Titel: | Ueber das Naphthalin und zwei neue Verbindungen des Kohlenstoffs mit dem Wasserstoff; von Hrn. Dumas. |
Fundstelle: | Band 47, Jahrgang 1832, Nr. XXXIX., S. 199 |
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XXXIX.
Ueber das Naphthalin und zwei neue Verbindungen
des Kohlenstoffs mit dem Wasserstoff; von Hrn. Dumas.
Aus den Annales de Chimie et de Physique. Junius 1832, S.
182.
(Im
Auszuge.)
Dumas, uͤber das Naphthalin.
Von den zwei neuen Verbindungen des Wasserstoffs mit dem Kohlenstoff scheint
wenigstens eine mit dem Naphthalin isomer zu seyn.
Naphthalin. Das Naphthalin ist eine sehr
merkwuͤrdige Verbindung von Kohlenstoff mit Wasserstoff, welche von Kidd entdekt und von Faraday
zuerst genauer untersucht wurde; durch lezteren lernten wir ihre Zusammensezung und
ihre auffallendsten und wichtigsten Eigenschaften kennen. In der lezteren Zeit
wurde sie in Frankreich von Laurent
Polytechnisches Journal Bd. XLI. S.
64. A. d. R. und in Deutschland von Reichenbach, Oppermann,
Woͤhler und Liebig untersucht.
Das Naphthalin schmilzt bei 79° C. und kocht bei 212° C. Die
Dichtigkeit seines Dampfes ist nach meinen Versuchen gleich 4,528 und ein Liter
seines Dampfes wiegt 5,882 Gramme.
Nach den Analysen von Faraday und Laurent enthaͤlt das Naphthalin 5 Atome Kohlenstoff und 2 Atome
Wasserstoff. Diese Zusammensezung stimmt mit der Dichtigkeit des Dampfes
uͤberein, welche ich gefunden habe und leztere beweist, daß jedes Volumen
Naphthalin enthaͤlt:
10 Vol.
Kohlenstoff
4,213
4 Vol. Wasserstoff
0,2752
––––––
1 Vol. Naphthalin
4,4882
Anderer Seits geben uns die fruͤheren Versuche von Faraday und die neueren von Woͤhler und
Liebig ein Mittel an die Hand, das Atomgewicht des
Naphthalins zu berechnen. Nach diesen lezteren, welche ein reineres Product
angewandt zu haben scheinen, erfordern 13,92 Schwefelsaͤure zu ihrer
Saͤttigung 45,58 Naphthalin, wonach das Atomgewicht dieser Substanz 1641 ist.
Nimmt man 4 Vol. Naphthalindampf, so findet man folgende Resultate:
40 Atome
Kohlenstoff
1530,4
16 Atome Wasserstoff
100,0
––––––
1 Atom Naphthalin
1630,4
Die Uebereinstimmung dieser beiden Zahlen beweist, daß das Naphthalin dem
gewoͤhnlichen oͤhlerzeugenden Gas
(Doppelt-Kohlenwasserstoffgas) vollkommen aͤhnlich ist. Wie bei diesem
lezteren entspricht jedes Atom vier Volumen.
Ich habe besonders das Verhalten des Chlors zum Naphthalin genau untersucht. Wenn das
Naphthalin mit Chlor in Beruͤhrung gebracht wird, so schmilzt es zuerst,
indem es sich mit demselben verbindet. Bald wird aber die Masse neuerdings fest, und
man erhaͤlt eine eigenthuͤmliche Verbindung, deren Verhalten bei der
Destillation und zu den Alkalien weiter unten angegeben ist. Waͤhrend dieser
Einwirkung entwikelt sich Chlorwasserstoffsaͤure. Diese Verbindung gab bei
der Analyse:
Berechnet.
