Titel: Ueber ein optisches Kennzeichen, wodurch man sogleich erfahren kann, ob der in einem Pflanzensafte enthaltene Zuker dem Trauben- oder Rohrzuker analog ist; von Hrn. Biot.
Fundstelle: Band 49, Jahrgang 1833, Nr. XII., S. 36
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XII. Ueber ein optisches Kennzeichen, wodurch man sogleich erfahren kann, ob der in einem Pflanzensafte enthaltene Zuker dem Trauben- oder Rohrzuker analog ist; von Hrn. Biot. Aus den Annales de Chimie et de Physique. Januar 1833, S. 58. Biot, uͤber ein optisches Kennzeichen des Trauben- oder Rohrzukers. Ich habe neulich der Akademie eine Abhandlung uͤber die kreisfoͤrmige Polarisation (polarisation circulaire) uͤbergeben und darin bemerkt, daß der Traubenzuker die merkwuͤrdige Eigenschaft hat, die Polarisationsebenen der leuchtenden Strahlen gegen die Linke zu wenden, so lange er nicht den festen Zustand angenommen hat und sie bestaͤndig zur Rechten zu wenden, sobald er einmal in festen Zustand uͤbergegangen ist, selbst wenn man ihn durch Aufloͤsen in Wasser oder Alkohol wieder fluͤssig macht. Verschiedene Indicien ließen mich vermuthen, daß bei dem Rohrzuker, wenn er in festen Zustand uͤbergeht, keine so schnelle Veraͤnderung des Molecularzustandes Statt finden duͤrfte, so daß er vor wie nach seinem Festwerden die Polarisationsebenen in den Pflanzensaͤften, worin er enthalten ist, gegen die Rechte wenden wuͤrde. Diese Vermuthung bestaͤtigte sich auch bei meinen Versuchen vollkommen. Der Runkelruͤbensaft bewirkt schon die Drehung gegen die Rechte, von dem Augenblike an, wo Man ihn auspreßt, und er wirkt bestaͤndig auf dieselbe Art bei allen Graden von Verdichtung, die man ihm geben kann, den festen Zustand inbegriffen. Ebenso verhaͤlt es sich mit dem Safte, welcher aus der Pastinake, der Stekruͤbe und der Moͤhre ausgepreßt wird, in welchen die Chemiker auch schon vor langer Zeit einen groͤßeren oder geringeren Gehalt an Rohrzuker nachgewiesen haben. Dieselbe Zukerart hat bekanntlich Hr. Wittstock, ein deutscher Chemiker, in dem Eibisch entdekt. Die HH. Boutron und Pelouze, welche gemeinschaftlich eine Untersuchung dieser Wurzel anstellten, erhielten daraus schon bei der bloßen Behandlung mit kaltem Wasser einen suͤßen Syrup, dessen Drehungsrichtung sie kennen zu lernen wuͤnschten. Sie beobachteten dieselbe mit mir, und diese Richtung zeigte sich ebenfalls gegen die Rechte, daher das fragliche Product dem Rohrzuker analog ist, wie es auch Hr. Wittstock angab. Es ist also ausgemacht, daß die Umkehrung ihres Zustandes im Augenblike des Festwerdens dieser besonderen Zukerart eigenthuͤmlich ist, man mag sie nun aus Trauben, Aepfeln, Birnen oder vielen anderen Vegetabilien, worin sie enthalten ist, ausziehen; die Drehung gegen die Linke zeigt folglich bei einem Pflanzensafte an, daß er Traubenzuker, und die Drehung gegen die Rechte, daß er Rohrzuker enthalten kann. Diese beiden Erscheinungen deuten uͤbrigens nur einen moͤglichen Fall an und geben keine Gewißheit, weil die Drehung gegen die Rechte sowohl als gegen die Linke noch durch eine Menge verschiedenartiger Substanzen veranlaßt werden kann; man lernt durch sie aber wenigstens, welche Zukerart man in einem Pflanzensafte, nach der Richtung seiner Drehkraft, aufsuchen muß. Abgesehen von diesem Resultate, haben mir die besprochenen Versuche mehrere andere Erscheinungen dargeboten, welche die Chemiker, die Zukerfabrikanten und die Oekonomen interessiren koͤnnen. Ich will sie in Kuͤrze angeben. Es war der Saft der Gartenpastinake (pastinaca sativa), bei dem