Titel: Bemerkungen über die Abhandlung des Hrn. Schlumberger, welche den Titel führt: Vergleichende Untersuchung des Avignoner und des Elsasser Krapps. Von Hrn. Robiquet.
Fundstelle: Band 55, Jahrgang 1835, Nr. XXVI., S. 136
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XXVI. Bemerkungen uͤber die Abhandlung des Hrn. Schlumberger, welche den Titel fuͤhrt: Vergleichende Untersuchung des Avignoner und des Elsasser Krapps. Von Hrn. Robiquet.Diese Abhandlung wurde der Akademie der Wissenschaften zu Paris schon den 12. Mai 1834 vorgelesen, und seitdem nichts daran geaͤndert.A. d. O. Aus den Annales de Chimie et de Physique. September 1834, S. 70.Wir erhielten dieses Journal durch directe Post den 10. Januar 1835. Vergleichende Untersuchung des Avignoner und des Elsasser Krapps. Hr. Heinrich Schlumberger hat in Nr. 32 des Bulletin de la Société industrielle de Muhlhausen (Polytechn. Journ. Bd. LII. S. 193) eine sehr interessante vergleichende Untersuchung des Avignoner und des Elsasser Krapps bekannt gemacht. Seine Abhandlung enthaͤlt eine lange Reihe sorgfaͤltig angestellter Versuche, aus denen er folgende Schluͤsse ziehen zu duͤrfen glaubt: 1) Der kohlensaure Kalk, oder eine der Substanzen, welche ihn ersezen koͤnnen, ist beim Krappfarben unumgaͤnglich noͤthig, um mit Alaunerde und Eisenoxyd gebeizte Baumwollenzeuge haltbar Roth und Violett zu faͤrben. 2) Bei dem Avignon-Krapp, welcher urspruͤnglich kohlensauren Kalk enthaͤlt, ist der Zusaz von diesem Salze oder von Alkali zur Erzielung solider Farben unnuͤz, wenn der Kalkgehalt des Krapps bedeutend ist, wie z.B. bei der Sorte Palud oder einigen anderen; bisweilen kommen aber Sorten von Avignon-Krapp aus wenig kalkreichem Boden vor, welche einen sehr schwachen Zusaz von Kreide erheischen. 3) Mit dem Elsasser-Krapp, welcher urspruͤnglich nur eine sehr geringe Menge von Kalksalzen enthaͤlt, faͤrbt man die Beizmittel eben so schoͤn und eben so dunkel, wie mit Avignon-Krapp, aber die Farbe widersteht den Aviviroperationen nicht, wenn beim Faͤrben reines Wasser angewandt wurde; wurde hingegen beim Faͤrben Kreide zugesezt, so erhaͤlt man nach dem Aviviren Nuͤancen, welche mit den schoͤnsten, mit Avignon-Krapp erzielten, in jeder Hinsicht den Vergleich aushalten. 4) Stuͤke, die mit concentrirtem essigsaurem Eisen bedrukt wurden, werden durch Elsasser-Krapp schoͤner und haltbarer schwarz gefaͤrbt, wenn das Faͤrbebad von solcher Art ist, daß es ein Roth und Violett liefert, die den Aviviroperationen nicht widerstehen. 5) Der gebrannte Kalk, der neutrale phosphorsaure Kalk, die kohlensaure Bittererde, das Bleioxydhydrat, Zinkoxyd, kohlensaure Zink, Manganoxydul, wasserhaltige Mangansuperoxyd, Kobaltoxydhydrat, der essigsaure Kalk und das phosphorsaure Kobalt haben wie der kohlensaure Kalk die Eigenschaft, mit dem Krapp solide Farben zu erzeugen. Das Vermoͤgen dieser Substanzen, den Farbstoff haltbar zu machen, nimmt von der ersten angefangen, immer mehr ab. 6) Der Avignon-Krapp verliert seine Soliditaͤt durch Behandlung mit einer Saͤure, welche auf die in ihm enthaltenen Kalksalze wirkt. 