Titel: Einiges über die englischen Eisen- und Stahlwaarenfabriken im Vergleiche mit jenen auf dem Continente.
Fundstelle: Band 53, Jahrgang 1834, Nr. LXIV., S. 379
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LXIV. Einiges uͤber die englischen Eisen- und Stahlwaarenfabriken im Vergleiche mit jenen auf dem Continente. Aus dem Mechanics' Magazine, No. 574. S. 318. Ueber englische Eisen- und Stahlwaarenfabriken. Wir theilen hier aus den Minutes of Evidence before a Select Committee of Manufactures, Commerce and Shipping 1834“ folgende Angaben mit, die Hr. S. Jackson, Saͤgen- und Stahlfabrikant zu Sheffield, auf die an ihn gestellten Fragen zu Protokoll gab. „Ich habe mehrere Fabriken auf dem Continente, und namentlich jene in Frankreich und Preußen besucht, und gefunden, daß sich die Eisen- und Stahlwaaren daselbst seit dem Jahre 1825 fortwaͤhrend verbessert haben. In dem Herzogthume Berg befinden sich nicht weniger als 800 Saͤgefabrikanten, 1000 Feilenfabrikanten, 3000 Messerschmiede, 1000 Saͤbel- und 1500 Scheerenfabrikanten. Einige Arten von Saͤgen, besonders solche Blaͤtter, wie sie auf den Continent und auf den amerikanischen Markt gebracht wurden, verfertigt man daselbst eben so gut, als wir sie in England nur immer erzeugen koͤnnen; doch werden haͤufig die englischen Marken nachgemacht. Kreissaͤgen, Handsaͤgen, Ruͤkensaͤgen und lange Saͤgen werden daselbst jedoch bei weitem nicht so gut erzeugt, als in England. Die franzoͤsischen Fabrikanten zu St. Etienne haben große Fortschritte gemacht; allein sie gestehen dennoch selbst ein, daß sie in keinem Zweige der Stahl- und Eisenwaarenfabrikation mit England Concurrenz halten koͤnnen, und daß die franzoͤsischen Stahlfabriken nur in Folge der hohen schuͤzenden Zoͤlle bestehen koͤnnen. Die Fabriken des Herzogthumes Berg sind es hauptsaͤchlich, welche auf den amerikanischen Maͤrkten mit uns in Concurrenz treten.“ „Die Zahl der Menschenhaͤnde, welche in Sheffield in dem fraglichen Industriezweige beschaͤftigt sind, duͤrften folgender Maßen vertheilr seyn. 3689 arbeiten Tischmesser und Gabeln; 2680 Taschen- und Federmesser; 754 Rasirmesser; 600 Scheeren; 1768 Feilen; 363 Saͤgen; 703 scharfe Instrumente; 1530 Feuergattern und dergleichen; 643 verarbeiten weißes Metall; 500 liefern silberplattirte Waaren; in Summa betraͤgt die Zahl der Arbeiter 13,430. Die Zahl der Arbeitsstunden betraͤgt in diesen Gewerben taͤglich nur 10 Stunden, wahrscheinlich wegen der Haͤrte und Beschwerlichkeit der Arbeit. Der Arbeitslohn ist bei uns 3 Mal hoͤher als auf dem Continente, und belauft sich taͤglich auf 2 Schill. 6 Den. (1 fl. 30 kr.) bis auf 5 Schill. (3 fl.) Jeder Arbeiter hat bei einigem Fleiße und einiger Maͤßigkeit die Aussicht, sich selbst als Fabrikant im Kleinen ansaͤssig machen zu koͤnnen, und beinahe alle unsere großen Fabrikanten fingen auf diese Weise an.“ „Die Verbesserungen, welche in den lezten Jahren zu Sheffield in diesen Gewerben eingefuͤhrt worden, sind sehr bedeutend; denn uͤberall, wo es nur moͤglich ist, bedient man sich jezt der Maschinen. Vor 10 bis 12 Jahren noch mußte man z.B., wenn man eine dreiflaͤchige Feile erzeugen wollte, dieselbe aus einer vierekigen Eisenstange haͤmmern; heut zu Tage hingegen walzt man auf den Strekwerken gleich dreiekige Stahlstaͤbe aus. Mehrere dieser Verbesserungen haben bisher noch nicht ihren Weg bis in die Fabriken von Berg gefunden; man hat daselbst noch bei weitem nicht so viele Maschinen als bei uns, und namentlich fehlen ihnen die so wichtigen und nuͤzlichen Strekwerke. Der einzige Vortheil, den die Fabrikanten daselbst vor uns voraus haben, besteht in dem weit niedrigeren Arbeitslohn, den sie bezahlen, und dieser Vortheil wird in den