Titel: Bericht über die Leistungen und Fahrten der beiden Dampfwagen Autopsy und Era auf der Landstraße zwischen London und Paddington, vom 18. August bis zum 11. Oktober 1834. Von Hrn. W. Hancock.
Fundstelle: Band 55, Jahrgang 1835, Nr. IV., S. 17
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IV. Bericht uͤber die Leistungen und Fahrten der beiden Dampfwagen Autopsy und Era auf der Landstraße zwischen London und Paddington, vom 18. August bis zum 11. Oktober 1834. Von Hrn. W. Hancock. Aus dem Mechanics' Magazine, No. 585, S. 50. Bericht uͤber die Leistungen und Fahrten der beiden Dampfwagen Autopsy und Era. Die Autopsy begann ihre Fahrten am 18. August, und lief einen Monat lang taͤglich zwei Mal zwischen Moorgate und Paddington und zwei Mal zwischen Moorgate und Islington hin und her. Waͤhrend dieser ganzen Zeit begegnete der Maschinerie nichts weiter, als daß ein Mal der Schluͤssel des Schieberventiles aussprang, wo die Autopsy dann durch die Era heimgeschafft werden mußte. Die Oehsen der Kutschenfedern gaben etwas nach, wurden jedoch durch staͤrkere ersezt. Die groͤßte Abnuͤzung fand an den Raͤdern Statt; dieß ruͤhrt jedoch hauptsaͤchlich davon her, daß sie bei der Kleinheit ihres Durchmessers in den tiefen Loͤchern des schlechten Pflasters von Finsbury-Square bedeutend Schaden litten. Die Reifen der Raͤder beurkundeten eine rasche Verlaͤngerung, und mußten deßhalb angezogen werden. Aus diesen Gruͤnden wurde der Wagen kuͤrzlich mit Raͤdern von groͤßerem Durchmesser und mit dikeren Reifen versehen. Der Kessel wurde sorgfaͤltig untersucht, zeigte aber nicht die geringste Veraͤnderung; eben so war auch die Feuerstelle ganz unveraͤndert geblieben. Die Era laͤuft nun etwas laͤnger dann einen Monat auf derselben Straße, jedoch noch besser als die Autopsy, und besser als irgend ein fruͤherer von mir oder irgend Jemand anderem erbauter Dampfwagen. Die Stange des Krummhebels erlitt zwar, nachdem der Wagen einen oder zwei Tage gelaufen war, auf dem schlechten Pflaster von Finsbury-Square eine Beschaͤdigung; ich ersezte sie jedoch alsogleich durch eine andere, und seither erlitten die Fahrten nur an einem einzigen Tage eine Unterbrechung, indem sich an einer schlechten Stelle an dem gußeisernen Rande des Eisens eine Ausdehnung zeigte. Ich fand, daß die Raͤder meiner Wagen auf den rauhen Straßen, die sie fuhren, eine harte Probe bestanden; allein so viele Nachtheile mir dieß einerseits brachte, so stattete es mich doch auch mit vielen Erfahrungen aus, indem ich auf diese Weise alle schwachen Punkte meiner Maschine kennen lernte. Die Stratford-Straße z.B. wuͤrde mich in Bezug auf die Abnuͤzung der Raͤder gaͤnzlich irre geleitet haben; indem sie auf lezterer wahrscheinlich um das Doppelte geringer ist, als auf jener, auf der meine Wagen fuhren. Ich sehe mich daher auch veranlaßt, alle bei den Dampfwagen interessirten Parteien besonders darauf aufmerksam zu machen, daß die Wagen jederzeit einer so harten Pruͤfung ausgesezt werden muͤssen, bevor man sich erlauben darf, aus den angestellten Versuchen einen Schluß zu ziehen, – einen Schluß, der sich in der Praxis als irrig bewahren wuͤrde. Ich darf nicht vergessen zu bemerken, daß es zuweilen geschah, daß wenn ich auf schlechtem Pflaster, wo die Treibraͤder in. ein loch gelangten, einen Passagier aufzunehmen hatte, die Reibung an den Steinen (welche manchmal nur an zwei Steinen Statt fand) nicht hinreichte, um den Wagen wieder fortzutreiben. Wenn ich jedoch die Bewegung der Schieberventile umkehrte, und den Wagen ein Paar Fuß weit zuruͤkschob, gleichwie man dieß in aͤhnlichen Faͤllen auch mit der Pferdebespannung