Titel: Bemerkungen über die Fabrikation des chlorsauren Kalis; von Hrn. Vée, Apotheker zu Paris.
Fundstelle: Band 48, Jahrgang 1833, Nr. LXXXV., S. 447
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LXXXV. Bemerkungen uͤber die Fabrikation des chlorsauren Kalis; von Hrn. Vée, Apotheker zu Paris. Aus dem Journal de Pharmacie. Mai 1833, S. 270. Vée, uͤber die Fabrikation des chlorsauren Kalis. Die neue Bereitungsart des chlorsauren Kalis, welche Hr. Ganassini in der pharmaceutischen Zeitung von Verona bekannt machte,Das Verfahren zur Bereitung des chlorsauren Kalis, welches Hr. Ganassini in der pharmaceutischen Zeitung von Verona angab, ist nach dem Journal de Pharmacie, Januar 1833, S. 47 folgendes:„Man nimmt eine concentrirte Aufloͤsung eines Pfundes Chlorkalk und loͤst darin anderthalb Unzen krystallisirtes salzsaures Kali auf. Nachdem die Fluͤssigkeit einige Tage gestanden ist, dampft man sie ein; das chlorsaure Kali krystallisirt dann beim Erkalten.“Auf diese Art soll man ungefaͤhr zehn Quentchen chlorsaures Kali erhalten.Schon fruͤher hat Hr. Prof. Liebig in dem Magazin fuͤr Pharmacie, September 1831 (auch in den Annales de Chimie et de Phys., Maͤrz 1832) ein aͤhnliches Verfahren zur wohlfeileren Darstellung des chlorsauren Kalis vorgeschlagen. Er erhizt naͤmlich Chlorkalk in troknem oder aufgeloͤstem Zustande so lange, bis er die Pflanzenfarben nicht mehr bleicht, wodurch bekanntlich ein Gemenge von Chlorcalcium und chlorsaurem Kalk entsteht. Dieses loͤst er in heißem Wasser auf, bringt die Aufloͤsung in die Enge, sezt dann Chlorkalium zu und laͤßt erkalten, wodurch das chlorsaure Kali auskrystallisirt; lezteres wird durch Umkrystallisiren gereinigt. Aus 12 Unzen Chlorkalk, der aber von so geringer Qualitaͤt war, daß er 65 Procent unaufloͤslichen Ruͤkstand hinterließ, erhielt er auf diese Art 1 Unze chlorsaures Kali. Um den Chlorkalk durch Einwirkung der Hize leichter zersezen zu koͤnnen, soll man ihn mit Wasser zu einem Brei anruͤhren und dann zur Trokniß abdampfen; oder falls man ihn aus Chlor und Kalkmilch bereitet, leztere waͤhrend der Operation sehr heiß halten. Das chlorsaure Kali scheidet sich beim Erkalten der Fluͤssigkeiten nicht vollstaͤndig aus; nach drei bis vier Tagen bilden sich noch viele Krystalle, daher man die Fluͤssigkeiten durch Abdampfen concentriren muß. A. d. Red. veranlaßt mich einige Details eines aͤhnlichen Verfahrens mitzutheilen, nach welchem ich sehr große Quantitaͤten von diesem Salze waͤhrend sieben bis acht Jahren mit nicht unbedeutendem Vortheil fabricirte. Damals waͤre es gegen das Interesse des Hauses, womit ich associirt war, gewesen, dieses Verfahren der Oeffentlichkeit zu uͤben geben; uͤbrigens hielt ich es selbst noch fuͤr sehr unvollkommen, als ich diese Fabrikation bereits aufgegeben hatte; es war meine Absicht es wieder vorzunehmen und zu vervollkommnen, da ich aber bisher immer daran verhindert wurde, so beschreibe ich es so, wie es ausgefuͤhrt wurde; es kann anderen Fabrikanten als Anhaltspunkt dienen und sie in Stand sezen ein wohlfeileres Product zu liefern; ohne Zweifel wuͤrde das chlorsaure Kali auch in den Kuͤnsten viel haͤufiger angewandt werden, wenn man es zu einem niedrigeren Preise als bisher erhalten koͤnnte. Ich will zuerst einige theoretische Betrachtungen, die mich bei meinen Versuchen geleitet haben, auseinandersezen. Welche Ansicht man auch uͤber die Natur der unter dem Namen Chloralkalien bekannten Substanzen haben mag, so ist so viel gewiß, daß sie alle Elemente enthalten, um durch eine neue Anordnung ihrer Bestandtheile in chlorsaure Salze und Chloride verwandelt