Titel: Ueber die Fabrikation der Schwefelsäure und die weiße krystallinische Substanz, welche sich während dieses Processes bildet. Von S. L. Dana, Med. Dr.
Fundstelle: Band 49, Jahrgang 1833, Nr. XCIIXCI., S. 438
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XCIIXCI. Ueber die Fabrikation der Schwefelsaͤure und die weiße krystallinische Substanz, welche sich waͤhrend dieses Processes bildet. Von S. L. Dana, Med. Dr. Aus dem Philosoph. Magazine and Journal of Science. August 1833, S. 115. Dana's Fabrikation der Schwefelsaͤure. Die feste, weiße Substanz, welche sich bei Bereitung der englischen Schwefelsaͤure in den Bleikammern erzeugt, ist verworren in Nadeln krystallisirt oder bildet ein Aggregat von kristallinischen Koͤrpern. Ich fand sie auch in geraden vierseitigen Prismen von 1 1/2 Zoll Laͤnge, und in Fasern von 3 bis 5 Zoll Laͤnge. 1) Loͤst man sie in einer kleinen Quantitaͤt Wasser auf, so braust sie heftig auf, indem rothe Daͤmpfe aus dem Wasser entweichen. Dieselbe Erscheinung findet Statt, wenn man sie in einer großen Menge Wasser aufloͤst, nur entbinden sich die rothen Daͤmpfe dann nicht so reichlich: das Wasser wird zuerst dunkelblau, dann gruͤn und endlich gelblich. Wenn die Aufloͤsung der krystallinischen Substanz stark mit Wasser verduͤnnt wird, so verschwindet die Farbe, aber immer erst, nachdem die feste Substanz ganz aufgeloͤst ist; wenn die feste Substanz bloß noch mit dem Wasser in Beruͤhrung ist, ist die Farbe im Augenblik der Gasentweichung von der krystallinischen Substanz blau. Die gruͤn gefaͤrbte Aufloͤsung braust bei fernerer Verduͤnnung mit Wasser stark auf, indem sie Stikstoffoxydgas entwikelt und wird blaugruͤn. 2) Alle oben angegebenen Erscheinungen finden auch Statt, wenn der Versuch in einer Atmosphaͤre von Wasserstoff, Stikstoff, oder kohlensaurem Gas gemacht wird, nur sind die rothen Daͤmpfe weniger reichlich. 3) Wenn man die krystallinische Substanz auf Schnee legt, so faͤrbt sie ihn augenbliklich dunkelblau. Dabei entweicht kein Gas. Sie schmilzt den Schnee und sinkt wie heißes Eisen in ihn, wobei die Temperatur faͤllt. Von + 30° F. (– 0,89° R.) bis – 16° F. (– 21,5° R.) schmilzt sie den Schnee am staͤrksten; bei – 16° F. scheint aber die feste Substanz gar nicht angegriffen zu werden und die blaue Faͤrbung verschwindet allmaͤhlich. 4) Die Aufloͤsung in Wasser bestand aus Schwefelsaͤure, salpetriger Saͤure und Stikstoffoxyd. 5) Die feste Substanz loͤst sich sehr langsam in Schwefelsaͤure von 1,84 spec. Gewicht auf; es entweichen nur wenige Luftblasen. Die Aufloͤsung enthaͤlt salpetrige Saͤure, welche durch Sieden nicht ausgetrieben werden kann. 6) Sie loͤst sich mit mehr oder weniger Aufbrausen je nach der Dichtigkeit des Vitrioloͤhls auf. Das Aufbrausen ist rasch, wenn das Vitrioloͤhl 1,35 bis 1,45 specifisches Gewicht hat. In Vitrioloͤhl von 1,60 bis 1,70 specifischem Gewicht ist sie schwer aufloͤslich und es entweicht sehr wenig Salpetergas; die Aufloͤsung wird blaßgelb wie salpetrige Saͤure. Bei + 60° F. entweicht theilweise Gas und dieses wird wieder absorbirt, wie die Temperatur faͤllt. Bei + 35° F. (+ 1,33° R.) bis 20° F. (– 5,33° R.) entweicht kein Gas aus der Aufloͤsung, noch kann man durch Concentriren der Aufloͤsung alle salpetrige Saͤure austreiben. 