ich sie beobachtete. Dieser Saft zeigt sich, wenn er aus der zerriebenen Wurzel frisch ausgepreßt ist, klebrig und zaͤhe wie derjenige von Eibisch. Versucht man ihn aber durch graues Filtrirpapier zu filtriren, so geht er doch zum Theil durch und gibt eine klare Fluͤssigkeit von gelblicher Farbe. Diese Fluͤssigkeit zeigte sich in einer 160 Millimeter langen Roͤhre von einer sehr dunklen roͤthlichen Orangefarbe und verursachte eine Drehung gegen die Rechte gleich 3°,25, was 2°,72 fuͤr die Drehung des aͤußersten Roth gibt. Diese Abweichung entspricht nur drei Procent Rohrzuker, in der Fluͤssigkeit aufgeloͤst.Da ich von dieser Inductionsweise oͤfters Gebrauch machen muß, so ist es noͤthig, daß ich das Princip angebe, worauf sie beruht.In meiner Abhandlung uͤber die kreisfoͤrmige Polarisation, wovon wir hier eine Anwendung machen, maß ich die Drehung, welche den Polarisationsebenen der leuchtenden Strahlen mitgetheilt wird, unmittelbar durch mehrere Aufloͤsungen von Rohrzuker in destillirtem Wasser, die ich in bestimmten Verhaͤltnissen bereitet hatte. Aus diesen Elementen und der bekannten Dichtigkeit der Aufloͤsungen berechnete ich, nach theoretischen Principien, die in meiner Abhandlung entwikelt sind, die absolute Drehkraft der Rohrzukermolecule unter der Dike eines Millimeters und fuͤr eine Dichtigkeit, die ich zur Einheit nahm; ich konnte nun fuͤr jede andere Zukeraufloͤsung, deren Dichtigkeit und Zusammensezung bekannt war, den Bogen der Drehung berechnen, die sie jedem einfachen Strahle, von welcher Art er sey, mittheilt. Auf diese Art habe ich die folgende Tabelle hergestellt, worin die Dichtigkeit der Aufloͤsungen nach der Interpolationsmethode aus denjenigen, welche ich beobachtet habe, abgeleitet sind. Die Berechnungen sind fuͤr die besondere Art von rothen Strahlen in der Nahe, des aͤußersten Roth gemacht, welche durch das mittelst Kupfer Oxyduls roth gefaͤrbte Glas hindurchgehen. Es ist dieß diejenige Glassorte, welche die Physiker bei ihren optischen Untersuchungen gewoͤhnlich anwenden, um durch Transmission erwaͤrmende Strahlen, die genau unter sich vergleichbar sind, zu erhalten.Tabelle uͤber die Drehungen, welche der Polarisationsebene eines und desselben rothen Strahles durch verschiedene Proportionen von Rohrzuker ertheilt werden, die in destillirtem Wasser aufgeloͤst sind, und die man durch eine stets gleiche Dike von 160 Millimeter beobachtet.Antheil von Kandiszuker  in der Gewichtseinheit      der Aufloͤsung. Dichtigkeit der Aufloͤsung,  die des destillirten kaltenWassers als 1 angenommen.    Drehungsbogen, welcher  von der Polarisationsebenedes rothen Strahles durch eine       Dike von 160 M. M.          beschrieben wird.            0,01            1,004               0°,888            0,02            1,008               1°,783            0,03            1,012               2,684            0,04            1,016               3,393            0,05            1,020               4,509            0,06            1,024               5,432            0,07            1,028               6,363            0,08            1,032               7,300            0,09            1,036               8,244            0,10            1,040               9,196            0,11            1,045             10,153            0,12            1,049             11,128            0,13            1,053             12,104            0,14            1,057             13,087            0,15            1,062             14,079            0,25            1,105             24,413            