Titel: Ueber die Verbindungen der Chromsäure mit den Chlormetallen; von Eugen Péligot.
Fundstelle: Band 49, Jahrgang 1833, Nr. XXVII., S. 138
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XXVII. Ueber die Verbindungen der Chromsaͤure mit den Chlormetallen; von Eugen Péligot. Aus dem Journal de Pharmacie. Junius 1833, S. 301. Péligot, uͤber die Verbindungen der Chromsaͤure mit den Chlormetallen. Die Analogie, welche zwischen dem Sauerstoff, dem Chlor und den anderen elektronegativen Koͤrpern Statt findet, ist nun allgemein anerkannt; sie ist zwischen den Oxyden und Chlormetallen auffallend und auch bei denjenigen Koͤrpern, deren Saͤure und Basis denselben elektronegativen Grundstoff enthalten, noch merklich; sie kann aber nicht mehr durch Thatsachen nachgewiesen werden, sobald wir uns von diesen einfachen Verbindungen entfernen. Unter diesem Gesichtspunkte verdienen hauptsaͤchlich bestimmte Verbindungen von einer Sauerstoffsaͤure und Chlormetallen, welche leztere darin die Rolle der Basis spielen, die Aufmerksamkeit der Chemiker, weil sie die ersten Beispiele von Salzen darbieten, worin der Sauerstoff der Basis durch Chlor ersezt ist. Unter diesen neuen Salzen ist eines, welches, da es sich sehr leicht und wohlfeil darstellen laͤßt, besonders genau untersucht werden kann; und da es in seiner Zusammensezung und seinen wichtigsten Eigenschaften mit den anderen doppeltchromsauren Chlormetallen (Verbindungen von Chlormetallen mit Chromsaͤure) uͤbereinstimmt, so werde ich von diesen lezteren wenig sagen, hingegen sorgfaͤltig Alles beschreiben, was sich auf die Bildung, Eigenschaften und Analyse dieser wichtigen Verbindung bezieht, die ein doppeltchromsaures Chlorkalium ist. Um sie zu erhalten, braucht man nur in Wasser aufgeloͤstes doppeltchromsaures Kali einige Zeit mit Salzsaͤure zu kochen; man erhaͤlt beim Erkalten der Fluͤssigkeit eine verhaͤltnißmaͤßige Quantitaͤt dieses Salzes in Krystallen. Die Theorie des hiebei vorgehenden Processes ist sehr einfach. Die Salzsaͤure wirkt zuerst auf das Kali des doppeltchromsauren Salzes und bildet Chlorkalium und Wasser; zu gleicher Zeit wird Chromsaͤure in Freiheit gesezt. Wenn man die Fluͤssigkeit erkalten laͤßt, nachdem alles Kali in Chlorkalium verwandelt ist, so sezt sie bald große Krystalle von doppeltchromsaurem Chlorkalium ab; so daß alles doppeltchromsaure Kali in Wasser und doppeltchromsaures Chlorkalium verwandelt ist, ehe die Salzsaͤure, von der ich annehme, daß sie in Ueberschuß vorhanden ist, Chromchloruͤr erzeugt, welches erst durch Zersezung des eben gebildeten Salzes entsteht. Folgendes ist die Reaction nach Atomen: Angewendete Atome. 2 At. Chromsaͤure 1304 1  – Kali   589 2  – Chlorwasserstoffsaͤure   454 ––––– 2347 Erzeugte Atome 2 At. Chromsaͤure 1304 1  – Chlorkalium   931 1  – Wasser   112 ––––– 2347 Wir werden spaͤter sehen, daß es noch andere Verfahrungsarten zur Darstellung dieser Verbindung gibt. Bei der Analyse dieser Verbindung verfuhr ich folgender Maßen: Ich loͤste ungefaͤhr 1 Gramm krystallisirten und zwischen Filtrirpapier gut getrokneten Salzes in Wasser auf und goß in die mit Salpetersaͤure angesaͤuerte Fluͤssigkeit tropfenweise salpetersaures Silber: das gut ausgesuͤßte Chlorsilber wurde geschmolzen und gewogen; wenn man vorsichtig verfaͤhrt, faͤllt kein chromsaures Silber nieder; uͤbrigens kann man das allenfalls niedergefallene durch Aussuͤßen mit kochendem und mit Salpetersaͤure geschaͤrftem Wasser leicht aufloͤsen. Ich kochte dann die von dem Chlorsilber abfiltirte Fluͤssigkeit mit schweftlichter Saͤure; diese verwandelt die Chromsaͤure in Oxyd und wird dadurch selbst in Schwefelsaͤure umgeaͤndert: durch Ammoniak