7) Wenn die feste Substanz in Vitrioloͤhl von 1,060 specifischem Gewicht aufgeloͤst wird, so wird die augenblikliche Zersezung der salpetrigen Saͤure verhindert; der Proceß geht langsam vor sich. Ungefaͤhr vierzehn Tage sind zur gaͤnzlichen Entbindung alles bei dieser Zersezung entstehenden Stikstoffoxyds noͤthig; Gasblasen entweichen waͤhrend der ganzen Zeit; wenn diese aber aufhoͤren, findet man salpetrige Saͤure in der Aufloͤsung; durch Schuͤtteln wird sie nicht ausgetrieben und durch schwefligsaures Gas auch nicht zersezt. 8) Leitet man einen Strom von schwefligsaurem Gas durch eine gruͤngefaͤrbte Aufloͤsung der krystallinischen Substanz in Wasser, so verschwindet diese Farbe und die Aufloͤsung wird blaßgelb: es findet durch die ganze Fluͤssigkeit ein Aufbrausen Statt und es entweicht nur Stikstoffoxyd. Die Wirkung des Wassers bei Bildung der Schwefelsaͤure scheint mir niemals richtig verstanden worden zu seyn. Bekanntlich kann die weiße Substanz durch Salpetergas und schwefligsaures Gas, selbst bei Gegenwart von Wasser, nicht erzeugt werden. Worin besteht nun die Wirkung des Wassers? Ich vermuthe, daß durch dasselbe das rothe Salpetergas in Salpetersaͤure und untersalpetrige Saͤure zersezt wird. Die Salpetersaͤure wird sogleich durch das schwefligsaure Gas zersezt, wodurch Schwefelsaͤure und untersalpetrige Saͤure entstehen; diese verbinden sich mit dem Wasser und bilden die weiße krystallinische Substanz. Ich erklaͤre die obigen Erscheinungen und einige Thatsachen, welche bei der Schwefelsaͤure-Fabrikation vorkommen, folgender Maßen: Aus dem Versuch (2) geht hervor, daß das Aufbrausen zum Theil von der Entweichung von Salpetergas herruͤhrt; Stikstoffoxydgas, welches durch die Zersezung der untersalpetrigen Saͤure vermittelst der Einwirkung des Wassers entsteht, entweicht ebenfalls. Im Vitrioloͤhl wird diese Zersezung entweder verhindert oder verzoͤgert; daher erscheinen je nach der Dichtigkeit des Vitrioloͤhls wenige rothe Daͤmpfe und in concentrirter Schwefelsaͤure gar keine. Im Augenblike wo sich die feste Substanz in Wasser aufloͤst, ertheilt ihm die untersalpetrige Saͤure eine blaue Farbe; diese Saͤure wird aber sogleich in Salpetersaͤure, salpetrige Saͤure und Stikstoffoxyd zersezt. Da die salpetrige Saͤure gelb ist, so verwandelt sie das Blau in Gruͤn, und leztere Farbe wird wahrscheinlich durch die Gegenwart von Stikstoffoxyd dunkler (denn so lehrt es die Erfahrung, wenn man salpetrige Saͤure mit Stikstoffoxyd saͤttigt). Die salpetrige Saͤure ist aber gelb; und da diese vorwaltet, so wird die Aufloͤsung endlich gelblich. Die Salpetersaͤure und ein Theil des Stikstoffoxyds werden von dem Wasser zuruͤkgehalten. Wenn man daher eine neue Bleikammer ansezt und jedes Mal, wenn frisches Wasser angewandt wird, wird auf ein Mal ein großer Theil des Elementes, welches zur Saͤuerung des schweflig sauren Gases unumgaͤnglich noͤthig ist, entzogen; es kommt entweder als Salpetersaͤure oder als Stikstoffoxyd weg. So wie das Wasser in der Bleikammer durch Schwefelsaͤure schwach gesaͤuert wird, haͤlt es auch einen Theil der salpetrigen Saͤure (7) zuruͤk, die keine fernere Zersezung erleidet. Sobald das Kammerwasser schwefligsaures Gas absorbirt, wirkt dieses auf das Stikstoffoxyd und dadurch entsteht StikstoffoxydulDaß eine solche