0,50            1,231             54,450            0,65            1,311             75,394Die Drehungsboͤgen sind in Sexagesimalgraden und Decimalbruͤchen dieser Grade ausgedruͤkt. Die drei lezten Zeilen enthalten die Verhaͤltnisse, bei denen die Beobachtungen uͤber die Drehung und die Dichtigkeit gemacht wurden. Die correspondirenden Drehungen sind aus dem mittleren beobachteten Resultate abgeleitet. Die anderen Dichtigkeiten sind aus Interpolationen, welche durch die drei lezteren angegeben werden, abgeleitet, und nachdem dieses, einzige Element so erhalten war, konnte das Uebrige durch eine genaue Berechnung gefunden werden. Der geringe Einfluß, welchen Verschiedenheiten in der Dichtigkeit bei sehr schwachem Zukergehalte auf den Drehungsbogen haben, laͤßt mich daß diese Tabelle sich nirgends merklich von der Wahrheit entfernen wird. Man ersieht aus ihr sogleich den Rohrzukergehalt, der jeder beobachteten Drehung entspricht, vorausgesezt, daß diese Drehung durch eine waͤsserige Zukeraufloͤsung bewirkt wird. Die Dichtigkeiten gelten auch nur fuͤr diesen Fall. Diese Tabelle zeigt auch, daß die Drehung, die durch ein Procent Zuker hervorgebracht wird, bei der optischen Beobachtung nicht leicht entgehen kann, selbst wenn man die Dike auf 160 Millimeter beschraͤnkt, wie es bei den berechneten Boͤgen vorausgesezt ist.A. d. O. Nun fanden aber die Chemiker, welche den Saft der Pastinake analysirten, darin viel mehr Zuker. Daraus mußte ich schließen, daß nur der am wenigsten zukerhaltige Theil durch das Filter gegangen war, waͤhrend der uͤbrige Zuker in der klebrigen Fluͤssigkeit zuruͤkblieb, welcher vielleicht eine gewisse Menge Pflanzeneiweiß ihre Klebrigkeit ertheilte. Ich kochte den Saft einen Augenblik, um dieses Eiweiß zum Gerinnen zu bringen; und in der That schied sich davon sogleich ein Schaum ab, den ich beseitigte, worauf die Fluͤssigkeit auch ganz klar war, vollkommen klar sich filtrirte und in derselben Roͤhre von 160 Millimeter Laͤnge beobachtet, immer eine Drehung gegen die Rechte zeigte, jezt aber von 13°,20 fuͤr das aͤußerste Roth, was nicht mehr 3, sondern 14 Procent in Wasser aufgeloͤsten Rohrzukers entspricht. So viel Zuker fand aber Hr. Drapier in dem Safte der Pastinake nicht und es ist nicht einmal ausgemacht, daß aller Zuker, den er fand, krystallisirbarer Rohrzuker war. Ich vermuthete nun, daß ein Theil dieser Wirkung durch, das Freiwerden der Substanz hervorgebracht wurde, welche ich mit Hrn. Persoz Dextrin genannt habe; sie befindet sich im Inneren der Staͤrkmehlkoͤrner, und muͤßte hier durch das Sieden aus denselben ausgeschieden worden seyn; dieß ist um so wahrscheinlicher, weil der Pastinakensaft eine sehr betraͤchtliche Menge freier Saͤure enthaͤlt, womit sie also in Beruͤhrung ist, und durch die sie aus ihren Huͤlsen frei geworden seyn kann, gerade so wie wenn man Kartoffelstaͤrkmehl mit verduͤnnter Schwefelsaͤure in Beruͤhrung bringt. Von dieser Analogie geleitet, suchte ich, das Dextrin aus diesem Safte auszuscheiden; ich faͤllte es naͤmlich mit Alkohol, suͤßte es mit derselben Fluͤssigkeit gut aus, loͤste es dann in Wasser auf und beobachtete seine Drehung. Die ersten beiden Eigenschaften hat es mit den natuͤrlichen Gummiarten gemein, durch leztere aber unterscheidet es sich von denselben; da die Gummiarten die Polarisationsebenen gegen die Linke ablenken, waͤhrend das Dextrin sie gegen die Rechte mit großer Energie wendet. In lezterer Richtung wirkte auch der abgeschiedene Niederschlag, woraus sich also ergab, daß derselbe Dextrin war, weil keine bisher