Titel: Auszug aus einer Abhandlung des Hrn. Dubuc, Vater, Chemiker zu Rouen, über ein mechanisches und chemisches Verfahren, um die Verfälschung des Getreidemehles mit Erdäpfel-Stärkmehl oder anderen fremdartigen Substanzen zu erkennen.
Fundstelle: Band 53, Jahrgang 1834, Nr. LXXIV., S. 443
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LXXIV. Auszug aus einer Abhandlung des Hrn. Dubuc, Vater, Chemiker zu Rouen, uͤber ein mechanisches und chemisches Verfahren, um die Verfaͤlschung des Getreidemehles mit Erdaͤpfel-Staͤrkmehl oder anderen fremdartigen Substanzen zu erkennen.Wir haben bereits im Polyt. Journ. Bd. LII. S. 63 Einiges uͤber die Methode des Hrn. Dubuc bekannt gemacht, finden uns jedoch aufgefordert, noch ein Mal ausfuͤhrlicher auf dieselbe zuruͤkzukommen.A. d. R. Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement. Mai 1834, S. 198. Dubuc's mechanisches und chemisches Verfahren, um die Verfaͤlschung des Getreidemehles zu erkennen. Die Verfaͤlschung des Weizen- und selbst des Roggenmehles mit Erdapfelstaͤrkmehl beruht hauptsaͤchlich auf drei Beweggruͤnden. Sie geschieht erstens in der Absicht, um einen unerlaubten Gewinn zu wachen, wenn der Preis des Erdaͤpfelstaͤrkmehls niedriger steht, als jener des Weizenmehles; der Muͤller begeht sie zweitens, um dem Mehle eine groͤßere Weiße zu geben, und um die Gewinnung des Mehles zu erleichtern, besonders, wenn das Getreide, wie man zu sagen pflegt, fett oder beim Ernten verdorben ist; drittens endlich werden außer dem Erdapfelstaͤrkmehl auch noch andere weiße mehlige Substanzen unter das Weizenmehl gemengt, wie z.B. Roggen-, Reiß-, Gersten-, Bohnenmehl etc.In den Jahren, in welchen der Weizen bei der Ernte Schaden litt, und in welchen das Mehl fest an der Schale haͤngt, sezten die Muͤller dem Weizen vor dem Mahlen zuweilen etwas wenigen sehr trokenen Reiß oder auch etwas Sazmehl zu. Dadurch wird naͤmlich nicht nur die Gewinnung des Mehles erleichtert, sondern auch der Ertrag etwas erhoͤht; es laͤßt sich gegen dieses Verfahren auch nichts einwenden, wenn der Zusaz dieser beiden Ingredienzien auf 50 Kilogr. Weizen nicht uͤber 2 Kilogr. betraͤgt.A. d. O. Man brachte im Laufe der lezten Jahre mehrere Methoden in Anwendung, um das Vorhandenseyn von Sazmehl in dem Weizenmehle zu erkennen; und eine einzige derselben reichte in erfahrenen Haͤnden auch vollkommen hin, wenn das Sazmehl nur einfach unter das Weizenmehl gemengt war. Man konnte naͤmlich in diesem Falle schon mit freiem Auge und noch besser mit einer guten Luppe ziemlich leicht die ekigen, ungleichen, glimmerartig glaͤnzenden Theilchen des Sazmehles von dem matten Weizenmehle, und noch mehr von dem Roggen-, Bohnen- und anderem Mehle unterscheiden. Dessen ungeachtet kann aber die Untersuchung mit mikroskopischen Instrumenten in Irrthum fuͤhren, wenn das Weizenmehl z.B. nur mit dem zehnten Theile seines Gewichtes Sazmehl verfaͤlscht ist, und zwar um so mehr, da manches Mehl einige Kieselatome enthaͤlt, welche die Sonnenstrahlen beinahe auf aͤhnliche Weise zuruͤkwerfen, wie das Sazmehl.Dieß ist besonders dann der Fall, wenn die Muͤhlsteine frisch geschaͤrft wurden; diese Kieseltheilchen lassen sich jedoch wegen ihrer Schwere leicht durch Schlemmen