Wasserstoff
3,12
2,94
Kohlenstoff
44,69
45,00
Chlor
52,19
52,06
–––––––––––––––
100,00
100,00
Das Resultat wurde nach der Formel Ch² + C¹ºH⁴ berechnet,
welche 2 Vol. Chlor und 1 Vol. Naphthalin entspricht. Die Verbindung enthaͤlt
folglich zwei Mal so viel Chlor als das Oehl des oͤhlerzeugenden Gases im
Verhaͤltniß zu dem Kohlenwasserstoff, der ihr zur Basis dient. Verbindet sich
nun das Chlor geradezu mit dem Naphthalin oder mit einer auf seine Kosten gebildeten
weniger Wasserstoff enthaltenden Substanz? Daß in dem Naphthalin der Kohlenstoff zum
Wasserstoff in dem Verhaͤltniß von 5 At. zu 2 At. steht und wir in dem
Naphthalinchloruͤr dasselbe Verhaͤltniß wieder finden, scheint
fuͤr die Ansicht zu sprechen, daß das Naphthalin in diesem Chloruͤr
unveraͤndert ist; die Sache wird aber durch den Umstand, daß sich
waͤhrend der Entstehung des Naphthalinchloruͤrs Salzsaͤure
entwikelt, etwas zweifelhaft.
Das Naphthalin ist also eine Verbindung, welche man als aus 10 Vol. Kohlenstoff und 4
Wasserstoff bestehend betrachten muß; dabei ist aber zu bemerken, daß das
Atomgewicht des Kohlenstoffs noch nicht ganz genau bestimmt ist, was auf
Berechnungen dieser Art keinen unbedeutende Einfluß hat.
Laurent hat gezeigt daß das Naphthalin ganz gebildet in
dem Steinkohlentheer vorhanden, aber darin durch ein Oehl aufgeloͤst ist,
oder vielmehr daß es darin in einer Verbindung vorkommt, woraus man es schwer und
fast unmoͤglich unmittelbar trennen kann. Erst wenn man diesen Theer lange
Zeit der Luft aussezt, deren Sauerstoff er ohne Zweifel absorbirt, laͤßt sich
das Naphthalin leicht ausziehen. Man erhaͤlt dasselbe Resultat, wenn man den
Theer, oder das Oehl, welches ihn bei der Destillation liefert, mit einem Strom
Chlor behandelt. Es bildet sich dabei eine große Menge Chlorwasserstoffsaͤure
und das Naphthalin laͤßt sich hierauf leicht isoliren. Hieraus schließt Laurent, daß das Naphthalin wahrscheinlich als solches,
aber in chemischer Verbindung, in dem Theer vorhanden ist.
Hr. Reichenbach hat aus seinen eigenen Versuchen einen
ganz entgegengesezten Schluß gezogen; wenn man aber seine Abhandlung aufmerksam
liest, so uͤberzeugt man sich, daß die meisten seiner Resultate eine Revision
beduͤrfen, denn er kannte nicht die geeigneten Verfahrungsarten, um das
Naphthalin in den oͤhligen Fluͤssigkeiten aufzufinden, worin er es
vergebens suchte.
Paranaphthalin. Das Paranaphthalin kommt mit dem
Naphthalin in dem Steinkohlentheer vor, aus welchem ich es in Gesellschaft des Hrn.
Laurent darstellte. Wir haben es auch
gemeinschaftlich untersucht. Man ist heut zu Tage in der organischen Chemie noch
nicht so weit vorgeschritten, daß sich die Erscheinungen bei der Destillation des
Steinkohlentheers genau erklaͤren ließen; wir begnuͤgen uns daher so viel davon zu
sagen, als noͤthig ist, um den Versuch mit Erfolg wiederholen zu
koͤnnen.
Es lassen sich bei der Destillation des Steinkohlentheers vier Epochen
unterscheiden.
Das erste Product ist eine oͤhlige Substanz, welche viel reines Naphthalin
liefert.
