Titel: Ueber die Fabrikation des rothen Saffians (Maroquins).
Fundstelle: Band 56, Jahrgang 1835, Nr. LXXIX., S. 439
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LXXIX. Ueber die Fabrikation des rothen Saffians (Maroquins). Ueber die Fabrikation des rothen Saffians (Maroquins). Hr. Dr. W. H. von Kurrer beschreibt in den Mittheilungen fuͤr Gewerbe und Handel, welche der Verein zur Ermunterung des Gewerbsgeistes in Boͤhmen herausgibt (1835, 7. Lieferung), ein Verfahren zur Bereitung des rothen Saffians, wonach man in einer wuͤrtembergischen Fabrik ein ausgezeichnet schoͤnes Product erhaͤlt. Es besteht in Folgendem: A. Zubereitung der rohen Ziegenfelle. Die Felle werden in einer Kufe mit weichem Wasser eingeweicht, jeden Tag aufgeschlagen, wieder eingestoßen, nach 3 bis 4 Tagen herausgenommen, aus der Ader gestrektAus der Ader gestrekt bedeutet, daß die Felle, nachdem sie aus der Kufe genommen sind, auf einem Schabebaume mit einem Eisen oder Schabemesser auf der Fleischseite rein gestrekt, nochmals in das Wasserbad eingelegt werden, und die Manipulation mit dem Schabemesser noch ein Mal wiederholt wird. A. d. O. und nochmals in das Wasserbad eingelegt. Den andern Tag werden sie wieder gestrekt, bis sie ganz kernweich geworden sind; ist dieses der Fall, so bringt man sie in die Kalkbeize, wo sie alle 2 bis 3 Tage aufgeschlagen werden, welches vermittelst einer Zange geschieht, die jeder Gerber besizt. Diese Operation dauert so lange, bis sich die Haare leicht abloͤsen lassen, welches im Sommer eine Zeit von 12–14 Tagen, im Winter hingegen 18–21 Tage erfordert. In solchem Zustande werden sie enthaart und geschabt (die Fuͤße, Koͤpfe und Eiter werden abgeschnitten, indem solche in der Gerbung hart werden und uͤberhaupt die Felle verunstalten), uͤber Nacht in fließendes Wasser eingehangen, den andern Morgen in einer hoͤlzernen Kufe mit Stampfet gestampft und mit lauwarmem Wasser abgewaschen. Sie werden jezt mit einem scharfen Eisen auf der Fleischseite abgezogen, nachgehends auf der Narbenseite mit einem besonders dazu hergerichteten Schiefer geglaͤttet, mit einem stumpfen Eisen gestrichen, in frisches Wasser geworfen, dann noch ein Mal in der Kufe mit lauem Wasser gestampft, wieder abgezogen, in eine andere aͤhnliche Kufe gebracht, in welcher die Beize gegeben wird. B. Zubereitung und Behandlung der Felle in der Beize. Fuͤr 120 Stuͤk Felle werden 2 wuͤrtembergische Simri (1 Simri = 1116'8 par. Kubikzoll) reine Korn- oder Weizenkleie und 1 Pfd. Kochsalz verwendet. Die Kufe wird ungefaͤhr 3/4 voll mit Wasser angefuͤllt, welches so heiß seyn muß, daß der Arbeiter noch mit den Haͤnden manipuliren kann. Die Kleie wird jezt durch ein Sieb in das heiße Wasser gebracht, zulezt das Kochsalz hinzugethan und das Ganze wohl umgeruͤhrt. Bei dem Behandeln in der Beize sind 3 Personen erforderlich: zwei davon werfen die Felle so schnell als moͤglich in die Beize, und die dritte ruͤhrt sie mit einem Stoke recht schnell herum, um zu verhindern, daß sie nicht durch das heiße Wasser verbrannt werden. Das Herumtreiben der Felle in der Fluͤssigkeit wird eine halbe Viertelstunde unausgesezt unterhalten, dann werden sie auseinander gezogen, untergetaucht, und die Kufe mit einem gut schließenden Dekel geschlossen, uͤber welchen noch Matten gebreitet werden, um die Temperatur laͤnger warm zu erhalten. Den andern Morgen in der Fruͤhe werden die Felle, welche sehr gestiegen seyn werden, noch ein Mal umgeruͤhrt, alsdann herausgenommen und die angehaͤngte Kleie auf der Fleischseite mit scharfem Eisen abgezogen, in frisches Wasser gebracht, mit lauem Wasser abgestampft, abermals abgezogen und in ein reines Geschirr geworfen. In solchem Zustande werden sie auf einen reinen Tisch zusammengelegt, nach Art wie sie auf dem lebenden Thiere waren, und durchaus mit schwachen Bindfaden zusammengenaͤht, wieder ins frische Wasser geworfen, bis solche gefaͤrbt werden. Eine Stunde vor dem