| Titel: | Ueber die Verfahrungsarten, wodurch man in der käuflichen Salzsäure einen Gehalt an schwefeliger Säure entdeken kann; von Hrn. Girardin. | 
| Fundstelle: | Band 56, Jahrgang 1835, Nr. XXXVI., S. 221 | 
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                        XXXVI.
                        Ueber die Verfahrungsarten, wodurch man in der
                           kaͤuflichen Salzsaͤure einen Gehalt an schwefeliger Saͤure entdeken
                           kann; von Hrn. Girardin.
                        Aus dem Journal de Pharmacie. April 1835, S.
                              161.
                        Verfahren in der Salzsaͤure einen Gehalt an schwefeliger
                           Saͤure zu entdeken.
                        
                     
                        
                           Die Salzsaͤure, welche die Sodafabriken in so großer Menge erzeugen und
                              unmittelbar in den Handel bringen, ist bei weitem nicht rein, nicht weil man sie
                              absichtlich, wie es bei mehreren anderen Saͤuren geschieht, mit fremdartigen
                              Substanzen versezt, sondern in Folge ihrer Bereitungsart, und wegen der Unreinheit
                              der Urstoffe, womit sie dargestellt wurde.
                           Sie ist immer von salzsaurem Eisenoxyd, welches durch die Wirkung des salzsauren
                              Gases auf die gußeisernen Cylinder entsteht, gelb gefaͤrbt. Oft
                              enthaͤlt sie auch Chlor und Untersalpetersaͤure, die ebenfalls zu
                              ihrer Faͤrbung beitragen. Leztere Substanzen entstehen dadurch, daß die im
                              Kochsalz enthaltenen salpetersauren Salze zugleich mit diesem durch die
                              Schwefelsaͤure zersezt werden, also Salpetersaͤure liefern, welche mit
                              der frei gewordenen Salzsaͤure dann Wasser, Chlor und
                              Untersalpetersaͤure erzeugt; diese Stoffe kommen jedoch in der
                              fluͤssigen Salzsaͤure stets nur in sehr geringer Menge vor.
                              Gewoͤhnlich enthaͤlt sie mehr oder weniger Schwefelsaͤure nebst
                              einer geringen Menge von schwefelsaurem Natron und Kalk. Endlich ist sie auch haͤufig
                              durch schwefelige Saͤure verunreinigt. Leztere Saͤure kommt nach
                              Einigen dadurch hinein, daß das Kochsalz von den Accisebeamten fuͤr die
                              Sodafabrikanten absichtlich mit mehr oder weniger von bituminoͤsen Substanzen
                              und Kohle vermengt wird, die dann einen Theil Schwefelsaͤure zersezen und
                              auch schwefelige Saͤure reduciren. Nach Anderen entsteht sie aber durch die
                              Einwirkung der Schwefelsaͤure auf die Cylinder bei einer gewissen Temperatur.
                              Leztere Meinung ist wahrscheinlicher, denn nicht jede kaͤufliche
                              Salzsaͤure enthaͤlt schwefelige Saͤure, was doch der Fall seyn
                              muͤßte, wenn sie durch im Kochsalz enthaltene organische Substanzen und Kohle
                              entstuͤnde; uͤberdieß findet man, daß sogar Salzsaͤure von
                              derselben Fabrik bald mit schwefeliger Saͤure verunreinigt, bald davon frei
                              ist, was hinreichend beweist, daß sie nur durch einen Fehler bei der Bereitungsart
                              hineinkommt. Bekanntlich greift die Schwefelsaͤure bei erhoͤhter
                              Temperatur das Gußeisen lebhaft an, und entwikelt dabei viel schwefelige
                              Saͤure. Nun pflegt man aber gegen das Ende der Destillation in den Fabriken
                              die Cylinder etwas stark zu erhizen, um das Kochsalz vollstaͤndig zu
                              zersezen, und da alsdann nur sehr wenig von lezterem mehr uͤbrig bleibt, so
                              wirkt die uͤberschuͤssige Schwefelsaͤure auf das Gußeisen und
                              zersezt sich. Je nachdem man also die Destillation gegen das Ende leitet, wird mehr
                              oder weniger schwefelige Saͤure oder auch gar keine entstehen.
