Titel: Resultate der neuesten Versuche über die Seidenzucht im mittleren Frankreich. Aus einem Schreiben des Hrn. Guérin vom 28. Julius 1833.
Fundstelle: Band 50, Jahrgang 1833, Nr. LXVIII., S. 304
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LXVIII. Resultate der neuesten Versuche uͤber die Seidenzucht im mittleren Frankreich. Aus einem Schreiben des Hrn. Guérin vom 28. Julius 1833. Aus dem Recueil industriel. August 1833, S. 127. Resultate der neuesten Versuche uͤber die Seidenzucht. Auf dem Oekonomiegute des Bergeries, 5 Meilen von Paris, ist ein Flaͤchenraum von 9 Tagwerken mit Maulbeerbaͤumen bepflanzt, welche als Heken gezogen werden. Die aͤltesten dieser Baumchen sind erst 7 Jahre alt, und man entblaͤtterte deßhalb in diesem Jahre auch nur 2/3 derselben, um damit eine Quantitaͤt Seidenraupen zu fuͤttern, welche man aus 6 Unzen. Eiern oder Samen ausfallen ließ. Die ganze Zucht dieser Raupen wurde von drei Commissaͤren der Akerbaugesellschaft in Versailles beaufsichtigt. Die von den Raupen verzehrten Blaͤtter wogen ungereinigt 7130 Pfd. Die erhaltenen Cocons von der Ina oder chinesischen Race waren sehr schoͤn weiß, und wogen, ohne jene zu rechnen, die zur Nachzucht bestimmt wurden, 556 Pfd. 27 Pfd. syrische Cocons wurden eigens gewogen. Man erhielt also aus 6 Unzen Eiern 600 Pfd. Cocons: ein Resultat, welches man in unseren suͤdlichen Provinzen selten oder ausnahmsweise und bei gleicher Sorgfalt nur dann erreicht, wenn die Hize im Mai nicht zu groß ist. Denn wenn die Hize, welche nicht selten um die Mitte Mai's eintritt, bis in die Gemaͤcher der Raupen eindringt, so werden die Raupen krank, man verliert einen guten Theil derselben und die uͤbrigen werden so schwach, daß sie bedeutend weniger Seide geben. Diese Krankheit kommt in dem Klima von Paris, wo das Thermometer eher unter, als uͤber dem gehoͤrigen Grade steht, nie vor. Kuͤnstliche Mittel zur Erhoͤhung der Temperatur haben wir genug; zur Verminderung der Hize muͤßte man aber Eisgruben in der Nahe haben, aus denen man die kalte Luft je nach Bedarf in die Gemaͤcher treten lassen koͤnnte, und diese Eisgruben duͤrften nur an sehr großen Anstalten mit Vortheil unterhalten werden koͤnnen. Das Heiz- und Luͤftungssystem, welches man auf den Bergeries befolgt, macht es moͤglich, daß man die Raupen immer in einer Atmosphaͤre halten kann, welche dem natuͤrlichen Zustande so nahe als moͤglich kommt. Auffallend ist gewiß die geringe Menge Maulbeerblaͤtter, welche die Seidenraupen in diesem Jahre auf den Bergeries verbrauchten. Alle Schriftsteller sind daruͤber einig, daß man zur Fuͤtterung der Raupen, die sich aus einer Unze Eier entwikeln, 15 bis 1800 Pfd. Blaͤtter brauche. Hr. Camille Beauvais hatte hiernach bei seinen an den Bergeries angestellten Versuchen fuͤr seine 6 Unzen 9 bis 10,000 Pfd. brauchen muͤssen, waͤhrend er doch nur 7130 Pfd. verfuͤtterte, so daß also hoͤchstens 1200 Pfd. Blaͤtter auf 1 Unze Eier kamen. Dieser Unterschied in dem Verbrauche an Blaͤttern beruht auf mehreren Ursachen, und namentlich auf folgenden beiden: 1) In den suͤdlichen Gegenden sind die Maulbeerbaͤume meistens sehr hoch, und daher stopfen die Leute, welche auf die Baͤume steigen muͤssen, um die Blaͤtter zu sammeln, zur Vermeidung des oͤftern Herab- und Hinaufsteigens so viel Blaͤtter in die dazu bestimmten Saͤke, als sie nur hineinbringen. In