Titel: | Ueber die Fabrikation der Schwefelsäure und die weiße krystallinische Substanz, welche sich während dieses Processes bildet. Von S. L. Dana, Med. Dr. |
Fundstelle: | Band 49, Jahrgang 1833, Nr. XCIIXCI., S. 438 |
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XCIIXCI.
Ueber die Fabrikation der Schwefelsaͤure
und die weiße krystallinische Substanz, welche sich waͤhrend dieses Processes
bildet. Von S. L.
Dana, Med. Dr.
Aus dem Philosoph. Magazine and Journal of Science.
August 1833, S.
115.
Dana's Fabrikation der Schwefelsaͤure.
Die feste, weiße Substanz, welche sich bei Bereitung der englischen
Schwefelsaͤure in den Bleikammern erzeugt, ist verworren in Nadeln
krystallisirt oder bildet ein Aggregat von kristallinischen Koͤrpern. Ich
fand sie auch in geraden vierseitigen Prismen von 1 1/2 Zoll Laͤnge, und in
Fasern von 3 bis 5 Zoll Laͤnge.
1) Loͤst man sie in einer kleinen Quantitaͤt Wasser auf, so braust sie
heftig auf, indem rothe Daͤmpfe aus dem Wasser entweichen. Dieselbe
Erscheinung findet Statt, wenn man sie in einer großen Menge Wasser aufloͤst,
nur entbinden sich die rothen Daͤmpfe dann nicht so reichlich: das Wasser
wird zuerst dunkelblau, dann gruͤn und endlich gelblich. Wenn die
Aufloͤsung der krystallinischen Substanz stark mit Wasser verduͤnnt
wird, so verschwindet die Farbe, aber immer erst, nachdem die feste Substanz ganz
aufgeloͤst ist; wenn die feste Substanz bloß noch mit dem Wasser in
Beruͤhrung ist, ist die Farbe im Augenblik der Gasentweichung von der
krystallinischen Substanz blau. Die gruͤn gefaͤrbte Aufloͤsung
braust bei fernerer Verduͤnnung mit Wasser stark auf, indem sie
Stikstoffoxydgas entwikelt und wird blaugruͤn.
2) Alle oben angegebenen Erscheinungen finden auch Statt, wenn der Versuch in einer
Atmosphaͤre von Wasserstoff, Stikstoff, oder kohlensaurem Gas gemacht wird,
nur sind die rothen Daͤmpfe weniger reichlich.
3) Wenn man die krystallinische Substanz auf Schnee legt, so faͤrbt sie ihn
augenbliklich dunkelblau. Dabei entweicht kein Gas. Sie schmilzt den Schnee und
sinkt wie heißes Eisen in ihn, wobei die Temperatur faͤllt. Von + 30°
F. (– 0,89° R.) bis – 16° F. (– 21,5° R.)
schmilzt sie den Schnee am staͤrksten; bei – 16° F. scheint
aber die feste Substanz gar nicht angegriffen zu werden und die blaue
Faͤrbung verschwindet allmaͤhlich.
4) Die Aufloͤsung in Wasser bestand aus Schwefelsaͤure, salpetriger
Saͤure und Stikstoffoxyd.
5) Die feste Substanz loͤst sich sehr langsam in Schwefelsaͤure von
1,84 spec. Gewicht auf; es entweichen nur wenige Luftblasen. Die Aufloͤsung
enthaͤlt salpetrige Saͤure, welche durch Sieden nicht ausgetrieben
werden kann.
6) Sie loͤst sich mit mehr oder weniger Aufbrausen je nach der Dichtigkeit des
Vitrioloͤhls auf. Das Aufbrausen ist rasch, wenn das Vitrioloͤhl 1,35
bis 1,45 specifisches Gewicht hat. In Vitrioloͤhl von 1,60 bis 1,70
specifischem Gewicht ist sie schwer aufloͤslich und es entweicht sehr wenig
Salpetergas; die Aufloͤsung wird blaßgelb wie salpetrige Saͤure. Bei +
60° F. entweicht theilweise Gas und dieses wird wieder absorbirt, wie die
Temperatur faͤllt. Bei + 35° F. (+ 1,33° R.) bis 20° F.
(– 5,33° R.) entweicht kein Gas aus der Aufloͤsung, noch kann
man durch Concentriren der Aufloͤsung alle salpetrige Saͤure
austreiben.
