Titel: Ueber die stellenweise und warzenförmige Oxydation des Eisens.
Fundstelle: Band 51, Jahrgang 1834, Nr. XXIV., S. 117
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XXIV. Ueber die stellenweise und warzenfoͤrmige Oxydation des Eisens. Aus dem Temps, vom 7. Januar 1834. Ueber die warzenfoͤrmige Oxydation des Eisens. Die HH. Becquerel und Dumas erstatteten der Pariser Akademie der Wissenschaften Bericht uͤber eine Abhandlung des Hrn. Payen, betitelt: uͤber die stellenweise und warzenfoͤrmige Oxydation des Eisens. Die Stadt Grenoble ließ mit großen Unkosten eine Wasserleitung mit gußeisernen Roͤhren herstellen, um das Wasser aus zwei entfernten Quellen herzuleiten. Da die Menge des durch diese Canaͤle laufenden Wassers sehr auffallend abgenommen hatte, so spuͤrte man der Ursache davon nach und glaubte sie in dem Vorkommen von eisenhaltigen Warzen (oder Knoten) gefunden zu haben, die sich im Innern bildeten und so schnell anwachsen, daß man befuͤrchten muß, sie werden endlich den Hohlraum der Roͤhren ganz verstopfen. Der Maire von Grenoble erließ bei dieser Gelegenheit ein Rundschreiben an alle Personen, die sich mit Physik und Chemie beschaͤftigen, um durch sie die Mittel zu erfahren, wodurch sich diesem nachtheiligen Umstande abhelfen ließe. Hr. Payen, an welchen ein solches Rundschreiben gerichtet war, glaubte, daß die Bildung dieser eisenhaltigen Auswuͤchse eine derjenigen ganz aͤhnliche Erscheinung ist, welche er bei seinen Versuchen uͤber die Wirkung alkalischer Aufloͤsungen auf das Eisen beobachtet hatte.Polyt. Journal Bd. XLVI. S. 267. Ein blanker eiserner Cylinder wird lange Zeit gegen die Oxydation geschuͤzt, wenn man ihn in eine Aufloͤsung von reinem Aezkali taucht, die mit ihrem tausendfachen Volumen Wasser verduͤnnt ist; wenn diese Aufloͤsung aber mit der Luft in Beruͤhrung ist, so zieht das Alkali allmaͤhlich Kohlensaͤure an und verliert dadurch seine schuͤzende Wirkung. Enthaͤlt das Wasser nur zwei Procent einer gesaͤttigten Aufloͤsung von kohlensaurem Natron, so bilden sich kegelfoͤrmige Concretionen von Oxyd, die an ihrer Grundflaͤche lange gruͤnlichbraun bleiben und an ihrer Spize gelblich werden. Die Oxydation faͤngt hauptsaͤchlich an denjenigen Stellen des Metalles an, wo fremdartige Koͤrper vorkommen koͤnnen, durch deren Beruͤhrung mit dem Metall galvanische Wirkungen herbeigefuͤhrt werden koͤnnen und die ganze uͤbrige Oberflaͤche behaͤlt ihren metallischen Glanz. Andererseits bildeten sich in einer gegen den Zutritt der Luft verwahrten gesaͤttigten Kochsalzaufloͤsung nur wenige Warzen von Eisenoxyd, waͤhrend bei Beruͤhrung mit der Luft die Oxydation wie gewoͤhnlich fortschritt. Eine gesaͤttigte Aufloͤsung von Kochsalz und kohlensaurem Natron hat die Eigenschaft das Eisen gegen jede Veraͤnderung zu schuͤzen, selbst wenn sie mit der Luft in Beruͤhrung ist; dieß hoͤrt aber auf, sobald sie mit Wasser verduͤnnt wird. Eine mit ihrem 75fachen Volumen Wasser verduͤnnte Aufloͤsung dieser beiden Salze veranlaßt in einer Minute schon einen Anfang von Oxydation auf dem Eisen und Gußeisen, indem sich blaßgruͤne Punkte bilden, welche sich in zehn Minuten merklich vergroͤßern. Bringt man gut calcinirte Holzkohlenstuͤke auf der Oberflaͤche des Eisens an, so wird die Wirkung betraͤchtlich verstaͤrkt, ein Beweis, daß durch zersezte organische Koͤrper die Oxydation beschleunigt wird; hieraus geht hervor, daß das Gußeisen unter denselben Umstaͤnden sich auch schneller als das reine Eisen veraͤndern muß. Hr. Payen zieht aus diesen Beobachtungen den Schluß, daß schwach alkalisch reagirende Aufloͤsungen die Eigenschaft haben bei dem Eisen und Gußeisen locale Concretionen