diesem Zustande bleiben die Blaͤtter dann, bis die ganze Tagesernte nach Hause geschafft wird; und hieraus folgt nothwendig, daß ein Theil der Blaͤtter sich erhizt und so zerquetscht wird, daß die Raupen dieselben nicht mehr fressen. Hr. Beauvais hingegen zieht die Maulbeerbaͤume in Helen; man braucht also nicht hinaufzusteigen, um die Blaͤtter pfluͤken zu Kimen, und die Raupen erhalten die Blaͤtter so frisch, als wenn sie am Baume selbst fressen wuͤrden. 2) In Folge der starken Hize und des starken Thaues in den suͤdlichen Gegenden entstehen auf den Maulbeerblattern oft gelbe zielen, welche man Rostfleken nennt. Diese Fleken bringen zwar den Seidenraupen keinen Schaden; die stetigen Stellen werden aber auch von den Raupen nicht angegangen, so daß also auch hierdurch ein Theil der Blaͤtter verloren geht. Auf den Maulbeerbaͤumen zu Bergeries und zu Honfleur wurden nie dergleichen Fleken beobachtet. Die Seide, welche Hr. Beauvais von seinen chinesischen Seidenraupen erhielt, war so schoͤn weiß, daß er dieselbe, nachdem sie auf der Seidenmuͤhle zugerichtet worden, im Jahre 1832 das Pfund von 15 Unzen um 51 Franken 25 Cent. an einen Seidenhaͤndler zu Paris verkaufte, ein Preis, der hoͤher ist, als man ihn fuͤr die suͤdfranzoͤsische und selbst fuͤr die italienische Seide bezahlt. Die Auslagen fuͤr Arbeitslohn, fuͤr das Pfluͤken der Blaͤtter, fuͤr die Weiber, die in der Anstalt beschaͤftigt waren, fuͤr das Heizen und andere Dinge, so wie die Kosten des Spinnens und des Zurichtens auf der Seidenmuͤhle beliefen sich zusammengenommen nicht hoͤher, als auf 600 Franken, so daß also 6 Tagwerke Landes (das Tagwerk zu 100 Ruthen und die Ruthe zu 20 Fuß) einen reinen Ertrag von mehr als 2400 Franken abwarfen, indem die 600 Pfd. Cocons wenigstens 60 Pfd. Seide gaben. Diese Daten geben also neuerdings einen Beweis, daß es nicht leicht einen eintraͤglicheren Kulturzweig gebe, als die Seidenzucht. Ich selbst, sagt Hr. Guérin, zog in diesem Jahre eine weit geringere Menge Cocons, als Hr. Beauvais, weil ich keine so große Anzahl von Maulbeerbaͤumen besize, und weil meine Baͤumchen uͤberdieß auch noch juͤnger sind. Ich brachte ihm im Julius 2000 Stuͤk Cocons, um dieselben mit den seinigen vergleichen zu koͤnnen. Wir nahmen eine gleiche Anzahl von seinen und von meinen Cocons und wogen dieselben ab; das Gewicht der meinigen war um so wenig groͤßer, daß man beide Sorten Cocons fuͤglich als gleich schwer betrachten konnte. Die Seide seiner Cocons war etwas weißer als jene der meinigen, weil seine Raupen von der chinesischen, die meinigen hingegen von der Race von Novi in Piemont abstammten, die bekanntlich eine weniger weiße Seide liefert. Ich ließ 100 meiner Cocons vor meinen Augen abhaspeln, und ließ die abgehaspelte Seide dann von einem sehr gewandten Seiden, Haͤndler beurtheilen und schaͤzen. Er verglich sie mit der zu Alais im Departement du Gard gezogenen chinesischen Seide, wobei sich zeigte, daß die chinesische Seide vom Gard zwar etwas weißer, die meinige hingegen weit feiner und dabei doch eben so stark war. Es ist schon laͤngst bekannt, daß die in noͤrdlicher gelegenen Gegenden gezogene Seide nerviger und feiner ist, als jene, die in suͤdlichen Laͤndern erzielt wird. Der Unterschied, welcher sich in diesem Falle ergab, war jedoch so bedeutend, daß er wahrscheinlich nur dem Umstande