Titel: Ueber den Gerbestoff, die Gallussäure, Pyro-Gallussäure, Ellagsäure und Meta-Gallussäure; von J. Pelouze.
Fundstelle: Band 52, Jahrgang 1834, Nr. LVII., S. 303
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LVII. Ueber den Gerbestoff, die Gallussaͤure, Pyro-Gallussaͤure, Ellagsaͤure und Meta-Gallussaͤure; von J. Pelouze. Im Auszuge aus den Annales de Chimie et de Physique. December 1833, S. 337. Ueber den Gerbestoff, die Gallussaͤure, Pyro-Gallussaͤure etc. Es gibt vielleicht keine organische Substanz, uͤber welche so viele Untersuchungen angestellt wurden, wie uͤber den Gerbestoff, und doch gehoͤrt er unter diejenigen Koͤrper, deren Eigenschaften wir gegenwaͤrtig noch sehr unvollstaͤndig kennen. Es waͤre zu weitlaͤuftig, hier die verschiedenen Ansichten, welche uͤber seine Natur geaͤußert wurden, die mehr oder weniger verwikelten, aber immer fehlerhaften Methoden, welche man zur Ausscheidung desselben befolgte, anzufuͤhren, so wie die oft einander widersprechenden Eigenschaften, welche man ihm gerade in Folge des unreinen Zustandes, worin man ihn erhielt, zuschrieb. Ich will sogleich damit anfangen, das Verfahren zu schreiben, wodurch ich den Gerbestoff erhielt. Ich bediene mich dazu eines langen und engen Vorstoßes, welcher auf einer gewoͤhnlichen Caraffine ruht und an seinem oberen Ende mit einem Glasstoͤpsel verschlossen wird, in welchen ich zuerst einen Baumwolldocht und darauf die fein gepulverten Gallapfel bringe. Leztere druͤkt man sehr leicht zusammen, und wenn ihr Volumen der Haͤlfte des Hohlraums des Vorstoßes gleich ist, fuͤllt man lezteren mit kaͤuflichem (wasserhaltigen) Schwefelaͤther vollends an, worauf man den Apparat unvollstaͤndig mit einem Glasstoͤpsel verschließt und stehen laͤßt. Am anderen Tage findet man in dem Vorstoß zwei Schichten: eine sehr leichte und fluͤssige, welche den oberen Theil einnimmt; eine zweite, viel dichtere, gelbliche und syrupartig aussehende bleibt auf dem Boden des Gefaͤßes. Man hoͤrt nicht eher auf, das Gallaͤpfelpulver auf gleiche Art mit Schwefelaͤther auszuziehen, als bis man sich uͤberzeugt hat, daß das Volumen der schwereren Fluͤssigkeit nicht mehr merklich zunimmt. Alsdann gießt man die beiden Fluͤssigkeiten in einen Trichter, dessen Schnabel man mit dem Finger verschlossen haͤlt. Man wartet einige Augenblike, und wenn die beiden Schichten sich wieder gebildet haben, laͤßt man die schwerere in eine Schale auslaufen und hebt die andere auf, um sie gelegentlich zu destilliren und den Aether, woraus sie groͤßtentheils besteht, wieder zu gewinnen. Man waͤscht die dichte Fluͤssigkeit mehrmals mit reinem Schwefelaͤther und bringt sie dann in einen Trokenapparat oder unter den Recipienten einer Luftpumpe. Es entwikeln sich daraus reichliche Daͤmpfe von Aether und ein wenig Wasserdampf; die Masse nimmt betraͤchtlich an Volumen zu und hinterlaͤßt einen schwammigen, gleichsam krystallinischen, sehr glaͤnzenden, bisweilen farblosen, meistens aber schwach gelblichen Ruͤkstand. Es ist dieses reiner