Titel: Ueber eine Verbesserung an den Dampfmaschinen, besonders an jenen, welche für Dampfboote bestimmt sind. Von Hrn. Aristide Vincent.
Fundstelle: Band 51, Jahrgang 1834, Nr. LXXIV., S. 331
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LXXIV. Ueber eine Verbesserung an den Dampfmaschinen, besonders an jenen, welche fuͤr Dampfboote bestimmt sind. Von Hrn. Aristide Vincent. Aus dem Journal des connaissances usuelles. Februar 1834, S. 88. Verbesserte Dampfmaschinen fuͤr Dampfboote. Die Speisung der Hochoͤfen mit heißer statt mit kalter Luft gehoͤrt zu den wichtigsten Verbesserungen, die in neuerer Zeit gemacht wurden, und man kann sagen, daß sich die gluͤklichen Resultate, zu welchen dieselbe fuͤhren muß, heut zu Tage noch nicht ein Mal vorhersehen lassen. Der Bericht, welchen Hr. Gueymard uͤber die Versuche erstattete, die in dieser Hinsicht an einem der Hohoͤfen zu Vienne angestellt wurden, ergab die genuͤgendsten Resultate, aus denen besonders eine große Ersparnis an Zuschlag, und was noch wichtiger ist, an Brennmaterial, wovon die Hohoͤfen eine so ungeheure Menge verschlingen, erhellt.Wir haben den Bericht des Hrn. Gueymard bereits im Polyt. Journal Bd. XLIX. S. 189 mitgetheilt, und bemerken unseren Lesern nur, daß derselbe nun ein halbes Jahr spaͤter auch im Bulletin de la Société d'encouragement, November 1833, S. 386 zu lesen ist. A. d. R. Waͤre man fruͤher auf die Idee gekommen, zur Unterhaltung des Feuers in den Oefen heiße Luft in dieselben zu leiten, so wuͤrbe die Theorie allein schon zu demselben Resultate gefuͤhrt haben, wie die Erfahrung, welche in der Hauptsache Folgendes nachwies: 100 Kilogr. Gußeisen verzehrten bei Speisung des Ofens mit kalter Luft 254,87 Kohks 100        –        –        –        –        –        mit heißer Luft 131,82 Dazu kommt noch das zur Erhizung der Luft noͤthige Brennmaterial   14,42 –––––– 146,24 ––––––––––– Mithin betraͤgt die Ersparniß bei 100 Kil. 188,63 Kohks Der Umstand, daß man die Oefen nicht schon laͤngst mit heißer Luft speiste, ist ein neuer Beweis, wie schwer man die Unzwekmaͤßigkeit von Dingen einsieht, an die man durch den taͤglichen Anblik gewohnt ist. Hr. Clément-Desormes, dem die Lehre von der Waͤrme so Vieles ihres gegenwaͤrtigen Standpunktes verdankt, und der die Anwendung derselben in verschiedenen Industriezweigen mannigfaltig verbesserte, hatte schon laͤngst darauf aufmerksam gemacht, daß die in die Feuerherde eindringende kalte Luft eine große Abkuͤhlung bewirkt, und daß man dieses Eindringen von kalter Luft also so viel als moͤglich zu verhindern suchen muͤsse. Er berechnete den Verlust an Waͤrme, der sich dadurch, daß man eine zu große Menge Brennmaterial auf ein Mal in die Oefen bringt, so wie auch durch ein zu haͤufiges Oeffnen der Ofenthuͤrchen ergibt; er kam aber, so viel ich weiß, dessen ungeachtet nicht auf die Idee, das Feuer mit heißer, statt mit kalter Luft zu speisen. Folgende einfache Berechnung wird zeigen, daß die Theorie, welche Clément von der Waͤrme gibt, eben so bequem, als einfach ist. Wir wollen annehmen, es werde der Herd einer Dampfmaschine, welche stuͤndlich 50 Kilogr. Steinkohle verbraucht, mit kalter Luft gespeist. Da nun jedes Kilogramm zu seiner vollkommenen Verbrennung 20 Kubik-Meter Luft braucht, so braucht der Herd in jeder Stunde 50 × 20 = 1000 Kubik-Meter Luft, welche 1,298 Kil. wiegen. Zur Erleichterung der Berechnung wollen wir das Aequivalent dieser Quantitaͤt Luft in Wasser annehmen, d. J. den vierten Theil, weil die Waͤrmecapacitaͤt der Luft vier Mal geringer ist, als jene des Wassers, und weil folglich, um einen Fuß Luft auf eine bestimmte Temperatur zu erwaͤrmen vier Mal weniger Waͤrmestoff noͤthig ist, als zur Erhizung derselben Quantitaͤt Wasser auf dieselbe Temperatur. Wir erhalten