beizumessen seyn duͤrfte, daß meine Raupen großen Theils mit Blaͤttern des sogenannten vielstaͤngeligen Maulbeerbaumes (Morus multicaulis)Der vielstaͤngelige oder philippinische Maulbeerbaum (Morus multicaulis oder Morus Perrotteti), welcher eigentlich aus China abstammt, und daselbst hauptsaͤchlich zur Seidenraupenzucht verwendet wird, wurde bekanntlich vor laͤngerer Zeit von dem beruͤhmten Perrottet von den philippinischen Inseln nach Isle de France, Cayenne und nach Europa gebracht. Wir haben unseren Lesern schon einige Male Notizen uͤber denselben mitgetheilt, und fuͤgen hier gegenwaͤrtig nur noch folgende Notiz uͤber die verschiedenen Arten von Maulbeerbaͤumen bei, welche Hr. Noisette, dieser um die Kultur von ganz Europa so hoch verdiente Mann, in seinen ausgedehnten Garten und Baumschulen zu Paris zieht. Diese Arten und Abarten sind naͤmlich:1) Morus alba, der gewoͤhnliche weiße Maulbeerbaum.2) Morus alba latifolia, der breitblaͤtterige weiße Maulbeerbaum.3) Morus alba hispanica, der spanische weiße Maulbeerbaum.4) Morus alba macrophylla, der großblaͤtterige weiße Maulbeerbaum. Ich zog diese schoͤne Abart (sagt Hr. Noisette im Journal des connaissances usuelles, Oktober 1833, S. 175) aus Samen und halte sie fuͤr die vortheilhafteste von allen, da sie nicht bloß sehr viel Futter gibt, sondern auch in dem Klima von Paris eine der staͤrksten von allen wird. Ihre Blaͤtter stehen naͤmlich nur 1 1/2 bis 2 Zoll weit von einander entfernt und sind 8 bis 9 Zoll lang und eben so breit, sie sind fest und werden von den Seidenraupen sehr gierig gefressen.5) Morus alba laevigata, der glatte weiße Maulbeerbaum. Auch diese Abart, die ich gleichfalls aus Samen zog, gewaͤhrt sehr viele Vortheile. Die auf ihr und der vorhergehenden Abart gezogenen Seidenraupen lieferten eine sehr schoͤne gelbe Seide von ausgezeichneter Guͤte.6) Morus alba heterophylla, der verschiedenblaͤtterige weiße Maulbeerbaum, und7) Morus alba laciniata, der weiße Maulbeerbaum mit zerschlizten Blaͤttern, treiben beide sehr kraͤftig, sind aber wenig gesucht.8) Morus constantinopolitana, der constantinopolitanische Maulbeerbaum. Er bleibt immer nur ein Strauch, ist gegen unser Klima empfindlich, und eignet sich daher, obschon die Raupen seine Blaͤtter gern fressen, nicht zum Seidenbaue.9) Morus canadensis, der canadische Maulbeerbaum.10) Morus japonica, der japanische Maulbeerbaum. Ich brachte denselben vor 10 bis 12 Jahren aus England, und erhielt seither sehr schoͤne, 1–1 1/2 Zoll lange, schwarze Fruͤchte von demselben. Seine Blaͤtter sind groß und dunkelgruͤn; er ist aber gegen das Klima von Paris wenigstens eben so empfindlich, als der vielstaͤngelige Maulbeerbaum; besser gedeiht noch folgende Abart desselben:11) Morus japonica ficifolia, der japanische Maulbeerbaum mit Feigenblaͤttern.12) Morus indica, der indische Maulbeerbaum. Ein kraͤftiger Baum, der das Klima von Paris sehr gut vertraͤgt, mit großen, dunkelgruͤnen, glaͤnzenden, etwas festen Blaͤttern, ziemlich dicht stehenden Knospen und geraden Aesten. Ich habe bisher nur wenige Versuche uͤber die Fuͤtterung der Raupen mit Blattern dieser Abart gemacht; glaube aber, daß dieselbe noch zu sehr interessanten Versuchen fuͤhren duͤrfte.13) Morus lucida, der glaͤnzende Maulbeerbaum. Er stammt gleichfalls aus China, und man sagt, daß sich die Seidenraupen auf ihm