Faͤrben werden die Felle auf einem dazu eigens verfertigten Bok oder Schragen, mit Leinewand belegt, breit hingelegt und dann wird mit dem Grundiren begonnen. C. Grundiren der Felle. Zum Grundiren von 50 Stuͤk großen Fellen nimmt man 4 Pfd. Luͤkeralaun, bringt in ein dazu bestimmtes hoͤlzernes Gefaͤß, welches 50 Maaß Fluͤssigkeit enthaͤlt, 30 Maaß (wuͤrtemberger) siedendes Wasser, in welchem der Alaun aufgeloͤst wird. Wenn derselbe vollkommen aufgeloͤst ist, werden noch 20 Maaß siedendes Wasser hinzugegeben und bis zum Grundiren zugedekt. Beim Grundiren bedient man sich kleiner Mulden, welche schraͤg gestellt werden, daß der Grund gegen den Arbeiter zu steht. Jedes Fell wird einzeln grundirt. Fuͤr jedes wird 1 Maaß Grund in die Mulde genommen, und so lange das Fell darin gebadet, bis der Grund kalt geworden; dann wird das Fell wieder auf den Bok gelegt und der benuzte Grund in ein zur Seite stehendes hoͤlzernes Gefaͤß gethan, indem solcher noch zwei Mal benuzt wird. Wenn die Felle alle grundirt sind, wird alsbald zum Faͤrben geschritten. D. Bereitung der Faͤrbefluͤssigkeit. Faͤrben der Felle. Zu 50 großen Ziegenfellen bereitet man die Faͤrbefluͤssigkeit, wie folgt: Es werden den Tag vor dem Faͤrben 3 1/2 Pfd. Gelbholz mit beilaͤufig 2 Ihmi reinem weichem Wasser drei Mal gut ausgekocht, das Decoct zusammen in den Kessel gebracht, das Feuer weggenommen, und in der noch heißen Fluͤssigkeit 4 Loth gestoßener roͤmischer Alaun aufgeloͤst. Gleichzeitig werden 3/4 Pfd. Fernambukholz in einem anderen Kessel, der ein halbes Ihmi (1/32 Eimer) Wasser faßt, gut abgekocht, ohne dem Decoct Alaun zuzugeben. In einem kupfernen, besser zinnernen oder verzinnten Kessel, welcher 160 Maaß faßt, wird reines welches Wasser zum Sieden gebracht. Wenn 50 Maaß desselben zum Grundiren verwendet sind, werden nachfolgende Materialien in Bereitschaft gehalten. Man bringt in einen Topf 1/2 Pfd. gut calcinirte Potasche, gießt 2 1/2 Maaß siedendes Wasser daruͤber, und laͤßt die Lauge stehen, bis sie sich gesezt hat, indem nur die klare Aufloͤsung angewendet wird. Jezt nimmt man einen anderen Topf, der ungefaͤhr 2 bis 2 1/2 Maaß Wasser enthaͤlt, in welchen 1 Pfd. Heller feingestoßener und gesiebter Florentiner Lak mit 5 Schoppen der obigen Kalilauge zu einem Brei angeruͤhrt und durch Hinzubringen siedenden Wassers aus dem Kessel zur Fluͤssigkeit gemacht werden, welche in den Kessel geschuͤttet wird. 30 Loth fein gestoßene und gesiebte Cochenille werden, wie der Florentiner Lak mit Lauge und Wasser angeruͤhrt und gleichfalls in den Kessel gebracht. Bei allen diesen Zugaben wird der Kessel stets in Sud erhalten. Man laͤßt ihn jezt 5 Minuten kochen, sezt 3 Loth praͤparirten Weinstein hinzu und gibt Acht, daß die kochende Fluͤssigkeit nicht uͤbersteigt; zulezt werden 12 Loth fein gepulverter rother Arsenik zugegeben. Das Ganze laͤßt man noch etwas aufkochen, ruͤhrt es oben auf, damit der Saz nicht in Bewegung gebracht wird, gibt das Fernambukholz- und gleich darauf das Gelbholzdecoct hinzu. Sollte der Kessel nicht ganz voll werden, so ersezt man das Fehlende durch Wasser. Das Feuer wird noch einige Minuten unterhalten, alsdann ausgeloͤscht, und der Kessel bis zum Faͤrben zur Haͤlfte mit einem Dekel geschlossen. Es geschieht gewoͤhnlich, daß waͤhrend der Fabrikant die Farben bereitet, die Gesellen oder Tagloͤhner sich mit dem Grundiren beschaͤftigen. Bei der Zubereitung der Farbe ist, wie beim Gerben, hauptsaͤchlich darauf zu sehen, daß man sich eines reinen weichen Wassers bedient. Wenn Alles vorgerichtet ist, wird zum Faͤrben geschritten, wobei jedes Fell einzeln auf nachstehende Weise gefaͤrbt wird; Erstes Faͤrben. Man bedient sich aͤhnlicher schraͤg gestellter Mulden wie beim Grundiren, nimmt 1 Maaß Farbe auf ein jedes Fell, und badet es so schnell als moͤglich in der heißen Fluͤssigkeit, damit es nicht verbrennt, so lange, bis die Farbe erkaltet ist. Die uͤbrig gebliebene kalte Fluͤssigkeit