von dem Mehle und Sazmehle unterscheiden und abscheiden.A. d. O. Die zahlreichen Versuche, welche Hr. Dubuc anstellte, um das Sazmehl mit Sicherheit in dem Mehle zu entdeken, brachten ihn auf die Idee, das verdaͤchtige und zu untersuchende Mehl im Marienbade zu troknen. Er fand naͤmlich, daß wenn die Theilchen ihr Wasser großen Theils verloren haben, das Sazmehl durch die Mikroskope beinahe noch ein Mal so leicht erkannt werden kann; so konnte z.B. ein Zusaz von 1/10 Sazmehl zu Weizenmehl von erster Guͤte nach dem Troknen des Mehles sehr leicht mit einer guten Luppe erkannt werden. Der Versuch wurde mehrere Male in Gegenwart praktisch erfahrener Muͤller und Baͤker wiederholt, und genuͤgte immer vollkommen. Man kann hienach jedes Mal, so oft das zugesezte Sazmehl ganz und ungerieben ist, nach dem Troknen selbst einen Zusaz, der nur den zwanzigsten Theil des Gewichtes des Mehles betraͤgt, leicht und sicher mit einer guten Luppe erkennen.Durch dieses Troknen verliert gutes Hallenmehl beilaͤufig 1/5 seines Gewichtes, welches aus verdampftem Wasser besteht.A. d. O. Wurde das Sazmehl aber mit unter die Muͤhlsteine gebracht, und mit dem Mehle durchgebeutelt, so reichen diese Mittel nicht mehr aus, um den Betrug zu entdeken, weil hiedurch der Glanz der Sazmehltheilchen verloren geht, indem ihre Flaͤchen mit Mehl besezt und verdunkelt werden. Fuͤr diesen Fall muͤssen also andere Mittel in Anwendung kommen, wenn man die Verfaͤlschung entdeken will. Hr. Dubuc gibt zwei solche, leicht anwendbare Mittel an, deren gute Resultate durch die Praxis und die Erfahrung bewaͤhrt sind. Erstens gruͤndet sich auf den großen Unterschied, der zwischen dem specifischen Gewichte des Mehles und jenem des Sazmehles besteht; das zweite hingegen fußt darauf, daß das reine Weizenmehl eine bestimmte Quantitaͤt Kleber enthaͤlt, waͤhrend in dem Saz- und Staͤrkmehle gar kein Kleber enthalten ist. Ein Gefaͤß, welches ein Kilogramm oder 1000 Gramme gutes, leicht mit der Hand zusammengedruͤktes Weizenmehl faßt, faßt 1 1/2, Kilogr. oder 1500 Gramme gewoͤhnliches kaͤufliches Sazmehl. Gesezt also, das Mehl sey mit dem vierten Theile seines Gewichtes Sazmehl verfaͤlscht, so wird das Probegefaͤß wenigstens 36 Unzen oder beilaͤufig 1130 Gramme dieses Gemenges aus Mehl und Sazmehl fassen, wenn dasselbe gleichfalls leicht mit der Hand zusammengedruͤkt wird. Man kann daher mit einem gut abgeaichten Gefaͤße durch das specifische Gewicht mit ziemlicher Gewißheit bestimmen, ob das Mehl mit Sazmehl vermengt ist, oder nicht, sollte der Zusaz auch nur den zehnten Theil des Gewichtes des Mehles betragen. Um die Resultate des zweiten oder lezteren der oben erwaͤhnten Verfahren gehoͤrig zu erfassen, muß man sich vor Allem erinnern, daß das beste franzoͤsische Mehl nur den fuͤnften Theil seines Gewichtes an Kleber enthaͤlt, und daß weder das Erdaͤpfelsazmehl, noch auch das aus dem Getreide gewonnene Staͤrkmehl, womit das Weizenmehl gleichfalls verfaͤlscht werden koͤnnte, auch nur eine Spur davon enthalten.Es ist bekannt, daß das franzoͤsische Mehl, so wie man es gewoͤhnlich in den Hallen verkauft, nur 3 Unzen frischen Kleber per Pfund von 16 Unzen enthaͤlt. Nimmt man dieß als Basis, so wird man den Zusaz von anderen