also auf diese Weise 1298/4 = 324 Kil. Wasser, welche wir als auf 262° des hundertgradigen Thermometers, die Temperatur des geschmolzenen Bleies (welche auch die Temperatur des Rauches in der Roͤhre des Rauchfanges der meisten Dampfmaschinen ist) erhizt annehmen wollen. Da nun das Einheitsmaß fuͤr die Waͤrme die sogenannte Calorie ist (welche der Quantitaͤt Waͤrme, die zur Erhoͤhung der Temperatur eines Kilogrammes um einen Grad noͤthig ist, gleichkommt), so erhalten wir hier 324 Kil. Wasser multiplicirt mit 262° oder 84,888 Calorieen, und diese getheilt durch 6000 Calorieen, welche sich aus einem Kilogramm gewoͤhnlicher Steinkohlen entwikeln, geben 14,15 Kilogr. Steinkohlen, welche lediglich dadurch, daß 1,298 Kilogr. kalte Luft in den Herd gelangen, rein verloren gehen, so daß der Verlust also den dritten Theil des ganzen Verbrauches betraͤgt. Wuͤrde man statt der kalten Luft 1298 Kilogr. Luft von 262° haben in den Herd gelangen lassen, so wuͤrde dieser Verlust von 14,15 Kilogr. nicht Statt gefunden haben, und man haͤtte folglich taͤglich 336 oder jaͤhrlich an 169,000 Kilogr. Steinkohle erspart. Es ist offenbar, daß die Ersparniß an Brennmaterial um so groͤßer seyn wuͤrde, je heißer die eintretende Luft waͤre; allein die Schwierigkeiten, welche das Erhizen der Luft mit sich bringt, werden bei einer starken Erhizung so groß, daß man sich als Maximum auf eine Hize von 260 bis 270° beschraͤnken muß. Die Luft kann auf verschiedene Weise erhizt werden; man koͤnnte sie z.B. in einer Art von Ofen, wie ich dieselben fruͤher ein Mal zur Beheizung der Wohnungen vorschlug, erhizen. Diese Methode verschlingt jedoch zu viel Brennmaterial, und es gibt deren andere, welche in jeder Hinsicht den Vorzug vor dieser verdienen, und die ich hier kurz andeuten will. Bei dem Concurse, den die Liverpool-Manchester-Eisenbahn-Compagnie im Jahre 1830 hielt, um den besten Dampfwagen zu ermitteln, bewunderte Jedermann den von den HH. Braithwaite und Ericsson erbauten Novelty, der sich sowohl durch seine Eleganz, als durch die außerordentliche Geschwindigkeit seines Laufes auszeichnete. Derselbe wuͤrde auch wahrscheinlich den Preis davon getragen haben, wenn nicht ein Stuͤk der Maschine, welches nicht ganz vollendet war, gebrochen waͤre, und den Wagen außer Stand gesezt haͤtte, weiter mit zu concurriren. Dieser Wagen verdankte nun seine außerordentliche Geschwindigkeit (welche 13 franz. Meilen in der Stunde betrug) einem Geblaͤse, wodurch die Verbrennung immer in groͤßter Thaͤtigkeit erhalten und die Temperatur bedeutend erhoͤht wurde: ein Umstand, der der schnellen Erzeugung von Dampf und folglich die Geschwindigkeit der Maschine sehr beguͤnstigte, abgesehen davon, daß das Brennmaterial ohne allen Rauch verbrannte. Den Preis bei dem erwaͤhnten Concurse erhielt der von Hrn. Stephenson erbaute Rocket, der, obschon er schwerer war, doch eine Geschwindigkeit von beilaͤufig 10 Meilen in der Stunde erreichte. Einige Monate spaͤter aͤnderte der Erfinder dieses Wagens die Richtung der Roͤhre, durch welche die zur Speisung des Herdes noͤthige Luft eintrat. Die Muͤndung dieser Roͤhre befand sich naͤmlich hinten am Ruͤken des Wagens, und daher drang die Luft, wenn sich der Wagen vorwaͤrts bewegte, nur langsam in die Roͤhre, so daß die Verbrennung, und mithin auch die Dampferzeugung, nicht lebhaft seyn konnte. Hr. Stephenson gab der Roͤhre eine solche Wendung, daß deren Muͤndung nach Vorwaͤrts gerichtet war, und nun war Alles umgeaͤndert; die Geschwindigkeit, die der Wagen waͤhrend seines Laufes erreichte, oder vielmehr der Widerstand der Luft, bewirkte, daß eine groͤßere Menge Luft in den Herd eingetrieben und so in der Roͤhre zusammengedruͤkt wurde, daß die Roͤhre wie eine Art von Geblaͤse wirkte. In Folge dieser hoͤchst einfachen