Gerbestoff, von außerordentlich zusammenziehendem und dabei nicht im Geringsten bitteren Geschmak. Mit der Fluͤssigkeit, welche sich uͤber der syrupartigen Gerbestoffaufloͤsung sammelt, habe ich nur wenig Versuche angestellt und mich bloß uͤberzeugt, daß sie hauptsaͤchlich aus Aether, Wasser, Gallussaͤure und ein wenig Gerbestoff besteht; sie enthaͤlt aber auch noch andere Stoffe, die ich nicht weiter untersuchte. Aus 100 Theilen Gallaͤpfeln erhaͤlt man nach dem beschriebenen Verfahren 35 bis 40 Theile Gerbestoff, der stets rein ist. Bei den anderen Verfahrungsarten hingegen verursachen die verschiedenen Substanzen, welche zu seiner Ausziehung dienen, eine mehr oder weniger große Veraͤnderung desselben, denn der Gerbestoff gehoͤrt unter die veraͤnderlichsten Koͤrper, welche man kennt, und uͤberdies kommt er in den Pflanzen von Farbestoffen begleitet vor, wovon es außerordentlich schwer, vielleicht sogar unmoͤglich ist, ihn vollstaͤndig zu reinigen, sobald er ein Mal mit ihnen zugleich aufgeloͤst worden ist. Alle diese nachtheiligen Umstaͤnde werden bei obigem Verfahren beseitigt, weil man weder Saͤuren noch Alkalien anwendet, und nicht ein Mal eine Gallaͤpfelaufloͤsung. Ich muß hier bemerken, daß die verschiedene Gestalt der Gefaͤße auf die Resultate gewisser chemischer Versuche einen großen Einfluß ausuͤben kann, wenn man auch dieselben Substanzen und in der naͤmlichen Quantitaͤt anwendet. Es waͤre z.B. nie moͤglich gewesen, bloß mit Aether und Gallaͤpfelpulver in gewoͤhnlichen Gefaͤßen den Gerbestoff zu erhalten. Die dichte Fluͤssigkeit, wovon ich oben sprach, waͤre immer in dieser Pulvermasse verborgen geblieben und haͤtte durch Decantiren davon nicht getrennt werden koͤnnen. Wenn man an Statt des wasserhaltigen Aethers wasserfreien Aether und gut ausgetroknete Gallaͤpfel nimmt, so erhaͤlt man keinen Gerbestoff und wenn man andererseits trokenen Gerbestoff mit Aether, der uͤber Chlorcalcium destillirt ist, schuͤttelt, so loͤst sich davon nur eine sehr geringe Menge auf und alles Uebrige faͤllt im pulverfoͤrmigen Zustande nieder, waͤhrend man mit wasserhaltigem Aether nach einigen Augenbliken eine sehr dichte Fluͤssigkeit erhaͤlt, die der Schichte ganz aͤhnlich ist, welche den unteren Theil des Vorstoßes bei der Bereitung des Gerbestoffs bildet. Diese verschiedenen Bemerkungen scheinen mir ganz natuͤrlich zu folgender Theorie uͤber die Ausziehung des reinen Gerbestoffs zu fuͤhren. Unter allen Bestandtheilen der Gallaͤpfel ist der Gerbestoff der leichtloͤslichste, derjenige, welcher die groͤßte Verwandtschaft zum Wasser hat. Sobald man also sehr fein gepulverte Gallaͤpfel mit wasserhaltigem Aether in Beruͤhrung bringt, bemaͤchtigt sich der Gerbestoff des in diesem Aether enthaltenen Wassers und bildet mit dem, selben und einer gewissen Menge Aether einen sehr dichten Syrup; auf dieselbe Art erklaͤrt es sich, warum die Fluͤssigkeiten kaum gefaͤrbt sind, waͤhrend, wenn man den Ruͤkstand der Gallaͤpfel mit destillirtem Wasser behandelt, eine braunrothe