Titel: Bericht des Hrn. Payen über den Milchmesser oder Lactometer des Hrn. Collardeau.
Fundstelle: Band 50, Jahrgang 1833, Nr. LXI., S. 287
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LXI. Bericht des Hrn. Payen uͤber den Milchmesser oder Lactometer des Hrn. Collardeau. Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement. August 1833, S. 275. Bericht uͤber den Milchmesser oder Lactometer. Man beschaͤftigte sich bereits schon laͤngere Zeit mit der Auffindung von Mitteln, durch welche sich die immer haͤufiger und haͤufiger werdenden Verfaͤlschungen eines der vorzuͤglichsten Nahrungsmittel, der Milch, entdeken ließen, damit denselben hierdurch zugleich auch auf die einfachste Weise abgeholfen und vorgebaut werden koͤnnte. Die Administrativbehoͤrden, die Gesundheitsconseils, die medicinischen Gesellschaften mancher Gegenden unterzogen sich schon mannigfach dieser Aufgabe, ohne dieselbe jedoch zu einer gluͤklichen Loͤsung gebracht zu haben. So zahlreich diese Verfaͤlschungen sind, so muß man doch bekennen, daß dieselben im Allgemeinen nichts mit sich bringen, was der Gesundheit schaͤdlich waͤre. Die zahlreichen Versuche, die in dieser Hinsicht angestellt wurden, haben naͤmlich erwiesen, daß der einzige Zusaz von Bedeutung, welcher gewoͤhnlich gemacht wird, nur in der Absicht geschieht, dadurch die Menge der Milch zu vermehren, und daher fast immer in reinem Wasser besteht; daß der geringe Zusaz einer faͤrbenden Substanz, welche der verduͤnnten Milch wieder ihre fruͤhere Farbe geben soll, der Gesundheit keinen Nachtheil bringt; und endlich daß die Sahne oder der Rahm, welcher der Milch zuweilen abgenommen wird, der Milch selbst weiter keinen anderen Schaden bringt, als den, daß der Geschmak derselben minder angenehm wird. Es war jedoch dessen ungeachtet von Wichtigkeit ein einfaches Mittel ausfindig zu machen, durch welches sich diese verschiedenen Verduͤnnungen der Milch oder die auf andere Weise entstandene Gehaltsverminderung derselben, kurz der wahre Werth der kaͤuflichen Milch erkennen und bestimmen ließe. Man suchte lange vergebens ein Mittel dieser Art, bis Hr. Banks zu London ein hierzu bestimmtes Instrument erfand, welches daselbst bereits allgemein angewendet wird, wenn es sich um positive Daten handelt. Hr. v. Valcourt, ein ausgezeichneter Oekonom, hat dieses Instrument aus England nach Paris gebracht, wo dasselbe auch schon von einem unserer gewandtesten Instrumentenmacher von vorzuͤglicher Guͤte verfertigt wird. Es nahm die Commission daher auch gar nicht Wunder, als sie fand, daß der Lactometer des Hrn. Collardeau seinem Zweke vollkommener entspreche, als dieß bisher je mit einem anderen Instrumente der Fall war. Der Lactometer, der um den billigen Preis von 2 Franken zu haben ist, besteht aus einer Art von Probierroͤhrchen mit einen Fuße, welches an seinem oberen Theile in 100 Grade eingetheilt ist. Wenn nun diese Roͤhre bis zur obersten Linie mit Milch gefuͤllt worden, so wird der Rahm emporsteigen, so daß man, wie die Schichte Rahmes stationaͤr geworden, leicht das Verhaͤltniß derselben zur Milch in Hunderttheilen ablesen kann. Der Gehalt an Rahm bezeichnet wirklich den wahren Werth der Milch; denn der Rahm bildet den angenehmsten Theil der Milch, er enthaͤlt die Butter, deren Werth groͤßer ist, als jener aller uͤbrigen Bestandtheile, und alle bekannten Verfaͤlschungen der Milch bewirken eine quantitative Verminderung