Das zweite Product ist auch noch oͤhlig, liefert aber zugleich Naphthalin und
Paranaphthalin, die man durch Alkohol von einander trennen kann.
Das dritte Product ist klebrig. Es enthaͤlt so zu sagen nur Paranaphthalin,
aber außerdem eine klebrige Substanz, welche seine Reinigung sehr schwierig
macht.
Das vierte und lezte Product endlich unterscheidet sich von dem vorhergehenden nur
dadurch, daß es auch die roͤthlichgelbe oder orangefarbige Substanz
enthaͤlt, welche sich gegen das Ende aller Destillationen dieser Art
zeigt.
Um das Paranaphthalin aus dem zweiten dieser Products auszuziehen, braucht man es nur
auf 10° unter Null abzukuͤhlen. Das Paranaphthalin sezt sich in
krystallinischen Koͤrnern ab; man bringt es auf Leinewand, um es
auszudruͤken und behandelt es sodann mit Alkohol, welcher die
ruͤkstaͤndige oͤhlige Substanz, nebst dem Naphthalin
aufloͤst, das Paranaphthalin aber fast gaͤnzlich
zuruͤklaͤßt. Wenn man das Paranaphthalin dann zwei oder drei Mal
destillirt, so erhaͤlt man es sehr rein.
Das dritte und vierte Product erfordern eine verschiedene Behandlung. Man
loͤst das Ganze in moͤglichst wenig Terpenthinoͤhl auf und sezt
diese Aufloͤsung einer Kaͤlte von 10° unter Null ausDas Paranaphthalin wird vorher in Terpenthinoͤhl aufgeloͤst,
damit es in etwas harten Koͤrnern krystallisiren kann; ohne diese
Vorsichtsmaßregel koͤnnte man es von der dasselbe begleitenden
oͤhligen Substanz nicht durch Auspressen trennen. A. d. O.. Das Paranaphthalin krystallisirt und kann leicht auf Leinewand gesammelt
werden. Es wird nun ausgepreßt, mit Alkohol ausgesuͤßt und durch Destillation
gereinigt.
Das Paranaphthalin schmilzt erst bei 180°, waͤhrend das Naphthalin bei
79° schmilzt. Es kocht erst bei einer Temperatur uͤber 300°,
waͤhrend das Naphthalin bei 212° kocht.
Das Paranaphthalin kann ohne eine Veraͤnderung zu erleiden, destillirt werden,
wenigstens vermindert sich das Volumen des kehligen Ruͤkstandes, welchen es
anfangs hinterlaͤßt, so weit, daß er zulezt fast unwaͤgbar wird. Es
sublimirt sich leicht, ehe es in Fluß kommt, und verdichtet sich in gut ausgebildeten
blaͤtterigen. Krystallen ohne bestimmbare Form.
Das Paranaphthalin ist in Wasser unaufloͤslich. Es loͤst sich selbst in
kochendem Alkohol kaum auf und schlaͤgt sich aus demselben in Floken nieder,
wodurch es sich sehr leicht von dem Naphthalin unterscheiden laͤßt, welches
sich reichlich in siedendem Alkohol aufloͤst und daraus in
voluminoͤsen Krystallen abscheidet. Der Aether verhaͤlt sich wie der
Alkohol. Das beste Aufloͤsungsmittel dieser Substanz ist das
Terpenthinoͤhl.
Die concentrirte Schwefelsaͤure loͤst in der Waͤrme das
Paranaphthalin auf und nimmt eine schmuzige gruͤne Farbe an, die
wahrscheinlich von Spuren der orangefarbigen Substanz herruͤhrt, welche das
Paranaphthalin immer begleitet. Da diese orangefarbige Substanz die Saͤure
gelb faͤrbt, so waͤre es nicht unmoͤglich, daß das
Paranaphthalin fuͤr sich der Schwefelsaͤure eine blaue Farbe
mittheilt.