Fluͤssigkeit entsteht, worin alle Farbstoffe derselben Gallaͤpfel aufgeloͤst sind. Der reine Gerbestoff ist farblos und hat einen im hoͤchsten Grade zusammenziehenden GeschmakDer auf angegebene Weise bereitete reine Gerbestoff duͤrfte bald ein sehr schaͤzbares Arzneimittel werden, er ist gegen die adstringirenden Vegetabilien, was das Chinin gegen die Chinarinde ist.; er ist geruchlos; Wasser loͤst davon eine sehr betraͤchtliche Menge auf; die Aufloͤsung roͤthet das blaue Lakmuspapier. Sie zersezt die kohlensauren Alkalien mit Aufbrausen und erzeugt mit den meisten Metallsalzen Niederschlage, welche wahre gerbestoffsaure Salze sind. Die Eisenoxydulsalze truͤben sie nicht, Eisenoxydsalze hingegen bringen darin einen reichlichen dunkelblauen Niederschlag hervor. Alkohol und Aether loͤsen den Gerbestoff auf, aber bei weitem nicht so gut wie das Wasser und in desto geringerer Menge, je mehr sie sich dem wasserfreien Zustande naͤhern. Ich habe mich vergebens bemuͤht, ihn krystallisirt zu erhalten; dieß gelang mir nicht, obgleich ich eine große Anzahl von Aufloͤsungsmitteln versuchte und mit aller moͤglichen Sorgfalt verfuhr. Unter dem Mikroskop zeigt er sich als ein vollkommen gleichartiger Koͤrper. Auf einem Platinblech verbrennt er ohne allen Ruͤkstand. Eine concentrirte Aufloͤsung von Gerbestoff wird durch Salzsaͤure, Salpetersaͤure, Phosphorsaͤure und Arseniksaͤure reichlich weiß gefaͤllt; nicht aber durch Kleesaͤure, Weinsteinsaͤure, Milchsaͤure, Essigsaͤure, Citronensaͤure, Bernsteinsaͤure und selenige Saͤure. Schwefeligsaͤures Gas bewirkt auch keinen Niederschlag. Mit Salpetersaͤure erhizt, zersezt sich der Gerbestoff leicht und es entsteht dabei viel Kleesaͤure. Die Cinchonin-, Chinin-, Brucin-, Strychnin-, Narcotin- und Morphinsalze bringen in der Aufloͤsung des Gerbestoffs weiße Niederschlaͤge hervor, die sich in Wasser wenig, aber sehr leicht in Essigsaͤure aufloͤsen. Gießt man Gerbestoffaufloͤsung in eine Aufloͤsung von thierischem Leim (Gallerte), so daß leztere in Ueberschuß vorhanden ist, so entsteht darin ein weißer undurchsichtiger Niederschlag, der besonders in der Waͤrme in der uͤberstehenden Fluͤssigkeit aufloͤslich ist; waltet hingegen der Gerbestoff vor, so sammelt sich der Niederschlag beim Erhizen, an Statt sich aufzuloͤsen, zu einer graulichen und sehr elastischen Haut. In beiden Faͤllen faͤrbt die filtrirte Fluͤssigkeit die Eisenoxydsalze stark blau. Ich glaubte, daß mir die große Unaufloͤslichkeit der Verbindung von Gerbestoff mit Leim ein Mittel an die Hand geben wuͤrde, um mich von der Reinheit des Gerbestoffs und von seinem Gehalt an Gallussaͤure oder der Abwesenheit derselben zu uͤberzeugen; da diese Unaufloͤslichkeit aber noch nicht groß genug ist, so nahm ich zu einem anderen Mittel meine Zuflucht, welches mir vollstaͤndig gelang. Dasselbe besteht darin, den Gerbestoff, welchen man pruͤfen will, einige Stunden lang mit einem Stuͤk Haut (welches durch Kalk enthaart und so zugerichtet ist, wie man die Haͤute mit der Lohe in