Veraͤnderung eintritt, vermuthe ich aus einigen im Großen erhaltenen Resultaten. Einige behaupten, daß dieß wirklich geschieht, und schreiben es der zu heftigen Wirkung des Wassers zu. Bei meinem Aufenthalt in London habe ich kuͤrzlich erst erfahren, daß Gaultier de Claubry ebenfalls Versuche uͤber die weiße Substanz anstellte (Polyt. Journal, Bd. XL., S. 192), wobei er fand, daß bei Entstehung der festen Substanz immer ein wenig Stikstoffgas entwikelt wird: ohne Zweifel ruͤhrt es von der oben angegebenen Ursache her. Daruͤber sollten fernere Versuche angestellt werden: seine Entstehung haͤngt wahrscheinlich mit besondern Umstaͤnden zusammen und verursacht die oft wandelbaren Resultate hinsichtlich des Schwefelsaͤure-Quantums, das man in den Fabriken erhaͤlt.A. d. O.; es wirkt auch auf die Salpetersaͤure, wobei die gewoͤhnliche Zersezung Statt findet; so daß wir als Producte Salpetersaͤure, salpetrige Saͤure und Stikstoffoxyd haben. In dem Maße als das gesaͤuerte Wasser der Bleikammer an Dichtigkeit zunimmt, wird weniger schweflige Saͤure absorbirt und die salpetrige Saͤure zuruͤkgehalten, ohne eine fernere Zersezung zu erleiden. Daraus erklaͤrt sich die Thatsache, daß man bei Anwendung von frischem Wasser in den Kammern wenig Schwefelsaͤure erhalten kann, ganz gut. Das Salpetergas wird entzogen, indem es sich in Salpetersaͤure, Stikstoffoxyd und Stikstoffoxydul verwandelt, zum Theil auch unveraͤndert zuruͤkgehalten. Die weiße Substanz bildet sich meiner Meinung nach in jedem Theil einer Bleikammer und faͤllt wie Hagel in das Wasser oder die Saͤure auf den Boden. Kaͤlte verdichtet die Feuchtigkeit der Bleikammer, und ich habe immer bemerkt, daß sich diese Substanz erst bei einer Temperatur von + 40° F. + 3,56° R.) an dem Ventil oder an den Seiten der Bleikammer bildet. Wenn das Thermometer auf 0 (– 14° R.) sinkt, erzeugt sie sich sehr schnell; und wenn auf lange Zeit kalte Witterung eintritt, sammelt sie sich an den Waͤnden der Bleikammer in 1/2 bis 1 Zoll diken Massen. Anfangs bemerkt man in der großen Masse Wasser auf dem Boden der Bleikammer kein Aufbrausen, weil in dem Maße, als sich die salpetrige Saͤure zersezt, das Stikstoffoxyd zuruͤkgehalten wird; wenn aber die Dichtigkeit der Fluͤssigkeit zunimmt, beginnt das Aufbrausen. Bei einem specifischen Gewicht von 1,29 ist es sehr merklich und bei 1,33 am staͤrksten. Das gesaͤuerte Wasser enthaͤlt dann viel salpetrige Saͤure und Stikstoffoxyd. Gießt man es von einem Gefaͤße in ein anderes, so schaͤumt es wie Bier. Es zischt und siedet in der Bleikammer, die Oberflaͤche der Fluͤssigkeit ist mit Schaum uͤberzogen und die ganze Masse scheint sich in Gaͤhrung zu befinden (wie in dem Versuch 8). Der Schwefelsaͤurefabrikant kann aber Verlust erleiden, wenn er das specifische Gewicht der Kammersaͤure zu hoch steigen laͤßt, naͤmlich auf 1,60. Man ersieht dieß aus dem Versuch (6); denn wenn das specifische Gewicht des Kammerwassers diesen Grad erreicht, so erleidet die feste Substanz, wenn sie hineinfaͤllt, nur noch eine theilweise Zersezung. Die salpetrige Saͤure wird zuruͤkgehalten, und da wenig schwefligsaures Gas verschlukt wird, so kann auch nur wenig salpetrige Saͤure zersezt werden; sie wird also mit der Schwefelsaͤure abgezogen und verlaͤßt diese nie mehr ganz, es