Titel: Ueber die Bereitung von Wein aus getrokneten Trauben. Von C. D. J. N.
Fundstelle: Band 49, Jahrgang 1833, Nr. LVIII., S. 306
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LVIII. Ueber die Bereitung von Wein aus getrokneten Trauben. Von C. D. J. N. Aus dem Journal des connaissances usuelles. Maͤrz 1833, S. 150. Ueber die Bereitung von Wein aus getrokneten Trauben. Das Jahr 1822 war in den suͤdlichen Departements Frankreichs außerordentlich troken; der Winter, der Fruͤhling, der Sommer und der Herbst verflossen beinahe, ohne daß es regnete, und die Hize stieg im Sommer gewoͤhnlich auf 28 bis 30 Grade. Die Fruͤchte sowohl, als andere Produkte der Erde reiften daher sehr fruͤh, so daß die Ernten beinahe durchaus um 15 bis 20 Tage fruͤher fielen, als in den gewoͤhnlichen Jahren. Um Mitte Julius waren die Chasselas, die Muskateller-Trauben etc. schon reif, und die Weinlese begann bereits in den ersten Tagen des Septembers. Um diese Zeit nun waren die Trauben der fruͤhreifen Sorten beinahe so troken wie Rosinen oder Zibeben; der aus den Kelterbuͤtten abfließende Most zeigte 16 bis 17° an Baumé's Araͤometer; der Saft der Muskateller-Trauben war ein wahrer Syrup; der Farbestoff der schwarzen Trauben hatte eine solche Intensitaͤt, daß man, ohne eben uͤbertriebene Hoffnungen zu hegen, erwarten durfte, man koͤnne in diesem Jahre Wein erzielen, der sowohl an Guͤte oder Schwere, als an Intensitaͤt der Farbe den besten spanischen Weinen nicht nachstuͤnde. Allein man taͤuschte sich: die Gaͤhrung erfolgte langsam; die Substanzen, durch welche die Gaͤhrung bewirkt wird, waren in eine zu dike Fluͤssigkeit eingehuͤllt, und konnten also nicht gehoͤrig auf einander einwirken; die Weine blieben zukerig, enthielten nur eine geringe Menge Alkohol, und waren beinahe saͤmmtlich sauer, ehe sie noch von den Trestern abgezogen wurden. Ich ließ mehrere Centner jener Trauben, die beinahe wie Rosinen eingetroknet waren, mittelst Faden an Stangen aufhaͤngen, die ich in einem dunklen und trokenen Gemache anbrachte. Am 15. Mai 1823, d.h. acht Monate spaͤter, weichte ich 20 Pfunde dieser Trauben, welche sich vollkommen gut erhalten hatten, eine kurze Zeit uͤber in Wasser ein, um sie auf diese Weise so zu erweichen, daß ich sie zerquetschen konnte. Diese zerquetschten Trauben uͤbergoß ich in einem Troge mit 16 Liter Wasser, in welchem ich das Gemisch, welches 15° am Araͤometer zeigte, mehrere Male umruͤhrte. Obschon nun die Temperatur der den Trog umgebenden Luft 15° Reaumur betrug, so zeigte sich doch selbst nach einer Woche noch gar kein Zeichen einer eintretenden Gaͤhrung. Einige Tage spaͤter wurde jedoch in dem mit einem Dekel bedekten Troge ein Schimmelgeruch bemerkbar, und endlich verwandelten sich mehrere auf der Fluͤssigkeit zerstreuten Schimmelpunkte in eine Haut, aͤhnlich jener, die auf manchen Essigpraͤparaten entsteht. Am 28. Mai sah ich, nachdem ich die Haut entfernt hatte, daß die Beeren oben auf der Fluͤssigkeit schwammen: ein Umstand, der einige Tage fruͤher noch nicht Statt hatte. Diese Beeren gaben einen leichten Essiggeruch von sich; die Fluͤssigkeit zeigte nur mehr 7° am Araͤometer, und ich gab daher, da die Gaͤhrung auch nach einigen Tagen nicht lebendiger wurde, den ganzen Versuch auf, um dann zu einem zweiten Versuche zu schreiten. Ich brachte