                              Salzsaͤure, welche schwefelige Saͤure enthaͤlt, kann
                              uͤbrigens nicht auch Chlor enthalten, weil diese beiden Gasarten im Wasser
                              nicht neben einander bestehen koͤnnen, sondern sich durch Zersezung desselben
                              in Schwefelsaͤure und Salzsaͤure umaͤndern.
                           Unter allen fremdartigen Substanzen, welche in der kaͤuflichen
                              Salzsaͤure vorkommen koͤnnen, ist die schwefelige Saͤure ohne
                              Zweifel die schaͤdlichste, besonders wenn man sie zur Darstellung von Chlor,
                              Chlorkalk, Zinnsalz, Schwefelwasserstoff benuzt. Es ist also von Wichtigkeit, ein
                              schnell ausfuͤhrbares und bequemes Verfahren zu haben, wodurch man die
                              geringsten Spuren von schwefeliger Saͤure in ihr entdeken kann.
                           Wenn sie in betraͤchtlicher Menge darin vorkommt, was besonders bei der
                              Saͤure von Rouen und einigen anderen, die man uͤber Paris bezieht, der
                              Fall ist, so erkennt man sie leicht an der braunen Farbe, dem truͤben
                              Aussehen und dem stechenden und unangenehmen Geruch dieser Saͤuren. Ist sie
                              aber nur in geringer Menge darin enthalten, so reichen empyrische Kennzeichen nicht
                              mehr hin, sondern man muß dann zu Reagentien seine Zuflucht nehmen. Die
                              Verfahrungsarten, welche bisher zu diesem Zweke empfohlen wurden, sind jedoch weder
                              bequem noch verlaͤßlich.
                           
                           Nach einer Angabe der HH. Bussy und Boutron-Charlard in ihrem Traité des
                                 moyens de reconnaître les falsifications des drogues simples et
                                 composées soll man die Salzsaͤure mit ihrem vierfachen
                              Gewicht Wasser verduͤnnen, und dann mit Barytwasser saͤttigen. Es
                              entsteht ein weißer Niederschlag von schwefelsaurem und schwefeligsaurem Baryt, aus
                              welchem durch oͤfteres Aussuͤßen mit Wasser das Chlorbarium entfernt
                              werden muß, worauf er mit concentrirter Schwefelsaͤure befeuchtet, den Geruch
                              von schwefeliger Saͤure verbreiten wird. Dieses Verfahren erheischt jedoch zu
                              viel Zeit und Manipulation, als daß es in den Fabriken angewandt werden
                              koͤnnte, und uͤberdieß muß man, um mittelst desselben geringe
                              Quantitaͤten von schwefeliger Saͤure erkennen zu koͤnnen, sehr
                              scharf durch den Geruch zu unterscheiden im Stande seyn.
                           Ein anderes Verfahren wurde von Hrn. Chevreul in seinen
                              Leçons de chimie appliquée à la
                                 teinture vorgeschlagen. Dieser Chemiker fand naͤmlich schon im Jahre
                              1812, daß wenn man die Aufloͤsung eines Kupferoxydsalzes mit schwefeligsaurem
                              Kali versezt, ein gelber Niederschlag entsteht, der ein Doppelsalz von
                              schwefeligsaurem Kali und Kupferoxydul ist, und in Wasser erhizt, sich zersezt,
                              naͤmlich in schwefeligsaures Kali, das sich aufloͤst, und in
                              unaufloͤsliches schwefeligsaures Kupfer, welches nun mit rother Farbe
                              erscheint. Aus dieser Thatsache folgerte Hr. Chevreul,
                              daß man in kaͤuflicher Salzsaͤure, die eine etwas
                              betraͤchtliche Menge schwefeliger Saͤure enthaͤlt, leztere
                              auffinden kann, wenn man sie mit kohlensaurem Kali neutralisirt, und dann mit einer
                              Aufloͤsung von schwefelsaurem Kupfer vermischt, weil dann ein gelber
                              Niederschlag entstehen muͤßte, welcher durch Kochen ploͤzlich roth
                              wuͤrde. Diese theoretischen Voraussezungen wurden aber durch die Erfahrung
                              nicht bestaͤtigt. Das Verfahren des Hrn. Chevreul
                              ist vortrefflich, um freie oder an Basen gebundene schwefelige Saͤure zu
                              erkennen, keineswegs aber solche, die mit Salzsaͤure vermischt ist. Ich habe
                              diese Methode sehr oft bei Salzsaͤure versucht, die mit schwefeliger
                              Saͤure uͤbersaͤttigt war, konnte aber nie die von Hrn. Chevreul angegebene Reaction erhalten. Versezt man die
                              mit Kali neutralisirten Saͤuren mit schwefelsaurem oder irgend einem anderen
                              Kupfersalze, so entsteht gar kein Niederschlag, oder, wenn die Fluͤssigkeiten
                              concentrirt sind, ein leichter, blaͤulicher, welcher durch Kochen seine Farbe
                              nicht veraͤndert.