schlug ich dann das Chromoxyd nieder; nach sehr langem Kochen, welches erforderlich ist, um alles Chromoxyd zu faͤllen, filtrirte ich den Niederschlag: er wurde dann gut ausgesuͤßt, in einem Platintiegel gegluͤht und aus seinem Gewicht die Menge der Chromsaͤure berechnet. Das Kalium bestimme ich im Zustande von schwefelsaurem Kali; nachdem ich naͤmlich die Fluͤssigkeit, woraus das Chromoxyd abgeschieden wurde, zur Trokniß abgedampft habe, behandle ich den Ruͤkstand mit Schwefelsaͤure und gluͤhe ihn. Nach diesem Verfahren erhielt ich bei verschiedenen Operationen folgende Zahlen: Geschmolzenes Chlorsilber, fuͤr Einen Gramm Salz, 0,795 Gr., welche 19,41 Procent Chlor enthalten. Fuͤr 1,50 Gr. 1,238, welche 20,26 Chlor geben.  – 1  – 0,820     – 20,22      –  – 1  – 0,815     – 20,10      – Chromoxyd. Fuͤr 1 Gr. 0,441 Oxyd, welche 57,30 Chromsaͤure entsprechen.  – 1  – 0,445      – 57,82     –     –  – 1  – 0,448      – 58,21     –     –  – 0  – 0,268      – 58,03     –     – Schwefelsaures Kali. Fuͤr 1 Gr. 0,489, welche enthalten 21,88 Kalium. Berechnet man hiernach die Zusammensezung dieses Salzes, so erhaͤlt man: Chromsaͤure   58,35 Chlorkalium   41,65 –––––– 100,00 Diese Menge Chlorkalium enthaͤlt selbst: Chlor 19,91 Kalium 21,74 ––––– 41,74 Ich fand: Chromsaͤure 58,21 Chlor 19,41 Kalium 21,88 ––––– 99,50 Alle meine anderen Analysen stimmen mit diesen Zahlen gut uͤberein; ich habe sie uͤberdieß im Laboratorium des Hrn. Dumas angestellt, der ihnen eine besondere Aufmerksamkeit schenkte und mir mit seinem Rath und seiner Erfahrung dabei an die Hand ging. Ich gehe nun zu den Haupteigenschaften des doppeltchromsauren Chlorkaliums uͤber. Die Wirkung des Wassers darauf ist merkwuͤrdig: wenn man einen Krystall des doppeltchromsauren Chlorkaliums damit in Beruͤhrung bringt, so wird er, waͤhrend er vorher roth und durchsichtig war, weiß und undurchsichtig; und wenn man, nachdem das Salz sich aufgeloͤst hat, die Fluͤssigkeit sich selbst uͤberlaͤßt, so erhaͤlt man keine Krystalle des angewandten Salzes mehr, sondern Krystalle von doppeltchromsaurem Kali. Lezteres Salz erzeugt sich, man mag die Fluͤssigkeit mittelst der Waͤrme concentrirt haben, oder freiwillig verdunsten lassen. Wenn man an Statt reinen Wassers ein mit Salzsaͤure geschaͤrftes anwendet, welches aber nicht so viel Saͤure enthaͤlt, daß sich die Chromsaͤure in Oxyd verwandeln koͤnnte, so entsteht kein doppeltchromsaures Kali, sondern das Salz krystallisirt in seiner gewoͤhnlichen Form. Endlich kann man nach den relativen Quantitaͤten von Wasser und Saͤure ein Gemenge dieser beiden Salze erhalten u.s.w. Das Wasser wird also durch das doppeltchromsaure Chlorkalium zersezt; sein Wasserstoff verbindet sich mit dem Chlor zu Salzsaͤure, welche frei wird, waͤhrend sein Sauerstoff sich mit dem Kalium vereinigt. Diese Reaction, welche sich zwar voraussehen ließ, ist interessant; es entstehen dadurch gerade die Producte, die vor der Bildung des doppeltchromsauren Chlorids angewandt wurden, was im Folgenden in Atomen ausgedruͤkt ist. Angewandte Atome. 2 At. Chromsaͤure 1304 1  – Chlorkalium   931 1  – Wasser   112 ––––– 2347 Erzeugte Atome. 