bekannte Substanz die chemischen und physischen Eigenschaften vereinigt, die ich ihr oben beigelegt habe. Uebrigens will ich nicht behaupten, daß diese Substanz genau mit derjenigen identisch ist, welche das Kartoffelstaͤrkmehl enthaͤlt: diese Identitaͤt ist ein wichtiger Punkt der Pflanzenorganisation, den ich spaͤter noch weiter untersuchen will. Dadurch erklaͤrte sich die große Zunahme der Drehkraft, welche die Fluͤssigkeit zeigte, nachdem diese Substanz in Freiheit gesezt war; da sie in dem Pastinaksafte aber auch in Beruͤhrung mit einer Saͤure ist, so muß ein langer fortgeseztes Sieden sie natuͤrlich in zukerigen Syrup verwandeln, wie dieses nach den Versuchen, die ich mit Hrn. Persoz anstellte, geschieht, wenn man das Dextrin mit verduͤnnter Schwefelsaͤure kocht. Ob unser Syrup nun, sey es an und fuͤr sich oder durch den Einfluß des ihm beigemengten Rohrzukers, zu krystallisirbarem oder unkrystallisirbarem Zuker erstarren muß, koͤnnen wir noch nicht sagen. Sehr wahrscheinlich wird man ein Gemenge von krystallisirbarem mit unkrystallisirbarem Zuker erhalten. Der Saft der weißen Ruͤbe zeigte mir aͤhnliche Wirkungen. Dieser Saft wurde, nachdem er kalt ausgepreßt worden war, in zwei Theile getheilt, wovon der erste bloß durch weißes Papier filtrirt wurde, ohne daß man ihn erhizte, der andere aber vorher einen Augenblik gekocht wurde. Aus lezterem schied sich wie aus dem Pastinakensafte eine sehr betraͤchtliche Menge eines eiweißartigen Schaumes ab, den man ebenfalls vor dem Filtriren beseitigte. Der gekochte Theil bewirkte eine Drehung gegen die Rechte, welche genau zwei Mal so groß war, als bei dem ungekochten Safte und deren absolute Intensitaͤt vier Procent Rohrzukergehalt entsprach. Die Fluͤssigkeit gab aber bei der Behandlung mit Alkohol einen betraͤchtlichen Niederschlag, welcher sich in Wasser augenbliklich wieder aufloͤste, wie das Dextrin, was mir die ploͤzliche Zunahme der Drehung nach dem Kochen genuͤgend zu erklaͤren schien. Ich habe hier jedoch nicht wie bei der Pastinake die Drehung dieses Niederschlages direct beobachtet, sondern sie nur nach der Kraftzunahme beurtheilt, welche er der Fluͤssigkeit mitgetheilt hatte. Ich kann daher nicht positiv behaupten, daß dieser Niederschlag Dextrin war, obgleich diese Folgerung unendlich wahrscheinlich ist. Der Saft der Stekruͤbe bietet analoge Erscheinungen dar. Wenn man ihn durch bloßen Druk auspreßt und durch Papier filtrirt, so uͤbt der Theil, welcher durchgeht, in einer Roͤhre von 160 Millimeter gar keine merkliche Drehung aus; kocht man ihn aber mit dem Fleische, so erhaͤlt man eine Fluͤssigkeit, zur Rechten wendet, was auch mit der Natur des Rohrzukers, den er enthalten soll, uͤbereinstimmt. Diese Beobachtungen leiteten mich nothwendig darauf, den Runkelruͤbensaft denselben Versuchen zu unterziehen, denn die Kenntniß der unbedeutendsten Eigenschaften dieses Saftes und besonders sein Gehalt an Substanzen, welche unkrystallisirbaren Zuker geben koͤnnen, sind fuͤr die Fabrikanten von der hoͤchsten Wichtigkeit. In der That hat man uͤber diesen Gegenstand einen sehr delicaten Versuch, welcher zu beweisen scheint, daß der Runkelruͤbensaft keinen unkrystallisirbaren Zuker enthaͤlt, sondern bloß Rohrzuker im Verhaͤltnisse von ungefaͤhr zehn Procent des Gewichts der Wurzel. Dieser Versuch wurde von Hrn. Pelouze angestellt; derselbe uͤberzeugte sich zuerst, daß der Alkohol der Runkelruͤbe keine bemerkliche Menge Zukerstoff entzieht, woraus hervorgehen wuͤrde, daß sie keinen unkrystallisirbaren, dem Traubenzuker aͤhnlichen Zuker