7) Der Unterschied zwischen dem Avignon- und Elsasser-Krapp ruͤhrt bloß von dem mehr oder weniger kalkreichen Erdreich her, worin der Krapp angebaut wurde. Man darf sich nicht wundern, daß der Krapp die Aufmerksamkeit einer großen Anzahl von Personen in Anspruch nimmt, da er gegenwaͤrtig eine der wichtigsten Finanzquellen Frankreichs und die Basis eines unserer schoͤnsten Industriezweige ist. Man muß daher allen denen Dank wissen, die ihn zum Gegenstand ihrer Forschungen machen, und sorgfaͤltig alle Thatsachen sammeln, welche sich auf diese schaͤzbare Wurzel beziehen. Dagegen muͤssen wir uns aber auch vor Theorien huͤten, die zu irrigen Folgerungen fuͤhren koͤnnten. Es handelt sich hier nicht um rein wissenschaftliche Ansichten, die ohne allen Nachtheil heute eine gewisse Erklaͤrung erhalten koͤnnen, und morgen eine andere, sondern um eine wichtige Frage, welche in hohem Grade die Faͤrbekunst interessirt, und der Industrie der Departements, die hauptsaͤchlich vom Anbau des Krapps leben, einen großen Schlag versezen koͤnnte. Frankreich bezog bekanntlich fruͤher seinen Krapp aus dem Auslande, waͤhrend es heut zu Tage davon fuͤr betraͤchtliche Summen ausfuͤhrt, und zwar nur wegen der vorzuͤglichen Guͤte des Avignon-Krapps; man begreift daher, wie die von Hrn. Schlumberger angegebenen Resultate einerseits Furcht und andererseits Hoffnungen erregen muͤssen. Werden unsere suͤdlichen Departements das Monopol, welches ihnen durch die besondere Natur des Bodens und durch die Temperatur ihres Klima's garantirt zu seyn schien, behalten, und sollte es wahr seyn, daß der Vorzug, den die meisten Consumenten dem Krapp aus der alten Grafschaft Burgund geben, nur darin begruͤndet ist, daß er ein wenig Kreide enthaͤlt? Dieses sind die wichtigen Fragen, zu welchen die Bemerkungen des Hrn. Schlumberger Anlaß geben, und die gewiß die sorgfaͤltigste Untersuchung verdienen. Da ich mich lange Zeit theils allein, theils mit den HH. Colin und Lagier mit dem Studium des Krapps beschaͤftigt habe, und unsere Untersuchungen uns auf andere Schluͤsse, als die von Hrn. Schlumberger angenommenen fuͤhrten, so sey es mir erlaubt, einen Theil dessen, was ich schon bei anderen Gelegenheiten sagte, zu wiederholen, und ihm einige neue Thatsachen (fuͤr die ich persoͤnlich verantwortlich bin) beizufuͤgen, welche dazu beitragen werden, die Frage aufzuklaͤren. Ich muß jedoch vorher nochmals darauf aufmerksam machen, wie schwer es ist, andere in unsere eigene Ueberzeugung eindringen zu machen. Hr. Kuhlmann sagt in einer kuͤrzlich erschienenen Abhandlung (Polytechn. Journ. Bd. LII. S. 438): „Man sieht mit Bedauern, daß die uͤber die Faͤrbematerialien angestellten chemischen Untersuchungen zwar schaͤzbare analytische Daten uͤber einige dieser Substanzen lieferten, aber bis jezt nur wenige Abaͤnderungen in den Faͤrbeoperationen herbeigefuͤhrt haben, und daß die Resultate dieser Untersuchungen nur als merkwuͤrdige Thatsachen in den chemischen Lehrbuͤchern aufgefuͤhrt sind, waͤhrend ihr Einfluß auf die praktischen Verfahrungsarten bis jezt nur sehr gering war.“ Dieser geschikte Chemiker weiß aber doch, daß das Loos dieser Verbesserungen ganz und gar von dem guten Willen der Fabrikanten abhaͤngt, und daß man mit Grund oder Ungrund gewoͤhnlich ein außerordentliches Mißtrauen gegen Alles hat, was aus den Laboratorien hervorgeht. Ich bin weit entfernt, hiemit irgend Jemand beleidigen zu wollen, aber ich muß doch bemerken, daß man sich sehr dagegen straͤubte, in dem Krapp das Vorkommen der Farbstoffe anzunehmen, die ich mit Hrn. Colin im Jahre 1826 entdekte.Polytechn. Journal Bd. XXIV. S. 530. Und doch waren diese Substanzen im Zustande der Reinheit ausgezogen worden; die Commissaͤre der Akademie uͤberzeugten sich, daß sie die faͤrbenden Eigenschaften des