2 At. Chromsaͤure 1304 1  – Kali   589 1  – Salzsaͤure   454 ––––– 2347 Das doppeltchromsaure Chlorkalium kann man folglich nicht durch Krystallisation reinigen, sondern man muß sich dadurch helfen, daß man es zwischen Filtrirpapier preßt; dieß ist auch die Ursache, warum ich bei meinen zahlreichen Analysen fast immer einen geringen Ueberschuß von Chlor erhielt. Das Bichromat des Chlorkaliums ist ein Salz, welches sehr leicht krystallisirt; seine Krystalle sind gerade Prismen mit rechtwinkeliger Basis; sie haben die Farbe des doppeltchromsauren Kalis und zerfließen ganz und gar nicht. Was seine anderen Eigenschaften betrifft, so ist es unnuͤz sie aufzuzaͤhlen, denn es sind die der Chromsaͤure und des Chlorkaliums; so entwikelt es mit Schwefelsaͤure Chrombichloruͤr u.s.w. Ich habe oben das wohlfeilste Verfahren dieses Salz zu bereiten, angegeben; man kann es auch so darstellen, daͤß man 2 Atome Chromsaͤure mit 1 Atom Chlorkalium vermischt, vorausgesezt daß man die Fluͤssigkeit mit Salzsaͤure schaͤrft. Man erhaͤlt diese Verbindung auch, wenn man das Chrombichloruͤr mit Wasser behandelt, das mit Chlorkalium gesaͤttigt ist; hiebei vereinigen sich alle guͤnstigen Umstaͤnde zu seiner Bildung, weil das Wasser das Chrombichloruͤr in Chromsaͤure und Salzsaͤure zersezt. Dieses Salz duͤrfte wegen seiner leichten Bereitung und seiner Zusammensezung in den Kuͤnsten nuͤzlich werden, wo man Chromsaͤure anwendet. Ich muß bemerken, daß wenn man zu seiner Bereitung statt des doppeltchromsauren, neutrales chromsaures Kali anwendet, die erhaltenen Krystalle mit Krystallen von Chlorkalium gemengt sind. Indem ich das Chrombichloruͤr mit Wasser behandelte, das mit verschiedenen Chlormetallen gesaͤttigt war, erhielt ich die Bichromate von Chlornatrium, Chlorcalcium, Chlormagnesium und Salmiak: die drei ersten sind zerfließend; das vierte ist viel aufloͤslicher als das doppeltchromsaure Chlorkalium; die Aufloͤslichkeit dieser Salze, welche alle gleiche Zusammensezung und dieselben Eigenschaften haben, scheint hauptsaͤchlich von derjenigen der Chloride abzuhaͤngen, die ihnen als Basis dienen. Das Bichromat des Salmiaks gleicht im Aeußeren ganz dem des Chlorkaliums und hat auch dieselbe Krystallform. Es gab bei der Analyse: Chromsaͤure 65,5 Salzsaͤure 23,3 Ammoniak 10,8 –––– 99,8 Nach der Berechnung bestuͤnde es aus: Chromsaͤure   66,0 Salzsaͤure   23,2 Ammoniak   10,8 ––––– 100,0 Bichromate von Chlorbarium und Chlorstrontium konnte ich nicht darstellen, weil gesaͤttigte Aufloͤsungen dieser Chloride durch Zusaz von Salzsaͤure gefaͤllt werden. Die anderen Chloride suchte ich nicht mit Chromsaͤure zu verbinden; diese Untersuchung bietet uͤbrigens wenig Interesse dar, denn wenn solche Verbindungen, was wahrscheinlich ist, existiren, so lassen sich ihre Eigenschaften voraussehen. Obgleich wir bis jezt keine Salze kennen, welche den beschriebenen analog sind, so ist doch ihre Existenz so natuͤrlich und so logisch, daß man nicht zweifeln kann, es werden sich auch Verbindungen derselben Art zwischen anderen oxydirten Saͤuren und Chloriden, die ihnen als Basis dienen, darstellen lassen. Nach der Analogie, welche zwischen den Chloriden und den Cyanmetallen, Schwefelmetallen, Fluoriden u.s.w. Statt findet, ist es hoͤchst wahrscheinlich, daß man auch zwischen diesen Koͤrpern und denselben oxydirten Saͤuren sehr interessante Verbindungen entdeken wird. Die Existenz solcher Verbindungen laͤßt sich meiner Meinung nach voraussehen, denn bei dem gegenwaͤrtigen Zustande der Wissenschaft und besonders in dem Theile, welcher uns beschaͤftigt, gibt es jezt keine isolirten Thatsachen mehr; alle verbinden und verketten sich und jede neue Beobachtung, weit entfernt die Geseze, welche sie regieren muͤssen, zu entkraͤften, nimmt nur die Stelle ein, die ihr eine gesunde Theorie im Voraus angewiesen hatte. Bericht der HH. Chevreul und Dumas uͤber vorstehende Abhandlung. Wir lernen durch diese Abhandlung eine neue Verbindung kennen, das doppeltchromsaure Chlorkalium; außer diesem Salze hat der Verfasser andere analoge dargestellt, indem er statt des Chlorkaliums andere Chloride anwandte: er war aber weniger gluͤklich, wenn er die Chromsaͤure durch andere Saͤuren zu