| Titel: | Ueber Blausäurebereitung; von Thomas Everitt, Prof. der Chemie. | 
| Fundstelle: | Band 56, Jahrgang 1835, Nr. XXXVII., S. 225 | 
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                        XXXVII.
                        Ueber Blausaͤurebereitung; von Thomas Everitt, Prof. der
                           Chemie.
                        Im Auszuge aus dem London and Edinburgh philosophical
                                 Magazine, Februar 1835, S. 97.
                        Everitt, uͤber Blausaͤurebereitung.
                        
                     
                        
                           Die Zersezung des eisenblausauren Kalis (Blutlaugensalzes) mittelst
                              Schwefelsaͤure duͤrfte in der Folge gewoͤhnlich zur Bereitung
                              von Blausaͤure fuͤr chemische und medicinische Zweke angewandt werden,
                              well man sich jenes Salz zu einem sehr billigen Preise chemisch rein verschaffen
                              kann; dieß veranlaßte mich, durch Versuche genau auszumitteln, welche Reaction bei
                              seiner Zersezung durch Schwefelsaͤure Statt findet.
                           Die Formel des gelben eisenblausauren Kalis ist 2 KCy +
                              FeCy + 3 Aq. Kocht man
                              es mit Schwefelsaͤure in einem verschlossenen Gefaͤße, so bleiben 3/4
                              des Kaliums als doppeltschwefelsaures Kali in der Aufloͤsung, indem sein Cyan
                              als Blausaͤure uͤberdestillirt: das uͤbrige 1/4 verbindet sich
                              als Cyankalium mit allem Cyaneisen und bildet damit ein gelbes
                              unaufloͤsliches Salz.
                           Daß dieses wirklich der Hergang bei der Zersezung ist, beweist folgender Versuch:
                           a) 212,5 Gran krystallisirten eisenblausauren Kalis
                              wurden in 2 Unzen Wasser aufgeloͤst und noch 600 Gran verduͤnnter
                              Schwefelsaͤure von 1,179 spec. Gewicht (die 20 Proc. wasserfreie
                              Saͤure enthaͤlt), also im Ganzen 120 Gran wirklicher Saͤure
                              zugesezt; das Gemisch wurde in einem Gefaͤße, welches, um den freien Eintritt
                              der Luft abzuhalten, theilweise verschlossen war, so lange im Kochen erhalten, bis
                              es keinen Geruch nach Blausaͤure mehr verbreitete, worauf man das gelbe Salz
                              sammelte, aussuͤßte und bei 220° F. troknete. Es wog 87,1 Gran. Die
                              Berechnung ergibt 87,16 Gr. Dieses Salz nimmt sehr leicht eine gruͤnliche
                              Farbe an, wenn die Luft nicht sorgfaͤltig von dem Gefaͤße
                              ausgeschlossen wird. Um seine wahre Farbe beobachten zu koͤnnen, muß man
                              daher die Flasche mit kohlensaurem Gase fuͤllen, ehe man die Saͤure
                              zusezt.
                           b) Die farblose Aufloͤsung, welche durch das
                              Filter ging und das doppeltschwefelsaure Kali enthielt, erforderte zur
                              Neutralisirung 150,6 Gr. doppeltkohlensaures Kali. Die Berechnung ergibt 1 1/2
                              ( + 2 + 1 Aq)
                              150,58 Gr. Es hatten also 3 Mischungsgewichte Schwefelsaͤure nur 1 1/2 Kali aufgenommen. Bei
                              einem Versuche bestimmte man die Schwefelsaͤure auch mit salpetersaurem Baryt
                              und uͤberzeugte sich dadurch, daß sie vollstaͤndig in der
                              Aufloͤsung enthalten war.
