Titel: Zusammenstellung der Hauptresultate von Faraday's experimentellen Untersuchungen über die Elektricität.
Fundstelle: Band 52, Jahrgang 1834, Nr. LXV., S. 354
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LXV. Zusammenstellung der Hauptresultate von Faraday's experimentellen Untersuchungen uͤber die Elektricitaͤt. Aus dem Athenaeum, No. 340, S. 336. Faraday's Untersuchungen uͤber die Elektricitaͤt. Wir haben unseren Lesern bereits Einiges aus den hoͤchst interessanten Abhandlungen, welche Faraday uͤber seine die Elektricitaͤt betreffenden Versuche der Royal Society vortrug, mitgetheiltPolytechn. Journal Bd. LI. S. 315. A. d. R., die große Wichtigkeit seiner Entdekungen veranlaßt uns jedoch einen umfassenden Auszug aus seinen saͤmmtlichen Vorlesungen nachzutragen. Im Verlauf seiner Versuche uͤber ein allgemeines und wichtiges Gesez von elektrochemischer Wirkung, welches die genaue Messung der waͤhrend der Zersezung des Wassers und anderer Substanzen sich entbindenden Gasarten erheischte, entdekte Hr. Faraday eine merkwuͤrdige Wirkung, die zuvor noch nie beobachtet wurde und die, wenn er sie fruͤher kennen gelernt haͤtte, ihn gegen viele Irrthuͤmer, welche er anfangs bei den Folgerungen aus seinen fruͤheren Versuchen beging, verwahrt haben wuͤrde. Die beobachtete Erscheinung war die allmaͤhliche Wiedervereinigung von einfachen Substanzen, welche durch die Voltaische Wirkung vorher von einander getrennt worden waren. Dieß geschah, als man nach der Zersezung des Wassers durch die Voltaische Elektricitaͤt das erhaltene Gemisch von Sauerstoff- und Wasserstoffgas mit den Platindraͤhten oder Platinblechen, welche als Pole gewirkt hatten, in Beruͤhrung ließ; denn unter diesen Umstaͤnden verminderte sich allmaͤhlich sein Volumen, es entstand wieder Wasser und die Gasarten verschwanden endlich vollstaͤndig. Als der Verfasser der Ursache dieser Wiedervereinigung der Bestandtheile des Wassers nachforschte, fand er, daß sie hauptsaͤchlich durch die Wirkung des Platinstuͤks, welches als positiver Pol gedient hat, veranlaßt wird; und daß dasselbe Platinstuͤk eine aͤhnliche Wirkung auf ein Gemisch von Sauerstoff- und Wasserstoffgas, die auf irgend eine andere Art dargestellt sind, ausuͤbt. Weitere Versuche ergaben, daß das Platin, welches der negative Pol gewesen war, dieselbe Wirkung hervorbringen konnte. Endlich wurde gefunden, daß, um den Platinstuͤken die Eigenschaft zu ertheilen, den Sauerstoff und Wasserstoff wieder mit einander zu verbinden, weiter nichts noͤthig ist, als daß dieselben vollkommen rein sind, in welchen Zustand sie ohne Anwendung der Batterie schon durch die gewoͤhnlichen mechanischen Reinigungsmethoden versezt werden koͤnnen. Platinbleche, die vermittelst eines Korkes durch ein wenig Schmirgel und Wasser oder verduͤnnte Schwefelsaͤure gereinigt worden waren', zeigten sich sehr wirksam; die hoͤchste Wirksamkeit erlangten sie aber, als man sie zuerst in einer starken Aufloͤsung von Aezkali erhizte und dann in Wasser tauchte, um das Alkali abzuwaschen, hierauf in heißes Vitrioloͤhl und endlich zehn oder fuͤnfzehn Minuten lang in destillirtes Wasser. Als man so vorbereitete Bleche in Roͤhren brachte, die Gemische von Sauerstoff- und Wasserstoffgas enthielten, wurde die allmaͤhliche Verbindung derselben herbeigefuͤhrt: die Wirkung war anfangs langsam, wurde aber nach und nach schneller; es entwikelte sich dabei so viel Hize, daß oft Entzuͤndung und Explosion erfolgte. Nach dem Verfasser ist diese Erscheinung von derselben Art, wie die Entzuͤndung des Platins