festsezen, und ihre ganze Arbeit auf ihm vollenden. Der Baum sieht sehr schoͤn aus; seine Aeste sind zarter, als an dem japanischen Maulbeerbaume. Seine glatten, glaͤnzenden und rauschenden Blaͤtter sind beinahe noch ein Mal so groß, als jene des gewoͤhnlichen weißen Maulbeerbaumes. Ich habe gefunden, daß die Seidenraupen die Blaͤtter dieser Art allen uͤbrigen vorziehen, und dabei eine sehr feine, feste, goldgelbe Seide geben.14) Morus multicaulis, der vielstaͤngelige Maulbeerbaum.15) Morus nigra, der schwarze Maulbeerbaum. Er findet sich haͤufig in unseren Gaͤrten, gibt aber eine mittelmaͤßige Seide.16) Morus populifolia, der pappelblaͤtterige oder tatarische Maulbeerbaum. Ein großer Baum mit zarten graulichen Aesten, rundlichen, flachen, glaͤnzenden, nicht sehr fleischigen, blaßgruͤnen Blaͤttern von der Groͤße der Blaͤtter der gewoͤhnlichen Schwarzpappel. Er treibt bei Zeiten und zieht im Herbste fruͤhzeitig ein, so daß er sich hauptsaͤchlich fuͤr kalte Klimate eignen duͤrfte. Ich hatte noch keine Gelegenheit, Versuche uͤber die Fuͤtterung der Raupen mit diesen Blattern, die leider klein sind, anzustellen.17) Morus sinensis, der chinesische Maulbeerbaum. Dieser Baum, den ich aus England zuruͤkbrachte, scheint dem canadischen Maulbeerbaume sehr aͤhnlich; er ist sehr kraͤftig; seine Blaͤtter sind groß, fuͤhlen sich aber etwas rauh an. Die Seidenraupen fressen die Blaͤtter gern; die damit gezogene Seide schien mir aber etwas grob, und sehr gelb.18) Morus tinctoria, der faͤrbende Maulbeerbaum. Man verwendet dessen Rinde und dessen Wurzel in China und auch in Europa zum Gelbfaͤrben. Er haͤlt unser Klima sehr gut aus; seine Blaͤtter stehen weit von einander entfernt, sind beinahe rund, blaßgruͤn, und uͤber 5 Zoll breit. Nie sah ich, daß die jungen Triebe vom Froste gelitten hatten. Die mit diesen Blaͤttern gezogene Seide hat eine schoͤne gelbe Farbe, ist aber nicht von erster Feinheit.19) Broussonetia papyrifera der Papier-Maulbeerbaum.20) Broussonetia papyrifera cucullata, eine Abart der vorhergehenden.Die Seidenraupen fressen wohl beide; die bei dieser Fuͤtterung gewonnene Seide ist aber nur von mittelmaͤßiger Guͤte.21) Macloura aurantica. Dieser nordamerikanische Baum vertraͤgt unser Klima sehr gut, und gibt nicht nur ein sehr gutes Faͤrbemittel, sondern auch vortreffliche und wahrhaft undurchdringliche Heken. Die Seidenraupen fressen seine glaͤnzenden, rauschenden Blaͤtter sehr gern, und ziehen sie manchmal sogar den Maulbeerblattern vor. Sie spinnen bei dieser Nahrung eine schoͤne hellgelbe Seide, deren Faden mir ziemlich fein und gut zu seyn schien. Die Macloura laͤßt sich sowohl durch Wurzelbrut, als durch Stellinge leicht vermehren. gefuͤttert worden. Diese Art von Maulbeerbaum ist naͤmlich der geeignetste zur Seidenraupenzucht, und die damit gefuͤtterten Raupen geben eine Seide von solcher Guͤte, wie sie bisher im Handel noch nicht vorkam. Der vielstaͤngelige Maulbeerbaum ist um so schaͤtzenswerter, als er sich mit groͤßter Leichtigkeit durch Steklinge bis ins Unendliche vermehren laͤßt. Anhang. Wir erlauben uns diesem interessanten Dokumente uͤber die Verbreitung und die Erfolge des Seidenbaues in den noͤrdlicheren Gegenden Frankreichs folgende Bemerkungen eines Correspondenten des Journal des connaissances usuelles beizufuͤgen, und glauben uns um so mehr hierzu berechtigt, als