7) Wenn die feste Substanz in Vitrioloͤhl von 1,060 specifischem Gewicht
aufgeloͤst wird, so wird die augenblikliche Zersezung der salpetrigen
Saͤure verhindert; der Proceß geht langsam vor sich. Ungefaͤhr
vierzehn Tage sind zur gaͤnzlichen Entbindung alles bei dieser Zersezung
entstehenden Stikstoffoxyds noͤthig; Gasblasen entweichen waͤhrend der
ganzen Zeit; wenn diese aber aufhoͤren, findet man salpetrige Saͤure
in der Aufloͤsung; durch Schuͤtteln wird sie nicht ausgetrieben und
durch schwefligsaures Gas auch nicht zersezt.
8) Leitet man einen Strom von schwefligsaurem Gas durch eine
gruͤngefaͤrbte Aufloͤsung der krystallinischen Substanz in
Wasser, so verschwindet diese Farbe und die Aufloͤsung wird blaßgelb: es
findet durch die ganze Fluͤssigkeit ein Aufbrausen Statt und es entweicht nur
Stikstoffoxyd.
Die Wirkung des Wassers bei Bildung der Schwefelsaͤure scheint mir niemals
richtig verstanden worden zu seyn. Bekanntlich kann die weiße Substanz durch
Salpetergas und schwefligsaures Gas, selbst bei Gegenwart von Wasser, nicht erzeugt
werden. Worin besteht nun die Wirkung des Wassers? Ich vermuthe, daß durch dasselbe
das rothe Salpetergas in Salpetersaͤure und untersalpetrige Saͤure
zersezt wird. Die Salpetersaͤure wird sogleich durch das schwefligsaure Gas
zersezt, wodurch Schwefelsaͤure und untersalpetrige Saͤure entstehen;
diese verbinden sich mit dem Wasser und bilden die weiße krystallinische Substanz.
Ich erklaͤre die obigen Erscheinungen und einige Thatsachen, welche bei der
Schwefelsaͤure-Fabrikation vorkommen, folgender Maßen:
Aus dem Versuch (2) geht hervor, daß das Aufbrausen zum Theil von der Entweichung von
Salpetergas herruͤhrt; Stikstoffoxydgas, welches durch die Zersezung der
untersalpetrigen Saͤure vermittelst der Einwirkung des Wassers entsteht,
entweicht ebenfalls. Im Vitrioloͤhl wird diese Zersezung entweder verhindert
oder verzoͤgert; daher erscheinen je nach der Dichtigkeit des
Vitrioloͤhls wenige rothe Daͤmpfe und in concentrirter
Schwefelsaͤure gar keine. Im Augenblike wo sich die feste Substanz in Wasser aufloͤst,
ertheilt ihm die untersalpetrige Saͤure eine blaue Farbe; diese Saͤure
wird aber sogleich in Salpetersaͤure, salpetrige Saͤure und
Stikstoffoxyd zersezt. Da die salpetrige Saͤure gelb ist, so verwandelt sie
das Blau in Gruͤn, und leztere Farbe wird wahrscheinlich durch die Gegenwart
von Stikstoffoxyd dunkler (denn so lehrt es die Erfahrung, wenn man salpetrige
Saͤure mit Stikstoffoxyd saͤttigt). Die salpetrige Saͤure ist
aber gelb; und da diese vorwaltet, so wird die Aufloͤsung endlich
gelblich.
Die Salpetersaͤure und ein Theil des Stikstoffoxyds werden von dem Wasser
zuruͤkgehalten. Wenn man daher eine neue Bleikammer ansezt und jedes Mal,
wenn frisches Wasser angewandt wird, wird auf ein Mal ein
großer Theil des Elementes, welches zur Saͤuerung des schweflig sauren Gases
unumgaͤnglich noͤthig ist, entzogen; es kommt entweder als
Salpetersaͤure oder als Stikstoffoxyd weg. So wie das Wasser in der
Bleikammer durch Schwefelsaͤure schwach gesaͤuert wird, haͤlt
es auch einen Theil der salpetrigen Saͤure (7) zuruͤk, die keine
fernere Zersezung erleidet. Sobald das Kammerwasser schwefligsaures Gas absorbirt,
wirkt dieses auf das Stikstoffoxyd und dadurch entsteht StikstoffoxydulDaß eine solche Veraͤnderung eintritt, vermuthe ich aus einigen im
Großen erhaltenen Resultaten. Einige behaupten, daß dieß wirklich geschieht,
und schreiben es der zu heftigen Wirkung des Wassers zu. Bei meinem
Aufenthalt in London habe ich kuͤrzlich erst erfahren, daß Gaultier de Claubry ebenfalls Versuche
uͤber die weiße Substanz anstellte (Polyt. Journal, Bd. XL., S. 192), wobei er fand, daß
bei Entstehung der festen Substanz immer ein wenig Stikstoffgas entwikelt
wird: ohne Zweifel ruͤhrt es von der oben angegebenen Ursache her.
