Titel: Ueber die Anwendung des Thermometers bei der Schifffahrt, um dadurch die Nähe des Landes und der Klippen zu erfahren.
Fundstelle: Band 51, Jahrgang 1834, Nr. XXXV., S. 163
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XXXV. Ueber die Anwendung des Thermometers bei der Schifffahrt, um dadurch die Naͤhe des Landes und der Klippen zu erfahren. Aus dem Journal de la marine 1833, No. 2. S. 10. Anwendung des Thermometers bei der Schifffahrt. Die Entdekung des Colonels Jonathan Williams, daß man bei langen Seereisen die Naͤhe des Landes, der Baͤnke oder Klippen mittelst des Thermometers erkennen kann, ist einer der wichtigsten Fortschritte, welche man seit der Entdekung der Magnetnadel in der Schifffahrt gemacht hat. Hr. Williams kam folgender Maßen auf den Schluß, daß das Thermometer bis auf einen gewissen Punkt die Naͤhe des Landes anzeigt. Als er im Jaͤhre 1785 mit Franklin die Reise von den Vereinigten Staaten nach England machte, stellte er unter dessen Leitung Versuche uͤber die Temperatur des sogenannten Golf-Stromes (Golf-Stream) an, welcher die ganze Kuͤste des noͤrdlichen Amerika's bestreicht. Er beschloß, diese Versuche bei allen seinen Reisen zu wiederholen, und hielt sich ein Journal uͤber die Temperatur des Wassers beim Auf- und Niedergang der Sonne, und Mittags. Er fand, daß das Meerwasser jenseits der Sonden um ungefaͤhr 4,44 Reaumur'sche Grade waͤrmer ist, als das an den Kuͤsten. Vier Reisen, die er nach einander machte, lieferten ihm dieselben Resultate, naͤmlich: 1) Daß das Wasser uͤber den Baͤnken viel kaͤlter ist, als im vollen Ocean: es ist um so kaͤlter, je weniger tief es ist. 2) Das Wasser uͤber den kleinen Baͤnken ist viel weniger kalt, als uͤber den großen. 3) Das Wasser uͤber den Baͤnken nahe an der Kuͤste ist viel waͤrmer als uͤber denjenigen, welche davon ziemlich entfernt sind; es ist aber kaͤlter als das Wasser des vollen Meeres. 4) Das Wasser ist kaͤlter auf den Baͤnken, welche mit der Kuͤste verbunden, als auf denen, welche davon durch einen tiefen Canal getrennt sind; der Unterschied in der Waͤrme ist noch betraͤchtlicher als im vollen Meere. 5) Die vorhergehenden Regeln gelten nicht fuͤr das Wasser innerhalb der Vorgebirge und auch nicht fuͤr dasjenige der Fluͤsse; da dieses weniger bewegt und mehr der Einwirkung der Sonne ausgesezt ist, auch mit der Erde in inniger Verbindung steht, so ist es waͤrmer oder kaͤlter als das Wasser jenseits der Sonden, je nach der Temperatur der Luft und der Jahreszeit. 6) Aus dem Vorhergehenden folgt, daß wenn ein tiefes Wasser zu demjenigen einer Bank stroͤmt, dieses sich durch das Thermometer erkennen laͤßt, ehe man das Land gewahr wird. Die Jahreszeit hat durchaus keinen Einfluß auf das Resultat. Die Klippen, die Baͤnke sind naͤmlich viel bessere Waͤrmeleiter als das Wasser; folglich muß das Wasser, welches eine Masse von Klippen oder eine Sandbank bedekt oder umgibt, eine viel groͤßere Menge Waͤrmestoff verloren haben als solches, dessen Tiefe so zu sagen unermeßlich ist, und in Folge hiervon muß seine Temperatur niedriger seyn, wie es Hr. Williams gefunden hat. Diese Wirkung muß um so merklicher seyn, je ausgedehnter die Klippe oder Bank ist, was ebenfalls mit den angefuͤhrten Versuchen uͤbereinstimmt. Offenbar kann die Jahreszeit ganz und gar keinen Einfluß auf diese Wirkung haben. Fuͤr die Richtigkeit des thermometrischen Systems spricht noch eine andere Thatsache: Hr. Williams brachte ein Thermometer in den Bauch eines Kabliaus, der auf der Bank von Neufundland in einer Tiefe von 45 Faden gefangen wurde, und fand, daß die innere Temperatur dieses Fisches nur 2 1/4 Grad betrug, waͤhrend die des Wassers 8 2/10, war. Derselbe Versuch wurde mit einer großen Anzahl von Fischen wiederholt, und lieferte stets ziemlich gleiche Resultate, woraus hervorzugehen scheint, daß das die Bank beruͤhrende Wasser diese Temperatur von 2 1/4° oder doch wenigstens eine niedrigere als das Wasser auf ihrer Oberflaͤche hat. Der Capitaͤn Ellis behauptet auch gefunden zu haben, daß das Wasser in einer Tiefe von 3900 Fuß um 13,76° kaͤlter ist als auf der Oberflaͤche. Aus allen diesen Thatsachen kann man