zu werden. Das chlorsaure Kali ist ein in der Kaͤlte sehr schwer aufloͤsliches Salz und wegen dieser Schweraufloͤslichkeit entsteht es auch haͤufig in Fluͤssigkeiten, worin es urspruͤnglich nicht enthalten war, die aber seine Elemente, auf andere Art verbunden, enthielten, wie in den so eben genannten bleichenden Verbindungen. Das Resultat ist immer dasselbe, wir moͤgen leztere als Gemenge von chlorichtsauren Salzen und Chloriden in bestimmten Verhaͤltnissen, oder nach der aͤlteren Ansicht als Verbindungen von Chlor mit Oxyden betrachten; nehmen wir z.B. leztere Hypothese an, nicht als wenn sie die wahre waͤre, sondern weil wir unsere Idee dabei auf die einfachste Art auseinandersezen koͤnnen, so finden wir, daß das Chlorkali aus zwei Aromen Chlor, einem Atom Sauerstoff und einem Atom Kalium besteht. Das chlorsaure Kali besteht aus einem Atom Chlorsaͤure, welche zwei Atome Chlor auf fuͤnf Atome Sauerstoff enthaͤlt, und aus einem Atom Kali, das ein Atom Sauerstoff und ein Atom Kalium enthaͤlt; dieß gibt im Ganzen fuͤr das Atom chlorsauren Kalis, zwei Atome Chlor, eines Kalium und sechs Sauerstoff; die Bestandtheile sind also von derselben Art wie die des Chlorkalis, nur ist viel mehr Sauerstoff vorhanden. Wenn man also eine Aufloͤsung von Chlorkali so weit in die Enge bringt, daß sich chlorsaures Kali wegen seiner Schweraufloͤslichkeit bilden kann, so werden sich fuͤnf Atome Chlorkalt in ChlorkaliumChlorkalinm umaͤndern und die fuͤnf Atome Sauerstoff, welche sie fahren lassen, werden sich mit dem Chloratom eines sechsten zu einem Atom chlorsauren Kalis verbinden. Wenn die Zersezung vollstaͤndig waͤre, duͤrfte daher die Fluͤssigkeit nur noch so viel Chlorkalk enthalten, als bei der bestehenden Temperatur aufgeloͤst bleiben kann. Wenn aber die Fluͤssigkeit, welche zur Zersezung angewandt wird, nicht bloß Kali, sondern im Gegentheil fuͤnf Atome Kalk und nur ein Atom Kali enthielte, so sollte sich offenbar kein chlorsaurer Kalk bilden, weil derselbe sehr leicht aufloͤslich ist, dagegen eben so viel chlorsaures Kali, wie fruͤher entstehen. Das Calcium sollte ganz in Chlorcalcium verwandelt werden. Dieser Erfolg war um so wahrscheinlicher, weil lezteres Chlorid viel aufloͤslicher als das Chlorkalium ist. Man sieht leicht ein, daß man auch noch in dem Falle chlorsaures Kali erhalten muß, wenn auf sechs Atome in Wasser aufgeloͤsten Chlorkalks, bei der gehoͤrigen Temperatur und Concentration ein Atom eines aufloͤslichen Kalisalzes vorhanden ist, welches ein Atom Chlorcalcium oder chlorsauren Kalks durch doppelte Wahlverwandtschaft zersezen kann. Nach der fruͤheren Bereitungsart des chlorsauren Kalis gehen auf sechs Theile Kali fuͤnf rein verloren; wenn man also die Basis des Chlorkaliums durch Kalk, eine beinahe werthlose Substanz, ersezen koͤnnte, so waͤre dieß eine bedeutende Ersparniß; dieß war auch der Zwek des Verfahrens, welches ich vor einigen Jahren befolgte. Ich betrieb damals eine Fabrik chemischer Producte in Verbindung mit Hrn. Gessard. Ein Arbeiter erbot sich uns chlorsaures Kali auf eine, wie er sagte, sehr wohlfeile Art zu fabriciren; sein Verfahren bestand darin, aufgeloͤsten Chlorkalk durch schwefelsaures Kali zu zersezen und die Fluͤssigkeiten dann einzudampfen, um sie krystallisiren zu lassen; es bildete sich aber dabei ein ungeheurer Saz von schwefelsaurem Kalk, den man mit vielem Wasser aussuͤßen mußte, und ehe noch die erhaltenen Fluͤssigkeiten hinreichend concentrirt waren, entband das Chloralkali fast allen seinen Sauerstoff, so daß man kaum Spuren von chlorsaurem Kali erhielt. Nach den oben angefuͤhrten Betrachtungen