die Gruben bringt) in Beruͤhrung zu lassen. Man ruͤhrt von Zeit zu Zeit um und filtrirt dann. Wenn der Gerbestoff rein ist, wird er von dem Hautstuͤk ganz absorbirt; das Wasser, worin er aufgeloͤst war, faͤrbt sich mit Eisenoxydsalzen nicht mehr im Geringsten, ist geschmaklos und hinterlaͤßt beim Verdampfen keinen Ruͤkstand. Wenn hingegen der Gerbestoff durch Gallussaͤure verunreinigt ist, und wenn er nur 4 bis 5 Tausendtheile seines Gewichts davon enthielte, so faͤrbt die Fluͤssigkeit die Eisensalze sehr merklich blau. Es ist dieses das beste Verfahren, um den Gerbestoff auf Gallussaͤure zu untersuchen. Dieser Versuch ist uͤberdieß interessant, indem er beweist, daß zwischen dem Leim und der Haut, hinsichtlich der Wirkung dieser beiden Substanzen auf den Gerbestoff, ein großer Unterschied Statt findet. Das Leder muß hienach nicht als eine Verbindung zwischen thierischem Leim und Gerbestoff, sondern vielmehr als eine Verbindung von Gerbestoff und Haut betrachtet werden. Schuͤttelt man Alaunerde in gallertartigem Zustande mit einer Aufloͤsung von Gerbestoff, so absorbirt sie denselben schnell und bildet mit ihm eine sehr unaufloͤsliche Verbindung, denn die Fluͤssigkeit, filtrirt, blaͤut die Eisensalze nicht; diese Eigenschaft besizt aber auch die Gallussaͤure, daher man sie nicht benuzen kann, um den Gerbestoff auf seine Reinheit zu pruͤfen. Der bei 120° C. getroknete Gerbestoff besteht nach meiner Analyse in 100 Theilen aus: Kohlenstoff   51,18 Wasserstoff     4,18 Sauerstoff   44,64 –––––– 100,00 Um die Saͤttigungscapacitaͤt des Gerbestoffs zu bestimmen, bereitete man Gerbestoff-Bleioxyd, indem man neutrales essigsaures oder salpetersaures Blei in uͤberschuͤssige Gerbestoffaufloͤsung goß, wodurch ein reichlicher weißer Niederschlag entstand. Die Zusammensezung des bei 120° C. getrokneten Gerbestoff-Bleioxyds entspricht der Formel PbO + C₁₈H₁₈O₁₂. Die Formel C18 H18 O12 gibt fuͤr das Atomgewicht des Gerbestoffs die Zahl 2688,2. Gerbestoff-Eisenoxyd erhielt man, indem man schwefelsaures Eisenoxyd in Gerbestoffaufloͤsung goß. Seine Zusammensezung entspricht der Formel Fe₂O₃ + (C₁₈H₁₈O₁₂)₃. Das Gerbestoff-Eisenoxyd ist eigentlich die Basis der Tinte; denn frische Aufguͤsse von Gallaͤpfeln enthalten nur sehr wenig Gallussaͤure, und außerdem wird das gallussaure Eisen durch Kochen mit Wasser schnell zersezt. Wenn man eine sehr verduͤnnte Aufloͤsung von Gerbestoff in Wasser an der Luft stehen laͤßt, so verliert sie nach und nach ihre Durchsichtigkeit, und sezt eine grauliche krystallinische Substanz ab, welche fast ganz aus Gallussaͤure besteht. Um sich diese Saͤure in vollkommen reinem Zustande zu verschaffen, braucht man nur die kochende Aufloͤsung mit ein wenig thierischer Kohle zu behandeln. Stellt man den Versuch in einer graduirten Glasroͤhre in Beruͤhrung mit Sauerstoffgas an, so wird dieses Gas langsam verschlukt, und durch ein gleiches Volumen Kohlensaͤure ersezt. Nach Verlauf einiger Wochen bemerkt man in der Fluͤssigkeit zahlreiche farblose Nadeln