man in unserem lieben Deutschland noch immer gewohnt ist, auf die Worte und Versuche des Auslandes ein groͤßeres Gewicht zu legen, als auf die wiederholten Ermahnungen und die jahrelangen Beobachtungen unserer Landsleute. Ich sah den vielstaͤngeligen Maulbeerbaum, sagt Hr. C. D. J. N., zum ersten Male vor 10 Jahren bei einem Baumschuleninhaber zu Montpellier. Die Staͤmmchen waren zwei Jahre alt und einen Daumen dik; die Blaͤtter derselben zeichneten sich durch ihre Groͤße aus, denn die meisten waren an 20 Zoll lang und 16 bis 18 Zoll breit; sie waren uͤberdieß so weich und biegsam, daß man sie wie ein Schnupftuch nach allen Richtungen zusammenlegen, in den Sak steken und wieder ausbiegen konnte, ohne daß sie dadurch merklich zerknittert wurden. Ich kaufte mir 6 solche Staͤmmchen, die ich wegen ihrer damaligen Seltenheit theuer zahlen mußte, und pflanzte sie in ein Erdreich, welches zwar nicht so gut war, wie jenes der Baumschule, in welchem aber doch Reben, Feigen u. dergl. sehr gut gedeihen. Meine Baumchen sind nun 10 Jahre alt, blieben aber troz aller Sorgfalt, die ich auf sie verwendete, hinter den sogenannten Rosen-Maulbeerbaͤumen zuruͤk, die ich zugleich mit ihnen pflanzte; sie geben dem Gewichte nach nicht so viel Blaͤtter, als die weißen Maulbeerbaͤume; ihre Blaͤtter sind nur mehr 6 bis 7 Zoll lang, werden wegen ihrer Zartheit von dem Winde leicht zerrissen, und sind dem Stiche einer Fliege ausgesezt, welche ich mehrmalen auch auf den Pfirsichblattern beobachtete, und welche ein Zusammenrunzeln der Blaͤtter bewirken. Außerdem hat der vielstaͤngelige Maulbeerbaum auch noch den Fehler, daß er 10 bis 14 Tage fruͤher in Saft tritt, als der gewoͤhnliche Maulbeerbaum, und daß er folglich den Fruͤhlingsfroͤsten sehr ausgesezt ist. In den 8 Jahren, waͤhrend welcher ich ihn ziehe, sind mir die ersten Triebe drei Mal erfroren, so daß die Baͤume wie abgestorben aussahen, und erst nach 20 Tagen wieder kraͤftig austrieben. Ich zog beilaͤufig 2000 Seidenraupen, welche ich bis zur dritten Haͤutung mit Blaͤttern des Rosen-Maulbeerbaumes, und dann mit Blaͤttern des vielstaͤngeligen Maulbeerbaumes fuͤtterte. Die Aenderung der Nahrung schadete den Raupen nicht, sowohl die vierte Haͤutung als das Einspinnen verlief ohne alle Nachtheile, und ich erhielt eine große Menge schoͤner Cocons, die zwar im Vergleiche mit den Cocons der Raupen, die mit gewoͤhnlichen Maulbeerblaͤttern gefuͤttert worden waren, etwas weniger hart schienen, dafuͤr aber ein schoͤneres und glaͤnzenderes Weiß hatten. Was das Gewicht betrifft, so gingen von den gewoͤhnlichen Cocons 500, von den mit den Blaͤttern des vielstaͤngeligen Maulbeerbaumes erzielten Cocons aber 551 auf den Kilogramm. Es laͤßt sich nicht laͤugnen, daß die Seidenraupen die Blaͤtter des vielstaͤngeligen Maulbeerbaumes lieber fressen, und doch ergeben sich bei diesen mehr Abfaͤlle. Wahrscheinlich beruht dieß auf demselben Grund, nach welchem die aͤußersten Blaͤtter aller Maulbeerbaumsorten den Beobachtungen Dandolo's zu Folge mehr Abfalle liefern, und dieser Grund ist: daß die zarten und biegsamen Blaͤtter den Freßwerkzeugen der Raupen mehr nachgeben und denselben entwischen. Ich glaube daher, daß die besseren bekannten Abarten des weißen Maulbeerbaumes dem vielstaͤngeligen vorzuziehen seyn duͤrften, und zwar, weil die Baͤume staͤrker werden und mit schlechterem