Krapps besizen, und zwar in so hohem Grade, daß man nicht zweifeln kann, daß sie das faͤrbende Princip selbst ausmachen. Dessen ungeachtet wollten die einen in diesem fluͤchtigen und krystallisirbaren naͤheren Bestandtheil des Krapps nur ein Harz sehen, welches an und fuͤr sich farblos ist, aber durch den wahren Farbstoff, den sie immer suchen, mehr oder weniger gefaͤrbt ist; andere behaupteten, daß das Alizarin, obgleich es nicht 250° C. zu seiner Verfluͤchtigung erheischt, doch nur ein Product der Erhizung des Krapps sey, welches in der Wurzel selbst nicht vorkomme. Dieß veranlaßte zu neuen Untersuchungen, wobei man eher Ruͤkschritte machte, als von dem Bekannten ausging. Ich will nun zum Hauptzwek dieser Abhandlung uͤbergehen, und meine Bemerkungen uͤber die Angaben des Hrn. Schlumberger mittheilen. Herr Schlumberger geht von der Ansicht aus, die Herr Hausmann schon vor langer Zeit aufstellte, daß naͤmlich an gewissen Orten ein Zusaz von Kreide noͤthig ist, um mit Krapp gute Farben zu erhalten, und stellt es als eine strenge Folgerung aus seinen eigenen Erfahrungen auf, daß man ohne Kreide mit Elsasser-Krapp keine solide Farbe erhalten kann, und daß der Avignon-Krapp seinen Vorzug nur seinem Gehalt einer gewissen Menge dieses Salzes verdankt, welches von dem kalkhaltigen Erdreich herruͤhrt, worin man diese Wurzel anbaut, und daß man dem Elsasser-Krapp nur ein wenig kohlensauren Kalk zuzusezen braucht, um ihn dem besten Avignon-Krapp gleichwirkend zu machen. Man kann ohne Zweifel gegen den Ausdruk einer Thatsache nichts einwenden, und es gebuͤhrt nur den Faͤrbern diese zu pruͤfen. Ich beschraͤnke mich also in dieser Hinsicht auf die Bemerkung, daß die Menge der Kreide, die man nach Hrn. Schlumberger dem Elsasser-Krapp zusezen soll, viel mehr betraͤgt, als der Kreidegehalt guten Avignon-Krapps nach weinen eigenen Analysen ausmacht. Wenn aber auch die Hauptthatsache, womit wir uns hier beschaͤftigen, erwiesen waͤre, wuͤrde daraus dann folgen, daß die Kreide beim Krappfaͤrben wirklich die ihr von Hrn. Schlumberger zugeschriebene Rolle spielt? Ich gestehe, daß ich dieses nicht glauben kann, indem die Eigenschaften des Krapps mir mit einer solchen Erklaͤrung im Widerspruche zu stehen scheinen. Wer sich damit beschaͤftigt hat, den Krapp zu reinigen, d.h. seinen Farbstoff durch bloßes Auswaschen mit Wasser zu concentriren, wird gefunden haben, daß es um so schwieriger ist, mit gewoͤhnlichem Wasser zu faͤrben, je mehr sich der Krapp der Reinheit naͤhert, und daß man, weit entfernt, Kreide zum Faͤrben anwenden zu muͤssen, im Gegentheil kalkhaltiges Wasser immer wehr vermeiden muß, so zwar, daß das Alizarin selbst vollkommen reines Wasser zum Faͤrben erheischt; gerade dieß macht auch, im Vorbeigehen gesagt, jedes Reinigungsmittel so schwierig. Wie lassen sich nun scheinbar so widersprechende Resultate mit einander in Uebereinstimmung bringen? Folgende Erklaͤrung ist meiner Meinung nach die wahrscheinlichste. Ich nehme im Krapp zwei Farbstoffe an: das Alizarin und das Purpurin. Ihr Verhaͤltniß ist nach der Natur des Bodens, der Art des Anbaues, dem Klima, dem Alter der Wurzel etc. verschieden. Nur das Alizarin liefert mit Alaunerde eine solide Farbe; ich habe jedoch sogleich im Anfange meiner Untersuchungen gezeigt, daß die meisten Saͤuren sich der Aufloͤslichkeit des Alizarins widersezen. Es ist folglich unmoͤglich mit Krapp in einem entschieden sauren Bade zu faͤrben; das