enthaͤlt, weil ein solcher sich in dem Alkohol aufloͤsen muͤßte; und da sie offenbar krystallisirbaren Rohrzuker enthaͤlt, so mußte Hr. Pelouze folgern, daß nur dieser leztere Zuker darin vorkommt. Es war daher nur noch seine Quantitaͤt zu bestimmen. Dazu ließ er ein gegebenes Gewicht Runkelruͤbensaft gaͤhren und maß die Menge absoluten Alkohols, welche er lieferte. Er berechnete dann hieraus den Zukergehalt und stellte auch wirklich eine waͤsserige Aufloͤsung von Rohrzuker dar, welche genau dasselbe Product an Alkohol gab und das Gewicht des Zukers, der erforderlich war, um diese Gleichheit herzustellen, gab ihm nun den Zukergehalt in der Ruͤbe an, der sich auf diese Art zu ungefaͤhr zehn Procent herstellte: uͤber dieses Resultat mußten sich natuͤrlich die Fabrikanten sehr verwundern, und es konnte ihnen zur Aneiferung dienen, da sie ungeachtet aller Sorgfalt bei ihren Operationen aus den Runkelruͤben nicht mehr als fuͤnf oder sechs Procent Zuker erhalten. Der Vergleich, welchen Hr. Pelouze anstellt, sezt voraus, daß der unkrystallisirbare Traubenzuker in der Fluͤssigkeit, was er auch bewiesen hat, nicht vorhanden ist, und daß also alles Uebrige, was gaͤhrt, nothwendig krystallisirbarer Zuker ist. Nun ist diese Nothwendigkeit aber nicht absolut, weil wir jezt das Dextrin fuͤr sich dargestellt haben und seine chemischen Eigenschaften studiren konnten; denn es gaͤhrt ebenfalls, und verwandelt sich unter dem Einflusse der Saͤuren auch in eine zukerige Substanz; der Alkohol kann es aber nicht aufloͤsen und in diesen geht es daher auch nicht uͤber. Um eine genaue Analyse des Runkelruͤben-Saftes zu erhalten, wodurch sich allein die Fabrikation des Zukers daraus gehoͤrig erklaͤren laͤßt, muß man daher auch wissen, ob diese Substanz darin vorkommt oder nicht. Ich maß zuerst oͤfters und mit großer Sorgfalt die Intensitaͤt der Drehung, welche von dem frisch ausgepreßten Safte der weißen Runkelruͤbe hervorgebracht wird. Wenn ich ihn sogleich nach dem Auspressen vornahm, konnte ich sie durch eine Roͤhre von 160 Millimeter Laͤnge vollkommen beobachten. Die Abweichung gegen die Rechte betrug fuͤr das aͤußerste Roth bisweilen 10°, manchmal 12°,6 je nach den angewandten Wurzeln; dieß entspricht einem Rohrzukergehalte von eilf und vierzehn Procent. Der obere Theil und die Seiten der Wurzel, die weniger reif waren, als ihre Mitte, schienen mir etwas geringhaltiger, im Verhaͤltnisse von neun zu zehn. Die angewandten Ruͤben kamen von einem Felde, welches ich mit 90,000 Kilogr. Mist per Hectar hatte duͤngen lassen, und das 54,000 Kilogr. Wurzeln lieferte, was eine betraͤchtliche Ernte ist, aber noch nicht die staͤrkste, welche sich, wie man sagt, erzielen laͤßt. Der große Gehalt an zukeriger Substanz, welchen die Intensitaͤt der Drehung angab, bestaͤtigt die Bemerkung des Hrn. Pelouze, daß reichlicher Duͤnger den Zukerstoffgehalt dieser Wurzel nicht vermindert, obgleich er, wie man glaubt, auf, die Leichtigkeit ihrer Aufbewahrung Einfluß haben kann: vielleicht, hat die auffallend trokene und warme Witterung waͤhrend eines Theils des Sommers auch dazu beigetragen, ihren Zukerstoffgehalt zu vermehren. Ich mußte darin nun noch das Dextrin aufsuchen. Als ich zu diesem Ende den Saft mit Alkohol behandelte, schied sich daraus ein weißer, dem Dextrin aͤhnlicher Niederschlag ab, der auch wie dieses sich in Wasser vollstaͤndig wieder aufloͤste. Es war dieß kein Pflanzeneiweiß, denn er gerann in der Hize nicht; es war auch kein Gummi, denn er lenkte die Polarisationsebenen nicht gegen die Linke ab; aber auch kein