zu thun pflegt, so war dieses Hinderniß alsogleich uͤberwunden. Ich hoffe uͤbrigens zur Ehre unseres Straßenbaues, daß man in Baͤlde keine derlei Loͤcher mehr in unseren Straßen treffen wird. Der Verbrauch an Kohks betrug bisher an meinen Wagen 8 bis 12 Pfd. in der engl. Meile; der Verbrauch an Wasser hingegen 100 Pfd. Ich habe bisher beinahe 4000 Passagiere auf meinen Wagen gefahren, ohne daß irgend ein Ungluͤksfall vorgekommen waͤre, und es gereicht mir zur besonderen Freude sagen zu koͤnnen, daß man meiner Unternehmung nun auf den Straßen weit freundlicher entgegenkommt. Es ist daher meine Absicht, in Zukunft ruhige und verlaͤssige Kutscher zur Steuerung meiner Wagen zu verwenden, und es wird ihnen gewiß lieber seyn, mit dem Triumphe des Dampfes uͤber Huͤgel und Straßen wegzueilen, als Rosse zu lenken. Ich werde naͤchstens auch taͤglich um eine Fahrt mehr machen, als gegenwaͤrtig; man hat mich getadelt, daß ich dieß nicht schon fruͤher that, allein ich ziehe es vor, langsam und sicher zu Werke zu gehen. Anhang. Wir fuͤgen diesem Berichte des Hrn. Hancock, der uns unter saͤmmtlichen seiner Dampfwagen-Concurrenten der offenherzigste zu seyn scheint, noch folgende Auszuͤge aus einem Artikel bei, den das Repertory of Patent-Inventions in seinem neuesten Novemberhefte S. 290 uͤber denselben Gegenstand bekannt machte. „Jeder vorurtheilsfreie Mann, der es mit dem Wohle seines Vaterlandes aufrichtig meint, kann nur mit Vergnuͤgen und großer Zufriedenheit auf die Leistungen der Hancock'schen Dampfwagen bliken, und wird es deren wuͤrdigem Erbauer, Hrn. Walter Hancock, Dank wissen, daß er es nach achtjaͤhriger Anstrengung durch seltene Ausdauer und Gewandtheit dahin brachte, alle wirklichen und absichtlich in den Weg gelegten Schwierigkeiten und Hindernisse zu uͤberwinden. Wissenschaftlich gebildete Maͤnner haben mehrfach geschrieben, daß das, was Hr. Hancock wolle, unmoͤglich sey; dem großen Bacon folgend, hat es jedoch Hancock vorgezogen, die Loͤsung der großen Frage lieber durch unbestreitbare Versuche, als durch zweifelhafte Theorien herbeizufuͤhren. Der erste Vorschlag Dampfwagen auf den gewoͤhnlichen Straßen einzufuͤhren, fand beim Publicum keinen Anklang, und selbst jezt noch gibt es Viele, die, obschon sie wissen, daß die Dampfwagen bereits wirklich in's Leben getreten sind, an deren Thunlichkeit und Brauchbarkeit zweifeln.“ „Das groͤßte, am meisten gefuͤrchtete, und immer wieder hervorgehobene Hinderniß war das Ueberschreiten der Huͤgel. Man stellte einerseits eine Menge von Berechnungen an, welche die Unmoͤglichkeit der Ueberwindung dieses Hindernisses darthun sollten; andererseits brachten viele Mechaniker eine Menge Mittel zu dessen Besiegung in Vorschlag. Lauter vergebene Muͤhe! Die den Wagen selbst inwohnende Kraft ohne alle eigene und kostspielige mechanische Anhaͤngsel reichte hin, wie man sich daraus uͤberzeugen kann, daß der Infant, die Autopsy und die Era taͤglich die schlecht unterhaltene Straße uͤber den Huͤgel von Pentonville hinansteigen. Ja der leztere dieser Wagen, der sich besonders durch Schoͤnheit und Bequemlichkeit auszeichnet, vollbringt die Fahrt diesen Huͤgel hinan sogar mit einer Geschwindigkeit von 8 engl. Meilen in der Stunde, waͤhrend man nur eine Geschwindigkeit von 6 Meilen erwartete, und waͤhrend die Geschwindigkeit auf ebener Straße 16 engl. Meilen in der Stunde betragt.