                           c) Um die entweichende Blausaͤure zu bestimmen,
                              loͤste man 106,3 Gr. eisenblausaures Kali in 2 Unzen Wasser auf, versezte die
                              Fluͤssigkeit mit 300 Gr. verduͤnnter Schwefelsaͤure von 1,179
                              spec. Gewicht (= 60 Gran wirklicher Saͤure) und leitete durch eine
                              Roͤhre den Dampf in einen großen Recipienten, welcher eine verduͤnnte
                              Aufloͤsung von salpetersaurem Silber enthielt. Das erhaltene Cyansilber wog
                              101,4 Gr. Die Berechnung ergibt 100,8 Gr.
                           Um Blausaͤure aus eisenblausaurem Kali und Schwefelsaͤure zu bereiten,
                              muß man also auf 212,47 Gran der in ungefaͤhr 2 Unzen Wasser
                              aufgeloͤsten Krystalle so viel verduͤnnte Schwefelsaͤure
                              zusezen, daß diese 120 Gran wasserfreie Saͤure enthaͤlt; wenn man die
                              Destillation sorgfaͤltig leitet, gehen dann 41 Gran Blausaͤure
                              uͤber und zwar, wie ich finde, mit dem ersten Drittel des Wassers: es muß
                              folglich Wasser in den Recipienten gebracht und derselbe sehr kalt erhalten werden.
                              Kein Verfahren, wobei man zum Destilliren oder Filtriren schreiten muß, liefert
                              jedoch eine verduͤnnte Blausaͤure von stets gleichfoͤrmiger
                              Staͤrke, so sorgfaͤltig man auch die Operation leiten mag, und selbst
                              dann nicht, wenn der Recipient mit Eis umgeben wird. Es ist daher bei allen diesen
                              Verfahrungsarten unumgaͤnglich noͤthig, das Product mittelst
                              salpetersauren Silbers oder mittelst Queksilberoxyd auf seinen Gehalt zu
                              pruͤfen. Das Silbersalz verdient den Vorzug, denn wenn man beim Filtriren,
                              Troknen und Wiegen des Niederschlages einen Fehler begeht, so wird derselbe auf 1/3
                              reducirt, indem 100 Gran Cyansilber nur 20,38 Blausaͤure entsprechen.Das salpetersaure Silber ist eines der empfindlichsten Reagentien auf
                                    Blausaͤure. Wenn man uͤber ein Gefaͤß, woraus etwas
                                    Blausaͤuredampf emporsteigt, ein mit Silberaufloͤsung
                                    befeuchtetes Uhrglas stuͤrzt, so wird sich in wenigen Augenbliken
                                    Cyansilber bilden. Um in der Blausaͤure kleine Quantitaͤten
                                    Salzsaͤure und Schwefelsaͤure zu entdeken, verfaͤhrt
                                    man am besten folgender Maßen: man gießt etwas von der Saͤure in ein
                                    Uhrglas, versezt sie mit zwei oder drei Tropfen Ammoniak, stellt das Glas
                                    auf das Sandbad und verdampft zur vollkommenen Trokniß; das Ammoniak und die
                                    Blausaͤure verfluͤchtigen sich ganz und es bleibt, wenn
                                    Salzsaͤure oder Schwefelsaͤure zugegen waren, nur etwas
                                    salzsaures und schwefelsaures Ammoniak zuruͤk; zwei Tropfen
                                    destillirten Wassers werden diese aufloͤsen, und wenn man dann die
                                    eine Haͤlfte davon mit salpetersaurem Silber und die andere mit
                                    salpetersaurem Baryt versezt, so wird sich die Gegenwart oder Abwesenheit
                                    jener Saͤuren zu erkennen geben. War die Blausaͤure ganz rein,
                                    so wird das Uhrglas nach dem Abdampfen kaum beschmuzt seyn und Wasser nichts
                                    aufloͤsen. A. d. R.