Die Salpetersaͤure wirkt auf eine sehr merkwuͤrdige Art auf das
Paranaphthalin; sie greift es mit Entbindung von vielem Salpetergas an und
hinterlaͤßt einen Ruͤkstand, welcher sich wenigstens zum Theil in
Nadeln sublimirt.
Wir haben die Analyse des Paranaphthalins sehr oft wiederholt und diese Substanz nach
der Analyse durch neue Destillationen gereinigt, um zu sehen, ob ihre Zusammensezung
variirt. Die Resultate von vier uͤbereinstimmenden Analysen beweisen, daß es
in seiner Zusammensezung von dem Naphthalin durchaus nicht verschieden ist.
I.
II.
III.
IV.
Kohlenstoff
93,38
93,73
93,80
93,8
Wasserstoff
5,96
5,82
6,37
6,2
–––––––––––––––––––––––––––
99,34
99,55
100,17
100,0
Der Kohlenstoff und der Wasserstoff sind also in dem Verhaͤltniß von 5 At. zu
2,02 verbunden, das heißt in dem Verhaͤltniß von 5 zu 2, wie in dem
Naphthalin.
Da das Naphthalin erst uͤber dem Siedepunkt des Queksilbers ins Kochen kommt,
so war die Dichtigkeit seines Dampfes etwas schwierig zu bestimmen. Man mußte sich
des Luftthermometers bedienen und befuͤrchten seine Temperatur zu viel oder
zu wenig zu erhoͤhen. Der Ballon, welcher den Dampf enthielt wurde erst dann
verschlossen, nachdem die Entbindung gaͤnzlich aufgehoͤrt hatte.
Folgendes sind die Resultate:
Gewicht des Dampfes
0,677 Gramme.
Hohlraum des
Ballons
180 Kubikcent.
Barometer
0,751 Meter.
Thermometer
12°,5
Luftthermometer. –
Hoͤhe des Queksilbers
0,116 Meter.
Zuruͤkgetretenes
Queksilber
28,833 –
Queksilber in Allem
62,520
Die Temperatur war also auf 450° C. gebracht worden; reducirt man sie auf
0° und 0,76 B., so ergibt sich das Gewicht eines Liters Paranaphthalin zu
8,758 Grammen; die Dichtigkeit seines Dampfes wuͤrde gleich 6,741. Nimmt man
nun
15 Vol. Kohlenstoff
6,3195
6 Vol. Wasserstoff
0,4128
––––––
So findet man
6,7323
eine Zahl, die mit der vorhergehenden
uͤbereinstimmt.
Das Paranaphthalin waͤre also mit dem Naphthalin isomer, aber drei Volumen
Naphthalin repraͤsentiren nur zwei von Paranaphthalin.
Mit dieser Verdichtung stimmt auch die verschiedenartige Fluͤchtigkeit dieser
beiden Substanzen uͤberein. Das Paranaphthalin, weniger schmelzbar und
weniger fluͤchtig als das Naphthalin, ist auch verdichteter als dasselbe,
oder mit anderen Worten, gibt einen dichteren Dampf.
Das Paranaphthalin und das Naphthalin, der gewoͤhnliche doppelte
Kohlenwasserstoff (oͤhlerzeugendes Gas) und der von Faraday entdekte Doppeltkohlenwasserstoff, sind bis jezt die einzigen
fluͤchtigen isomerischen Substanzen, deren Dichtigkeiten man im
dampffoͤrmigen Zustande verglichen hat. In Faraday's Kohlenwasserstoff ist die Verdichtung zwei Mal so groß als im
gewoͤhnlichen Kohlenwasserstoff, d.h. die Atome des Kohlenstoffs und
Wasserstoffs sind darin zwar in demselben Verhaͤltniß gegen einander, aber es
sind deren zwei Mal so viele in dem einen als in dem anderen. In dem Paranaphthalin
kommen anderthalb Mal so viel Atome Kohlenstoff und Wasserstoff auf dasselbe Volumen
als in dem Naphthalin; daraus erklaͤrt es sich, daß diese beiden
Koͤrper bei gleicher Zusammensezung specifisch verschiedene Eigenschaften
haben.