sey denn, daß man sie mit einer Basis saͤttigt. Wenn man die Saͤure aus den Bleikammern bei einem specifischen Gewicht von 1,25 bis 1,30 abzieht, so stoͤßt sie reichliche Daͤmpfe von schwefliger Saure aus, weil nicht genug von der festen Substanz in sie praͤcipitirt wurde, um die absorbirte schweflige Saͤure in Schwefelsaͤure zu verwandeln; es ist auch nicht wahrscheinlich, daß genug Salpetergas als solches aus der schon mit schwefligsaurem Gas gefuͤllten Kammer absorbirt werden kann, um diese Umaͤnderung zu bewirken: leztere kann nur dadurch erzielt werden, daß die weiße Substanz in sie gebracht wird. Zieht man Saͤure aus der Kammer bei einem specifischen Gewicht von 1,35 bis 1,40 ab, so enthaͤlt sie viel Stikstoffoxyd und Salpetergas; man bemerkt dieß an ihrem Geruch, wenn sie gekocht wird. Zieht man die Saͤure aus der Kammer bei einem specifischen Gewicht von 1,60 und daruͤber ab, wo dann sehr wenig feste Substanz zersezt wurde, so fuͤllt sich der Retortenhals beim Concentriren derselben mit rothen Daͤmpfen; wir riechen sie aber nicht beim Kochen der Saͤure im Bleikessel (der Bleipfanne), weil die salpetrige Saͤure wahrscheinlich erst bei einem hoͤheren Hizgrade als im Bleikessel Statt findet, ausgetrieben wirb; sie wird aber selbst bei der Concentration nicht ganz ausgeschieden. Aus den Versuchen (3 und 6) ergibt sich auch, daß die untersalpetrige Saͤure bei niedrigen Temperaturen nicht zersezt wird, oder, wenn sie sich zersezt, das erzeugte Gas von der Fluͤssigkeit zuruͤkgehalten wird. Daher sammelt sich bei sehr kaltem Wetter ein Theil der krystallinischen Substanz an den Seiten der Bleikammer; diejenige, welche in die Fluͤssigkeit faͤllt, wird nicht so leicht zersezt und wenn sie sich zersezt, werden ihre Gasarten leichter zuruͤkgehalten. Dieß ist der Grund, warum der Fabrikant Verlust erleidet; er erhaͤlt weniger Saͤure, weil das schwefligsaure Gas sich nicht mit Salpetergas vermischen und niederschlagen konnte, sondern troken und fast unsichtbar entweicht. Es ist eine allgemein bekannte Thatsache, daß man bei der Schwefelsaͤure-Fabrikation, immer Verlust erleidet, wenn nur reines Wasser in der Bleikammer angewandt wird, oder die Witterung sehr kalt oder das specifische Gewicht der Kammersaͤure zu groß ist. Die besten Resultate erhaͤlt man bei einer gleichfoͤrmigen Temperatur von 50° F. (+ 8° R.) Durch Dampf kann man dem nachteiligen Einfluß der kalten Witterung nicht begegnen, es sey denn, daß man durch ihn das Sauerwasser auf dem Boden der Kammer erhizt; denn so lange die Temperatur von diesem nicht erhoͤht wird, ist das bloße Erwaͤrmen der Waͤnde unwirksam, wenn man auch viel Dampf in die Kammer jagt, denn er wirkt natuͤrlich wie frisches Wasser und macht das Salpetergas unnuͤz. Nach obiger Ansicht von der Bildung der Schwefelsaͤure sollte in der Fluͤssigkeit, welche man aus den Bleikammern abzieht, gar keine Salpetersaͤure enthalten, sondern durch die schweflige Saͤure gaͤnzlich zersezt seyn. Bekanntlich findet man aber in der Kammersaͤure Salpetersaͤure – und nach Gay-Lussac's Theorie muß sie auch darin vorkommen. Dieß ist jedoch zufaͤllig; man kann sie immer vermeiden. Um die gaͤnzliche Zersezung aller Salpetersaͤure zu bewirken, ist nur Zeit noͤthig; – unter Zeit meine ich, daß man den Proceß so