Bad muß daher nahe neutral seyn, damit sich das Altzarin darin aufloͤsen kann, oder damit wenigstens seine Verwandtschaft zu den Mordans nicht durch die vorhandene Saͤure aufgewogen wird, welche den Mordant selbst angreift und sich desselben bemaͤchtigt, so daß dieser Mordant von dem Zeug abgezogen wird, und in die Flotte uͤbergeht, worin er mit dem Farbstoff eine Art Lak bildet, welcher darin suspendirt bleibt. Nun ist guter Avignon-Krapp nicht merklich sauer, wohl aber Elsasser-Krapp, den man an seiner gelben Farbe leicht von jenem unterscheidet. Lezterer enthaͤlt außerdem verhaͤltnißmaͤßig mehr Purpurin, und eignet sich deßhalb besser als der Avignon-Krapp zur Fabrikation schoͤner rosenrother Lake, deren Farbstoff das Purpurin ist. Hr. Colin und ich haben naͤmlich gezeigt, daß eine heiße Alaunloͤsung das Purpurin gut aufloͤst, das Alizarin hingegen nicht merklich angreift; dieses Resultat ist um so merkwuͤrdiger, weil lezteres, wenn es ein Mal mit Alaunerde verbunden ist, dieselbe mit der staͤrksten Verwandtschaft zuruͤkhaͤlt. Hieraus geht hervor, daß sich beim Faͤrben mit Elsasser-Krapp das Alizarin in geringerer Menge als das Purpurin aufloͤst, und zwar deßhalb, weil er freie Saͤure enthaͤlt. Das Purpurin wird ganz oder theilweise aus dem Krapp ausgezogen werden; die bedrukten Stellen werden sich zwar faͤrben, aber die scheinbar schoͤne Farbe wird auf dem Bleichplan abnehmen, kochender Seife schlecht widerstehen, und durch das Chlor und die anderen kraͤftigen Agentien zerstoͤrt werden, kurz die Farbe wird nicht solid seyn, weil dieser Farbstoff seiner Natur nach fluͤchtig ist; und wenn man mit ihm solide Lake fuͤr die Malerei erhaͤlt, so ruͤhrt dieses meiner Meinung nach nur von dem zugesezten Oehle her. Meiner Ansicht nach enthaͤlt also der Krapp nicht immer einen und denselben Farbstoff, welcher wechselweise haltbar oder fluͤchtig wird, je nachdem Kreide vorhanden oder abwesend ist, sondern vielmehr zwei ganz verschiedene Farbstoffe, wovon der eine, das Purpurin, sich in einer sauren Fluͤssigkeit aufloͤsen und auf den Mordant werfen kann; der andere aber, das Alizarin. eine beinahe vollkommene Neutralitaͤt erfordert, damit er sich in der Flotte aufloͤst, und in derselben nicht durch den von der Saͤure abgezogenen Mordant zuruͤkgehalten wird. Deßhalb ist meiner Meinung nach ein Zusaz von Kreide unter gewissen Umstaͤnden noͤthig, naͤmlich jedes Mal, wenn eine Saͤure zu saͤttigen ist, wie bei dem Elsasser-Krapp. Die beiden Farbstoffe faͤrben alsdann gemeinschaftlich; das Alizarin verbindet sich aber in groͤßerer Menge mit dem Beizmittel, und das Purpurin, welches sich mit demselben vereinigte, wird beim Aviviren zum Theil wieder beseitigt. Lezteres bleibt also im Ruͤkstand der Flotte. Man kann es auch aus demselben ausziehen; es liefert aber nie eine solide Farbe. Ich muß hier ausdruͤklich bemerken, daß ich hier nicht bloß eine Theorie an die Stelle einer anderen seze; meine Angaben sind das Resultat genauer Versuche, welche in Gegenwart mehrerer Mitglieder der Akademie angestellt wurden. Im Jahre 1832 stellte ich in Gegenwart der HH. Chevreul und Dumas Versuche an, wobei sich dieselben uͤberzeugten, daß reines, in destillirtem Wasser aufgeloͤstes Alizarin, mit essigsaurem Eisen und essigsaurer Alaunerde sehr schoͤne und sehr solide Farben gibt.Man vergleiche uͤber das mit reinem Alizarin gefaͤrbte Roth, Rosenroth und Violett auch die Angaben von Chevreul im