Veraͤnderung konnte der Wagen nun eine Geschwindigkeit von 16 Meilen in der Stunde erreichen! Dieses Beispiel von der großen Wirksamkeit irgend einer Art von Geblaͤse brachte mich auf die Idee, daß sich solche Geblaͤse wahrscheinlich auch an den uͤbrigen Dampfmaschinen und Hauptsachlich an jenen der Dampfboote anbringen ließen. Ich schlug daher vor, vor den Feuerherden einen kleinen Desaguiller'schen Ventilator, den man auf den Muͤhlen unter dem Namen der Puzmuͤhle kennt, anzubringen, und denselben, indem er von der Maschine selbst in Bewegung erhalten wuͤrde, als Geblaͤse zu benuzen. Ich schlug ferner vor, auch uͤber dem Herde einen aͤhnlichen, aber kleineren Ventilator anzubringen, der dazu bestimmt waͤre, den Rauch nicht in den Rauchfang, sondern in einen Canal zu treiben, der mit dem Wasser gleiche Hoͤhe haͤtte. Auf diese Weise koͤnnte man, wie ich glaubte, in Kriegszeiten den Lauf der Dampfboote, der sich sonst an dem langen Schweife von Rauchwolken, den diese Boote gewoͤhnlich hinter sich her ziehen, von weitem erkennen laͤßt, einiger Maßen verbergen; auf diese Weise koͤnnte man dem Boote dann ohne alle Feuergefahr ein Takelwerk geben, wie es an den Briggs und den Corvetten gebraͤuchlich ist, und man wuͤrde auf diese Weise den Dampfschiffen auch noch die Vortheile, die die Segelschiffe bei gutem Winde unbestreitbar voraus haben, haben zuwenden koͤnnen. Denn die Huͤlfe der Maschinen hat eigentlich nur bei Windstille oder bei widrigem Winde ihren vollen Werth; und warum soll man hoͤchst kostspieliges Brennmaterial verbrennen, wenn man mit Huͤlfe des Windes und der Segel zu demselben Zwek gelangen kann? Koͤnnte man also auf den Dampfbooten des Rauchfanges entbehren, so koͤnnte man sich nicht nur der Segel bedienen, sondern man waͤre auch des unangenehmen Rauches, der Alles schwaͤrzt, uͤberhoben. Die Temperatur des Herdes wuͤrde durch den ersten Ventilator auf einer solchen Hoͤhe erhalten werden koͤnnen, daß der Waͤrmestoff schnell durch die Waͤnde des Kessels fortgepflanzt, und mithin eine rasche Dampferzeugung erzielt wuͤrde. Die Schiffe wuͤrden sich hier ganz in demselben Falle befinden, den wir oben von dem Stephenson'schen Wagen erzaͤhlt haben; ihre Geschwindigkeit wuͤrde bedeutend erhoͤht werden, und diese Erhoͤhung wuͤrde um so schaͤzenswerther seyn, als sie nur einen sehr geringen Theil von der mechanischen Kraft der Maschine, 1/20, kosten wuͤrde. Verbindet man nun diese Verbesserung auch noch mit der Erhizung der Luft, von der ich am Eingange dieses Artikels gesprochen habe, so wird man beinahe das Maximum der durch die Verbrennung erzielbaren Wirkung erreichen. Die Erhizung der Luft mittelst Oefen, wie man sie zum Heizen der Zimmer und Gebaͤude hat, waͤre in diesem Falle zwar zu kostspielig, allein es gibt noch eine andere Methode, welche beinahe gar nichts kostet. Der Rauch oder die mit den Producten der Verbrennung gesaͤttigte Luft besizt bei ihrem Eintritte in die Roͤhre des Rauchfanges eine sehr hohe Temperatur, die kaum unter 150° betraͤgt, wohl aber oft bis auf 4–500° steigt. Die Quantitaͤt Waͤrme, welche von dem Rauche fortgerissen wird, betraͤgt beinahe immer den dritten Theil, und oft sogar die Haͤlfte der auf dem Herde entwikelten Waͤrme, und sollte man diese unbenuzt lasten? An den gewoͤhnlichen Rauchfaͤngen muß nothwendig eine gewisse Quantitaͤt Waͤrme verloren gehen, damit der Rauch ausgedehnt und zum Emporsteigen veranlaßt werde; allein statt der 30 bis 50 Proc. sind streng genommen nur 8 bis 10 Proc. noͤthig, wenn die Verhaͤltnisse des Herdes und seiner Oeffnungen gehoͤrig und gut berechnet sind. Hier hingegen verbrauchen wir zu diesem Behufe gar keine Waͤrme, weil wir den Rauch durch einen Ventilator nach Außen treiben; hier kann daher alle Waͤrme, die sich auf dem Herde