in Davy's Gluͤhlampe, wie Doͤbereiner's Platinschwamm, welcher auf einen Strom Wasserstoffgas in atmosphaͤrischer Luft wirkt und wie diejenigen, woruͤber die HH. Dulong und Thenard so schoͤne Versuche anstellten. Er stellt, wo er von der Theorie dieser merkwuͤrdigen Erscheinungen spricht, einige neue Ansichten uͤber den Zustand der Elasticitaͤt an den aͤußeren Theilen einer in einen festen Koͤrper eingeschlossenen Gasmasse an. Nach ihm haͤngt die Elasticitaͤt der Gasarten von der wechselseitigen Wirkung der Theilchen ab, besonders derjenigen, welche einander beruͤhren. Dieser gegenseitig hervorgerufene Zustand fehlt aber auf den Seiten der aͤußeren Theilchen, welche der festen Substanz zunaͤchst sind. Aus dem von Dalton aufgestellten Grundsaze, daß naͤmlich die Theilchen verschiedener Gasarten gegen einander indifferent sind, so daß diejenigen eines Gases in fast jede Entfernung von denjenigen einer anderen Gasart kommen koͤnnen, wie auch immer die respectiven Tensionsgrade in jedem Gas unter den Theilchen seiner eigenen Art seyn moͤgen, folgert er dann, daß die Theilchen einer Gasart oder eines Gasgemisches, welche dem Platin oder einem anderen festen Koͤrper, der nicht von dessen eigener chemischer Natur ist, zunaͤchst liegen, mit dieser Oberflaͤche eben so nahe in Beruͤhrung kommen, wie die Theilchen eines festen oder fluͤssigen Koͤrpers einander beruͤhren. Diese Annaͤherung nebst der Abwesenheit irgend einer wechselseitigen Beziehung der gasartigen Theilchen zu den Theilchen ihrer eigenen Art, wozu noch die directe Anziehungskraft des Platins (oder eines anderen festen Koͤrpers) zu den Gastheilchen kommt, ist nach der Ansicht des Verfassers hinreichend, um zu bewirken, daß die Verwandtschaft zwischen den Sauerstoff- und Wasserstofftheilchen wirksam wird; sie ist in der That ein Aequivalent fuͤr Temperaturerhoͤhung, Aufloͤsung, oder irgend einen derjenigen Umstaͤnde, welche bekanntlich die den Koͤrpern selbst eigenen Verwandtschaften zu verstaͤrken vermoͤgen. Es werden dann einige sehr merkwuͤrdige Faͤlle beschrieben, wo diese Wirkung des Platins und anderer Metalle verhindert wird. So verhindern geringe Quantitaͤten von Kohlenoxydgas oder oͤhlerzeugendem Gas, wenn sie mit dem Sauerstoff- und Wasserstoffgas vermischt sind, die fragliche Wirkung gaͤnzlich, waͤhrend sehr große Quantitaͤten von kohlensaurem oder Salpetergas sie nicht verhindern: und es ist merkwuͤrdig, daß die erstere von diesen Gasarten die Metallplatten nicht permanent afficirt; denn wenn man die Platinbleche aus diesen Gemischen nimmt und sie in reines Sauerstoff- und Wasserstoffgas bringt, so erfolgt deren Vereinigung. Der Verfasser schließt mit Anfuͤhrung zahlreicher Faͤlle von physischer Wirkung, welche den Einfluß gewisser Abaͤnderungen im Zustande der Elasticitaͤt auf der aͤußeren Oberflaͤche gasfoͤrmiger Koͤrper zeigen. Die siebente Reihe, welche eine Fortsezung der fuͤnften ist, und von der elektrochemischen Zersezung handelt, beginnt mit Auseinandersezung der Gruͤnde, welche den Verfasser veranlaßten, in diesem Theile der Wissenschaft verschiedene neue Benennungen einzufuͤhren, die noͤthig zu seyn scheinen, um Irrthuͤmer und Ungenauigkeiten bei der Beschreibung von Thatsachen sowohl als von Theorien zu vermeiden. An Statt der Benennung Pol und in der Absicht auch einen Theil des Voltaischen Apparates zu bezeichnen, wobei dieser Name nie angewandt wurde, obgleich er mit einem Pol in seiner Beziehung zum Strom identisch ist, schlaͤgt der Verfasser den Ausdruk Elektrod vor. Die Oberflaͤchen des