Titel: | Ueber das amerikanische Dampfboot „Lexington“ und dessen außerordentliche Geschwindigkeit. Von einem Amerikaner. |
Fundstelle: | Band 58, Jahrgang 1835, Nr. XXV., S. 195 |
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XXV.
Ueber das amerikanische Dampfboot „Lexington“ und dessen außerordentliche
Geschwindigkeit. Von einem Amerikaner.
Aus dem Mechanics' Magazine, No.
627.
Ueber die Geschwindigkeit eines amerikanischen
Dampfbootes.
Das Dampfboot Lexington, welches zur Communication zwischen Providence und
New-York bestimmt ist, machte im Laufe des Monates Junius 1835 seine erste
Fahrt, und zeichnete sich hiebei so aus, daß es die allgemeine Aufmerksamkeit
erregte. Das neue Boot ist naͤmlich nicht nur so elegant und angenehm
eingerichtet, daß es in dieser Hinsicht jedem anderen Boote ersten Ranges
gleichkommt; sondern seine Vorzuͤge beruhen hauptsaͤchlich auf seiner
Festigkeit, auf der Leichtigkeit, mit der es sich im Wasser bewegt, und vor Allem
auf seiner Geschwindigkeit, an der es alle bisher bekannten Boote der Welt in einem
bis jezt fuͤr unerreichbar gehaltenen Grade uͤbertrifft. Die vom
Lexington erzielte Geschwindigkeit ist auch in der That eine solche, daß dadurch der
relative Werth der in neuerer Zeit gemachten Verbesserungen an den
Communicationsmitteln wesentlich veraͤndert werden duͤrfte.
Der Lexington brauchte zu seiner Fahrt von New-York nach Providence, –
eine Streke, welche auf 210 engl. Meilen angegeben wird, – nach Abzug von 8
Minuten fuͤr Aufenthalt, nicht mehr als 12 Stunden 28 Minuten; die Ruͤkfahrt von
Providence bis zu dem Dry Dock von New-York legte er in 12 Stunden
zuruͤk. Eine Streke Weges uͤber betrug seine Geschwindigkeit 20 Meilen
in der Zeitstunde!
Der Bau des Lexington ist in mehrfacher Hinsicht neu, und diesen neuen Einrichtungen
hat er hauptsaͤchlich seine außerordentlichen Eigenschaften zu verdanken. Er
hat 208 Fuß Laͤnge, 22 Fuß Weite und 11 1/2 Fuß Tiefe. Seine Zimmerung,
welche mit groͤßter Genauigkeit und Vollendung gearbeitet ist, ist so
berechnet, daß die groͤßte Staͤrke dadurch erreicht wird; besonders
ist es aber der Bau des Verdekes, der den Vorder- und Hintertheil dieses
Fahrzeuges in Stand sezt, den ungeheueren Druk auszuhalten, der bei einer so großen
Geschwindigkeit nothwendig auf dieselben entstehen muß. Das Verdek ist
naͤmlich hier ein Gewoͤlbe, und es kommt der Druk auf die Enden der
Balken und Bohlen anstatt auf deren Seiten. Der Kolbenhub betraͤgt 11 Fuß,
die Wasserraͤder haben 24 Fuß im Durchmesser und machen in jeder Minute 21
bis 23 Umgaͤnge. Der Kessel und die schweren Theile der Maschine sind so viel
als moͤglich im Kielraum untergebracht. Der ganze Bau wurde unter der Leitung
des Eigenthuͤmers, Capitaͤn Cornelius Vanderbilt, von den HH. Bishop und Simonson gefuͤhrt, und zeigt eben so viele
Kenntniß in der Mechanik, als kuͤhnen und schaffenden Geist. Ich bemerke
schließlich nur noch, daß der Verbrauch an Brennmaterial bei dieser großen
Geschwindigkeit nur halb so groß ist, als an den gewoͤhnlichen
Dampfbooten.
Anhang.
Als Nachtrag hiezu liefert ein anderer Amerikaner, Namens James Barstow, in einer spaͤteren Nummer des Mechanics' Magazine folgende sogenannte Erlaͤuterung, die angeblich
aus einer guten Quelle fließen soll.