Daruͤber sollten fernere Versuche angestellt werden: seine Entstehung
haͤngt wahrscheinlich mit besondern Umstaͤnden zusammen und
verursacht die oft wandelbaren Resultate hinsichtlich des
Schwefelsaͤure-Quantums, das man in den Fabriken
erhaͤlt.A. d. O.; es wirkt auch auf die Salpetersaͤure, wobei die gewoͤhnliche
Zersezung Statt findet; so daß wir als Producte Salpetersaͤure, salpetrige
Saͤure und Stikstoffoxyd haben. In dem Maße als das gesaͤuerte Wasser
der Bleikammer an Dichtigkeit zunimmt, wird weniger schweflige Saͤure
absorbirt und die salpetrige Saͤure zuruͤkgehalten, ohne eine fernere
Zersezung zu erleiden. Daraus erklaͤrt sich die Thatsache, daß man bei
Anwendung von frischem Wasser in den Kammern wenig Schwefelsaͤure erhalten
kann, ganz gut. Das Salpetergas wird entzogen, indem es sich in
Salpetersaͤure, Stikstoffoxyd und Stikstoffoxydul verwandelt, zum Theil auch
unveraͤndert zuruͤkgehalten.
Die weiße Substanz bildet sich meiner Meinung nach in jedem Theil einer Bleikammer
und faͤllt wie Hagel in das Wasser oder die Saͤure auf den Boden.
Kaͤlte verdichtet die Feuchtigkeit der Bleikammer, und ich habe immer bemerkt, daß
sich diese Substanz erst bei einer Temperatur von + 40° F. + 3,56° R.)
an dem Ventil oder an den Seiten der Bleikammer bildet. Wenn das Thermometer auf 0
(– 14° R.) sinkt, erzeugt sie sich sehr schnell; und wenn auf lange
Zeit kalte Witterung eintritt, sammelt sie sich an den Waͤnden der Bleikammer
in 1/2 bis 1 Zoll diken Massen. Anfangs bemerkt man in der großen Masse Wasser auf
dem Boden der Bleikammer kein Aufbrausen, weil in dem Maße, als sich die salpetrige
Saͤure zersezt, das Stikstoffoxyd zuruͤkgehalten wird; wenn aber die
Dichtigkeit der Fluͤssigkeit zunimmt, beginnt das Aufbrausen. Bei einem
specifischen Gewicht von 1,29 ist es sehr merklich und bei 1,33 am
staͤrksten. Das gesaͤuerte Wasser enthaͤlt dann viel salpetrige
Saͤure und Stikstoffoxyd. Gießt man es von einem Gefaͤße in ein
anderes, so schaͤumt es wie Bier. Es zischt und siedet in der Bleikammer, die
Oberflaͤche der Fluͤssigkeit ist mit Schaum uͤberzogen und die
ganze Masse scheint sich in Gaͤhrung zu befinden (wie in dem Versuch 8). Der
Schwefelsaͤurefabrikant kann aber Verlust erleiden, wenn er das specifische
Gewicht der Kammersaͤure zu hoch steigen laͤßt, naͤmlich auf
1,60. Man ersieht dieß aus dem Versuch (6); denn wenn das specifische Gewicht des
Kammerwassers diesen Grad erreicht, so erleidet die feste Substanz, wenn sie
hineinfaͤllt, nur noch eine theilweise Zersezung. Die salpetrige
Saͤure wird zuruͤkgehalten, und da wenig schwefligsaures Gas
verschlukt wird, so kann auch nur wenig salpetrige Saͤure zersezt werden; sie
wird also mit der Schwefelsaͤure abgezogen und verlaͤßt diese nie mehr