Boden vorlieb nehmen; weil die Blaͤtter spaͤter ausschlagen, dem Winde besser widerstehen, und dichter stehen, so daß diese Baͤume im Ganzen mehr Blaͤtter geben; weil die Blaͤtter des vielstaͤngeligen Maulbeerbaumes auf schlechterem Boden kaum großer sind, und mehr von Insecten angegriffen werden. Ich bin uͤbrigens weit entfernt, dem vielstaͤngeligen Maulbeerbaume seine guten Eigenschaften streitig zu machen; er laͤßt sich naͤmlich außerordentlich leicht vermehren, und wenn es richtig ist, daß die mit seinen Blaͤttern gefuͤtterten Raupen eine schoͤnere und feinere Seide spinnen, so duͤrften die oben erwaͤhnten Nachtheile wohl durch diese Vortheile aufgewogen werden. Da derselbe uͤbrigens nicht sehr groß zu werden scheint, so duͤrfte es vielleicht am besten seyn, ihn in Heken zu ziehen. Ich erlaube mir schließlich noch einige Bemerkungen uͤber die heurige Seidenernte im Département de l'Hérault beizufuͤgen. Der vortreffliche Fruͤhling, die ausgezeichnete Guͤte der Maulbeerblaͤtter, die bei der geringen Menge des gefallenen Regens alle zur Fuͤtterung wuͤnschenswerthen Eigenschaften besaßen, ließen die beste und reichste Ernte erwarten. Die Raupen durchlebten auch wirklich die vier ersten Perioden ihres Lebens beinahe ohne alle Krankheiten, als gerade um jene Zeit, um welche sie sich einspinnen sollten, gegen Ende Mai's, die Hize bis auf 23 und 24° R. stieg. Hierdurch wurden die Thiere so schwach und so ermattet, daß sie nicht Kraft genug besaßen, um an den Heidenbuͤscheln emporzukriechen, und daß selbst viele von denen, die ihre Cocons zu spinnen begonnen hatten, zu Grunde gingen, ehe sie dieselben vollendet hatten. Leider ereignet sich dieser Fall in unseren suͤdlichen Gegenden nicht selten; denn gewoͤhnlich kommt um diese Zeit entweder eine staͤrkere Hize oder jener warme, feuchte Suͤdwind, der Menschen und Thiere so sehr ermattet, und bei welchem die Seidenraupen in Masse zu Grunde gehen, da alle Ventilatoren in einem solchen Falle keine troknere und kuͤhlere Luft schaffen. Aus diesem Grunde gedeiht die Seidenzucht in den Cevennen und im Vivarais besser, als im suͤdlichen Frankreich, als an den Kuͤsten Piemont's und als in den tiefliegenden Gegenden Italiens, und es ist gewiß, daß die Seidenzucht in allen kaͤlteren und hoͤher gelegenen Gegenden, wenn nur der Maulbeerbaum daselbst noch gedeiht, mit mehr Vortheil betrieben werden kann, als in den suͤdlicheren und heißeren Laͤndern. Man kann sich leicht aus dem Winter einen kuͤnstlichen Fruͤhling schaffen, unmoͤglich aber ist es aus Hundstagen Fruͤhlingstage zu machen. Nach Dandolo, Bonafous und Pitaro soll man bei einer zwekmaͤßigen Behandlung der Seidenzucht aus einer Unze Eier 120 Pfd. Cocons erziehen; im Département de l'Hérault erhaͤlt man nie uͤber 90 Pfd. Ich selbst erhielt kein besseres Resultat, obschon ich ganz nach Dandolo's Vorschriften verfuhr. Uebrigens muß ich gestehen, daß unsere Seidenzuͤchter meistens sehr unwissend sind, und daß man bei uns beinahe gar keine gehoͤrig eingerichteten und zur Seidenzucht tauglichen Gebaͤude trifft. Gewoͤhnlich verwendet man die Boden hierzu, die sich unmittelbar unter dem Ziegeldache befinden, und auf denen im Sommer eine unertraͤgliche Hize herrscht! Weit besser macht man es in den Cevennen, wo man die Schafstaͤlle, die um diese Zeit leer sind, zur Seidenraupenzucht verwendet.