mehligen Substanzen, welche keinen Kleber enthalten, immer leicht entdeken koͤnnen.A. d. O. Um nun den Kleber auszuziehen, verfaͤhrt man auf folgende Weise. Man knetet 4 Unzen gutes Weizenmehl mit 2 Unzen lauern Wasser 8 bis 10 Minuten lang gut ab; den festen, markigen und elastischen Teig, den man hiedurch erhaͤlt, sezt man hierauf, waͤhrend man ihn mit den Fingern nach allen Richtungen druͤkt, einem kleinen Strome lauen Wassers aus. Durch diese einfache Behandlung laͤßt sich alles Sazmehl, so wie der in dem Mehle enthaltene schleimig zukerige Bestandtheil von dem Kleber abscheiden, den man als Ruͤkstand erhaͤlt, sobald die Fluͤssigkeit nur mehr klar daruͤber ablaͤuft. Das Gewicht dieses Klebers betraͤgt 6 Quentchen oder 3 Unzen, wenn man mit einem Pfunde reinen Mehles arbeitet. Gesezt also, das Weizenmehl sey mit 1/4 seines Gewichtes Sazmehl, Starkmehl etc. verfaͤlscht, so werden 4 Unzen dieses Gemenges nicht 6 Quentchen oder 24 Gramme, sondern nur 4 1/2 Kleber oder noch weniger geben, wenn noch mehr Sazmehl in dem Mehle enthalten ist. Wenn man aus 4 Unzen Mehl, in welchem 1 Unze Sazmehl enthalten ist, mit 2 Unzen Wasser einen Teig bereitet, so wird der Teig uͤberdieß duͤnner, weniger zusammenhangend, und weniger elastisch seyn; und hieraus allein wird ein gewandter Baͤker schon erkennen, ob sein Mehl mit Sazmehl oder Staͤrkmehl verfaͤlscht ist, oder nicht. Es erhellt also hieraus, daß man durch diese beiden mechanischen Processe jedes Mal erkennen kann, ob das Weizenmehl mit Sazmehl, Staͤrkmehl, Gerstenmehl, Bohnenmehl, oder selbst mit Reißmehl verfaͤlscht ist, oder nicht. Ueber die Anwendung chemischer Reagentien zur Entdekung des Saz- oder Staͤrkmehles, welches dem Weizenmehle zugesezt worden. Das Jod und dessen Praͤparate wurden hier nicht als Reagentien benuzt, weil sie saͤmmtliche Mehle von Getreiden, so wie auch das Sazmehl und das gewoͤhnliche Staͤrkmehl blaͤuen. A. d. O. Man muß hier im Voraus erwaͤgen, daß das Weizenmehl eine animalisirte, stikstoffhaltige Substanz ist, waͤhrend das aus den Erdaͤpfeln ausgezogene Sazmehl, so wie auch das gewoͤhnliche Staͤrkmehl rein vegetabilischer Natur sind. Daß aus diesen Verschiedenheiten nothwendig auch eine verschiedene Wirkung der Reagentien auf die eine oder die andere der beiden Substanzen hervorgehen muß, ist offenbar, und wird aus folgenden Versuchen noch mehr hervorgehen. Die chemischen Reagentien, deren sich Hr. Dubuc bei seinen Versuchen bediente, bestehen lediglich aus Salpetersaͤure, Salzsaͤure und fluͤssigem, salpetersaurem Queksilberoxyd. Ihre Anwendung und Wirkung gruͤndet sich auf Folgendes: 1) Die Salpetersaͤure faͤrbt das reine Weizenmehl schoͤn orangegelb, waͤhrend sie weder die Farbe des Sazmehles, noch jene des Staͤrkmehles veraͤndert. 