Titel: Ueber das Abdampfen mittelst heißer Luft. Von C. B.
Autor: Prof. Christoph Bernoulli [GND]
Fundstelle: Band 55, Jahrgang 1835, Nr. LXI., S. 337
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LXI. Ueber das Abdampfen mittelst heißer Luft. Von C. B. Ueber das Abdampfen mittelst heißer Luft. In Gefaͤßen enthaltene Fluͤssigkeiten konnten bis jezt nur dann rasch verdampft werden, wenn man sie bis zum Sieden erhizte. Neulich hat man aber gefunden, daß eine rasche Abdampfung und Fluͤssigkeit, auch ohne sie zum Sieden zu bringen, bewirkt werden mag, wenn man durch dieselbe heiße Luft moͤglichst vertheilt streichen laͤßt. Diese neue Abdampfungsmethode wurde namentlich zur Concentrirung oder Einkochung des Zukersaftes oder Syrupes empfohlen. Die Erfahrung lehrt naͤmlich, daß durch das gewoͤhnliche Versieden ein bedeutender Theil krystallisirbaren Zukers in nichtkrystallisirbaren oder Melasse umgewandelt wird, und daß dieser Verlust verhindert wuͤrde, wenn der Syrup ohne bis zum Siedepunkt erhizt zu werden und dennoch rasch genug verdampft werden koͤnnte. Verschiedene Apparate wurden zu dem Ende von Beaam, Kneller, Peuvion, Newton (S. Polytechn. Journal Bd. LIII. S. 133, Bd. LIV. S. 159) u.a. angegeben. Wesentlich bestehen sie aus Folgendem: Der Syrup befindet sich in einem Bottiche, der einen siebfoͤrmig durchloͤcherten Doppelboden hat; mittelst eines Geblaͤses wird unter diesen Doppelboden Luft eingeblasen, und diese, bevor sie dahin gelangt, auf eine geeignete Weise erhizt. – Offenbar wird die Fluͤssigkeit durch die durchgetriebene Luft erwaͤrmt, doch hoͤchstens nur die Temperatur der heißen Luft erlangen koͤnnen. Bleibt diese also unter 100°, so wird die Fluͤssigkeit nicht zum Sieden kommen. Dennoch wird indessen eine ziemlich schnelle Abdampfung Statt finden koͤnnen; denn da die Luft durch den Siebboden zertheilt in unzaͤhligen duͤnnen Strahlen oder Blasen durch die Fluͤssigkeit aufsteigt, und daher mit derselben in enge Beruͤhrung kommt, so wird sie waͤhrend des Durchganges so viel Feuchtigkeit aufnehmen, als sie bei ihrer Temperatur zur Saͤttigung bedarf. 1 K'. Luft bedarf 1 K'. Dampf von derselben Temperatur zur Saͤttigung; und 1 K'. Dampf von 95° C. wiegt 0,0005 × 70 Pfd. = 0,035  Pfd. 1 –    –  – 90° 0,00042 × 70   – = 0,0294  – 1 –    –  – 85° 0,00035 × 70   – = 0,0245  – Ist also die durchgeblasene Luft beim Entweichen nahe an 95° heiß, so mag 1 K'. etwa 1/30 Pfd. Wasser aufgenommen haben, oder 30 K'. 1 Pfd., und um 1000 Pfd. Wasser zu verdampfen, werden 30,000 K'. Luft erforderlich seyn. Da nun 30,000 K'. Luft kaum 2800 Pfd. wiegen, und die Waͤrmecapacitaͤt der Luft 4 Mal kleiner als die des Wassers ist, so wuͤrde die Erhizung dieses Luftquantums um circa 80° nur 700 × 80 oder 56,000 w erfordern. Offenbar kostet aber die Dampfbildung selbst, und wenn die Fluͤssigkeit ein Mal auf 95° erhizt ist, noch 650–95 oder 555 w per Pfd., und also 555,000 w, um 1000 Pfd. Wasser zu verdampfen. Man sieht hiemit, daß diese Methode weit entfernt ist, weniger Brennstoff zu kosten; sondern daß vielmehr alle kuͤnstliche Waͤrme, welche die aus der Fluͤssigkeit entweichende Luft besizt, durch einen Mehraufwand von Brennstoff ihr verschafft werden muß. Eben so klar scheint ferner, daß, soll die Fluͤssigkeit durch die heiße Luft verdampft werden, ein ohne Vergleich groͤßeres Quantum Luft durchgeblasen werden muß, zumal wenn diese nicht zu heiß seyn soll. Es wird endlich die Luft jedenfalls in der Fluͤssigkeit bedeutend abgekuͤhlt werden, weil sie vielen Waͤrmestoff zur Bildung des Dampfes abtreten muß. Nehmen wir an, der Dampf stroͤme 150° heiß ein (was viel, leicht zu viel), und die Fluͤssigkeit habe eine Temperatur von 70°, so wird 1 Pfd. Luft 80/4 oder 20 w abtreten; und da 1 Pfd. Wasser von 70° 650–70 oder 580 w erhalten muß, um sich in Dampf zu verwandeln, so bedarf es 580/20 oder 29 Pfd. oder circa 320 K'. Luft, um 1 Pfd. Wasser zu verdampfen. Dieses Quantum Luft wird indessen um so leichter allen Dampf aufloͤsen und wegfuͤhren, da 320 K'. Luft von 70° nahe an 5 Pfd. Dampf aufnehmen koͤnnen, oder zur Saͤttigung beduͤrfen. Auch unter dieser Voraussezung ist aber die Anwendung dieses Verfahrens denkbar. Loͤst man 100 Pfd. Rohzuker in gleich viel Wasser auf, so muß ungefaͤhr dieselbe Menge beim Verkochen verdampft werden. Man brauchte hiemit 32,000 K'. und die Verdampfung haͤtte in weniger als 2 Stunden Statt, wenn per Minute 300 K'. Luft durchgeblasen werden. Um 32000 K'. oder 2900 Pfd. Luft um 140° zu erwaͤrmen, bedarf es 2900/4 . 140 = 100,000 w oder circa 17 Pfd. Steinkohlen, wenn 1 Pfd. 6000 w liefert; waͤhrend zur directen Verdampfung von 100 Pfd. Wasser (bei Kesselfeuern) theoretisch nur 60,000 w, also 10 Pfd. Steinkohlen erforderlich sind. Es ergibt sich also ein noch weit groͤßerer Mehraufwand von Brennstoff. Nichts desto weniger waͤre indessen dieses Verfahren vorteilhaft, wenn man dadurch statt 2/3 wie gewoͤhnlich an 3/4 oder daruͤber an raffinirtem Zuker erzielen koͤnnte. Es bietet sich hier inzwischen eine andere Frage dar: ob es nicht zwekmaͤßiger waͤre, den Syrup direct zu erhizen, und kalte Luft durchzublasen; in diesem Falle braucht man naͤmlich nur so viel Luft, als zur Aufloͤsung des Dampfes noͤthig ist – und braucht man weit weniger Luft, so waͤre weniger Brennstoff zur Erwaͤrmung derselben und weniger Triebkraft fuͤr das Geblaͤse noͤthig, der Apparat waͤre viel einfacher. Leicht waͤre ferner mittelst des Einblasens die Temperatur der Fluͤssigkeit zu erzielen. Es erlitte endlich diese in keinem Theile eine groͤßere Erhizung. Immerhin muͤssen die Abdampfkessel eine betraͤchtliche Tiefe haben.