ersezen versuchte. Indessen kann man nach der Analogie schließen, daß sich durch solche Substitutionen sehr mannigfaltige Verbindungen werden bilden koͤnnen. Man braucht nur die zum Gelingen des Versuches noͤthigen Bedingungen zu treffen. Das doppeltchromsaure Chlorkalium erhielt der Verfasser, indem er eine Aufloͤsung von doppeltchromsaurem Kali mit Salzsaͤure kochte. Das Salz krystallisirt beim Erkalten der Fluͤssigkeit in schoͤnen wasserfreien Prismen von dunkelrother Farbe. So oft Chlorkalium mit Chromsaͤure und Salzsaͤure in Beruͤhrung kommt, entsteht dieselbe Verbindung: zu ihrer Bildung scheint es aber noͤthig, daß die Fluͤssigkeit eine gewisse Menge freier Salzsaͤure enthaͤlt; dieß erklaͤrt sich aus den Eigenschaften der neuen Verbindung selbst: Bringt man naͤmlich dieses Salz mit reinem Wasser in Beruͤhrung, so verschlukt es dasselbe augenbliklich, verliert seine Durchsichtigkeit und wird gelblichweiß: loͤst man es in Wasser auf, so erhaͤlt man ein Product, das beim freiwilligen Verdunsten reines doppeltchromsaures Kali liefert. Loͤst man hingegen das neue Salz in Wasser auf, das mit Salzsaͤure geschaͤrft ist, so erhaͤlt man unter denselben Umstaͤnden das Salz unzersezt und es bildet sich kein doppeltchromsaures Kali. Dieses eigenthuͤmliche Verhalten scheint mit einigen noch wenig aufgeklaͤrten Reactionen zusammenzuhaͤngen, die zwischen den Chlormetallen und dem Wasser Statt finden; die Zersezung des Wassers durch die Chloride, welche lange Zeit von den Chemikern angenommen wurde, heut zu Tage aber fast ganz aufgegeben ist, ist einer derjenigen Punkte, welche sich bei dem gegenwaͤrtigen Zustande der Wissenschaft nicht leicht entscheiden lassen. Es scheint daß bei dem eben angefuͤhrten Versuch das Chlorkalium das reine Wasser zersezt, ohne das mit Salzsaͤure geschaͤrfte zersezen zu koͤnnen. Diese Thatsache wuͤrde, so ausgelegt, sich an einige schon bekannte anschließen und wenigstens fuͤr einige Chloride den Beweis herstellen, daß sie das Wasser zersezen koͤnnen. Wir laden den Verfasser ein, die Untersuchung dieser Beobachtung zu verfolgen und sie gruͤndlich zu studiren, um daraus die Folgerungen zu ziehen, welche sie in Betreff der Theorie der Chloride und chlorwasserstoffsauren Salze zu liefern verspricht. Es gelang dem Verfasser, indem er das Chrombichloruͤr auf Wasser und basische Chloride wirken ließ, leicht die dem doppeltchromsauren Chlorkalium analogen Verbindungen darzustellen. Er haͤtte sie auf diese Art alle erhalten koͤnnen und es waͤre interessant gewesen, wenn er die Versuche dieser Art mehr vervielfaͤltigt haͤtte. Er beschraͤnkte sich darauf, die Bichromate des Chlornatriums, Chlorcalciums, Chlormagnesiums und den doppeltchromsauren Salmiak zu bereiten. Die Analysen dieser Salze wurden nach hinreichend genauen Methoden angestellt, und ihre gegenseitige Uebereinstimmung laͤßt keinen Zweifel uͤber die wahre Natur der erhaltenen Verbindungen. Wir muͤssen am Schlusse dieses Berichtes der Verdienste des Hrn. Ampère erwaͤhnen; derselbe hatte naͤmlich schon vor zwanzig Jahren auf eine genaue und auf sichere Thatsachen gegruͤndete Weise die identische Rolle der Chloride, Schwefelmetalle, Oxyde und uͤberhaupt der binaͤren Verbindungen, welche durch Metalle und nichtmetallische Koͤrper gebildet werden, nachgewiesen. Diese Ansichten, welche Hr. Berzelius unter einer anderen, aber weniger gluͤklichen Form spaͤter ebenfalls entwikelte, lassen sich unmittelbar auf den von Hrn. Péligot studirten Fall anwenden. Diese Rolle, welche uns nach den Ansichten von Berzelius so schwer zu verstehen scheint, ist nach dem System, welches Hr. Ampère aufstellte, hingegen ganz einfach und ganz vorausgesehen.