man kann den Alaun, welcher noͤthig ist, auch in einer geringen Menge klaren Wassers aufloͤsen, und diese Aufloͤsung dann auf das truͤbe Wasser, welches man klaren will, gießen. Ruͤhrt man die oberste Schichte des Wassers, nachdem dieser Zusaz geschehen, sachte um, und laͤßt man die Fluͤssigkeit dann ruhig stehen, so erhaͤlt das Wasser sogar einen hohen Grad von Reinheit. Der Niederschlag, welchen der Alaun gibt, ist dem Gewichte nach, im Verhaͤltnisse zur Menge des angewendeten Salzes, weit groͤßer, als angegeben worden. Man koͤnnte dem Wasser also ohne Nachtheil mehr als ein 1/4 Gramme und selbst mehr als 1/2 Gramme Alaun auf das Liter zusezen. Die Versuche, die ich in Aegypten machte, wurden mit Kalialaun angestellt; ich glaube jedoch, daß man mit Ammoniumalaun dieselben Resultate erhalten koͤnnte. Ich habe diese Klaͤrungsmethode, die mir waͤhrend meines Aufenthaltes zu Cairo immer so gut gelang, allgemein zu verbreiten gesucht, und Hoffe, daß sich dieselbe nach und nach verbreitet haben wird. Schon zur Zeit meiner Abreise fing man in der Fabrik des Hrn. Ayem kleine Paͤkchen Alaunpulver zu diesem Zweke zu fabriciren an.