ganz, es sey denn, daß man sie mit einer Basis saͤttigt. Wenn man die
Saͤure aus den Bleikammern bei einem specifischen Gewicht von 1,25 bis 1,30
abzieht, so stoͤßt sie reichliche Daͤmpfe von schwefliger Saure aus,
weil nicht genug von der festen Substanz in sie praͤcipitirt wurde, um die
absorbirte schweflige Saͤure in Schwefelsaͤure zu verwandeln; es ist
auch nicht wahrscheinlich, daß genug Salpetergas als solches aus der schon mit
schwefligsaurem Gas gefuͤllten Kammer absorbirt werden kann, um diese
Umaͤnderung zu bewirken: leztere kann nur dadurch erzielt werden, daß die
weiße Substanz in sie gebracht wird. Zieht man Saͤure aus der Kammer bei
einem specifischen Gewicht von 1,35 bis 1,40 ab, so enthaͤlt sie viel
Stikstoffoxyd und Salpetergas; man bemerkt dieß an ihrem Geruch, wenn sie gekocht
wird. Zieht man die Saͤure aus der Kammer bei einem specifischen Gewicht von
1,60 und daruͤber ab, wo dann sehr wenig feste Substanz zersezt wurde, so
fuͤllt sich der Retortenhals beim Concentriren derselben mit rothen
Daͤmpfen; wir riechen sie aber nicht beim Kochen der Saͤure im
Bleikessel (der Bleipfanne), weil die salpetrige Saͤure wahrscheinlich
erst bei einem hoͤheren Hizgrade als im Bleikessel Statt findet, ausgetrieben
wirb; sie wird aber selbst bei der Concentration nicht ganz ausgeschieden.
Aus den Versuchen (3 und 6) ergibt sich auch, daß die untersalpetrige Saͤure
bei niedrigen Temperaturen nicht zersezt wird, oder, wenn sie sich zersezt, das
erzeugte Gas von der Fluͤssigkeit zuruͤkgehalten wird. Daher sammelt
sich bei sehr kaltem Wetter ein Theil der krystallinischen Substanz an den Seiten
der Bleikammer; diejenige, welche in die Fluͤssigkeit faͤllt, wird
nicht so leicht zersezt und wenn sie sich zersezt, werden ihre Gasarten leichter
zuruͤkgehalten. Dieß ist der Grund, warum der Fabrikant Verlust erleidet; er
erhaͤlt weniger Saͤure, weil das schwefligsaure Gas sich nicht mit
Salpetergas vermischen und niederschlagen konnte, sondern troken und fast unsichtbar
entweicht. Es ist eine allgemein bekannte Thatsache, daß man bei der
Schwefelsaͤure-Fabrikation, immer Verlust erleidet, wenn nur reines
Wasser in der Bleikammer angewandt wird, oder die Witterung sehr kalt oder das
specifische Gewicht der Kammersaͤure zu groß ist. Die besten Resultate
erhaͤlt man bei einer gleichfoͤrmigen Temperatur von 50° F. (+
8° R.) Durch Dampf kann man dem nachteiligen Einfluß der kalten Witterung
nicht begegnen, es sey denn, daß man durch ihn das Sauerwasser auf dem Boden der
Kammer erhizt; denn so lange die Temperatur von diesem nicht erhoͤht wird,
ist das bloße Erwaͤrmen der Waͤnde unwirksam, wenn man auch viel Dampf
in die Kammer jagt, denn er wirkt natuͤrlich wie frisches Wasser und macht
das Salpetergas unnuͤz.