“ „Hr. Hancock begann seine Versuche im Jahre 1826 mit dem Baue des Wagens: der Infant, dessen Bau und Einrichtung damals ganz anders war, als sie es gegenwaͤrtig ist. Er ließ diesen Wagen in der Nahe seiner Fabrik zu Stratford haͤufige Probefahrten machen, untersuchte denselben nach jedesmaliger Ruͤkkehr auf's Genaueste, und verbesserte danach die mangelhaften Theile, oder ersezte sie durch neu erfundene. Bei dem Baue seines Kessels versuchte er zuerst verschiedene Roͤhrenverbindungen, – eine Methode, die der Theorie nach viele Vortheile gewaͤhren sollte, und die lange Zeit die Lieblingsidee vieler Mechaniker bildete, – durch die Erfahrung belehrt, gab er sie jedoch saͤmmtlich auf, und kam, nachdem er ein Mal die Erfordernisse eines Kessels fuͤr Dampfwagen erkannt hatte, auf jenen Kessel, dessen er sich gegenwaͤrtig bedient. Dieser Kessel besteht bekanntlich aus einer Reihe schmaler, paralleler, senke recht gestellter Kammern, zwischen denen sich zum Durchzuge des Feuers ein schmaler Raum befindet, und welche durch eine sehr sinnreiche Einrichtung unter sich sowohl, als am Grunde saͤmmtlich mit einander in Verbindung stehen. Die Erweiterung dieser Kammern wird durch mehrere senkrechte Staͤbe, die zwischen denselben angebracht sind, oder durch Halbkugeln, welche an der Seitenwand einer jeden Kammer hervorragen, verhindert, und das Ganze wird durch außerordentlich starke Bolzen und Klammern zusammengehalten.“ „Nachdem er sich auf diese Weise einen wohlfeilen, leichten, nicht auslassenden und Brennmaterial ersparenden Dampfkessel, der ihm sehr rasch trokenen Dampf erzeugte, verschafft und durch ein Patent gesichert hatte, sezte er seine Probefahrten mit mehr Vertrauen und mit mehr Hoffnung des Gelingens fort, bis er es nach fuͤnfjaͤhriger rastloser Anstrengung und nach einer Ausgabe von mehreren 1000 Pfd. aus eigenem Saͤkel im Jahre 1831 dahin brachte, im Publicum mit seiner Erfindung erscheinen zu koͤnnen. Er fand bei seinem ersten Auftreten nicht nur keine Unterstuͤzung, sondern er wurde von angeblich wissenschaftlichen Maͤnnern verlacht, von der Presse verhoͤhnt, und von den Wohlwollendsten mit Mitleid betrachtet; und wenn er sich mit seinem Wagen auf den Straßen zeigte, waren die Landkutscher, Eilwagen, Pferdehaͤndler, Getreidehaͤndler, kurz Jedermann, der sein Interesse beeintraͤchtigt glaubte, bemuͤht, ihm Hindernisse in den Weg zu legen. Allgemein war das Geschrei, daß die Dampfwagen nie in Anwendung kommen koͤnnten.“ „Die erste Gesellschaft zur Benuzung der Hancock'schen Dampfwagen erstand in Brighton, fuͤr welche er die fruͤhere Era erbaute, die nach einigen Fahrten nach Windsor nicht weiter benuzt wurde. Im Jahre 1832 bildete sich die Paddington-Compagnie, fuͤr die Hancock die Demonstration, welche spaͤter in die Enterprise umgetauft wurde, erbaute. Dieser Wagen lief in den Monaten April und Mai 1833 sechszehn Tage lang zwischen London und Paddington hin und her, wurde aber nun seit sechszehn Monaten auf Betrieb eines anderen Mechanikers, der seine Freunde in der Gesellschaft hatte, in den Remisen derselben eingesperrt gehalten, in denen er wahrscheinlich als Taubstummenlehrer (dumb-instructor) diente. Alles dieß erschuͤtterte jedoch Hancock's Muth nicht, sondern er erbaute seither die Autopsy und die neue Era, stellte den Infant wieder her, vollendete einen anderen, noch nicht benannten Dampfwagen, und vollendete fuͤr Hrn. Voigtlaͤnder in Wien einen Dampfzugkarren (steam-drag), der im Julius eingeschifft ward.Der Dampfwagen, den Hr. Voigtlaͤnder von London nach Wien brachte, hat daselbst, wie unsere Leser aus den Zeitungen ersehen haben werden, im Prater unter großem Zulaufe mehrere Probefahrten abgelegt, die sehr genuͤgend ausfielen. Man beabsichtigt, wie man sagt, bereits eine Dampfwagenverbindung zwischen Wien und Preßburg, die bei den vielen Kruͤmmungen, welche die Donau zwischen diesen beiden Punkten macht, sehr gut neben der Dampfschifffahrt bestehen koͤnnte. A. d. R. Der Infant war der erste Dampfwagen, der im Herbste 1832 durch Brighton fuhr; die Autopsy fuhr zuerst am 10. Oktober 1833 am hellen Tage durch die City; im Novbr. 