und in der Voraussezung, daß sich das chlorsaure Kali bloß durch seine Schweraufloͤslichkeit erzeugen kann, vermuthete ich nun, daß wenn man eine hinreichend concentrirte Aufloͤsung von Chlorkalk darstellen und in dieselbe Chlorkali oder kohlensaures Kali oder bloß Chlorkalium in gehoͤrigem Verhaͤltniß bringen wuͤrde, Alles in chlorsaures Kali und Chlorcalcium sich verwandeln muͤßte; ich konnte mich indessen dabei irren, wofuͤr besonders die spaͤteren Versuche von Berzelius sprechen. Um diesen Zwek zu erreichen, ohne die Fluͤssigkeit kochen zu muͤssen, haͤtte die Chlorkalk-Aufloͤsung auf 28 oder 30° Beaumé gebracht werden sollen; ich versuchte eine solche zu erhalten, indem ich eine sehr dike Kalkmilch mit Chlorgas saͤttigte, die Aufloͤsung konnte aber nie uͤber 23 oder 24° gebracht werden, ohne zu krystallisiren und zu einer Masse zu erstarren. Ich entschloß mich nun die Aufloͤsungen nur auf 20° zu bringen und sie durch Kochen zu concentriren, indem ich zugleich die zur Bildung des chlorsauren Kalis noͤthige Menge Chlorkalium zusezte. Ein Theil Chlorkalk wird waͤhrend des Kochens zersezt, indem sich Sauerstoff unter lebhaftem Aufbrausen entbindet. Die Verhaͤltnisse, in welchen diese Zersezung Statt fuchst, sind sehr wandelbar, wie man weiter unten sehen wird und stehen mit der Ansicht des Hrn. Worin Polytechnisches Journal Bd. XXIX. S. 41. in Widerspruch. Ich lasse zwar seiner vortrefflichen Abhandlung alle Gerechtigkeit widerfahren, um so mehr, da sie zu der Zeit, wo sie erschien, mir die Theorie meiner Fabrikation berichtigte, kann aber doch nicht allen seinen Resultaten geradezu beistimmen; ich habe oben einen Fall angegeben, wo die Zersezung des Chlorkalks fast vollstaͤndig Statt fand und er fuͤhrt selbst Versuche von Chenevix an, welcher dabei zwei Mal so viel chlorsaures Kali als er erhielt. Diese Quantitaͤt glaube ich auch bisweilen im Laufe meiner Fabrikation erhalten zu haben. Ich verfuhr dabei folgender Maßen. Man nahm vier Ballons von Steingut und brachte in jeden 8 Kilogr. Braunstein in zollgroßen Stuͤken. Diese Ballons kamen auf einem Ofen in Sandbaͤder, wovon jedes seine eigene Feuerung hatte. An jedem Ballon brachte man eine bleierne oder glaͤserne Roͤhre an, die in eine tiefe und wenig breite Vorlage tauchte; in leztere brachte man 4 Kilogr. (8 Pfd.) gebrannten Kalk, mit beilaͤufig 40 Liter (80 Pfd.) Wasser angeruͤhrt; in jeden Ballon goß man 25 Kilogr. Salzsaͤure, brachte hierauf die Roͤhren an und bedekte die Vorlagen mit einem Bleiblatt, das man mit Kalkteig auflutirte und mit Gewichten beschwerte, um das Gas, welches in einigen Augenbliken, wo die Entbindung zu stark ist, nicht absorbirt wuͤrde, zusammendruͤken zu koͤnnen. Wenn die Gasentbindung nachließ, erhizte man die Ballons und ruͤhrte von Zeit zu Zeit den Kalk, welcher sich auf dem Boden der Vorlagen absezt, um. Man erhaͤlt nach beendigter Operation, wenn der Braunstein von guter Qualitaͤt war, Chlorkalk-Aufloͤsungen von 12 bis 13° Beaumé. Man laͤßt sie sich sezen, gießt das Klare ab und laͤßt den Saz, der aus einem kleinen Kalkuͤberschuß und unaufloͤslichem Halb-Chlorkalk besteht, abtropfen und suͤßt ihn durch Filtriren aus. Die erhaltenen Aufloͤsungen ruͤhrt man noch mit 4 Kilogr. Kalk, der vorher geloͤscht wurde, an und leitet neuerdings einen Strom Chlorgas hinein, wozu man dieselben Quantitaͤten Salzsaͤure und Braunstein verwendet. Da aber das erste Mal Braunstein in Ueberschuß angewandt wurde, so wascht man den Ruͤkstand in den Ballons aus, zerstoßt ihn und verwendet ihn zu den 8 Kilogr., womit die Ballons beschikt werden muͤssen, so daß man nur 6 bis 7 