lange fortsezt, daß bestaͤndig schweflige Saͤure in der Kammer vorhanden ist und daß das specifische Gewicht der Kammersaͤure nicht zu niedrig ist. Bei geringem specifischen Gewicht kann die gebildete Salpetersaͤure natuͤrlich nur sehr schwach seyn, und es fragt sich dann, ob das schwefligsaure Gas diese schwache Salpetersaͤure zersezen wird. Ich destillirte 1/2 Unze salpetersaures Kali mit 1/4 Unze Schwefelsaͤure von 1,84 specifischem Gewicht, die mit ihrem gleichen Volumen Wasser verduͤnnt war. Die sauren Daͤmpfe wurden in 2 1/2 Unzen Wasser aufgefangen. Das gesaͤuerte Wasser wirkte rasch auf Kupfer; ich leitete einen Strom schwefligsauren Gases durch dasselbe, wobei wenige Gasblasen, wahrscheinlich Stikstoffoxyd, entwichen. Nachdem die Fluͤssigkeit mit schwefligsaurem Gas gesaͤttigt war, wirkte sie nicht mehr auf Kupfer; ich versezte sie nun mit einer geringen Menge Schwefelsaͤure von 1,84 specifischem Gewicht; es entstand ein heftiges Aufbrausen, es entwich schwefligsaures Gas und gleich daraus Salpetergas. Die Fluͤssigkeit erhielt nun eine dunkelgelbe Farbe und griff Kupfer schnell an. Die Salpetersaͤure wurde also in diesem Fall nicht zersezt, bis ihr das zugesezte Vitrioloͤhl einen Theil Wasser entzog, wodurch sie concentrirt wurde. Ich wiederholte diesen Versuch mit unverduͤnnter Schwefelsaͤure. Das Gas aus 1 Unze Salpeter und 1/2 Unze Schwefelsaͤure von 1,84 specifischem Gewicht wurde in 4 Unzen Wasser aufgefangen; lezteres erhielt 1,036 specifisches Gewicht, und war schwach gelb gefaͤrbt. Als ich schwefligsaures Gas durch dasselbe leitete, entstand ein lebhaftes Aufbrausen von entweichendem Stikstoffoxydgas; die gelbe Farbe verschwand. Das Aufbrausen hoͤrte in ungefaͤhr vier Stunden auf. Die Fluͤssigkeit wurde mit schwefligsaurem Gas gesaͤttigt und hatte 1,060 specifisches Gewicht. Der Apparat stand einige Tage; schwefligsaures Gas wurde endlich zu wiederholten Malen durch die Fluͤssigkeit bei verschiedenen Temperaturen von 32 bis 212° F. geleitet. Sie verhielt sich nun gegen Kupfer ganz so wie oben angegeben ist: ein Theil der Fluͤssigkeit, mit reiner Salzsaͤure vermischt, loͤste Gold rasch auf; die Salpetersaͤure war also unzersezt. Gewoͤhnliches Scheidewasser, auf 1,08 specifischen Gewichtes verduͤnnt, und wie oben mit schwefliger Saͤure behandelt, zersezte sich nicht. Das Aufbrausen, welches man bei diesen Versuchen beobachtete, ruͤhrt von der Zersezung von salpetriger Saͤure her; denn wenn die Fluͤssigkeit gekocht wird, entweicht rothes Salpetergas und schweflige Saͤure verursacht dann gar kein Aufbrausen mehr. Waͤhrend des Aufbrausens entweicht nur Stikstoffgas; und waͤhrend des Kochens erscheinen keine rothen Daͤmpfe, wenn man den Zutritt der Luft von dem Gefaͤße ausschließt. Obige Versuche wurden auch umgekehrt angestellt, indem man den Dampf von Schwefelsaͤure und Salpeter uͤber eine schwache Aufloͤsung von schwefliger Saͤure in Wasser leitete. Es fand kein Aufbrausen Statt, ausgenommen wenn ein Tropfen starker Salpetersaͤure aus dem Retortenschnabel in die Fluͤssigkeit fiel. Die dampffoͤrmige Salpetersaͤure wurde von der aufgeloͤsten schwefligen Saͤure rasch verschlukt und alle durch die Einwirkung des Wassers gebildete Salpetersaͤure blieb unzersezt. Es ist also erwiesen, daß wenn man schwacher