desselben. Um nun zu ermitteln, ob der Lactometer wirklich die fraglichen Daten angibt, stellte die Commission folgenden Versuch an, bei welchem die Temperatur der Luft 19° am hundertgradigen Thermometer betrug. Wir fuͤllten vier der graduirten Roͤhren zu gleicher Zeit mit Milch, und zwar die erste derselben mit Milch, welche eben gemolken und durchgeseiht worden war; die zweite mit 1/3 Wasser und 2/3 ebenderselben Milch; die dritte mit gleichen Theilen von beiden Fluͤssigkeiten, und die vierte endlich mit 2/3 Wasser und 1/3 Milch. Die auf diese Weise mit verduͤnnter Milch gefuͤllten Roͤhren, und besonders jene, in der am meisten Wasser enthalten war, zeigten nach Ablauf einer halben Stunde bedeutende Unterschiede in der Farbenschattirung des unteren und des der Oberflaͤche zunaͤchst gelegenen Theiles. Dieses Zeichen allein waͤre schon hinreichend gewesen, um die vermengte oder verduͤnnte Milch von der reinen Milch zu unterscheiden; denn diese leztere zeigte bis dahin noch wenig Unterschiede, und selbst nach vollkommener Abscheidung der Rahmschichte war der Unterschied in der Farbe zwischen dieser Schichte und der darunter befindlichen Milch nicht so auffallend, als er es an der verduͤnnten Milch schon nach so kurzer Zeit war. Nach 8 Stunden hatten sich die Rahmschichten in saͤmmtlichen Roͤhren vollkommen gebildet, und zwar von folgender Dike: Die Dike der Rahmschichte auf der reinen Milch betrug 8 1/2 Hunderttheile Jene der Milch, der 1/3 Wasser zugesezt worden 6 1/4         – do.         do. 1/2          do.             do. 5         – do.         do. 2/3          do.             do. 3         – Man wird hieraus ersehen, daß die Verminderung des Volumens des Rahmes nur um sehr weniges geringer ist, als die Quantitaͤt der reinen Milch, welche entfernt wurde; so daß die Zahl der Hunderttheile also ziemlich genau das gewuͤnschte Resultat gibt. Es gaͤbe also nichts Leichteres, als die Milchverschleißer dahin zu bringen, immer nur rahmreiche und unverfaͤlschte Milch zu Markte zu bringen. Es brauchte nichts weiter, als daß die Consumenten die Milch nach dem Grade ihres Gehaltes bezahlten. Man wird wohl selbst einsehen, daß der Gehalt der Milch an Rahm, wenn auch gar keine Verfaͤlschung damit geschehen, doch verschieden seyn kann, und zwar nach der Nahrung und dem Gesundheitszustande der Kuͤhe, nach der mehr oder weniger fernen Epoche ihrer Wurfzeit und dergl.; allein die Milchverschleißer waͤren selbst hierbei keinen groͤßeren Nachtheilen unterworfen, als die Winzer und andere Oekonomen, deren Producte gleichfalls nach dem Gehalte derselben verkauft werden. Ja wir glauben sogar, daß hieraus ein wesentlicher Nuzen fuͤr die Milchwirthschaft im Allgemeinen erwachsen wuͤrde, weil die Leute gezwungen waͤren, genauer auf die Umstaͤnde zu achten, die eine Verbesserung oder ein Schlechterwerden der Milch zur Folge haben. Die zu den Versuchen und zum Emporsteigen des Rahmes noͤthige Zeit ließe sich, wie dieß Thenard bemerkt, gewiß dadurch bedeutend abkuͤrzen, daß man die Proben einer hoͤheren Temperatur aussezte; wir werden hieruͤber Versuche anstellen, und diese dann spaͤter bekannt machen. Der Lactometer ist uͤbrigens nicht bloß zur Bestimmung des Gehaltes der Milch sehr brauchbar, sondern er eignet sich wegen seiner Abtheilung in drei Deciliter auch zu vielen anderen, in chemischen Laboratorien sowohl als in gewoͤhnlichen Hauswirthschaften vorkommenden Faͤllen.