2) Die reine Salzsaͤure faͤrbt gutes Mehl dunkel violett, waͤhrend sie das Sazmehl aufloͤst, und eine etwas klebrige Fluͤssigkeit damit bildet, die jedoch ganz farblos ist, und durch Alkalien nicht zersezt werden kann. 3) Das salpetersaure Queksilberoxyd oder Queksilber-Deutonitrat faͤrbt das Mehl dunkelroth, waͤhrend es die natuͤrliche Farbe des Sazmehles gar nicht veraͤndert. Versuche mit Salpetersaͤure von 40°. Erster Versuch. Wenn man 100 Gran reines Mehl und eben so viel Salpetersaͤure in einem kleinen Tiegel aus Steingut mit einem Glasstabe oder einem Hoͤlzchen unter einander mengt, so erhizt sich das Gemenge etwas, und wird, indem es alle Schattirungen von Gelb durchlaͤuft, in wenigen Stunden schoͤn orangegelb. Zweiter Versuch. Wenn man 100 Gran Sazmehl auf gleiche Weise mit 100 Gran Salpetersaͤure vermengt, so erfolgt leine Waͤrmeentwikelung, und die Farbe des Gemenges erleidet keine Veraͤnderung. Dritter Versuch. Wenn man 80 Gran reines Mehl, 20 Gran Sazmehl und 100 Gran Salpetersaͤure gut mit einander vermengt, so wird das Gemenge nach und nach citronen- und nicht orangegelb. Nimmt man gleiche Theile Sazmehl und reines Weizenmehl, so wird das Gemenge durch die Salpetersaͤure nur sehr blaß gelb gefaͤrbt. Je mehr Sazmehl also das Mehl enthaͤlt, um so blaͤsser bleibt es bei der Behandlung mit Salpetersaͤure und umgekehrt. Versuche mit Salzsaͤure von 21°. Wenn man 100 Gran reines Weizenmehl mit eben so viel Salzsaͤure vermengt, so wird das Gemenge zuerst hellroth, dann violett, und nach einigen Stunden endlich schoͤn indigblau. Der Versuch laͤßt sich beschleunigen, wenn man das Gemenge etwas erwaͤrmt. Wiederholt man denselben Versuch mit reinem Sazmehle, so wird das Gemenge zuerst teigig, um dann spaͤter fluͤssig zu werden, d.h. das Sazmehl loͤst sich in der Salzsaͤure auf, und bildet eine vollkommen farblose Aufloͤsung. Vermengt man 75 Gran Mehl und 25 Gran Sazmehl mit 100 Gran Salzsaͤure, so nimmt das Gemenge nur eine blaß violette Farbe an, und je blaͤsser die Farbe ist, um so mehr Sazmehl enthaͤlt das Mehl, und umgekehrt. Es ergibt sich also hieraus, daß die Salpeter- und die Salzsaͤure in erfahrenen Haͤnden sehr gute Reagentien zur Entdekung der Verfaͤlschung des Weizenmehles mit Sazmehl abgeben. Ebendieß gilt auch vom salpetersauren Queksilber. Versuche mit fluͤssigem salpetersaurem Queksilber. Wenn man 100 Theile reines Mehl mit eben so viel salpetersaurem Queksilber vermengt, und das Gemenge in einem Tiegel aus Steingut mit einem Glasstabe oder mit irgend einem anderen Instrumente, worauf das Queksilber keine Wirkung aͤußert, umruͤhrt, so wird der Teig blaß citronengelb, dann roͤthlich, und nach zwei bis drei Stunden schoͤn krapproth, welche Farbe bleibend ist. Vermengt man auf gleiche Weise 100 Gran Sazmehl und 100 Gran salpetersaures Queksilber, so entsteht keine Verbindung und keine Faͤrbung; man mag Sazmehl oder gewoͤhnliches Starkmehl anwenden. Ein Gemenge aus 75 Gran Mehl, 25 Gran Sazmehl und 100 Gran salpetersaurem Queksilber gibt nur eine blaßrothe, nichts weniger als krapprothe Farbe, und auch hier ist die Farbe um so blaͤsser, je mehr Sazmehl dem Mehle beigemengt ist. Im Winter laͤßt sich auch bei diesen Versuchen die Wirkung durch kuͤnstliche Waͤrme etwas beschleunigen. Schließlich bemerkt Hr. Dubuc, daß das Sazmehl weniger Wasser absorbirt, als das reine Mehl, um einen Teig zu bilden, und daß dieß ein den Baͤkern wohl bekanntes Pruͤfungsmittel fuͤr die Guͤte des Mehles an die Hand gibt. Was die Verfaͤlschung des Mehles mit Bohnen- oder Erbsenmehl betrifft, so laͤßt sich diese leicht durch den Geruch erkennen, wenn man das verdaͤchtige Mehl mit der Hand abreibt, oder mit siedendem Wasser anruͤhrt.