Idrialin. Die dritte Substanz, deren Eigenschaften ich
beschreiben will, kennen die Mineralogen bereits durch eine Angabe von Payssé. Dieser Chemiker fuͤhrt unter den
verschiedenen Mineralien, welche in den Queksilberbergwerken von Idria vorkommen,
eines auf, welches die Eigenschaft hat beim Erhizen eine Menge krystallinischer
Schuppen auszugeben. Das Mineral kommt wahrscheinlich in Idria sehr haͤufig
vor, ist aber in den Sammlungen von Paris sehr selten; in der reichen Sammlung der
École des mines fand ich davon nur ein
einziges Stuͤk; im Jardin du Roi war auch nur ein
einziges Stuͤk, wovon ich einige unzureichende Proben losschlagen konnte. In
der Sammlung der École polytechnique fand ich
aber zwei Exemplare, die mich in Stand sezten einige Versuche anzustellen.
Die drei Stuͤke, uͤber welche ich disponiren konnte, waren im Aeußeren
wenig von einander verschieden. Sie hatten, abgesehen von ihrer braͤunlichen
Farbe, ganz das Ansehen der Steinkohle. Eines derselben enthaͤlt kein
Queksilber; die beiden anderen Spuren. Alle drei kamen, als sie in einer an beiden
Enden offenen Roͤhre erhizt wurden, in Fluß und gaben eine Menge
krystallinischen Staubes aus, der so leicht war, daß er weit in die Luft flog. Wenn
man diesen Staub sammelt, so findet man, daß er aus scharf zugerandeten
Blaͤttchen ohne bestimmbare Form besteht, die außerordentlich leicht und
farblos sind. Es ist dieses der neue Kohlenwasserstoff, dem ich den Namen Idrialin
beilege.
Um das Idrialin zu erhalten, muß man ganz besondere Vorsichtsmaßregeln anwenden, denn
diese Substanz verfluͤchtigt sich nicht ohne eine Zersezung zu erleiden, wie
das Naphthalin und das Paranaphthalin. Sie verfluͤchtigt sich selbst nicht
ohne Zersezung in dem luftleeren Raume oder in einem Gasstrome. Ich gewinne sie auf
folgende Art: Das zerstoßene Mineral wird in eine tubulirte Retorte gebracht, deren
fast senkrecht gestellter Hals in einen langen und engen, unten verschlossenen
Glascylinder taucht; in die Retorte leitet man einen Strom kohlensaures Gas. Erhizt
man die Retorte, so kommt das Mineral in Fluß, kocht und gibt anfangs
Queksilberdaͤmpfe, bald aber Idrialin in Menge aus. Sezt man die Operation
bis zum Schmelzen der Retorte fort, so entwikelt sich dieses Product immer fort bis
aus Ende, ohne daß die geringste Spur Wasser, Bitumen oder Oehl erscheint.
Um das Idrialin von dem Queksilber zu befreien, welches in seinen Floken zerstreut
ist, loͤst man es in reinem und siedendem Terpenthinoͤhl auf. Beim
Erkalten sezt sich das Idrialin so schnell ab, daß die Fluͤssigkeit fast
augenbliklich gelatinirt. Es kann durch ein Filter und nachheriges Auspressen
zwischen Filtrirpapier isolirt werden.
Das Idrialin ist also eine Substanz, welche sich verfluͤchtigen laͤßt,
aber nicht ohne eine Zersezung zu erleiden. Versucht man es zu destilliren, so
verliert man davon wenigstens neun Zehntel, selbst in dem luftleeren Raume oder in
einem Strome von kohlensaurem Gas. Das Idrialin ist schmelzbar, aber erst bei einer
so hohen Temperatur, daß man es nicht leicht in Fluß bringen kann, ohne daß es sich
zersezt.