                           Hr. Gay-Lussac empfahl zuerst im Jahre 1813 das
                              rothe schwefelsaure Mangan als das beste Reagens, um zu erkennen, ob ein
                              Koͤrper sich oxydiren kann. Dieses Salz, worin das Mangan nach Einigen als
                              Sesquioxyd, nach Anderen als Bioxyd enthalten seyn soll, waͤhrend es von Anderen wieder als ein
                              Gemisch von schwefelsaurem Manganoxydul mit Uebermangansaͤure betrachtet
                              wird, erhaͤlt man bekanntlich, wenn man hoͤchst fein gepulverten
                              Braunstem einige Tage mit concentrirter Schwefelsaͤure digeriren
                              laͤßt; es entsteht dadurch eine schoͤn rothe, sehr saure
                              Fluͤssigkeit, welche das fragliche Salz ist. Alle den Sauerstoff stark
                              anziehenden Koͤrper, die organischen Substanzen, die wenig oxydirten
                              Saͤuren, wie die schwefelige, phosphorige, Untersalpetersaͤure etc.,
                              benehmen ihm seine schoͤne Farbe und fuͤhren es auf Oxydulsalz
                              zuruͤk. Man koͤnnte es also anwenden, um die schwefelige Saͤure
                              in kaͤuflicher Salzsaͤure aufzufinden, weil einige Tropfen dieser
                              rothen Fluͤssigkeit in leztere gegossen, sich schnell entfaͤrben
                              muͤßten, so wenig schwefelige Saͤure auch vorhanden waͤre.
                              Jenes Reagens bietet aber in diesem Falle nicht alle Vortheile dar, welche es auf
                              den ersten Blik zu gewaͤhren scheint. Erstens ist es wie alle rothen
                              Mangansalze nicht sehr bestaͤndig: es entfaͤrbt sich mit der Zeit in
                              Beruͤhrung mit Luft und ploͤzlich durch Zusaz von Wasser; dazu kommt
                              noch, daß es durch salpeterige Saͤure gerade so wie durch schwefelige
                              zerstoͤrt wird, so daß es also bei solcher Salzsaͤure die salpeterige
                              Saͤure enthaͤlt und die in der That sehr oft vorkommt, nicht als
                              Reagens angewandt werden kann.
                           Da ich von Fabrikanten sehr haͤufig ersucht wurde, die Salzsaͤure der
                              chemischen Fabriken auf ihre Reinheit zu pruͤfen und in meiner
                              Mineralwasserfabrik (in Rouen) selbst betraͤchtliche Quantitaͤten
                              davon verbrauche, so suchte ich ein einfaches, schnell ausfuͤhrbares und
                              untruͤgliches Verfahren auszumitteln, wodurch sich die geringsten Spuren von
                              schwefeliger Saͤure darin entdeken lassen. Folgendes eignet sich selbst in
                              den Haͤnden der ungeuͤbtesten Personen vollkommen zu diesem Zwek. Es
                              gruͤndet sich auf das Verhalten des salzsauren Zinnoxyduls (sogenannten
                              Zinnsalzes) zur schwefeligen Saͤure. Pelletier
                              fand naͤmlich schon vor langer Zeit, daß dieses Salz sich in
                              Beruͤhrung mit schwefeliger Saͤure desoxydirt und einen schoͤn
                              gelben Niederschlag gibt, aus Schwefel und Zinnoxyd bestehend.
                           Man verfaͤhrt folgender Maßen:
                           Man bringt in ein Glas ungefaͤhr eine halbe Unze (16 Gramme) von der zu
                              pruͤfenden Salzsaͤure, versezt sie mit 2 bis 3 Quentchen Zinnsalz (das
                              ganz weiß und durch die Luft noch nicht veraͤndert ist), ruͤhrt mit
                              einem Glasstabe um und gießt in das Gemisch unter Umruͤhren das zwei-
                              bis dreifache Gewicht destillirten Wassers.