Dextrin, weil er sie nicht gegen die Rechte ablenkte. Derselbe war mit einem Worte absolut unwirksam. Der filtrirte und dann durch thierische Kohle entfaͤrbte Runkelruͤben-Saft scheint mit der Zeit ein aͤhnliches Product, ohne Dazwischenkunft des Alkohols, zu geben. Ich habe noch nicht bestimmt, ob es sich durch bloße Absonderung oder durch Zersezung bildet; dessen ungeachtet scheinen die Beobachtungen, welche ich bisher machen konnte, fuͤr erstens zu sprechen. Denn der uͤbrige Saft, welchem dieses Product entzogen ist, behaͤlt eine Drehkraft in der Richtung des Zukers bei; und so viel ich in diesen nebeligen Tagen ausmitteln konnte, ist die Intensitaͤt seiner Wirkung nicht geschwaͤcht. Man sollte die Natur dieses Productes untersuchen, dessen Bildung oder bloße Gegenwart in dem Runkelruͤben-Safte nothwendig unsere Zukerfabrikanten interessiren muß, weil es auf ihre Operationen Einfluß haben kann. Es waͤre auch von Wichtigkeit, genau den Gehalt der Gartenpastinake an krystallisirbarem Rohrzuker zu bestimmen, so wie die Menge krystallisirbarer oder nicht krystallisirbarer zukeriger Substanz, welche man mit dem in dieser Wurzel enthaltenen Dextrin hervorbringen kann, so wie es mit dem Dextrin des Kartoffel-Starkmehles geschieht. Dieß muͤßte die Zukerfabriken interessiren, welche unter zwei bedeutenden commerciellen Schwierigkeiten leiden: die erste ist, daß sie nur einige Monate lang nach der Ernte noch mit Vortheil arbeiten koͤnnen, weil der Zuker sich in den Ruͤben immer mehr zu veraͤndern scheint, je mehr sich der Fruͤhling naͤhert; die zweite ist, daß diese Ernte nothwendig mit derjenigen der Saat zusammenfaͤllt, so daß zu dieser Zeit die Herbeischaffung der noͤthigen Anzahl von Oekonomiepferden kostspielig und schwierig wird. Koͤnnte man die Pastinake mit einigem Vortheile auf die beiden Zukerarten, welche sie enthaͤlt, verarbeiten, so haͤtte man, da sie die Kaͤlte unserer Winter vollkommen vertraͤgt, den doppelten Vortheil, daß man die Arbeiten der Zukerfabrikation laͤnger als bei der Runkelruͤbe hinausschieben und außerdem sie immer leicht, und mit wenig Kosten einsammeln koͤnnte, naͤmlich gerade zu einer Zeit, wo die Oekonomiepferde am wenigsten beschaͤftigt sind. Um diese Frage zu loͤsen, muͤßte man genau die Kosten des Anbaues der Pastinake, so wie die Menge und Natur der Zukerarten, welche sie enthaͤlt, bestimmen: beides ist leicht, und koͤnnte zu nuͤzlichen Folgerungen fuͤhren. Da das Dextrin in den Wurzeln durch das Kochen frei wird, so scheint es mir auch in Betrachtung gezogen werden zu muͤssen, wenn man ihre naͤhrenden Eigenschaften vergleicht. Unter den Versuchen, welche uͤber diesen Gegenstand angestellt wurden, scheinen mir diejenigen des Hrn. Mathieu de Dombasles mit der groͤßten Umsicht unternommen zu seyn; man findet sie in einem der lezten Baͤnde der Annales de Roville beschrieben. Dieser gelehrte Oekonom beschraͤnkte sich nicht darauf, wie man es bisher fast immer gethan hat, Thiere mit einer einzigen Art von Nahrungsmittel zu naͤhren, um dessen naͤhrende Kraft nach dem zu ihrem Unterhalte erforderlichen Gewicht zu schaͤzen. Er besaß zu viel Erfahrung in der Landwirthschaft, als daß er nicht gewußt haͤtte, daß keine Substanz gut naͤhrt, wenn sie den Thieren bestaͤndig und allein gereicht wird, und wenn sie sogar auf diese Art lange Zeit das Leben erhalten kann. Er vertheilte die Thiere, welche er zu seinen Versuchen bestimmte, in mehrere Abtheilungen und brachte zuerst jedes auf einen constanten und permanenten Gewichtszustand, indem er sie mit geeigneten