                              
                           Man kann jezt die Blausaͤure zum medicinischen Gebrauche sehr leicht nach Dr. Clarke's Verfahren aus Cyankalium und
                              Weinsteinsaͤure bereiten, da Hr. Laming ein sehr reines Cyankalium in
                              den Handel bringt. Uebrigens habe ich mich uͤberzeugt, daß es kostspielig
                              seyn muß, dieses Salz, das Cyankalium, in ganz reinem Zustande darzustellen, und es
                              gelang mir dieses nur dadurch, daß ich es aus seiner Aufloͤsung in Alkohol
                              krystallisiren ließ. Es ist uͤberdieß in hohem Grade zerfließlich.Man vergleiche uͤber Clark's Bereitungsart
                                    der Blausaͤure auch die Bemerkungen des Hrn. Robiquet im Polytechn. Journale Bd. XLIII. S. 49. A. d. R.
                              
                           Ich habe viele Versuche angestellt, um ein zwekmaͤßiges Verfahren
                              auszumitteln, die Blausaͤure zum medicinischen Gebrauche aus Cyansilber und
                              verduͤnnter Salzsaͤure zu bereiten. Das Cyansilber bietet viele
                              Vortheile dar; es ist vollkommen bestaͤndig und weder Licht noch Feuchtigkeit
                              veraͤndern es; man kann sich leicht von seiner Reinheit uͤberzeugen,
                              und fuͤnf Gran desselben liefern immer einen Gran Saͤure. Es
                              laͤßt sich auf die Art erhalten, daß man den bei Zersezung des
                              eisenblausauren Kalis mittelst Schwefelsaͤure sich entwikelnden Dampf in eine
                              Pinte Wasser leitet, worin 255 Gran salpetersaures Silber aufgeloͤst sind,
                              den Niederschlag aussuͤßt und bei 212° F. troknet. Man erhaͤlt
                              201,6 Gr. weißes Cyanid. Um aus diesem Salze Blausaͤure zum medicinischen
                              Gebrauche zu bereiten, braucht man es nur in einem Stoͤpselglase mit
                              verduͤnnter Salzsaͤure zu uͤbergießen, deren Staͤrke von
                              der Art ist, daß jede Drachme genau 5 Gran Cyanid zersezen kann. Man
                              schuͤttelt das Gemisch in der ersten Viertelstunde mehrmals stark unter
                              einander, stellt es dann bei Seite, damit sich das Chlorsilber absezen kann, und
                              gießt die klare Fluͤssigkeit hierauf in ein anderes Glas von dem
                              Niederschlage ab. Jede Drachme von dieser Fluͤssigkeit wird einen Gran
                              wasserfreie Blausaͤure enthalten.
                           Anfangs glaubte ich, daß die wenige freie Salzsaͤure, welche in der
                              Aufloͤsung zuruͤkbleibt, diese Bereitungsart der Blausaͤure
                              verwerflich macht, da in allen Lehrbuͤchern der Chemie bemerkt ist, daß durch
                              eine geringe Menge von einer Mineralsaͤure die Zersezung der
                              Blausaͤure sehr beschleunigt wird; jene Angabe steht aber, wenigstens
                              hinsichtlich der Salzsaͤure, mit der Erfahrung ganz in Widerspruch. Ich
                              bereitete 4 Unzen vollkommen reine Blausaͤure, versezte 2 Unzen davon mit
                              fuͤnf Tropfen Salzsaͤure und ließ die anderen 2 Unzen in einem
                              besonderen Glase in ihrem reinen Zustande; beide Flaͤschchen wurden dann
                              umgekehrt in ein glaͤsernes Gehaͤuse gebracht, so daß sie
                              waͤhrend des Tages das zerstreute Licht hatten. Nach drei Wochen war die
                              reine Saͤure ganz braun geworden und es hatte sich eine betraͤchtliche
                              Menge eines festen Niederschlages darin gebildet; die andere blieb ganz klar und
                              farblos und hatte, wie sich bei ihrer Untersuchung ergab, noch 19/20 ihres
                              anfaͤnglichen Saͤuregehaltes. Auch hat mir Hr. Barry gesagt, daß ihm eine vierzehnjaͤhrige Erfahrung dasselbe
                              Resultat lieferte, so daß er jezt alle zum medicinischen Gebrauche bestimmte
                              Blausaͤure absichtlich mit ein wenig Salzsaͤure versezt.