                           Wenn die Salzsaͤure keine schwefelige Saͤure enthaͤlt, stellt
                              sich nach dem Zusaze des Zinnsalzes und des Wassers keine besondere Erscheinung ein; ersteres
                              loͤst sich auf und die Fluͤssigkeit wird bloß durch die Einwirkung der
                              Luft auf das Salz truͤb.
                           Wenn aber nur ein wenig schwefelige Saͤure vorhanden ist, truͤbt sich
                              die Fluͤssigkeit sogleich nach dem Zusaze des Zinnsalzes, man riecht, sobald
                              das destillirte Wasser eingeruͤhrt wurde, den gebildeten Schwefelwasserstoff,
                              die Fluͤssigkeit erhaͤlt eine braͤunliche Farbe und sezt ein
                              Pulver von derselben Farbe ab. Diese Erscheinungen sind so auffallend, daß man
                              uͤber die Gegenwart oder Abwesenheit von schwefeliger Saͤure nicht
                              einen Augenblik in Zweifel seyn kann.
                           Bisweilen stellt sich die braune Farbe erst nach einigen Minuten ein; sie wird um so
                              dunkler, je mehr schwefelige Saͤure vorhanden ist. Schwefelwasserstoff
                              entbindet sich nur in dem Augenblike, wo man die Saͤure mit Wasser
                              verduͤnnt. Laͤßt man die gefaͤrbte Fluͤssigkeit ruhig
                              stehen, so sezt sich dann ein braungelbes Pulver ab, welches nach meiner
                              Untersuchung ein Gemenge von Schwefelzinn mit Zinnoxyd ist.
                           Diese merkwuͤrdige Reaction laͤßt sich leicht erklaͤren. Ein
                              Theil des Zinnsalzes verwandelt sich auf Kosten eines anderen Theiles dieser
                              Verbindung in salzsaures Zinnoxyd, waͤhrend das freigewordene Zinn auf die
                              schwefelige Saͤure so wirkt, daß Zinnoxyd und Einfachschwefelzinn entstehen.
                              Die geringe Menge von Schwefelwasserstoff, welche sich sogleich nach dem Zusaze des
                              destillirten Wassers bildet, ruͤhrt daher, daß sich von dem gebildeten
                              Schwefelzinn in der vorhandenen Salzsaͤure etwas aufloͤst.
                           Damit sich die angegebenen Erscheinungen einstellen, muß man das Zinnsalz aber stets
                              der Salzsaͤure zusezen, ehe man das Wasser beimischt; denn wuͤrde man
                              die Saͤure zuerst verduͤnnen, so wuͤrde auf den Zusaz des
                              Zinnsalzes keine Faͤrbung erfolgen.
                           Mein analytisches Verfahren empfiehlt sich, wie man sieht, durch seine Einfachheit
                              und schnelle Ausfuͤhrbarkeit; in einer Minute ist die Reinheit einer
                              kaͤuflichen Salzsaͤure ohne Umstaͤnde und ohne Kosten
                              entschieden. Ich habe mich oͤfters uͤberzeugt, daß man da, durch ein
                              Procent schwefeliger Saͤure stets sicher entdekt. Es ist daher nicht nur in
                              den Fabriken, sondern auch bei wissenschaftlichen Untersuchungen anwendbar.
                           Ich habe nun auch erfahren, daß mehrere Fabrikanten, die ihre Salzsaͤure immer
                              mit schwefeliger Saͤure verunreinigt erhalten, sie dadurch von lezterer
                              befreien, daß sie Chlor hineinleiten, welches sie durch Zersezung des Wassers in
                              Schwefelsaͤure verwandelt; die Verunreinigung mit Schwefelsaͤure ist
                              naͤmlich fuͤr viele Anwendungen der Salzsaͤure nicht so
                              nachtheilig, wie z.B. zur Bereitung von Kohlensaͤure fuͤr die
                              Mineralwasserfabriken; in anderen Faͤllen hin gegen, wie zur Bereitung von
                              Zinnsalz (wobei solche Saͤure viel schwefelsaures Zinn erzeugt, das
                              fuͤr den Fabrikanten verloren ist) muß man sich vor solcher Saͤure
                              huͤten.