Polytechn. Journ. Bd. LIV. S. 359. A. d. R. Die Kreide ist nach mir nicht noͤthig, um mit Krapp solide Farben zu erhalten; ja ihre Gegenwart macht sogar das Faͤrben bei Anwendung reiner Materialien unmoͤglich, und sie wird nur dann nuͤzlich, wenn Substanzen vorhanden sind, welche beim Faͤrben nachtheilig wirken, indem sie dann deren schaͤdlichen Einfluß ausgleicht. So kann man mit Avignon-Krapp, welcher mit kaltem Wasser gut ausgewaschen wurde, in hartem (kalkhaltigem) Wasser nicht mehr faͤrben, und man braucht von demselben mehr als das Doppelte der gewoͤhnlichen Quantitaͤt, um in reinem Wasser gut zu faͤrben. Der so ausgewaschene Krapp besizt jedoch seinen Kreidegehalt und seine faͤrbenden Bestandtheile noch vollstaͤndig; denn er verliert davon nur außerordentlich wenig, wenn man ihn nicht zu schnell filtrirt. Das Wasser entzieht folglich gewisse Substanzen, die eine Verwandtschaft auf den Farbstoff ausuͤben, seine Aufloͤsung befoͤrdern, und die ihn ohne Zweifel an sich ziehen wuͤrden, wenn die Kreide nicht dazwischen traͤte. Wirken diese Substanzen wie eine Saͤure? Ich weiß es nicht; so viel ist aber gewiß, daß man mit diesem ausgewaschenen Krapp bei Anwendung der gewoͤhnlichen Quantitaͤt und sogar in kalkhaltigem Wasser faͤrben kann, wenn man einige Tropfen Saͤure zusezt. Die Saͤure wirkt hier ohne Zweifel auf die Art, daß sie sich mit der Kreide verbindet, und den Einfluß verhindert, welchen leztere ausuͤbt, wenn sie in Ueberschuß ist. Hr. Schlumberger hat immer gefunden, daß ein Ueberschuß von Kreide einen betraͤchtlichen Verlust an Farbstoff verursacht. Ich sollte mich jezt mit der Frage beschaͤftigen, ob der Avignon-Krapp wirklich, wie Hr. Schlumberger behauptet, seine Soliditaͤt durch Behandlung mit einer Saͤure verliert, weil diese auf die in ihm enthaltenen Kalksalze wirkt. Besondere Beweggruͤnde veranlassen mich jedoch, erst spaͤter auf dieselbe zuruͤkzukommen. Meiner Meinung nach hat also die Kreide beim Krappfaͤrben nicht bloß zum Zwek, dem Farbstoff Haltbarkeit zu ertheilen, sondern besonders die freie Saͤure zu saͤttigen, sowohl die urspruͤnglich im Krapp enthaltene, als auch diejenige, welche im Verlaufe des Faͤrbens durch Veraͤnderung einiger Bestandtheile desselben entsteht. Ich habe mich naͤmlich uͤberzeugt, daß wenn man Krapp mit reinem Wasser kocht, sich Kohlensaͤure entbindet, welche nicht durch Einwirkung einer freien Saͤure auf die Kreide entstehen kann, weil dieses sowohl bei dem Avignon- als bei dem Elsasser-Krapp der Fall ist. Wenn man an Statt den Krapp mit kochendem Wasser zu behandeln, ihn troken in verschlossenen Gefaͤßen erhizt, ohne eine Temperatur von 140–150° C. zu uͤberschreiten, so entbindet sich ebenfalls Kohlensaͤure, und es entsteht außerdem Essigsaure ohne brennzeliges Oehl. Wahrscheinlich ruͤhrt diese Reaction also von der Veraͤnderung irgend eines Bestandtheiles her, den wir nicht kennen. Vielleicht ist es eine Art Gallerte, welche im Elsasser-Krapp in viel groͤßerer Menge vorkommt, weßwegen das erste Aussuͤßwasser desselben zu eine sehr consistenten Gallerte erstarrt, wenn man es einige Stunden an einem kuͤhlen Orte stehen laͤßt. Auch hierin zeigt sich eine auffallende Verschiedenheit zwischen dem Elsasser- und dem Avignon-Krapp. Man wird mir ohne Zweifel einwenden, daß wenn die Kreide hauptsaͤchlich nur als saͤttigender Koͤrper wirkt, man an Statt derselben jede andere Basis anwenden koͤnnte, waͤhrend es doch nach den Versuchen