Salpetersaͤure in einer Aufloͤsung von schwefligsaurem Gas in Wasser, concentrirte Schwefelsaͤure beifuͤgt, die Salpetersaͤure zersezt werden kann. Nun wird aber bei der Schwefelsaͤure-Fabrikation, sowohl mit unterbrochener als mit fortwaͤhrender Verbrennung, Salpetersaͤure durch die Einwirkung des Kammersaͤure-Wassers auf die weiße Substanz oder das absorbirte Salpetergas gebildet. Wenn die Kammersaͤure an specifischem Gewicht zunimmt, so hat dieß denselben Erfolg, wie wenn man schwache Salpetersaͤure mit Vitrioloͤhl versezt: wird daher der Proceß lange genug fortgesezt, so muß alle Salpetersaͤure zersezt werden: das hiezu geeignete Mittel ist, nur Schwefel zu verbrennen, also nur schwefligsaures Gas in die Kammer zu leiten. Die Zerlegung der Salpetersaͤure scheint beendigt zu seyn, wenn die Kammersaͤure dunkelbraun gefaͤrbt ist; diese Farbe ruͤhrt naͤmlich von der Absorption von schweflig saurem Gas her. Ich bereitete eine Aufloͤsung der krystallinischen Substanz in Wasser und leitete einen Strom schwefligsaures Gas hindurch, um mich von der Wahrheit obiger Ansicht zu uͤberzeugen. Als ich das schwefligsaure Gas so lange einstroͤmen ließ, bis alles Aufbrausen voruͤber war, wurde die anfangs gruͤne Fluͤssigkeit braun und man konnte darin keine Spur von Salpetersaͤure entdeken. Blaßgelbe Saure erhaͤlt man haͤufig in den Bleikammern. Ich erhielt auch dunkelgruͤne und dunkelgelbe. Bei einem specifischen Gewicht von 1,58 oder 1,53 brausen alle diese gefaͤrbten Saͤuren rasch auf: leitet man einen Strom schwefligsauren Gases durch sie, so wird ihre Farbe heller, dann weiß und endlich veraͤndert sie sich schnell in Braun, wo man sodann keine Spur von Salpetersaͤure mehr in ihnen findet. Die dunkle Farbe der Kammersaͤure ruͤhrt also offenbar von verschlukter schwefliger Saͤure her. Wenn alle Salpetersaͤure zersezt ist, hat die Saͤure in den Kammern nur eine braune Farbe und durch Kochen wird das schwefligsaure Gas, welches sie aufgeloͤst haͤlt, ausgetrieben, wodurch die Fluͤssigkeit hell wird (die Arbeiter sagen, „der Kessel klaͤrt sich“). So lange die Fluͤssigkeit aus den Kammern noch Blasen hat, ist die Salpetersaͤure nicht gaͤnzlich zersezt, so daß also ihre Farbe und Aussehen dem Fabrikanten einen wichtigen Leitfaden geben, zu welcher Periode er seine Saͤure abzuziehen hat. Eine ruhige blaßbraune Fluͤssigkeit ist der erwuͤnschte Punkt. Wenn man die Saͤure aus der Bleikammer abzieht, nachdem einige Tage gebrannt wurde, entbindet sie im Kochen Stroͤme von schwefligsaurem Gas: die Salpetersaͤure ist naͤmlich hier zu schwach, um das schwefligsaure Gas, welches von dem Wasser in der Kammer verschlukt wurde, zu zersezen. Wenn man mit W die weiße Kammersaͤure, mit D die dunkle, mit X Spuren von Salpetersaͤure und mit A ihre Abwesenheit bezeichnet, so ersieht man aus Untenfolgendem, wie viele Bleikessel voll Saͤure ich aus den unter meiner Leitung stehenden Kammern abzog. Ich untersuchte die Schwefelsaͤure von jedem Abzug auf Salpetersaͤure. 11 Mal     W und X   1   –     W   – A 10   –     D   – A   2   –     D   – X Eine Kammer gab 7 D und A 4 W und X; sie lieferte 2,78 Pfund Schwefelsaͤure auf ein Pfund verbrannten Schwefels. Eine andere Kammer gab immer W und X; sie lieferte 2,67 Pfd. Schwefelsaͤure auf ein Pfund Schwefel.