von Gallussaͤure. Ist die Gerbestoffaufloͤsung gegen den Zutritt von Sauerstoff verwahrt, so kann man sie so lange man will aufbewahren, ohne daß sie die geringste Veraͤnderung erleidet; wenigstens habe ich eine solche mehr als sieben Monate in einer Gloke uͤber Queksilber stehen lassen, und sie ist noch jezt ganz farblos, und enthaͤlt keine Gallussaͤure. Hr. Chevreul hat eine aͤhnliche Beobachtung bei dem Gallaͤpfelabsud gemacht; er fand, daß derselbe in einer verkorkten Flasche aufbewahrt, in Zeit von drei Jahren sich nicht im Geringsten veraͤnderte. Die Gallaͤpfel geben an das Wasser ungefaͤhr 50 Procent aufloͤsliche Substanzen ab, worin ungefaͤhr 40 Procent Gerbestoff und, nach Richter, 3 1/2 Gallussaͤure sind; bekanntlich erhaͤlt man aber aus denselben leicht den fuͤnften Theil ihres Gewichtes Gallussaͤure, wenn man ihre Aufloͤsung einer freiwilligen Zersezung uͤberlaͤßt; schon hieraus konnte man also schließen, daß der groͤßte Theil der Gallussaͤure, die man aus den Gallaͤpfeln darstellt, nicht urspruͤnglich darin enthalten ist. Ich verwunderte mich daher auch nicht mehr, als ich fand, daß der reine Gerbestoff sich unter dem Einflusse der Luft und des Wassers in Gallussaͤure verwandeln kann. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die geringe Menge Gallussaͤure, welche man direct aus den Gallaͤpfeln durch concentrirten Alkohol ausziehen kann, von einer Veraͤnderung herruͤhrt, die sie waͤhrend des Austroknens in Beruͤhrung mit der Luft erleiden. Auch liefern bekanntlich unter allen zur Bereitung der Gallussaͤure angegebenen Verfahrungsarten nur diejenigen eine große Ausbeute, wobei man die Gallaͤpfel lange schimmeln laͤßt. Dieser Schimmel scheint jedoch nicht vom Gerbestoff selbst herzuruͤhren, denn einerseits uͤberzieht sich das durch Aether an Gerbestoff erschoͤpfte Gallapfelpulver mit demselben Schimmel, ohne daß dabei Gallussaͤure entsteht, und andererseits liefern Aufloͤsungen von Gerbestoff in Wasser ziemlich reine Gallussaͤure. Gallussaͤure. Die reine, gehoͤrig von Gerbestoff befreite Gallussaͤure, truͤbt die Leimaufloͤsung nicht. Sie krystallisirt in langen, seidenartigen Nadeln, von schwach saͤuerlichem und zusammenziehendem Geschmak; nach Hrn. Braconnot erfordern dieselben 100 Theile kalten Wassers zur Aufloͤsung. In Alkohol ist sie aufloͤslicher als im Wasser; Aether loͤst sie ebenfalls auf, aber in geringerer Menge. In der Aufloͤsung des schwefelsauren Eisenoxyds bringt sie einen dunkelblauen Niederschlag hervor, der viel aufloͤslicher ist, als das Gerbestoff-Eisenoxyd. Dieser Niederschlag loͤst sich in der Kaͤlte in der Fluͤssigkeit, worin er entstanden ist, langsam auf. Leztere entfaͤrbt sich nach einigen Tagen fast vollstaͤndig; die Schwefelsaͤure entzieht nach und nach der Gallussaͤure den groͤßten Theil des Eisenoxyds, welches in der Fluͤssigkeit durch die Zerstoͤrung eines Theiles Gallussaͤure auf Oxydul reducirt wird, und als schwefelsaures Salz auskrystallisirt. Dasselbe geschieht in einigen Minuten, wenn man die