des Hrn. Schlumberger sehr schwer ist, sie durch Kalk oder halbkohlensaures Kali oder Natron zu ersezen. wobei man sich vielmehr in sehr engen Graͤnzen halten muß, die man ohne Nachtheil fuͤr die Farbeoperation nicht uͤberschreiten darf. Bei einigem Nachdenken sieht man aber leicht ein, daß dieses nur eine natuͤrliche Folge unserer Behauptungen ist; die Kreide kann naͤmlich durch ihren Ueberschuß nicht schaden, weil sie unaufloͤslich ist. Es ist sogar ein kleiner Ueberschuß davon noͤthig, weil, sobald ein wenig Saͤure frei wird, dieselbe augenbliklich neutralisirt werden muß. Wenn man aber an Statt der Kreide eine aufloͤsliche Basis anwendet, so haͤngt der Erfolg einzig und allein von der zur Saͤttigung erforderlichen Menge ab; ist von derselben nicht genug vorhanden, so verfaͤllt man wieder in alle Nachtheile eines sauren Bades; ist sie hingegen in Ueberschuß, so wird sie entweder die Beizmittel oder den Farbstoff selbst angreifen, und so auf andere Art beim Faͤrben nachtheilig werden. Um unsere Leser hievon zu uͤberzeugen, wollen wir woͤrtlich anfuͤhren, was Hr. Schlumberger uͤber die Anwendung dieser Basis sagt. „Der reine Kalk, sagt dieser Chemiker, ist sehr schwer zum Faͤrben mit Elsasser-Krapp anzuwenden, weil er nur in einer kleinen Quantitaͤt, die nach der Menge des Krapps abgeaͤndert werden muß, zugesezt werden darf. 1/70 reicht hin, um das Faͤrben des Beizmittels zu verhindern, indem er die mit dem Zeuge verbundene Alaunerde ganz aufloͤst. 1/140 verursacht einen Verlust an Farbstoff, macht aber die Farben solid. 1/280 gibt nach dem Aviviren nur mehr ein Ziegelroth; und nur mit 1/175 Kalk liefert der Krapp schoͤne solide Farben.“ Man kann meiner Ansicht nach auf keine buͤndigere Weise zeigen, daß der Kalk beim Faͤrben einzig und allein als saͤttigender Koͤrper wirkt. Nun bleibt aber noch eine große Frage zu untersuchen. Ist es wirklich wahr, wie Hr. Schlumberger behauptet, daß ein guter Elsasser-Krapp bei einem geeigneten Zusaz von Kreide sich ganz so wie der beste Avignon-Krapp verhaͤlt? Daruͤber muͤssen die Praktiker entscheiden; wenn sich aber dieses Resultat bestaͤtigen sollte, so mußten die Kattunfabrikanten bis jezt in einem großen Irrthum befangen gewesen seyn; jeder von ihnen kennt die Nuͤzlichkeit der Kreide beim Krappfaͤrben, und doch geben fast alle dem Avignon-Krapp den Vorzug; ein einziges Haus im Elsaß zahlt, wenn ich recht berichtet bin, jaͤhrlich uͤber 50,000 Fr. Transportkosten fuͤr Avignon-Krapp.Nach neueren Berichten der HH. Koechlin, Schwartz und Schlumberger muß man diese Angabe um zwei Drittel reduciren. A. d. O. Nun muß man doch annehmen, daß eine solche Erhoͤhung der Unkosten in einem Industriezweige, wobei die Concurrenz des Auslandes die strengste Oekonomie erheischt, auf die positiven Resultate der Erfahrung gegruͤndet ist. Ich gestehe, daß ich in dieser Sache kein entscheidendes Urtheil faͤllen kann, aber ich bin vollkommen uͤberzeugt, daß sich diese beiden Krappsorten nicht bloß durch einen Gehalt an freier Saͤure von einander unterscheiden. Ich hatte bereits Gelegenheit, viele Abweichungen derselben, die theils dem Boden, theils dem Klima zugeschrieben werden koͤnnen, anzufuͤhren, und ohne Zweifel wird man bei einer genaueren Analyse derselben sowohl im Verhaͤltnisse ihrer Bestandtheile, als in der Natur derselben Verschiedenheiten entdeken; dieß war wenigstens noch bei allen Pflanzen der Fall, welche unter diesen verschiedenen