zersezenden Koͤrpers, bei welchen der positive Strom von Elektricitaͤt eintritt und austritt, werden jene das Eisod, diese das Exod genannt. Koͤrper, welche durch den elektrischen Strom zersezbar sind, nennt er Elektrolyte, und wenn sie elektrochemisch zersezt sind, sagt er, sie seyen elektrolysirt; die Substanzen selbst, welche in solchen Faͤllen in Freiheit gesezt werden, heißen Zetode und die Bezeichnungen Zeteisod und Zetexod werden gebraucht, je nachdem die Substanz in einer oder der anderen Richtung geht. Der erste Abschnitt der folgenden Abhandlung enthaͤlt allgemeine Betrachtungen uͤber die elektrochemische Zersezung. Man hat gefunden, daß die Grundstoffe, welche einander in ihren chemischen Verwandtschaften stark entgegengesezt sind, auch durch die Voltaische Saͤule am leichtesten getrennt werden; und die Entdekung des in der vierten Reihe erklaͤrten Leitungsgesezes fuͤhrte zu einer großen Vermehrung der Zahl von Beispielen, welche mit dieser allgemeinen Beobachtung uͤbereinstimmen: hier wird aber gezeigt, daß das Verhaͤltniß, in welchem die Elemente eines Koͤrpers sich vereinigen, einen großen Einfluß auf den elektrochemischen Charakter der daraus hervorgehenden Substanz hat und daß es zahlreiche Beispiele gibt, wo eine gewisse Verbindung von zwei Substanzen zersezbar ist, eine andere aber nicht. Es scheint im Allgemeinen, daß von binaͤren Verbindungen einfacher Koͤrper diejenigen, welche einfache Aequivalente enthalten, zersezbar sind, die hoͤheren Verbindungen aber nicht. Im zweiten Abschnitt wird ein neues, von dem Verfasser erfundenes Instrument beschrieben, wodurch man die elektrischen Stroͤme genau messen kann, und welches er Volta-Elektrometer nennt. Man laͤßt den zu messenden Strom durch Wasser gehen, welches mit Schwefelsaͤure angesaͤuert ist, und sammelt und mißt die Gasarten, welche bei der Zersezung des Wassers frei werden, wodurch man dann einen Ausdruk fuͤr die Quantitaͤt der durchgegangenen Elektricitaͤt erhaͤlt. Das Princip, worauf sich diese Folgerung gruͤndet, ist das neue vom Verfasser entdekte Gesez, daß die zersezende Wirkung irgend eines Stromes von Elektricitaͤt fuͤr eine gewisse Quantitaͤt von Elektricitaͤt auch immer gleich ist. Von der Genauigkeit dieses Gesezes in Bezug auf die Zersezung des Wassers uͤberzeugte man sich auf alle moͤgliche Art, indem man denselben Strom nach einander durch zwei oder mehrere Portionen von Wasser unter sehr verschiedenen Umstaͤnden streichen ließ: man mochte aber was immer fuͤr Abaͤnderungen machen, indem man entweder die Groͤße der Pole oder Elektrode aͤnderte, oder die Intensitaͤt des Stromes – durch Veraͤnderung der Temperatur der Aufloͤsung oder der gegenseitigen Entfernung zwischen den Polen – vergroͤßerte oder verminderte, so war doch die Wirkung stets dieselbe; und eine gegebene Quantitaͤt von Elektricitaͤt, sie mochte auf ein Mal oder auf mehrere Mal durchstreichen, zersezte unwandelbar dieselbe Menge Wasser. Die Wahrheit des Princips, nach welchem der Volta-Elektrometer wirkt, ist daher außer allen Zweifel gesezt: hinsichtlich der praktischen Anwendung des Princips beschreibt der Verfasser verschiedene Einrichtungen des Instruments und den Gebrauch derselben, um entweder absolute Quantitaͤten von Elektricitaͤt dadurch zu messen oder relative Maßstaͤbe zu erhalten. Im dritten Abschnitt wird von dem primaͤren oder secundaͤren Charakter der bei den Elektroden frei gewordenen Koͤrper gehandelt. Es wird gezeigt, daß sie in einer bei weitem groͤßeren Anzahl von Faͤllen, als man gewoͤhnlich glaubte, secundaͤr