zu veranlassen, wodurch die uͤbrige Oberflaͤche gegen jede Veraͤnderung geschuͤzt wird und daß diese Reaction nach dem Luftgehalt der verschiedenen Salze, und den fremdartigen Koͤrpern, welche sich auf der Oberflaͤche des Metalles befinden, wandelbar ist; er glaubt nun, daß aͤhnliche Concretionen sich in den eisernen oder gußeisernen Roͤhren bilden koͤnnen, durch welche Wasser laͤuft, das sehr wenig Salz enthaͤlt und schwach alkalisch reagirt. Die Berichterstatter der Akademie glauben, daß die von Hrn. Payen bezeichnete Ursache eine derjenigen seyn kann, welche die Entstehung der eisenhaltigen Warzen in den Leitungsroͤhren von Grenoble veranlassen koͤnnen; da man aber bisher vergebens eine alkalische Reaction dieses Wassers nachzuweisen suchte, so laͤßt sich nicht sagen, in wie weit die von Hrn. Payen beobachtete Thatsache hier eine Anwendung finden kann. Die in den Canaͤlen von Grenoble beobachteten Schwaͤmme, fuͤgen sie bei, sind entweder isolirt oder gruppirt, immer aber sind die Theile, welche sie zwischen sich lassen, glatt, und diese Thatsache allein beweist schon eine galvanische Wirkung, welche durch ein aͤhnliches Verfahren, wie es Hr. Dumas in der Porcellanfabrik zu Sévres anwandtePolyt. Journal Bd. XXIII. S. 411., vortheilhaft bekaͤmpft werden kann. Es befindet sich in dieser Fabrik naͤmlich ein bleiernes Wasserreservoir, auf dessen innerer Oberflaͤche man kaum Spuren von einem Niederschlag beobachtet, nur laͤngs der Loͤthungen bemerkt man eine dike Schichte einer krystallinischen Kruste von kohlensaurem Kalk, welcher durch ein wenig Eisenoxyd gefaͤrbt ist. In den Roͤhren zeigt sich dieselbe Wirkung nach der ganzen Laͤnge der Loͤthung. Es handelte sich also in diesem Falle nur darum, die galvanische Wirkung an einer bequemen Stelle zu verstaͤrken, damit sich daselbst der Niederschlag allein bildet und alles Uebrige von demselben frei bleibt. Zu diesem Ende brachte man in gewissen Entfernungen immer wieder eine Seitenroͤhre an, die mit einem Stoͤpsel von einem geeigneten Metall verschlossen wurde, der bis in das Innere des Wasserbehaͤlters durchdrang. Durch die Beruͤhrung des metallenen Stoͤpsels mit dem Blei entsteht eine galvanische Wirkung; die Kohlensaͤure, durch welche der kohlensaure Kalk aufgeloͤst ist, wird von dem am wenigsten oxydirbaren Metall angezogen und entbindet sich, wodurch der kohlensaure Kalk niedergeschlagen wird. Man braucht dann nur den Stoͤpsel herauszuziehen, um den Niederschlag leicht beseitigen zu koͤnnen. Ein aͤhnliches Verfahren ließe sich auch bei den Wasserleitungsroͤhren von Grenoble anwenden. Die Berichterstatter sagen am Schlusse, daß obgleich die von Hrn. Payen mitgetheilten Beobachtungen die angeregte Frage nicht loͤsen, seine Arbeit doch den Beifall der Akademie verdiene.Nachdem dieser Bericht vorgelesen war, nahm Hr. Girard das Wort. Er bemerkte der Verfasser der Abhandlung, so wie auch die Berichterstatter waͤren von der Hypothese ausgegangen, daß die Volumverminderung des Wassers einzig den eisenhaltigen Concretionen zuzuschreiben seyen, die sich im Innern der gußeisernen Roͤhren gebildet haͤtten. Nun waͤre diese Vermuthung aber nicht die einzige, welche man aufstellen koͤnne, und auch nicht die wahrscheinlichste. Die Wassermenge, welche durch diese Wasserleitung in den Brunnenthurm geliefert werde, betrage nur halb so viel als vor sieben Jahren; da nun die Wasserleitung 27 Centimeter innern Durchmesser habe und 3000 Meter lang sey, so muͤßte ihr innerer Durchmesser sich in dieser Zeit beilaͤufig um die Haͤlfte vermindert haben, also die Dike der Kruste auf mehr als 6 Centimeter angewachsen seyn, was nicht sehr wahrscheinlich ist.