naͤmlich am 25. Junius 20 Pfunde derselben Trauben, nachdem ich sie auf gleiche Weise behandelt hatte, mit 16 Liter Wasser in einen anderen Trog, und sezte diesem Gemenge noch 3 Quentchen rohen, nicht gereinigten Weinstein, so wie er im Handel vorkommt, zu, nachdem ich denselben jedoch vorher bis auf das lezte Staͤubchen aufgeloͤst hatte. Am 26. Morgens hatte die Gaͤhrung, bei einer Temperatur von 15°, noch nicht begonnen; ich sezte den Trog daher 2 bis 3 Stunden lang der Sonne aus, worauf die Gaͤhrung schon den Abend so lebhaft geworden war, daß die Fluͤssigkeit bereits um einige Zolle hoͤher als fruͤher stand. Dieser Zustand wahrte bei einer Temperatur von 10 bis 17° bis zum 5. Julius fort, wo die Gaͤhrung dann nachließ, obschon sich der sogenannte Hut noch nicht gesenkt hatte. Die Fluͤssigkeit schien mir, als ich sie an demselben Tage kostete, noch etwas zukerig, von gutem Geschmake und von lebhafter, dunkelrother Farbe; ich ließ sie in Flaschen abziehen, in die ich oben eine fingerhohe Schichte Olivenoͤhl geben ließ, damit sich die Gase entwikeln konnten, ohne daß der Wein mit der aͤußeren atmosphaͤrischen Luft communicirte. In diesen Flaschen erhielt sich der Wein bis zum April 1824, obschon er den ganzen Sommer uͤber in einem Saale aufbewahrt worden, dessen Temperatur bestaͤndig jener der aͤußeren atmosphaͤrischen Luft gleich war. Am 4. April klarte ich meinen Wein mit Eiweiß und fuͤllte ihn dann in gewoͤhnliche Flaschen. Der Geschmak dieses Weines war nicht mehr zukerig; seine Farbe war schoͤn und lebhaft, und uͤberhaupt zeigte er im Vergleiche mit anderem, auf gewoͤhnliche Weise bereitetem Weine durchaus keinen merklichen Unterschied. Mit Dunal's Alkoometer untersucht, zeigte er einen Gehalt von 13,90 Liter Alkohol von 33° auf 100 Liter. Nach neun Jahren, d.h. im Jahre 1831, hatte ich noch einige Flaschen dieses Weines, der zwar nach dieser Zeit etwas von seiner Farbe verloren hatte, in Hinsicht auf Geschmak aber den guten Sorten Roussillon-Weines aͤhnlich geworden war. Zu bemerken vergaß ich, daß mir die 20 Pfunde Trauben, Montpellier Gewicht, d.h. beilaͤufig 8 1/4 Kilogr., 20 Flaschen Wein gaben, obschon die Beeren der Trauben wegen der Trokenheit des Jahrganges klein und weit weniger fleischig waren, als sie in gewoͤhnlichen Jahren zu seyn pflegen. Die Resultate dieser beiden Versuche, deren Details vielleicht manchem Leser langweilig und ermuͤdend geschienen haben moͤgen, scheinen mir doch, wenn man die Folgerungen, die sich daraus ziehen lassen, im Auge behaͤlt, nicht uninteressant zu seyn. Der erste dieser Schluͤsse ist naͤmlich, daß, wenn die Gaͤhrung des Mostes, aus welchem Wein bereitet werden soll, entweder wegen eines zu großen Gehaltes an Zukerstoff, oder wegen Mangels an Gerbestoff, langsam oder unvollkommen vor sich geht, die Gaͤhrung durch Weinstein, den man in dem Moste aufloͤst, beguͤnstigt werdest kann; daß der bloße Zusaz von Weinstein oft nicht genuͤgt; daß die Dichtheit oder specifische Schwere des Mostes oft mittelst Wasser vermindert werden muß, damit sich die Elemente der Waͤhrung frei bewegen, und den auf sie einwirkenden Attractivkraͤften gehorchen koͤnnen. Die suͤßen Weine mit geringem Gehalte an Alkohol halten sich nicht lange und werden endlich immer sauer; die Weinhaͤndler, die dieß aus der Erfahrung