Fluͤssigkeit kocht, und dann entwikelt sich Kohlensaͤure. Der Gerbestoff zeigt auch ein aͤhnliches Verhalten. In allen Faͤllen erzeugt das blausaure Eisenkali in den Fluͤssigkeiten einen gruͤnlichen Niederschlag, ein Beweis, daß das Eisenoxydsalz desoxydirt wurde. Die Gallussaͤure truͤbt die Aufloͤsungen der Salze vegetabilischer Vasen nicht. Mit Baryt-, Strontian- und Kalkwasser bildet sie weiße Niederschlaͤge, welche sich in uͤberschuͤssiger Saͤure wieder aufloͤsen, und in sammtartigen, an der Luft unveraͤnderlichen, prismatischen Nadeln krystallisiren. Diese Salze nehmen, wie Hr. Chevreul beobachtet hat, unter dem gleichzeitigen Einfluͤsse der Luft und uͤberschuͤssiger Basis, sehr mannigfaltige Farben an, vom Gruͤn bis zum Dunkelroth. Kali, Natron und Ammoniak bilden mit der Gallussaͤure sehr aufloͤsliche Salze, welche vollkommen farblos bleiben, so lange sie gegen den Zutritt von Sauerstoff verwahrt sind, aber in Beruͤhrung mit diesem Gase eine betraͤchtliche Menge davon verschluken, und eine sehr dunkle braune Farbe annehmen. Essigsaures und salpetersaures Blei geben mit Gallussaͤure einen weißen Niederschlag, dessen Farbe sich an der Luft nicht veraͤndert. In Wasser aufgeloͤste Gallussaͤure zersezt sich in offenen Gefaͤßen; es bildet sich darin Schimmel und eine schwaͤrzliche Substanz, welche Hr. Doͤbereiner als Ulmin (Humussaͤure) betrachtet. Werden die Krystalle der Gallussaͤure einer gelinden Waͤrme ausgesezt, so verlieren sie Wasser, und erleiden eine Art von Efflorescenz. Hundert Theile verlieren beim Erhizen auf 120° an Wasser 9,45. Ihre Zusammensezung entspricht der Formel CHO₅ + HO. Die Wirkung der Hize auf die Gallussaͤure ist sehr merkwuͤrdig, nicht allein hinsichtlich der Natur der Producte, welche dabei entstehen, sondern auch wegen der ganz verschiedenen Resultate, die eine kaum merkliche Schwankung in der Intensitaͤt dieses Agens bewirkt. Sie verbreitet das groͤßte Licht uͤber die wahre Natur der Gallussaͤure, ihr Verhaͤltniß zum Gerbestoff, uͤber die Pyro-Gallussaͤure und eine neue Saͤure, zu deren Entdekung sie fuͤhrte. Bringt man trokene Gallussaͤure in eine glaͤserne Retorte, deren Hals stark geneigt ist, und welche man in einem Oehlbade erhizt, so bemerkt man, daß einige Augenblike, nachdem das Thermometer in dem Bade 210° bis 215° angezeigt hat, sich eine reichliche Menge vollkommen reiner Kohlensaͤure entwikelt, und die Woͤlbung der Retorte sich mit einer unzaͤhligen Menge von aͤußerst weißen, krystallinischen Blaͤttchen bedekt. Uebrigens erhaͤlt man nicht die geringste Spur von Wasser oder brennzligen Substanzen; der Ruͤkstand in der Retorte ist kaum waͤgbar, und bisweilen gaͤnzlich null. Erhoͤht man die Temperatur aber so rasch als moͤglich auf 240° bis 250°, so bildet sich ebenfalls reine Kohlensaͤure; an Statt sublimirter Krystalle, wovon nicht mehr die geringste Menge entsteht, sieht man aber Wasser die Waͤnde der Retorte entlang herabfließen, und auf dem Grunde des Gefaͤßes findet man eine betraͤchtliche