Titel: Ueber die optischen Täuschungen, auf welchen der kleine, Phenakisticop genannte Apparat beruht; von Herrn Plateau.
Fundstelle: Band 51, Jahrgang 1834, Nr. VIII., S. 34
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VIII. Ueber die optischen Taͤuschungen, auf welchen der kleine, Phenakisticop genannte Apparat beruht; von Herrn Plateau. Aus den Annales de Chimie et de Physique. Julius 1833, S. 304. Ueber die optischen Taͤuschungen. Da das neulich unter dem Namen Phenakisticop bekannt gewordene Instrument, als eine merkwuͤrdige Anwendung gewisser optischer Erscheinungen, einige Aufmerksamkeit erregt hat, so wird man vielleicht nicht ohne Interesse einige Erklaͤrungen uͤber die Ursache dieser sonderbaren Erscheinungen lesen. Zuerst will ich aber bei dieser Gelegenheit bemerken, daß obgleich das Phenakisticop nach der Idee, die ich von dieser neuen Art optischer Taͤuschungen gegeben habeIch habe diese Idee in einem Briefe vom 20. Jan. 1833 in der Correspondance mathématique et physique de l'Observatoire de Bruxelles (Bd. VII. S. 365) entwikelt und in dem Mémorial encyclopédique des Hrn. Bailly de Merlieux (Julius 1833, S. 211) zum Theil wiederholt. A. d. Verf., gemacht worden ist, ich doch an der Ausfuͤhrung desselben, die in mancher Hinsicht viel zu wuͤnschen uͤbrig laͤßt, keinen Antheil habe. Die Theorie und Erfahrung zeigen in der That, daß man, um ein moͤglichst vollkommenes Resultat zu erhalten, gewisse Vorsichtsmaßregeln beruͤksichtigen muß, welche bei der Verfertigung des Phenakisticops unbeachtet blieben; daher sind die Figuren nicht rein genug, etc. Ich habe mit vieler Sorgfalt und alle diese Vorsichtsmaßregeln beobachtend, Bilder gezeichnet, die ich, noch ehe mein Brief in das Journal de l'Observatoire eingeruͤkt wurde, mehreren Personen, auch Hrn. Quetelet, zeigte. Diese Bilder machen nun ein neues Instrument aus, welches in London unter dem Namen Fantascop verkauft wird. Der Apparat, womit man diese Wirkungsart hervorbringt, besteht bekanntlich in der Hauptsache aus einer Scheibe von Pappendekel, die gegen ihren Umkreis mit einer gewissen Anzahl kleiner Oeffnungen und auf einer ihrer Seiten mit bemahlten Figuren versehen ist. Wenn man diese Scheibe einem Spiegel gegenuͤber sich um ihren Mittelpunkt drehen laͤßt, indem man mit einem Auge durch die Oeffnungen schaut, so scheinen die Figuren, welche man durch Reflexion in dem Spiegel sieht, anstatt sich zu vermischen (wie dieses geschehen muͤßte, wenn man die sich drehende Scheibe auf irgend eine andere Art betrachten wuͤrde), im Gegentheil an der Drehung dieser Scheibe Theil zu nehmen, werden lebendig und verrichten eigenthuͤmliche Bewegungen. Das Princip, worauf diese Taͤuschung beruht, ist außerordentlich einfach. Wenn mehrere Gegenstaͤnde, die so wie sie auf einander folgen, in Gestalt oder Lage von einander abweichen, sich nach und nach in sehr kurzen Zwischenraͤumen vor dem Auge zeigen, so werden die Eindruͤke, welche sie nach und nach auf der Nezhaut hervorbringen, sich unter einander verbinden, ohne sich zu vermischen und man wird nur einen einzigen Gegenstand zu sehen glauben, der nach und nach seine Gestalt oder Lage wechselt. Es ist dieses eine ganz natuͤrliche Folge von der Dauer des Sehens; so oft naͤmlich eine Oeffnung vor dem Auge vorbeistreicht, laͤßt sie waͤhrend einer sehr kurzen Zeit das Bild der Scheibe und der darauf befindlichen Figuren sehen, und da waͤhrend dieses Vorbeistreichens die Scheibe nur einen sehr kleinen Theil ihrer Umdrehung bewerkstelligen kann, so sieht man es ziemlich auf die Art, als wenn es waͤhrend