sehr wohl wissen, verwerfen daher diese Art von Weinen auch immer, und wenn sie uͤbrigens auch die besten Eigenschaften haͤtten. Ein zweiter Schluß von nicht geringerem Belange ist, daß man aus vorsichtig getrokneten Trauben und mit Wasser eben so guten, eben so geistigen und eben so schoͤn gefaͤrbten Wein bereiten kann, als aus frischen Trauben; daß dieser neueWir muͤssen sehr gegen das Epithetum neu protestiren! Die Fabrikation von Wein aus getrokneten Trauben, aus Rosinen oder Zibeben ist etwas so Altes und so allgemein Verbreitetes, daß es in Deutschland, und wohl uͤberhaupt in keinem europaͤischen Staate, er mag selbst Wein erzeugen oder nicht, keinen Weinhaͤndler geben duͤrfte, dem deren Anwendung zu diesem Zweke nicht bekannt waͤre. Wir geben daher diese Notiz nicht als eine neue Erfindung, sondern um unseren deutschen Weinfabrikanten, die den englischen an Unverschaͤmtheit gleich zu kommen anfangen, vielleicht einen nuͤzlichen Fingerzeig geben zu koͤnnen. Wir unserer Seits ziehen jedoch, so weit wir. Gelegenheit hatten kuͤnstliche aus Rosinen gebraute Weine zu kosten, natuͤrliche Weine diesen kuͤnstlichen Fabrikaten vor; ob dieß Eigenheit des Geschmakes ist, oder davon herruͤhrt, daß unsere Weinhaͤndler mit der Fabrikation des Weines aus Rosinen noch nicht gehoͤrig vertraut sind, mag Jedermann nach eigenem Geschmake und eigenem Magen beurtheilen. Eine haͤufigere Verwendung der getrokneten Weintrauben findet als Zusaz bei geringem Moste Statt, indem man diese mit demselben gaͤhren laͤßt, und dadurch bessern Wein erhaͤlt. Wenn die Rosinen oder die Zibeben theurer sind, als der Zuker, so ersezt lezterer jene vollkommen, mit Ausnahme des sogenannten Bouquets, den erstere dem Wein geben. Unsere Weinmacher wissen sich aber in diesem Falle dadurch zu helfen, daß sie dem Moste gleich etwas Gewuͤrz zusezen, und dieß durch die Weingaͤhrung mit gehen lassen.A. d. Uebers. Industriezweig demjenigen, der ihn gehoͤrig und verstaͤndig zu betreiben wuͤßte, und der den auf diese Weise bereiteten Wein den Laͤndern, die selbst keinen trinkbaren Wein erzeugen, und doch guten Wein sehr theuer bezahlen, um einen maͤßigen Preis liefern wuͤrde, nothwendig außerordentliche Vortheile bringen muͤßte. Das suͤdliche Frankreich hat einen unzaͤhligen Ueberschuß an sehr zukerhaltigen und stark gefaͤrbten Trauben, die sich in wenig Tagen troknen lassen. Diese Trauben ließen sich in getroknetem Zustande sehr leicht verpaken, und an jene Orte verfuͤhren, an denen die Weinfabrikation Statt finden soll. Welche Masse von Unkosten und Risico's ließe sich auf diese Weise vermeiden? Einem Theile der Transportkosten, der Anschaffung des Geschirres, dem Auslaufen, dem Betruͤge, dem Sauerwerden und vielen anderen Unfaͤllen wird auf diese Weise vorgebeugt, und uͤberdieß koͤnnte jeder Fabrikant auch noch seine Weine je nach dem Bedarfe und dem Geschmake seiner Abnehmer erzeugen. Ich kenne die Reben des suͤdlichen Frankreichs so gut, daß ich versichern kann, daß der Centner getrokneter Trauben sehr wohl um 8 Franken geliefert werden koͤnne, und zwar von den besten Sorten. Es ist dieß um so wichtiger, als es keine Stadt in unserem ganzen Koͤnigreiche gibt, in welcher der nach der hier angegebenen Methode bereitete Wein auf mehr als 3 bis 4 Sous per Flasche zu stehen kommen koͤnnte.