schwarze, glaͤnzende, unaufloͤsliche, geschmaklose Masse, welche man auf den ersten Blik fuͤr Kohle halten wuͤrde, die aber eine wahre Saͤure und faͤhig ist, sich mit verschiedenen Basen zu verbinden, und sie vollstaͤndig zu saͤttigen. Sie loͤst sich schon in der Kaͤlte ohne Ruͤkstand in einer schwachen Kali- oder Natronloͤsung auf. Die weiße, bei 215° sublimirte Substanz ist reine Pyro-Gallussaͤure. Sie entspricht der Formel C₆H₃O₃. Die schwarze Substanz will ich mit dem Namen Meta-Gallussaͤure bezeichnen. Das Verhaͤltniß ihrer Elemente wird durch C₆H₄O₂, ausgedruͤkt. Also wird die Gallussaͤure in dem einen Falle, wenn man sie auf 215° erhizt, gaͤnzlich in Kohlensaͤure und Pyro-Gallussaͤure umgewandelt, und in dem anderen Falle, wenn man sie der Temperatur siedenden Oehles aussezt, in Wasser, Kohle und Meta-Gallussaͤure. Die Erscheinungen, welche die Gallussaͤure darbietet, gehoͤren zu derselben Classe, wie die, welche die Mekonsaͤure zeigt, wenn man sie, wie jene, maͤßig erhizt. Hr. Robiquet hat gezeigt, daß diese leztere reine Kohlensaͤure in reichlicher Menge entwikelt, sowohl beim Kochen mit Wasser, als in trokener Hize bei 220°, und daß in beiden Faͤllen eine neue Saͤure daraus hervorgeht, welche in ihren Eigenschaften von derjenigen abweicht, woraus sie entstand. Dieses Verhalten der Gallussaͤure beim Erhizen veranlaßte mich auch, die Wirkung der Waͤrme auf den Gerbestoff genau zu untersuchen. Bei der Temperatur des kochenden Oehles liefert der Gerbestoff nur Wasser, reine Kohlensaͤure und einen bedeutenden Ruͤkstand von ebenfalls reiner Meta-Gallussaͤure. Erhizt man ihn nur auf 210° bis 215°, so erhaͤlt man auch noch Kohlensaͤure, Pyro-Gallussaͤure und einen betraͤchtlichen Ruͤkstand von Meta-Gallussaͤure, also dieselben Producte, welche man mit der Gallussaͤure erhaͤlt, nur mit dem Unterschiede, daß man bei dem Gerbestoffe die Entstehung einer bedeutenden Menge von Meta-Gallussaͤure nicht vermeiden kann, so sorgfaͤltig man auch die Temperatur stationaͤr und so niedrig, als es die Reaction vertraͤgt, zu erhalten sucht. Dieß ruͤhrt ohne Zweifel daher, daß die Erzeugung von Wasser um einige Grade derjenigen von Pyro-Gallussaͤure vorgeht, und in diesem Falle kann die Meta-Gallussaͤure, welche nichts anderes als leztere Saͤure weniger einer gewissen Quantitaͤt Wasser ist, allein entstehen. Die einzigen Producte, welche die Gallussaͤure und der Gerbestoff bei maͤßiger Hize geben, sind also Wasser, Kohlensaͤure, Meta- und Pyro-Gallussaͤure. Erhizt man die Pyro-Gallussaͤure um einige Grade uͤber ihren Siedepunkt, so liefert sie nur Wasser und Meta-Gallussaͤure, ohne eine Spur Kohlensaͤure. Ellagsaͤure. Ich konnte mir diese Saͤure nur in sehr geringer Menge verschaffen. Sie bildet sich, wie Hr. Chevreul zuerst beobachtet hat, beim Aussezen eines Gallusaufgusses an die Luft, aus welchem sie sich gleichzeitig mit der Gallussaͤure absezt. Behandelt man dieses Gemenge mit kochendem Wasser, so loͤst sich die Gallussaͤure auf; man loͤst dann die Ellagsaͤure in Kali