1833 fuhr sie drei Wochen lang zwischen Finsbury-Square und Pentonville.“ „Seither errichtete Hancock in der City-road eine Station, von der nun seine Wagen seit zwei Monaten taͤglich und regelmaͤßig nach Pentonville und zuruͤklaufen. Von 4000 Passagieren, die er um den gewoͤhnlichen Preis der Landkutschen, d.h. um 6 Pence, fuͤhrte, traf auch nicht einen einzigen ein Unfall; bei dieser Erfahrung und bei der vollen Herrschaft, die man uͤber die Dampfwagen hat, koͤnnen mit denselben auch nie so viele Ungluͤksfaͤlle vorkommen, als bei der Bespannung der Wagen mit Pferden. Dessen ungeachtet hatte die Erfindung auch in dieser Hinsicht mit vielen Vorurtheilen zu kaͤmpfen; der geringste Unfall, der seiner Maschine begegnete, wie es denn bei allen neuen Erfindungen nicht anders seyn kann, wurde als ein gaͤnzliches Mißlingen ausgeschrien. Um wie viel nachsichtiger ist man dafuͤr bei der Beurtheilung der Vorrichtungen, an die man bereits gewohnt ist? Man spricht kaum vom Umwerfen der Landkutschen, vom Durchgehen der Pferde, vom Brechen der Achsen, Federn, Aufhalten etc.; so wie aber ein Dampfwagen auch nur ein Mal stehen bleibt, nennt man auch schon das ganze Werk ein verungluͤktes! Die Dampfwagen werden troz dem gewiß noch die bisherigen Landkutschen, Eilwagen, Omnibus etc. in den Hintergrund bringen, und die Communication auf unseren Straßen wird dadurch gewiß nicht wenig vervollkommnet werden. Wenn irgend Jemand daran zweifelt, wie man fruͤher in England reiste, und wie man jezt reist, so gehe er hinuͤber auf den civilisirten Continent, und er wird gewiß froh seyn, wenn er zerruͤttelt und zerstoßen, aber mit unzerbrochenen Gliedern wieder heim nach England kommt, in dieses wahre Treibbett des Erfindungsgeistes!“ „Die Dampfwagen verdienen auch in hohem Grade die Aufmerksamkeit der Staatsoͤkonomen; besonders wenn sich, wie wir nicht zweifeln, beweisen lassen sollte, daß sie einen Zuwachs der Arbeit der Menschenhaͤnde mit sich bringen. Die einzige Verminderung an Menschenbeschaͤftigung, welche sich aus der Einfuͤhrung der Dampfwagen ergeben wuͤrde, wuͤrde in einer Verminderung der Straßenarbeiten bestehen, indem die Dampfwagen mit ihren breiten Reifen die Straßen weit weniger beschaͤdigen, als dieß die gegenwaͤrtig gebraͤuchlichen Wagen mit den schmalen Raͤdern und der Hufschlag der Pferde thun.“ „Die Dampfwagenfahrt auf den Landstraßen hatte mit weit mehr Schwierigkeiten zu kaͤmpfen, als die Anwendung von fixen Dampfmaschinen, oder die Anwendung von Dampfmaschinen auf Schiffen. Bei den fixen Dampfmaschinen kam es weder auf Raum noch auf Gewicht an; bei den Dampfmaschinen auf den Dampfbooten handelte es sich mehr um den Raum, als um das Gewicht; bei den Dampfwagen hingegen war Alles dieß in gleichem Maaße zu beruͤksichtigen. Hr. Hancock hat alle diese Hindernisse gluͤklich uͤberwunden; er verdient daher den Dank der ganzen Nation. Nicht ungeeignet duͤrfte es seyn, seinen ersten Dampfwagen, den Infant, nachdem die Dampfwagenfahrt ein Mal vollkommen Wurzel gefaßt, in einem unserer National-Repositories of Arts zum ewigen Andenken aufzubewahren. Wir bemerken zum Schlusse nur noch, daß wenn in Zukunft irgend eine Theorie uͤber die Staͤrke, Kraft und Proportionen der Dampfwagen aufgestellt werden sollte, man nicht vergessen moͤge, daß diese Theorien aus der Praxis folgten, und durchaus nicht umgekehrt die Praxis aus der Theorie!