meisten Fabrikationszweigen durch die Guͤte unserer Maschinerien aufgewogen. Die hohen Preise der englischen Fabrikate ermunterten zur Errichtung aͤhnlicher Fabriken auf dem Continente. Ich erhielt auf einer Reise, die ich im Jahre 1826 dahin machte, bedeutende Auftraͤge auf sogenannte Beilklingen (billet-webs); wir konnten damals hierin sowohl mit Frankreich als mit Deutschland Concurrenz halten; da jedoch die Geschaͤfte zu jener Zeit gerade sehr gut gingen, so weigerten sich die Arbeiter, diesen Artikel anders als nach einem gewissen Verfahren zu arbeiten, und da mir dieses Verfahren zu kostspielig war, so konnte ich die mir gegebenen Auftraͤge nicht erfuͤllen. Seither sind die franzoͤsischen Fabrikanten gerade in diesem Zweige so weit fortgeschritten, daß wir gegenwaͤrtig hierin nicht mehr mit ihnen Concurrenz halten koͤnnen.“ „Unter allen englischen Stahl- und Eisenwaaren stehen auf dem Continente unsere schneidenden Instrumente, Feilen, Saͤgen und Rasirmesser im groͤßten Rufe. Englische Messerschmiedwaaren werden wohl durch Belgien nach Frankreich eingeschwaͤrzt, allein bei weitem nicht in so großer Menge, als man gewoͤhnlich glaubt; ich sah wenigstens in den Haͤnden der gewoͤhnlichen Familien nie englische Fabrikate dieser Art, ausgenommen Federmesser und Rasirmesser. Was man im Palais-Royal als englische Waare verkauft, ist nur franzoͤsisches Fabrikat, dem man eine englische Marke aufdruͤkte, um einen hoͤheren Preis dafuͤr zu erhalten. Ich weiß einen Fall, daß zu Sheffield fuͤr einen franzoͤsischen Kaufmann zu Havre de Grace eine Partie Rasirmesser verfertigt wurde, welche mit dem Namen Pradier, der zu den beruͤhmtesten franzoͤsischen Fabrikanten gehoͤrt, bezeichnet werden mußten, und mit anderen schneidenden Instrumenten verpakt eingeschwaͤrzt wurden. – Chirurgische Instrumente werden in Paris viele verfertigt, allein die englischen sind weit besser. Ich sah in Frankreich viele der dortigen feineren Messerschmiedarbeiten, z.B. Scheeren; die Blaͤtter dieser Scheeren fand ich bei weitem nicht so gut, als jene der englischen; allein die Arbeit der Schenkel, welche aus Elfenbein oder Perlmutter bestanden, war weit wohlfeiler, schoͤner und besser, als man sie irgendwo in England trifft.“ „Der Preis der Sheffielder Fabrikate ist seit der Dauer des Friedens um 30 bis 40 Procent gefallen: ja in dem Messerschmiedgewerbe war dieses Sinken der Preise sogar noch groͤßer; und doch hat Sheffield seither sowohl an Bevoͤlkerung, als an Fabriken mehr als irgend eine andere Stadt in England zugenommen. Beinahe alle Fabrikanten zu Sheffield sind gegenwaͤrtig gezwungen, auf ihre Fabrikate die Namen ihrer Abnehmer zu druͤken, und dieß ist einer der vorzuͤglichsten Gruͤnde, warum die Messerschmiede daselbst keine großen Vorraͤthe von fertigen Waaren halten koͤnnen, und nur auf erhaltene Auftraͤge arbeiten, indem der Name nach dem Haͤrten nicht mehr wohl eingepraͤgt werden kann. In London selbst werden sehr wenige Messerschmiedwaaren fabricirt, ausgenommen sehr feine und sehr kostbare; der bei weitem groͤßere Theil kommt gewiß aus Sheffield, indem dieselben an lezterem Orte wohlfeiler erzeugt werden koͤnnen. Uebrigens wird auf viele Sheffielder Fabrikate, des Absazes halber, der Name London gepraͤgt. Ich muß hier auch bemerken, daß es bei uns nicht selten ist, daß ein Mann das eine Jahr ein Geselle, und das naͤchste Jahr ein Meister ist, und umgekehrt; denn mit wenigen Schillingen in der Tasche kann sich ein Messerschmied als Meister niederlassen.