auf, und schlaͤgt sie mit einer Saͤure nieder, wodurch man sie in reinem Zustande erhaͤlt. Auf 120° erhizt, verliert diese Saͤure 11,7 Procent Wasser; ihre Zusammensezung entspricht der Formel C₇H₄O₄ + H₂O; sie weicht also durch ein Atom Wasser, welches sie weniger enthaͤlt, von der Gallussaͤure ab. Pyro-Gallussaͤure. Diese Saͤure entsteht beim Erhizen der Gallussaͤure auf 210° bis 220°; uͤberschreitet man diese Graͤnze, und treibt die Temperatur auf 240° oder 250°, so erhaͤlt man von dieser Saͤure nicht mehr die geringste Spur, sondern eine andere, die Meta-Gallussaͤure. Ihre Bereitung erfordert also große Vorsicht. Am besten bedient man sich eines Oehlbades, in welches man eine Glasretorte bringt, die zur Haͤlfte mit Gallussaͤure angefuͤllt ist, und ein Thermometer, das bestaͤndig die Temperatur des Bades anzeigt. Die so durch Sublimation erhaltene Pyro-Gallussaͤure ist schneeweiß, und erscheint in Form von Blaͤttchen oder sehr langen Nadeln, die in Wasser sehr loͤslich, und auch in Alkohol und Aether loͤslich sind. Sie roͤthet das Lakmuspapier nur sehr schwach. Bei 115° schmilzt sie, und gegen 210° beginnt sie zu sieden. Bei 250° schwaͤrzt sie sich stark, laͤßt Wasser entweichen, und liefert einen reichlichen Ruͤkstand von Meta-Gallussaͤure. Kali, Natron und Ammoniak bilden mit der Pyro-Gallussaͤure Salze, die sehr leicht in Wasser loͤslich sind; das Kalisalz krystallisirt in sehr weißen rhomboidalen Tafeln. Baryt- und Strontianwasser werden von der Pyro-Gallussaͤure nicht getruͤbt, auch faͤrbt sie sich unter dem Einflusse der aufloͤslichen Oxyde nur durch Dazwischenkunft von Sauerstoff. Das schwefelsaure Eisenoxyd wird schon in der Kaͤlte durch eine Aufloͤsung dieser Saͤure in den Oxydulzustand zuruͤkgefuͤhrt, und die Fluͤssigkeit nimmt eine sehr schoͤne rothe Farbe an, ohne einen Niederschlag abzusezen. Nimmt man an Statt freier Saͤure ein pyro-gallussaures Salz, oder an Statt des Eisensalzes Eisenoxydhydrat: so erhaͤlt man eine Fluͤssigkeit und einen Niederschlag von schoͤner, sehr intensiver veilchenblauer Farbe. Die Krystalle der Pyro-Gallussaͤure erleiden beim Schmelzen keinen Gewichtsverlust. Meta-Gallussaͤure. Man erhaͤlt sie, wenn man Gerbestoff oder Gallussaͤure einer Temperatur von 250° aussezt. Sie bleibt in dem Destillationsgefaͤße als eine schwarze, sehr glaͤnzende, geschmaklose, in Wasser vollkommen unaufloͤsliche Masse zuruͤk. Kali, Natron und Ammoniak loͤsen sie leicht auf; durch Saͤuren wird sie aus diesen Salzen in schwarzen Floken von derselben Zusammensezung, wie die auf trokenem Wege erhaltene Saͤure niedergeschlagen. Meta-gallussaures Kali, durch Sieden einer Kaliloͤsung mit uͤberschuͤssiger Saͤure bereitet, reagirt neutral auf Pflanzenfarben. Es bildet schwarze Niederschlaͤge mit den Salzen von Blei, Eisen, Kupfer, Zink, Silber, Bittererde, Kalk, Baryt und Strontian. Aus kohlensaurem Kali und Natron entwikelt sie die Kohlensaͤure mit Brausen; auf den kohlensauren Baryt wirkt sie nicht. In Alkohol ist sie fast ganz unaufloͤslich.