Nach obiger Ansicht von der Bildung der Schwefelsaͤure sollte in der
Fluͤssigkeit, welche man aus den Bleikammern abzieht, gar keine
Salpetersaͤure enthalten, sondern durch die schweflige Saͤure
gaͤnzlich zersezt seyn. Bekanntlich findet man aber in der
Kammersaͤure Salpetersaͤure – und nach Gay-Lussac's Theorie muß sie auch darin vorkommen. Dieß ist jedoch
zufaͤllig; man kann sie immer vermeiden. Um die gaͤnzliche Zersezung
aller Salpetersaͤure zu bewirken, ist nur Zeit noͤthig; – unter
Zeit meine ich, daß man den Proceß so lange fortsezt, daß bestaͤndig
schweflige Saͤure in der Kammer vorhanden ist und daß das specifische Gewicht
der Kammersaͤure nicht zu niedrig ist. Bei geringem specifischen Gewicht kann
die gebildete Salpetersaͤure natuͤrlich nur sehr schwach seyn, und es
fragt sich dann, ob das schwefligsaure Gas diese schwache Salpetersaͤure
zersezen wird. Ich destillirte 1/2 Unze salpetersaures Kali mit 1/4 Unze
Schwefelsaͤure von 1,84 specifischem Gewicht, die mit ihrem gleichen Volumen
Wasser verduͤnnt war. Die sauren Daͤmpfe wurden in 2 1/2 Unzen Wasser
aufgefangen. Das gesaͤuerte Wasser wirkte rasch auf Kupfer; ich leitete einen
Strom
schwefligsauren Gases durch dasselbe, wobei wenige Gasblasen, wahrscheinlich
Stikstoffoxyd, entwichen. Nachdem die Fluͤssigkeit mit schwefligsaurem Gas
gesaͤttigt war, wirkte sie nicht mehr auf Kupfer; ich versezte sie nun mit
einer geringen Menge Schwefelsaͤure von 1,84 specifischem Gewicht; es
entstand ein heftiges Aufbrausen, es entwich schwefligsaures Gas und gleich daraus
Salpetergas. Die Fluͤssigkeit erhielt nun eine dunkelgelbe Farbe und griff
Kupfer schnell an. Die Salpetersaͤure wurde also in diesem Fall nicht
zersezt, bis ihr das zugesezte Vitrioloͤhl einen Theil Wasser entzog, wodurch
sie concentrirt wurde. Ich wiederholte diesen Versuch mit unverduͤnnter
Schwefelsaͤure. Das Gas aus 1 Unze Salpeter und 1/2 Unze
Schwefelsaͤure von 1,84 specifischem Gewicht wurde in 4 Unzen Wasser
aufgefangen; lezteres erhielt 1,036 specifisches Gewicht, und war schwach gelb
gefaͤrbt. Als ich schwefligsaures Gas durch dasselbe leitete, entstand ein
lebhaftes Aufbrausen von entweichendem Stikstoffoxydgas; die gelbe Farbe verschwand.
Das Aufbrausen hoͤrte in ungefaͤhr vier Stunden auf. Die
Fluͤssigkeit wurde mit schwefligsaurem Gas gesaͤttigt und hatte 1,060
specifisches Gewicht. Der Apparat stand einige Tage; schwefligsaures Gas wurde
endlich zu wiederholten Malen durch die Fluͤssigkeit bei verschiedenen
Temperaturen von 32 bis 212° F. geleitet. Sie verhielt sich nun gegen Kupfer
ganz so wie oben angegeben ist: ein Theil der Fluͤssigkeit, mit reiner
Salzsaͤure vermischt, loͤste Gold rasch auf; die Salpetersaͤure
war also unzersezt. Gewoͤhnliches Scheidewasser, auf 1,08 specifischen
Gewichtes verduͤnnt, und wie oben mit schwefliger Saͤure behandelt,
zersezte sich nicht.
Das Aufbrausen, welches man bei diesen Versuchen beobachtete, ruͤhrt von der
Zersezung von salpetriger Saͤure her; denn wenn
die Fluͤssigkeit gekocht wird, entweicht rothes Salpetergas und schweflige
Saͤure verursacht dann gar kein Aufbrausen mehr. Waͤhrend des
Aufbrausens entweicht nur Stikstoffgas; und waͤhrend des Kochens erscheinen
keine rothen Daͤmpfe, wenn man den Zutritt der Luft von dem Gefaͤße
ausschließt. Obige Versuche wurden auch umgekehrt angestellt, indem man den Dampf
von Schwefelsaͤure und Salpeter uͤber eine schwache Aufloͤsung
von schwefliger Saͤure in Wasser leitete. Es fand kein Aufbrausen Statt,
ausgenommen wenn ein Tropfen starker Salpetersaͤure aus dem Retortenschnabel
in die Fluͤssigkeit fiel. Die dampffoͤrmige Salpetersaͤure
wurde von der aufgeloͤsten schwefligen Saͤure rasch verschlukt und
alle durch die Einwirkung des Wassers gebildete Salpetersaͤure blieb
unzersezt.