Kilogr. bei jeder Operation zuzusezen braucht. Dadurch kommt die Chlorkalk-Aufloͤsung auf 18 oder 20°; sie wird wie das erste Mal decantirt, der unaufloͤsliche Ruͤkstand ausgewaschen und das Waschwasser an Statt reinen Wassers bei einer neuen Operation benuzt. Die concentrirten Chlorkalk-Aufloͤsungen von diesen beiden Operationen bringt man in einen bleiernen oder gußeisernen Kessel und macht darunter ein moͤglichst lebhaftes Feuer; wenn sie anfangen heiß zu werden, loͤst man darin so viel Chlorkalium auf, daß die Fluͤssigkeit an Baumé's Araͤometer drei oder vier Grade mehr zeigt; dann kocht man sie moͤglichst schnell bis auf 30° oder 31° desselben Araͤometers ein. Wenn die Fluͤssigkeit zu sieden anfaͤngt, muß man sehr aufmerksam seyn, weil die Entwikelung von Sauerstoffgas bisweilen so betraͤchtlich ist, daß die Fluͤssigkeit uͤber den Kessel hinaussteigen koͤnnte, waͤhrend manchmal auch diese Gasentbindung kaum merklich ist. Die concentrirten Fluͤssigkeiten laͤßt man in Schuͤsseln an einem moͤglichst kuͤhlen Orte krystallisiren; es sezt sich daraus ein Gemenge von chlorsaurem Kali und Chlorkalium in sehr wandelbaren Verhaͤltnissen ab. Die Mutterlauge wird wieder auf 36° eingedampft. Es krystallisirt aus ihr neuerdings eine Quantitaͤt Chlorkalium; sie enthaͤlt dann fast nur noch chlorwassersauren Kalk, schmekt aber doch noch sehr stark nach Chlor. Bei diesen beiden Operationen erhielt man aus 112 Kilogr. Braunstein und 400 Kilogr. Salzsaͤure 9 bis 17 Kilogr. chlorsaures Kali. Bei einer Reihe von Operationen, die zu derselben Zeit und genau auf dieselbe Art angestellt wurden, erhielt man jedoch dieses Product in sehr wandelbaren Verhaͤltnissen, naͤmlich 1) . . . . . . . .    9 Kilogr. 2) . . . . . . . . 14 2/10 – 3) . . . . . . . . 10         – 4) . . . . . . . . 15         – 5) . . . . . . . . 15 2/10 – 6) . . . . . . . . 16         – 7) . . . . . . . . 10         – 8) . . . . . . . . 17         – Aehnliche Operationen lieferten, wie man sieht, sehr verschiedene Resultate; ich glaubte zu bemerken, daß die Chlorkalk-Aufloͤsungen, wenn sie waͤhrend des Eindampfens viel Sauerstoffgas entwikelten, weniger chlorsaures Kali gaben; es fragt sich aber immer wieder, warum beim Erhizen eine so verschiedenartige Quantitaͤt Sauerstoff entbunden wird. Dieß verdient untersucht zu werden, indem von der Ausmittelung dieses Umstandes der voͤllige Erfolg eines Verfahrens abhaͤngt, welches, wie wir gesehen haben, bisweilen auf eine bequeme und wohlfeile Art, eine betraͤchtliche Menge chlorsaures Kali lieferte, und von welchem ich nach Versuchen im Kleinen noch vortheilhaftere Resultate erwartet hatte. Man koͤnnte vielleicht schon jezt aus den vorhergehenden Versuchen folgern, daß von den Chloralkalien durch eine nach ihrer Bildung angewandte Erhizung, selbst unter scheinbar ganz gleichen Umstaͤnden, nicht immer gleiche Quantitaͤten zersezt werden. Indessen sind diese Verbindungen so unbestaͤndig, daß irgend ein physischer Umstand, z.B. der Zustand oder die Natur der Abdampfungsgefaͤße oder eine fremdartige in ihnen schwebende Substanz, die nicht bemerkt wurde, die lebhafte Sauerstoffentbindung veranlassen konnte, welche uns unter gewissen Umstaͤnden um das chlorsaure Kali brachte. Diese Umstaͤnde sind gewiß aller Beachtung werth, und ich habe mir auch vorgenommen, sie noch zu studiren; so viel scheint mir aber ausgemacht, daß, man mag was immer fuͤr ein Verfahren zur Bereitung des chlorsauren Kalis anwenden, es moͤglich und vorteilhaft seyn muß, an Statt der bisher angewandten Aufloͤsung von kohlensaurem Kali, Kalk und ein wohlfeiles Kalisalz zu benuzen.