gewoͤhnlichen Nahrungsmitteln, aber von verschiedener Art, fuͤtterte; er entzog ihnen dann ein bekanntes Gewicht von diesen Nahrungsmitteln, zum Beispiel trokenem Luzernerklee, und ersezte ihn durch diese oder jene Art von Wurzeln, wovon er die Dosis allmaͤhlich vermehrte oder verminderte, bis jedes Thier auf sein anfaͤngliches Gewicht zuruͤkkam und sich darauf erhielt. Aus der Vergleichung der so aͤquivalenten Quantitaͤten ergab sich das Verhaͤltniß ihrer Nahrungskraft unter den dabei befolgten Bedingungen. Nach den Resultaten, welche Hr. von Dombasles auf diese Art bei den Schafen erhielt, schienen ihm die Moͤhren als Futter einen weil niedrigeren Rang einzunehmen, als die Oekonomen ihnen allgemein beilegen, und als man selbst nach den Erfahrungen derjenigen glauben sollte, die sie zum Fuͤttern der Pferde benuzten, bei denen sie das Korn ersezen koͤnnen. Man muß aber bemerken, daß Hr. von Dombasles seineu Schafen die Mohren roh gab; und nach dem was ich weiter oben gesagt habe, wird alsdann nur ein kleiner Theil von der inneren Substanz der Starkmehlkoͤrner unmittelbar durch das Kauen entbloͤßt. Der Rest muß durch Kochen in Freiheit gesezt werden. Nun waͤre aber nach den Versuchen von Leuwenhoek diese Substanz allein naͤhrend. Es ist moͤglich, daß der Magen des Pferdes Kraft genug hat, um sie aus ihren Huͤlsen frei zu machen, und daß der Magen des Schafes einer solchen Anstrengung unfaͤhig ist, oder wenigstens es nur unvollstaͤndig thut. Dieselbe Wurzel wird dann in rohem Zustande fuͤr die verschiedenen Thierclassen ungleich naͤhrend seyn. Man ersieht hieraus, daß die Versuche des Hrn. von Dombasles mit gekochten Wurzeln wiederholt werden muͤßten; sie koͤnnten alsdann ganz andere Resultate geben. Aus diesen Betrachtungen kann man aber folgern, daß in Uebereinstimmung mit der allgemeinen Praxis der flaͤmischen Oekonomen, zum Fuͤttern der Thiere die gekochten Wurzeln den rohen vorgezogen zu werden verdienen, weil das Kochen die Huͤlsen des Zellengewebes zerreißt oder erweicht, welche die naͤhrende, gummiartig aussehende Substanz, die ich mit Hrn. Persoz Dextrin nenne, enthalten; Hr. Raspail hat zuerst die Existenz dieser Substanz dargethan und die Art, wie sie in den Pflanzengeweben enthalten ist, genau beschrieben. Diese Anwendungen werden vielleicht als sehr unerwartete Folgerungen aus obigen Versuchen erscheinen. Aber jede wissenschaftliche Thatsache kann, wenn, es oft auch erst spaͤt geschieht, eine nuͤzliche Anwendung finden. Eine mikroskopische Beobachtung, eine optische Eigenschaft, welche anfangs nur merkwuͤrdig und abstract scheint, kann spaͤter fuͤr die Landwirthschaft und Gewerbe wichtig werden. Anmerkung. Als Hr. Raspail die Eigenschaften, welche die innere Substanz der Staͤrkmehlkoͤrner von ihrer rindenfoͤrmigen Huͤlse unterscheiden, bekannt machte, nannte Hr. Chevreul diese Substanz Amidine und die Huͤlse Amidin. Nun hatte aber schon Hr. Th. v. Saussure eine besondere Staͤrkmehlart, die durch eine freiwillige Veraͤnderung der inneren Substanz der Staͤrkmehlkoͤrner entsteht, wenn sie unter Wasser bleiben, Amidine genannt. Um der Verwechslung zu begegnen, welche diese doppelte Benennung veranlassen koͤnnte, glaubten wir, Hr. Persoz und ich, dieselbe aͤndern zu muͤssen, nachdem wir die innere Substanz in hinreichender Menge isolirt hatten, um alle ihre Eigenschaften zu studiren, und wir nannten sie Dextrin, weil sie die Eigenschaft hat, die Polarisationsebenen gegen die Rechte des Beobachters zu wenden, und zwar in hoͤherem Grade als jede bisher bekannte organische Substanz.