Es ist also erwiesen, daß wenn man schwacher Salpetersaͤure in einer
Aufloͤsung von schwefligsaurem Gas in Wasser, concentrirte Schwefelsaͤure
beifuͤgt, die Salpetersaͤure zersezt werden kann. Nun wird aber bei
der Schwefelsaͤure-Fabrikation, sowohl mit unterbrochener als mit
fortwaͤhrender Verbrennung, Salpetersaͤure durch die Einwirkung des
Kammersaͤure-Wassers auf die weiße Substanz oder das absorbirte
Salpetergas gebildet. Wenn die Kammersaͤure an specifischem Gewicht zunimmt,
so hat dieß denselben Erfolg, wie wenn man schwache Salpetersaͤure mit
Vitrioloͤhl versezt: wird daher der Proceß lange genug fortgesezt, so muß
alle Salpetersaͤure zersezt werden: das hiezu geeignete Mittel ist, nur
Schwefel zu verbrennen, also nur schwefligsaures Gas in die Kammer zu leiten. Die
Zerlegung der Salpetersaͤure scheint beendigt zu seyn, wenn die
Kammersaͤure dunkelbraun gefaͤrbt ist; diese Farbe ruͤhrt
naͤmlich von der Absorption von schweflig saurem Gas her. Ich bereitete eine
Aufloͤsung der krystallinischen Substanz in Wasser und leitete einen Strom
schwefligsaures Gas hindurch, um mich von der Wahrheit obiger Ansicht zu
uͤberzeugen. Als ich das schwefligsaure Gas so lange einstroͤmen ließ,
bis alles Aufbrausen voruͤber war, wurde die anfangs gruͤne
Fluͤssigkeit braun und man konnte darin keine Spur von Salpetersaͤure
entdeken. Blaßgelbe Saure erhaͤlt man haͤufig in den Bleikammern. Ich
erhielt auch dunkelgruͤne und dunkelgelbe. Bei einem specifischen Gewicht von
1,58 oder 1,53 brausen alle diese gefaͤrbten Saͤuren rasch auf: leitet
man einen Strom schwefligsauren Gases durch sie, so wird ihre Farbe heller, dann
weiß und endlich veraͤndert sie sich schnell in Braun, wo man sodann keine
Spur von Salpetersaͤure mehr in ihnen findet. Die dunkle Farbe der
Kammersaͤure ruͤhrt also offenbar von verschlukter schwefliger
Saͤure her. Wenn alle Salpetersaͤure zersezt ist, hat die
Saͤure in den Kammern nur eine braune Farbe und durch Kochen wird das
schwefligsaure Gas, welches sie aufgeloͤst haͤlt, ausgetrieben,
wodurch die Fluͤssigkeit hell wird (die Arbeiter sagen, „der Kessel
klaͤrt sich“). So lange die Fluͤssigkeit aus den
Kammern noch Blasen hat, ist die Salpetersaͤure nicht gaͤnzlich
zersezt, so daß also ihre Farbe und Aussehen dem Fabrikanten einen wichtigen
Leitfaden geben, zu welcher Periode er seine Saͤure abzuziehen hat. Eine
ruhige blaßbraune Fluͤssigkeit ist der erwuͤnschte Punkt. Wenn man die
Saͤure aus der Bleikammer abzieht, nachdem einige Tage gebrannt wurde,
entbindet sie im Kochen Stroͤme von schwefligsaurem Gas: die
Salpetersaͤure ist naͤmlich hier zu schwach, um das schwefligsaure
Gas, welches von dem Wasser in der Kammer verschlukt wurde, zu zersezen. Wenn man
mit W die weiße Kammersaͤure, mit D die dunkle, mit X Spuren
von Salpetersaͤure und mit A ihre Abwesenheit
bezeichnet, so ersieht man aus Untenfolgendem, wie viele Bleikessel voll
Saͤure ich aus den unter meiner Leitung stehenden Kammern abzog. Ich untersuchte
die Schwefelsaͤure von jedem Abzug auf Salpetersaͤure.
11
Mal
W
und
X
1
–
W
–
A
10
–
D
–
A
2
–
D
–
X
Eine Kammer gab
7 D und A
4 W und X; sie lieferte 2,78 Pfund
Schwefelsaͤure auf ein Pfund verbrannten Schwefels.
Eine andere Kammer gab immer W und
X; sie lieferte 2,67 Pfd. Schwefelsaͤure auf
ein Pfund Schwefel.