dieses kurzen Zeitraumes unbeweglich waͤre. Da sich nun dieselbe Wirkung fuͤr jede Oeffnung wiederholt, so erhaͤlt man eine Reihe von Bildern, die sich nach einander in sehr kurzen und einander beliebig nahen Zeitraͤumen vor dem Auge zeigen, indem jedes dieser Bilder die Figuren deutlich oder doch mit sehr wenig Verwirrung darbietet, weil es, wie ich so eben gezeigt habe, fast ganz so ist, als wenn es sich auf einer unbeweglichen Scheibe befaͤnde. Man braucht daher, um allen Bedingungen des oben angegebenen Princips zu genuͤgen, nur dafuͤr zu sorgen, daß die Figuren, welche bei diesen auf einander folgenden Bildern der Scheibe in Bezug auf das Auge aͤhnliche Stellen einnehmen, sich allmaͤhlich unter einander in Gestalt oder Lage unterscheiden; diese Bedingung, welche die Taͤuschung bewirkt, ist leicht zu erfuͤllen. Wir wollen dieses Alles nun durch Beispiele erlaͤutern. Gesezt man wolle Taͤnzer vorstellen, welche Kreiswendungen (Piruetten) machen, so braucht man nur symmetrisch um den Mittelpunkt eine Anzahl von Figuren gleich derjenigen der Oeffnungen anzubringen, die so gezeichnet sind, daß wenn man die Reihe dieser Figuren in derselben Richtung verfolgt, immer jede unter ihnen in der Kreiswendung etwas weiter vorgeschritten ist, als die vorhergehende, bis man wieder auf diejenige zuruͤkkommt, von welcher man ausgegangen ist. Alsdann ist es klar, daß wenn man mit dieser Scheibe einen Versuch macht, die kleinen Figuren, welche nach und nach in Bezug auf das Auge dieselbe Stelle einnehmen werden, immer mehr gegen eine und dieselbe Seite gewendet erscheinen muͤssen, und da das Auge alle diese auf einander folgenden Eindruͤke mit einander verbindet, so werden sich die kleinen Figuren vollkommen im Kreise zu bewegen scheinen. Will man Personen vorstellen, welche gehen, so duͤrfen die auf einander folgenden kleinen Figuren nicht mehr dieselben Stellen in Bezug auf das Auge annehmen; sie muͤssen im Gegentheil so geordnet seyn, daß die Positionen, welche sie nach einander vor dem Auge ausfuͤllen, in derselben Richtung immer weiter vorgeschritten sind, und dieses Resultat erhaͤlt man leicht, wenn man die Anzahl der Figuren etwas groͤßer oder kleiner nimmt als die der Oeffnungen, je nachdem diese Figuren in der einen oder anderen Richtung vorschreiten sollen. Die Bewegung der Beine laͤßt sich nach denselben Grundsaͤzen ebenfalls leicht hervorbringen. Man braucht sich nur einen Schritt als in mehrere auf einander folgende Positionen eingetheilt vorzustellen, und diese Positionen der Reihe der kleinen Figuren zu geben. Nach dem Vorhergehenden wird man meiner Meinung nach bei einiger Aufmerksamkeit leicht die Methoden ausmitteln koͤnnen, um alle periodischen Bewegungen, vorausgesezt daß sie nicht zu langsam sind, vorzustellen. Das Phenakisticop liefert mehrere Beispiele davon und man wird sich leicht erklaͤren koͤnnen, auf welche Art sie hervorgebracht werden. Ich will nur noch bemerken, daß bei der Hervorbringung dieser optischen Taͤuschung die Drehungsgeschwindigkeit der Scheibe innerhalb gewisser Graͤnzen bleiben muß; ist sie zu klein, so verbinden sich die auf einander folgenden Bilder nicht mehr mit einander: ist sie hingegen zu groß, so bleiben mehrere der Eindruͤke, die sich nach einander bilden, zusammen mit fast gleicher Staͤrke auf der Aezhaut, so daß die Stellungen, welche auf einander folgen sollten, zugleich gesehen werden, daher also die resultirende Erscheinung verworren ist. Die Geschwindigkeit muß von der Art seyn, daß die auf einander folgenden Eindruͤke sich verbinden, sich aber nicht vermischen.