sind; und daß man in Bezug auf die kleinsten Theilchen der Koͤrper bisher aus dem Charakter der secundaͤren Producte Geseze ableitete, so daß man auf gewisse an und fuͤr sich richtige Schluͤsse durch falsche Folgerungen kam, weil die Thatsachen, wodurch sie vermeintlich unterstuͤzt werden sollten, in Wahrheit mit diesen Folgerungen in keiner directen Beziehung standen. Der Verfasser erklaͤrt die Methoden primaͤre und secundaͤre Resultate von einander zu unterscheiden. Der vierte Abschnitt ist betitelt: „Ueber die bestimmte Natur und Ausdehnung der elektrochemischen Zersezung“ und wird vom Verfasser als bei weitem der wichtigste Theil aller Versuche, deren Resultate er bisher der Royal Society mittheilte, betrachtet. Er geht zuerst auf fruͤhere Gelegenheiten zuruͤk, bei welchen er dieses Gesez von chemischer Wirkung schon mehr oder weniger deutlich aussprach, und auch auf das so eben erklaͤrte Instrument, welches ein Beispiel fuͤr das zu entwikelnde Princip liefert. Dann bezieht er sich auf fruͤher beschriebene Versuche, wobei er auf den Unterschied zwischen primaͤren und secundaͤren Resultaten aufmerksam macht, ins dem sie dasselbe Princip bei der Salzsaͤure erweisen; die Resultate zeigen naͤmlich, daß nicht nur die Quantitaͤt, welche von dieser Saͤure zersezt wird, fuͤr eine gleichbleibende Quantitaͤt von Elektricitaͤt, ebenfalls gleich bleibt, sondern daß auch, wenn man sie mit Wasser vergleicht, indem man einen Strom von Elektricitaͤt durch beide Substanzen gehen laͤßt, die relativen Quantitaͤten, welche von beiden zersezt werden, sehr genau die chemischen Aequivalente dieser Koͤrper sind. Derselbe Strom zum Beispiel, welcher neun Gewichtstheile Wasser zersezen kann, kann auch siebenunddreißig Gewichtstheile Salzsaͤure zersezen, welche Zahlen respective die aus der gewoͤhnlichen chemischen Wirkung abgeleiteten Aequivalente dieser Substanzen sind. Er beschreibt dann Beispiele, wo Koͤrper, welche durch die Hize fluͤssig gemacht werden, wie Oxyde, Chloride, Jodide etc. durch den elektrischen Strom zersezt werden, aber immer dem Gesez der constanten chemischen Wirkung gemaͤß. So vermag der Strom, welcher ein Aequivalent Wasser zersezen kann, auch Aequivalente von Salzsaͤure, Zinnchloruͤr, Jodblei, Bleioxyd und viele andere Koͤrper zu zersezen, ungeachtet der groͤßten Verschiedenheiten in ihrer Temperatur, in der Groͤße der Pole und bei anderen Umstaͤnden; sogar Veraͤnderungen in der chemischen Natur der Pole oder Elektrode und in ihren Verwandtschaften zu den entbundenen Koͤrpern verursachten keine Abaͤnderungen in der Quantitaͤt des zersezten Koͤrpers. Der Verfasser geht zulezt auf eine fuͤr die chemische Verwandtschaft und die ganze elektrochemische Theorie sehr wichtige Frage uͤber, naͤmlich auf die absolute Quantitaͤt von Elektricitaͤt, welche die Koͤrperatome enthalten. Diese Quantitaͤt betrachtet er als genau gleich derjenigen, welche noͤthig ist, um sie aus ihrer Verbindung mit anderen Atomen durch elektrolytische Wirkung zu trennen und er fuͤhrt viele Versuche an, um diesen Saz zu beweisen; so beschreibt er einen, wobei die chemische Wirkung von 32,5 Theilen Zink, als Voltaische Batterie construirt, einen Strom von Elektricitaͤt zu entbinden vermochte, welcher 9 Gran Wasser, also das volle Aequivalent des Zinks, in ihre Bestandtheile zersezen konnte. Er glaubt, daß die magnetische Wirkung einer gegebenen Quantitaͤt von Elektricitaͤt ebenfalls eine bestimmte ist und ist uͤberzeugt, daß diese Ansicht durch zukuͤnftige Versuche vollkommen bestaͤtigt werden wird.