wird ausgeschuͤttet, das Fell wieder in schon gebrauchtem Grund grundirt, auf den Bok gelegt und aus einander gebreitet, damit es beim zweiten Faͤrben keine weißen oder hellen Streifen bekommt. Zweites Faͤrben. Das zweite Faͤrben wird ganz wie das erste verrichtet, und die Felle werden nach demselben abermals grundirt. Drittes Faͤrben. Das dritte Faͤrben wird wie die vorangegangenen verrichtet, nur mit dem Unterschiede, daß die Felle nicht mehr grundirt, sondern in frisches Wasser geworfen werden. Nach dem Faͤrben werden die Mulden rein ausgespuͤlt, und jeder Arbeiter muß, mit einem guten Messer versehen, die Felle in seiner Mulde auftrennen, und alsdann jedes Fell in frischem Wasser ausspuͤlen und auf dem Boke zusammenlegen. Die Felle kommen jezt zum Gerben. E. Gerben derselben. Fuͤr 50 Felle rechnet man 36 bis 37 fein gestoßene und gesiebte weiße Aleppogallaͤpfel, wobei auf nachstehende Weise verfahren wird: Ein ovales Faß, welches mit einem Haspel versehen ist, wird mit weichem Wasser 3/4 voll angefuͤllt, dann werden die Felle, die Narbenseite in die Hoͤhe sehend, breit in das Wasser eingelegt, und der Haspel in dem Gefaͤße so angebracht, daß die Felle durch das Drehen desselben stets im Ringe herumlaufen. Es werden nun 12 Pfd. Gallaͤpfel unter bestaͤndigem Umdrehen des Haspels, damit sich dieselben nicht zusammenziehen, sondern gleichfoͤrmig zertheilen koͤnnen, hinzugebracht. Nach einer Stunde unausgesezten Umdrehens werden wieder 12 Pfd. Gallaͤpfel gereicht, und nach Verlauf von 3 Stunden erfolgt die lezte Portion. Die Felle werden nun noch 8 Stunden unausgesezt umgedreht, der Haspel abgenommen, die Felle in der Lohbruͤhe abgespuͤlt, und die ungefaͤrbte Seite von Außen auf einen Aufschlag, welcher ober dem Fasse angebracht wird, aufgeschlagen und 2 Stunden lang liegen gelassen, bis die Bruͤhe hell ist. Jezt werden die Felle wieder in dieselbe Lohe eingestoßen; nach Verlauf von 3 Mal 24 Stunden, nachdem sie jeden Tag zwei Mal aufgeschlagen worden, und eine Stunde aufgehaͤuft gelegen haben, erscheinen sie vollkommen gegerbt. Sie werden jezt in reinem Wasser ausgespuͤlt, ausgewunden, aufgezogen und auf einer Tafel vermittelst eines Schwammes mit reinem Leinoͤhl eingeoͤhlt, aufgehangen und abgetroknet. Im Winter verrichtet man das Einoͤhlen in einer warmen Stube, in welcher man die Felle so lange laͤßt, bis sie alles Oehl eingesogen haben. Sie werden zulezt in einem kalten Local aufgehangen, wo durch das Frieren die Fleischseite eine weiße Farbe annimmt. F. Appretur. Nach dem Troknen werden die Felle duzendweise, die Fleischseite oben, auf einer Tafel ausgebreitet, vermittelst einer Buͤrste mit Wasser angefeuchtet und zusammengelegt, damit sie gleichfoͤrmig von der Feuchtigkeit durchzogen werden. Nun werden sie an den Enden, wo die Farbe etwas eingezogen hat, gefalzt, hernach das Fell, je nachdem es stark oder schwach im Leder seyn soll, geschlichtet. Das Schlichten geschieht nun bei der einen oder bei der anderen Art mit scharfen dazu bestimmten Werkzeugen. Sie werden jezt wieder getroknet, in frischem Wasser so weich als moͤglich gemacht, und auf einer polirten Tafel von hartem Holz mit der messingenen Reke moͤglichst platt bearbeitet, platt ausgebreitet aufgehangen und getroknet; nach dem Troknen auf der gefaͤrbten Seite durch einen Schwamm, in reines Wasser getaucht, angefeuchtet, und in solcher Beschaffenheit unter eine Maschine gebracht, in welcher eine Kugel von Buxbaumholz eingeschraubt ist, um den Glanz hervorzubringen. Zulezt werden sie mit einem Pantoffelholz unter sich gezogen und mit einer zweiten Kugel, welche vom Dreher mit einem Zug versehen worden ist, drei Mal gezogen oder gestoßen, das erste Mal in die Breite, das zweite Mal etwas in die Quere, und das dritte Mal wieder verkehrt, wonach sie fuͤr den Verkauf fertig sind. Diese lezte Zurichtung erfordert einen eingeuͤbten Arbeiter, weil sonst leicht die Felle verdorben werden.