Man denke sich zwei vom Hinter- zum Vordertheile gehende Kreisbogen, deren
Sehne etwas laͤnger ist, als das Fahrzeug, und welche durch Klammern in der
Form eines X erhalten werden; man denke sich ferner, daß
diese Bogen senkrecht gestellt, einander gegenuͤber angebracht, und an ihren
Enden mit einander verbunden sind; und daß dicht an jeder Klammer ein
Schraubenbolzen die beiden Bogen zusammenbindet. Ein solches Gebaͤlk muß
nothwendig einem senkrechten Druke mit groͤßter Kraft widerstehen; und zwei
solche Gebaͤlke parallel mit einander angebracht, auf dem Bodengebaͤlk
ruhend, und mit den Seitenbalken und Rippen verbunden, muͤssen nothwendig ein
hoͤchst festes und dennoch leichtes Fahrzeug geben. Ein solches Fahrzeug ist nun der Lexington,
bei dessen Bau man sich die Aufgabe gesezt einen sehr leichten Rumpf zu bauen, und
ihm dessen ungeachtet eine solche senkrechte Staͤrke zu geben, daß er im
Verhaͤltnisse zu seiner Groͤße eine weit groͤßere Kraft
aushalten kann, als dieß gewoͤhnlich der Fall ist. Man kann sagen, daß hier
die Principien des Schiffbaues mit jenen des Haͤuser- und
Bruͤkenbaues verbunden sind, und daß die einwirkende Gewalt uͤber den
ganzen Bau vertheilt wird. Auf die Bogengebaͤlke kann eine große senkrechte
Kraft einwirken, und wenn sie auch einen bedeutenden Laͤngenimpuls
auszuhalten haben, so findet dieser an deren Enden Statt. Selbst die Kessel und
Cylinder der Maschinen werden von diesen Bogengebaͤlken getragen; und die
Wirkung und Gegenwirkung der Kraft ist ganz zwischen denselben eingeschlossen. Ein
nach diesem Plane gebautes Boot von der Breite und Laͤnge des bekannten Burden'schen Zwillingsbootes wird offenbar nur halb so
tief im Wasser gehen, und dabei keinen groͤßeren Querdurchschnitt darbieten;
und waͤhrend der Widerstand nach Abzug des auf zwei Seiten wirkenden derselbe
ist, hat man hier den Vortheil, daß das Wasser nicht so tief getheilt wird, und daß
in Folge der Form des Fahrzeuges die aufhaltende Kraft am Hintertheile vermieden
wird. Ein nicht zu beseitigender Einwurf gegen das Zwillingsboot ist, daß dasselbe
leicht strandet, oder mit dem einen Rumpfe ploͤzlich gegen ein anderes
Fahrzeug oder irgend ein anderes Hinderniß stoͤßt, wo dann nothwendig das
ganze Bewegungsmoment des anderen Rumpfes auf eine Trennung der beiden Boote
abzielt. Zwei Rumpfe, von denen ein jeder so schwer ist, daß er zu Boden sinkt, wenn
er sich gefuͤllt hat, verdoppeln die Gefahr; denn durch das Sinken des einen
Bootes muß nothwendig das ganze Fahrzeug umschlagen. Alles, was ein tieferes Sinken
des einen Rumpfes im Vergleiche mit dem anderen veranlaßt, beeintraͤchtigt
nothwendig auch die Steuerung.
––––––––––––
Gegen diese beiden amerikanischen Angaben erhebt sich nun im Mechanics' Magazine No. 630 Hr. Thorold, indem
er sagt, daß er nicht nur den Bau des Verdekes nach obigen Erlaͤuterungen
durchaus nicht verstehen koͤnne, sondern, daß wenn die angegebenen
Dimensionen richtig sind, eine Geschwindigkeit von 20 Meilen in der Stunde
unmoͤglich ist, da die groͤßte Geschwindigkeit der Ruderraͤder
des Lexington nur 19,7064 Meilen per Stunde gibt.
– Ein anderer Correspondent bemerkt gleichfalls, daß wenn man den angegebenen
Durchmesser des Ruderrades und die Zahl der Kolbenhube als richtig annimmt, die
Geschwindigkeit von 20 Meilen per Zeitstunde um 2 Meilen
groͤßer waͤre, als die Bewegung des Umfanges des Rades. Die schnellsten
Dampfboote, die man kennt, naͤmlich der Diamond, die City of Canterbury und
der Star, haben nur eine Geschwindigkeit von 13 geogr. Meilen in einer Zeitstunde,
und waͤhrend dieser Zeit bewegen sich die Ruderraͤder durch 17 Meilen,
so daß sie daher um 4 Meilen mehr zuruͤklegen, als das Fahrzeug. Wenn der
Durchmesser der Ruderraͤder des Lexington 24 Fuß mißt, und wenn man 22
Kolbenhube per Minute annimmt, so gibt dieß fuͤr
die Raͤder eine Geschwindigkeit von 14 Meilen per
Zeitstunde, so daß mithin nach Abzug von 4 Meilen, – ein Abzug, der wie
gesagt bei den drei schnellsten englischen Dampfbooten gemacht werden muß, –
fuͤr den Lexington hoͤchstens nur noch eine Geschwindigkeit von 14
Meilen bleibt. Man kann demnach die Geschwindigkeit des Lexington's im Durchschnitte
nur zu 13 Meilen per Zeitstunde annehmen, wenn obige
Angaben der Amerikaner richtig sind; und diese Geschwindigkeit ist weder durch den
11 Fuß langen Kolbenhub, noch durch das gewoͤlbte Verdek bedingt, sondern
durch die außerordentliche Laͤnge, welche das Fahrzeug im Vergleiche mit
seiner Breite hat. Fahrzeuge dieser Art moͤgen sich wohl fuͤr die
großen amerikanischen Fluͤsse eignen; nie wird man sich ihrer aber auf den
Fluͤssen des alten Continentes oder auf der hohen See bedienen
koͤnnen.