“ „Das Eisen, dessen man sich in England zur Erzeugung von Gußstahl bedient, ist schwedisches Eisen, und namentlich Eisen von den Huͤttenwerken zu Dannemore. Ich glaube, daß die Eisenerzeugung in den lezten Jahren in Schweden bedeutende Verbesserungen erfahren hat. Es waren mehrere schwedische Fabrikanten in England, wo sie sich unser Verfahren eigen machten; ein Beispiel davon ist Hr. Michaelson von der Firma Michaelson und Comp. Das Eisen, welches diese Firma vor mehreren Jahren mit der Marke J. B. nach England lieferte, galt nur 24 Pfd. Sterl. per Tonne; seitdem Hr. Michaelson aber in England war, und sich daselbst uͤberzeugte, welche Art von Eisen unsere Fabriken brauchen, hat er die Qualitaͤt dieses Eisens so sehr verbessert, daß es gegenwaͤrtig 32 Pfd. Sterl. per Tonne gilt. – Im Herzogthume Berg erzeugt man selbst eine große Menge Eisen; da dieses Eisen jedoch von geringer Qualitaͤt ist, so vermengt man es mit Eisen, welches aus Steyermark eingefuͤhrt wird. Der aus einem Gemenge dieser Art erzeugte Stahl ist nicht so gut, als der unserige, was schon daraus erhellt, daß die auslaͤndischen Fabrikanten schneidender Instrumente jaͤhrlich eine große Quantitaͤt Gußstahl aus England beziehen; zu manchen Zweken ist jedoch der Berger Stahl besser als der englische, indem er zaͤher und biegsamer ist. Auch die Franzosen erzeugen eine bedeutende Quantitaͤt Stahl aus ihrem Eisen, der jedoch durchaus nicht mit dem englischen Stahle verglichen werden kann. Ich sah auch schwedisches Eisen in Frankreich, muß aber hieraus schließen, daß man sich daselbst keines von den besten Marken verschaffen kann oder will. Man hat auch in England angefangen, Stahl aus englischem Eisen, dem man etwas schwedisches Eisen zusezte, zu erzeugen; allein dieß Verfahren kam nicht in Aufnahme, weil das schwedische Eisen so wohlfeil ist, daß man englisches Eisen von gleicher Guͤte nicht so billig zu kaufen im Stande ist, als schwedisches. Unsere Stahlfabrikation hat sich in lezter Zeit noch sehr vervollkommnet; und wir koͤnnen jezt mit derselben Quantitaͤt Brennmaterial mehr und bessern Stahl erzeugen, als fruͤher.“ „Die groͤßte Ausfuhr an Messerschmiedwaaren findet nach den Vereinigten Staaten und nach Suͤdamerika Statt; die Ausfuhr auf den Continent von Europa ist nur unbedeutend. In den Vereinigten Staaten kann man wegen des hohen Arbeitslohnes in Hinsicht auf die feineren Messerschmiedarbeiten nicht mit England Concurrenz halten; nur dadurch, daß die Einfuhr von Saͤgen und einigen anderen schneidenden Instrumenten mit einem Zolle, der 50 Procent des Werthes betraͤgt, belegt wurde, hat man daselbst in den groͤberen Arbeiten dieser Art einige bedeutende Fortschritte gemacht.“ „Die Einfuhr von Sheffielder Fabrikaten auf den europaͤischen Continent wurde dadurch sehr beguͤnstigt, daß englische Arbeiter, die sich durch das Versprechen von hohem Lohne in das Ausland ziehen ließen, seither wieder zuruͤkkehrten. Wenn man naͤmlich auf dem Continente eine Fabrik errichten will, so pflegt man, besonders was die Eisenwaarenfabrikation betrifft, anfangs gewoͤhnlich einige geschikte englische Arbeiter an sich zu ziehen; so wie aber die eigenen Arbeiter die gehoͤrige Uebung und die gehoͤrige Geschiklichkeit erlangt haben, entlaͤßt man die englischen Arbeiter als weiter unnoͤthig, und als zu kostspielig. Selbst die beruͤhmten HH. Cockerill zu Luͤttich verwendeten anfangs eine große Anzahl von Englaͤndern in ihren Fabriken, seither sind jedoch, wie ich glaube, die meisten derselben wieder in ihr Vaterland zuruͤkgekehrt; sie mußten naͤmlich den englischen Arbeitern taͤglich 7 bis 8 Schilling Lohn geben, waͤhrend sie ihren Landsleuten nur 2 Schilling zu zahlen brauchten. Man soll jedoch hiebei nicht vergessen, daß es sehr lange Zeit braucht, bis ein Arbeiter die besseren Arbeiten zu verrichten erlernt, und daß es nur wenige bis zur Vollkommenheit und Auszeichnung bringen.“