In Wasser loͤst sich das Idrialin selbst bei der Siedhize nicht merklich auf,
in kochendem Alkohol oder Aether kaum. Das einzige Auflosungsmittel desselben,
welches ich kenne, ist das Terpenthinoͤhl; aber es loͤst sich auch nur
in siedendem Terpenthinoͤhl auf und faͤllt daraus beim Erkalten fast
gaͤnzlich nieder.
Diese verschiedenen Eigenschaften wuͤrden schon hinreichen, um das Idrialin
von allen bekannten Kohlenwasserstoffarten zu unterscheiden; die Wirkung der
Schwefelsaͤure auf dasselbe ist aber so merkwuͤrdig, daß man dadurch
die geringsten Spuren desselben entdeken kann. Erhizt man naͤmlich die
Schwefelsaͤure mit Idrialin, so loͤst diese Saͤure es auf und
nimmt eine blaue, derjenigen des schwefelsauren Indigos aͤhnliche Farbe
an.
Ich hatte so wenig Idrialin zu meiner Disposition, daß ich nur eine sehr geringe
Menge fuͤr die Analyse aufopfern konnte, zweifle aber nicht, daß es ein von
Sauerstoff und Stikstoff ganz freier Kohlenwasserstoff ist. Nachdem ich mich dieses
Resultates versichert hatte, machte ich einen analytischen Versuch, wobei ich das
Wasser und die Kohlensaͤure mit der groͤßten Sorgfalt sammelte. Ich
erhielt sie in dem Verhaͤltniß von 0,080 Wasser und 0,594
Kohlensaͤure; dieß gibt:
Kohlenstoff
164,35
94,9
Wasserstoff
8,88
5,1
––––––––––––
173,23
100,0
Das Idrialin wuͤrde demnach aus 3 At. Kohlenstoff und 1 At. Wasserstoff
bestehen.
Da sich das Idrialin so leicht aus dem Queksilbermineral, worin es enthalten ist,
entwikelt, so brachte mich dieß auf die Vermuthung, daß es darin ganz gebildet
vorhanden ist. Daß es sich allein, rein, ohne Wasser, ohne Theer, ohne Oehl und ohne
ein anderes Gas als ein wenig Schwefelwasserstoff (der von der Zersezung des
Schwefelqueksilbers herruͤhrt) entbindet, bestaͤttigte mich in dieser
Vermuthung. Indessen wollte ich die Frage ganz aufklaͤren und stellte
folgende Versuche mit dem besten Erfolge an. Kochendes Terpenthinoͤhl
entzieht dem gepulverten Mineral etwas, denn es hinterlaͤßt beim Verdampfen
aͤhnliche Krystalle, wie sie das Idrialin liefert. Selbst der kochende
Alkohol loͤst etwas Idrialin auf, wenn er mit dem gepulverten Mineral in
Beruͤhrung ist. Um sich davon zu uͤberzeugen, braucht man nur den
Alkohol zu filtriren und abzudampfen; er hinterlaͤßt einige perlmutterartige
Schuppen; diese suͤßt man mit ein wenig kaltem Wasser aus und bringt sie mit
heißer Schwefelsaͤure in Beruͤhrung, wodurch sich auf der Stelle die
blaue Farbe einstellt, welche die schwefelsaure Aufloͤsung des Idrialins
charakterisirt. Ohne Zweifel wuͤrde sich der Aether auf dieselbe Art
verhalten, was ich aus Mangel an Substanz nicht versuchen konnte.
Nach allen diesen Resultaten ist es mir so wahrscheinlich, daß das Idrialin in dem
Zinnober von Idria als solches vorhanden ist, daß es mir mehr als je erwiesen zu
seyn scheint, daß das Naphthalin selbst ganz gebildet in den Steinkohlen
vorkommt.