folgern, daß diese neue Anwendung des Thermometers allgemein bekannt zu werden verdient, und daß es sehr zu wuͤnschen waͤre, die Regierungen ließen diese Versuche an Bord aller Staatsschiffe wiederholen, damit man aus dieser interessanten Entdekung zur Vermeidung von Schiffbruͤchen moͤglichst Nuzen ziehen koͤnnte. Das Thermometer ist besonders bei Entdekungsreisen um die Welt, in wenig bekannten Meeren, sehr schaͤzbar, indem es die Naͤhe von Land, bei welchem man vorbeisegelt, ohne es gewahr zu werden, oder von Klippen, an welchen man scheitern koͤnnte, anzeigt. Dumont d'Urvilles Bemerkungen uͤber die Temperatur des Meerwassers.Aus dem Journal de la marine 1833, No. 3, S. 10. Aehnliche Beobachtungen theilte ein franzoͤsischer Marineofficier, Hr. d'Urville, bekanntlich einer der beruͤhmtesten Seefahrer, der Société de Geographie mit. Er geht in seiner Abhandlung zuerst alle Versuche durch, die sowohl vor als nach ihm angestellt wurden, um die Temperatur des Meerwassers oder der großen Seen in verschiedenen Tiefen zu messen; so erhielt er eine Reihe von 421 Beobachtungen, wovon 138 die Temperatur der Schichten bestimmten, welche 200 Faden und noch tiefer unter dem Niveau des Oceans liegen. Hr. d'Urville verfaßte dann synoptische Tabellen, welche einerseits eine Scale der Breitegrade vom Aequator bis zum Pol, und andererseits eine Fadenscale der verschiedenen Tiefen bis auf tausend Faden enthalten. Auf diesen beiden Tabellen wurden alle beobachteten Temperaturen verzeichnet, so daß man augenbliklich fuͤr jede Parallele das Verhaͤltniß der Temperatur der Oberflaͤche zu derjenigen, welche in verschiedenen Tiefen Statt findet, auffinden kann. Aus allen bis jezt angestellten Versuchen glaubt er nun folgende Schluͤsse ziehen zu koͤnnen: In der ganzen Ausdehnung der freien Meere ist: 1) Die allgemeine Temperatur der unteren Schichten in einer Tiefe von 600 Faden und daruͤber beinahe constant, und kommt einer Graͤnze zwischen 4 und 5°, wahrscheinlich 4,4° sehr nahe. 2) Diese Temperatur aͤndert sich gegen die Oberflaͤche hin allmaͤhlich ab, und naͤhert sich so immer mehr derjenigen des auf der Oberflaͤche befindlichen Wassers, welche bekanntlich nach der Jahreszeit verschieden ist. 3) In der dem Aequator naͤchsten Zone, d.h. zwischen 10° suͤdlicher und 10° noͤrdlicher Breite, scheint eine eigenthuͤmliche Ursache in den unterseeischen Schichten bis auf hundert Faden, eine raschere Erkaͤltung zu bewirken, als man erwarten sollte. Im mittellaͤndischen Meere scheint: 1) Die Temperatur der unteren Schichten bis auf hundert und fuͤnfzig Faden noch von derjenigen der oberen Schichten abzuhaͤngen, und zwar um so merklicher, je laͤnger diese wieder erwaͤrmt wurden. 2) Ueber hundert und fuͤnfzig Faden hinaus haben die unteren Schichten eine constante Temperatur von sehr nahe 13°. In den Seen und in den großen Reservoirs von suͤßem Wasser ist endlich: 1) Die Temperatur im Allgemeinen um so niedriger, je mehr man sich von der Oberflaͤche entfernt, und das Maximum der Erkaͤltung ist 4,4°, so lange die oberen Schichten noch waͤrmer bleiben. 2) In keinem Falle kann dieses Maximum, abgesehen von rein zufaͤlligen Umstaͤnden, die groͤßte Kaͤlte des auf der Oberflaͤche befindlichen Wassers uͤberschreiten. Um diese Vertheilung der Waͤrme in den großen fluͤssigen Massen der Erdkugel zu erklaͤren, glaubt Hr. d'Urville annehmen zu muͤssen, daß das Meerwasser bei ungefaͤhr 4,4° seine hoͤchste Dichtigkeit hat, was bereits fuͤr das suͤße Wasser erwiesen ist. Durch diese Hypothese allein kann man schon die allmaͤhliche Erkaltung des tiefen Oceanwassers gegen den Aequator, die Wiedererwaͤrmung desselben Wassers gegen die Pole und die constante Temperatur des Wassers des mittellaͤndischen Meeres in den unermeßlichsten Tiefen erklaͤren. Hr. d'Urville ist außerdem geneigt anzunehmen, daß im Ocean zwischen den Parallelen von 40 und 60° jeder Halbkugel das untere Wasser sich abwechselnd gegen den Aequator im Winter und gegen die Pole im Sommer richtet, um das Wasser zu ersezen, welches auf der Oberflaͤche in der heißen Zone durch die Verdunstung und in der Eiszone durch das Schmelzen des Eises wegkam.