Gesichtspunkten sorgfaͤltig untersucht wurden. Man kennt gewiß bei weitem noch nicht alle zwischen diesen beiden Krappsorten vorhandenen Verschiedenheiten; um dieses zu beweisen, brauche ich nur eine einzige anzufuͤhren, die ich schon vor langer Zeit entdekt, aber noch nicht bekannt gemacht habe; vielleicht wird diese Thatsache in der Folge eine Anwendung finden koͤnnen. Bartholdi hatte behauptet, daß die Kreide besonders deßwegen. beim Krappfaͤrben nuͤzlich ist, weil sie die in dieser Wurzel enthaltene schwefelsaure Bittererde zersezt, welches Salz beim Faͤrben besonders nachtheilig sey. Auch Hausmann hatte diese Ansicht am genommen; spaͤter wurde sie aber von mehreren Schriftstellern, besonders von den HH. Dingler und Kurrer Bancroft's neues englisches Faͤrbebuch, herausgegeben von Dingler und Kurrer. (Nuͤrnberg, 1817. Bei J. L. Schrag.) Bd. II. S. 328.A. d. R. bestritten; Herr Schlumberger erklaͤrt sich ebenfalls dagegen, und stuͤzt sich hauptsaͤchlich auf die außerordentlich geringe Menge von Bittererde, welche der Krapp zu enthalten scheint, weil weder Kuhlmann, noch John, noch er selbst solche bei der Analyse der Krappasche fanden. Man braucht jedoch das destillirte Wasser, womit man den Elsasser-Krapp in der Kaͤlte ausgewaschen hat, nur mit einigen Tropfen Ammoniak zu versezen, damit sogleich ein koͤrniger, blaß rosenrother Niederschlag erfolgt, welcher nichts als phosphorsaure Ammoniak-Bittererde ist. Dieses Verhalten zeigten alle meine Krappmuster. Das Wasser, womit der Avignon-Krapp ausgewaschen wurde, sezt diesen Niederschlag erst nach laͤngerer Zeit und in viel geringerer Menge ab. Ich bin weit entfernt, dieser Thatsache eine groͤßere Wichtigkeit beizulegen, als sie verdient, und darin die Ursache der geringen Haltbarkeit des bloß mit Elsasser-Krapp gefaͤrbten Roth zu sehen, will aber doch bemerken, daß durch den Zusaz von Kreide dieses phosphorsaure Salz, welches sich in freier Saͤure aufloͤst, niedergeschlagen werden muß, so daß sein Einfluß, wenn es anders einen haben kann, beseitigt wird. Ich habe gesagt, daß das mit Purpurin gefaͤrbte Roth, obgleich es sehr schoͤn aus der Flotte kommt, gar nicht solid ist; daraus darf man aber nicht schließen, daß ein gutes Roth gar kein Purpurin enthaͤlt; jedenfalls muß jedoch das Alizarin darin vorherrschen, damit es dem Aviviren widersteht. Man erhaͤlt so mehr rosenrothe Nuͤancen; und dieses rechtfertigt ohne Zweifel die Methode mehrerer Faͤrber, welche unter vielen Umstaͤnden ein Gemenge von Elsasser- oder seelaͤndischem mit Avignon-Krapp anwenden. Bei dieser Gelegenheit will ich auch noch bemerken, daß meiner Meinung nach beide Farbstoffe zu einem schoͤnen Tuͤrkischroth beitragen, und daß das Oehl hauptsaͤchlich dabei das Purpurin befestigt. Gewiß ist auch, daß bei dem Tuͤrkischrothfaͤrben, besonders bei Anwendung von Baumwollengarn, der Krapp weit mehr an Farbstoff erschoͤpft wird, als beim Faͤrben der auf der Walzendrukmaschine gedrukten Stuͤke. Ich beschaͤftige mich seit einiger Zeit mit neuen Untersuchungen uͤber die Tuͤrkischrothfaͤrberei, und zwar in Gesellschaft des Hrn. Richard Duncklenberg, eines Faͤrbers von Elberfeld. Dieser junge Fabrikant widmet sich eifrig dem Studium der Chemie, und wenn wir so gluͤklich sind, dieses Chaos ein wenig zu entwirren, werden wir uns beeilen, unsere Resultate der Akademie mitzutheilen, weil wir wissen, welches Interesse sie an den Fortschritten der Industrie nimmt.