entwikelt, auch wirklich nuͤzlich verwendet werden, indem man den Rauch so lange durch die metallenen Roͤhrenwindungen eines Ofens leitet, bis saͤmmtlicher in ihm enthaltener Waͤrmestoff verzehrt ist. Diese Bewegung wuͤrde dem Rauche durch jenen Ventilator, der dazu bestimmt ist, den Rauch nach Außen zu treiben, mitgetheilt werden, waͤhrend der zweite vor dem Herde angebrachte Ventilator zu gleicher Zeit die aͤußere Luft durch die anderen erhizten Roͤhrenwindungen treiben muͤßte, so daß sie endlich mit einer Temperatur von 200 bis 250° in den Herd eintraͤte. Wir erhalten also hier, ohne allen Aufwand an Brennmaterial, sondern bloß durch eine verstaͤndige Benuzung jener Waͤrme, die der Rauch bisher ohne allen Vortheil mir sich fortriß, 1000 Kub.-Meter Waͤrme, welche stuͤndlich in den Herd eintreten muͤssen; und wir werden mithin statt 50 Kilogr. Steinkohle deren nur 36 verbrauchen, obschon die Geschwindigkeit des Schiffes merklich groͤßer seyn wird, als fruͤher. Ich halte die Vortheile, welche die oben erwaͤhnten Einrichtungen gewaͤhren, fuͤr zu einleuchtend, als daß ich es fuͤr noͤthig hielte, in eine umstaͤndlichere Auseinandersezung derselben einzugehen. Ich erlaube mir nur noch einige Worte uͤber die Fortschritte beizufuͤgen, welche diese Verbesserungen in der Dampfschifffahrt und in der Industrie im Allgemeinen bewirken duͤrften. Laͤßt sich in der That etwas Vortheilhafteres denken, als diese bedeutende Verminderung in dem Verbrauche an Brennmaterial beim Betriebe der Hohoͤfen? Die nothwendigste Folge hiervon ist ein Sinken des Preises des Eisens, und hieraus wird eben so nothwendig ein groͤßerer Verbrauch dieses unschaͤzbaren Metalles folgen; man wird eine Menge von Dingen, zu welchen man gegenwaͤrtig noch Holz verwendet, in Zukunft weit zwekmaͤßiger aus Eisen verfertigen; die Maschinen werden sich nicht nur vervielfaͤltigen, sondern auch wohlfeiler werden; die Erzeugnisse der Maschinen werden gleichen Schritt mit ihnen selbst halten etc. Ganz vorzuͤglich guͤnstigen Einfluß wird jedoch diese neue Benuzung der Waͤrme auf die Dampfschifffahrt uͤben; denn die Dampfmaschinen der Dampfboote verzehren bekanntlich bei gleicher Kraft mehr Brennmaterial als jene, deren man sich auf dem festen Lande bedient. Der Grund hiervon liegt theils in der Form der Schiffe, theils in dem geringen Raume, der hier den Maschinen gegoͤnnt ist. Die Schwierigkeit, einen großen Vorrath von Brennmaterial auf den Schiffen unterzubringen, ist es hauptsaͤchlich, welche bisher der allgemeineren Verbreitung der Dampfboote im Wege stand, und welche deren Benuzung immer noch groͤßten Theils auf die Kuͤstenfahrt und auf die Schifffahrt auf den Binnenwassern beschraͤnkte. Eine Ersparung von 1/3 an dem Brennmaterials ist von solcher Bedeutung, daß sie allerdings große Veraͤnderungen in den Handelsverbindungen der Voͤlker zu bewirken im Stande ist. Gesezt z.B. ein Schiff koͤnne 60 Tonnen oder 60,000 Kilogr. Steinkohle laden, und verbrauche deren innerhalb 24 Stunden 4800 Kilogr. fuͤr eine Streke von 80 Meilen, so wird dieses Brennmaterial nur fuͤr 12 Tage und fuͤr die Zuruͤklegung von 960 Meilen reichen. Kann der Verbrauch an Brennmaterial hingegen um 1/3 vermindert werden, so wird das Schiff mit seinen 60 Tonnen Steinkohlen 16 Tage lang reichen und 1280 Meilen zuruͤklegen koͤnnen. Im ersteren Falle haͤtte das Schiff also keine directe Ueberfahrt von 600 Meilen und zuruͤk vollenden koͤnnen, ohne seinen Vorrath zu erneuern; im zweiten hingegen ist dieß wohl moͤglich, so daß also hiernach die Dampfschifffahrt zwischen Frankreich und Nordamerika nicht nur moͤglich, sondern leicht ausfuͤhrbar waͤre. Ich glaube, daß die Ideen, die ich hier entwikelte, allerdings einer Mittheilung werth waͤren, und zaͤhle dabei auch auf die Nachsicht meiner Leser.